Das neue Ausländer*innen- und Integrationsgesetz: ein kritischer Rück- und Ausblick
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- Sebastian Dunkle
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1 Das neue Ausländer*innen- und Integrationsgesetz: ein kritischer Rück- und Ausblick Zürich, Stefanie Kurt, Page 1
2 Ausgangsfrage Was ist Integration? «Regierung» / «Steuerung» des Staates von kultureller Vielfalt Verschieden Referenzmodelle: Assimilation, Multikulturalismus, Integration Integration als juristisches Kriterium und als persönliches Erfordernis Konstante Entwicklung der «Verwendung» / «Perspektive» auf den Begriff der Integration (Staat, Gesellschaft, Individuum) Page 2
3 (Rechts)Historischer Rückblick Zwei Aspekte Entwicklung in der Politik und in den gesetzlichen Grundlagen Entwicklung in der Rechtsprechung (wird nicht vertieft) Page 3
4 : «liberale» Politik in der Schweiz (BV 1848) Niederlassungsfreiheit ist gewährleistet (unabhängig der Religionszugehörigkeit) (sog. Bilaterale Niederlassungsverträge) Die Schweiz als Auswanderungsland : «Überfremdung» Zwei Massnahmen in der Gesetzgebung (Begrenzung zur Einreise, Aufenthalt und Niederlassung und «Abbau» der «Überfremdung» via Einbürgerung) 1952: Bürgerrechtsgesetz tritt in Kraft (Bundesebene) Das Erfordernis der «Integration» in die schweizerischen Verhältnisse für die ordentliche Einbürgerung Page 4
5 1960: erste Welle von italienischen Arbeitskräften Feststellung von «Integrationsproblemen» Ende der 1990: «zaghafte» Erscheinung der Integration im Recht Subventionen für die Kantone für die Integration der ausländischen Bevölkerung Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern Page 5
6 2005: Ausländer*innengesetz - der Integrationsbegriff gewinnt an Gewicht Betonung der Wichtigkeit des Willens, dass sich Ausländer*innen integrieren und Offenheit der Schweizer*innen gegenüber der ausländischen Bevölkerung (Art. 4 AuG, Art. 53 AuG, Art. 96 AuG etc.) Die Integrationsidee als eine «Pflicht» (Art. 54 AuG, Art. 4 AuG) 2008: Inkrafttreten des Ausländer*innengesetzes (AuG) 2009: Bericht «Weiterentwicklung der schweizerischen Integrationspolitik» (Tripartite Konferenz) 2010: Bericht zur Weiterentwicklung der Integrationspolitik des Bundes (Bundesrat; «Bericht Schiesser») Page 6
7 : Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes Integrationskriterien Vorstufe des Stufenmodells Integration / 2016: Partielle Revision des Ausländer*innengesetzes Stufenmodell Integration Integration wird «verrechtlicht» 9. Februar 2014: Annahme der Volksinitiative gegen «Masseneinwanderung»: Vorlage wird gesplittet (Integration; Umsetzung der angenommenen Volksinitiative; gestaffelte Inkraftsetzung) Page 7
8 Art. 121a Steuerung der Zuwanderung (BV) 1 Die Schweiz steuert die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern eigenständig. 2 Die Zahl der Bewilligungen für den Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz wird durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente begrenzt. Die Höchstzahlen gelten für sämtliche Bewilligungen des Ausländerrechts unter Einbezug des Asylwesens. Der Anspruch auf dauerhaften Aufenthalt, auf Familiennachzug und auf Sozialleistungen kann beschränkt werden. 3 Die jährlichen Höchstzahlen und Kontingente für erwerbstätige Ausländerinnen und Ausländer sind auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz unter Berücksichtigung eines Vorranges für Schweizerinnen und Schweizer auszurichten; die Grenzgängerinnen und Grenzgänger sind einzubeziehen. Massgebende Kriterien für die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen sind insbesondere das Gesuch eines Arbeitgebers, die Integrationsfähigkeit und eine ausreichende, eigenständige Existenzgrundlage. 4 Es dürfen keine völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden, die gegen diesen Artikel verstossen. 5 Das Gesetz regelt die Einzelheiten. Page 8
9 Ab 2014 kantonale Integrationsprogramme (aktuell Phase II) 2015: Begleitmassnahmen zur Umsetzung der angenommenen Volksinitiative gegen «Masseneinwanderung»: Frühsprachförderung / «Flüchtlingslehre» 2018: Integrationsagenda Schweiz: «Job-coaches» Page 9
10 Zwischenfazit Programmatische Bedeutung der Integration: Integration von ausländischen Personen in der Rechtsordnung als öffentliche Aufgabe und in der Verantwortung der staatlichen Organe Integration als Ermessenskriterium in öffentlich-rechtlichen Verfahren von ausländischen Personen: Kriterium Integration ist verknüpft mit juristischen Konsequenzen Ermessenskriterium des Integrationsgrades: Frage der Objektivität des Rechts (Abwägung) Page 10
11 Ausblick (ab 1. Januar 2019) «Bei der Berücksichtigung der persönlichen Situation einer Ausländerin oder eines Ausländers sind die Anforderungen an die Integration umso höher zu setzen, je mehr Rechte mit dem angestrebten Rechtsstatus verliehen werden (Stufenmodell).» Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration) vom 8. März 2013, BBl , S Page 11
12 Page 12 Stufenmodell Integration
13 Integration und Schutz gegen Diskriminierung Mehrere «Integrationsprüfungen» Zusammenspiel von Integrationsinstrumenten und Integrationskriterien «Rückstufung» Page 13
14 Integration und Schutz gegen Diskriminierung Art. 53 Grundsätze (AIG; Integrationsförderung) 1 Bund, Kantone und Gemeinden berücksichtigen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Anliegen der Integration und des Schutzes vor Diskriminierung. Auszug aus der Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration) vom 8. März 2013, BBl , S Diskriminierungen hindern Ausländerinnen und Ausländer daran, eigenverantwortlich am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen die Integrationsförderung. Page 14
15 Mehrere «Integrationsprüfungen» Rechtsanwendende Behörde Betroffene ausländische Person «konstante» Prüfung des Integrationsverlaufs einer ausländischen Person «staatliche» Integrationskontrolle (?) Was ist mit Personen, welche nicht auf dem Integrationsparcours vorwärts kommen? Page 15
16 Zusammenspiel von Integrationsinstrumenten und Integrationskriterien Einsatz von Integrationsinstrumenten Erstinformation Integrationsvereinbarung Integrationsempfehlung Meldepflicht der Behörden (KESB, Schule etc.) Integrationskriterien / Integrationsinstrumente sind mit «Stabilisierung» / «Verbesserung» des rechtlichen Aufenthaltstitels verknüpft Integrationskriterien Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Respektierung der Werte der Bundesverfassung Sprachkompetenzen Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung Page 16
17 Rechtsanwendende Behörde Betroffene ausländische Person Erstinformation Gesetzliche Verankerung Erleichtert Erstkontakt mit den Behörden Integrationsempfehlung Integrationsvereinbarung Meldepflicht der verschiedenen Behörden (KESB, Schule etc.) Rechtssicherheit / Klärung der Anwendung Rechtssicherheit / Klärung der Anwendung (neu: vorläufig Aufgenommenen) Erhalten mehr Informationen bezüglich Integrationsverlauf einer ausländischen Person Klärt die Erwartungen / kann «abschreckend» wirken Klärt die Erwartungen / kann «abschreckend» wirken Kann als «staatliche Kontrolle» empfunden werden / Eingriff ins Privat- und Familienleben Page 17
18 «Rückstufung» Was heisst "zurückstufen"? Was passiert, wenn sich die betreffende Person erneut nicht an die Vorgaben hält? Machen Sie dann nochmals eine Rückstufung? Bitte schaffen Sie keine neue Bürokratie! Wir hören ja von Ihnen immer wieder, Sie wollten Bürokratie abbauen. Hier schaffen Sie nun mit der Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter eine neue Ausgangslage. Was machen Sie, wenn er dann immer noch integrationsunwillig ist? Ich bitte Sie, hier nicht zusätzliche Bürokratie zu schaffen. Die Kantone haben Sie gebeten, das nicht zu tun. Wir haben klare Kriterien, wann ein Aufenthaltsstatus oder eine Niederlassungsbewilligung widerrufen werden kann. Diese Kriterien gelten selbstverständlich weiterhin. Die zusätzliche Möglichkeit der Rückstufung bringt eigentlich nichts ausser viel Bürokratie, viel Aufwand und wenig Resultate. Bundesrätin Simonetta Sommaruga während der Debatten der Teilrevision AuG (naig), Nationalrat, Herbstsession 2016, Dritte Sitzung, , AB 2016 N Page 18
19 Rückstufung der Niederlassungsbewilligung Rechtsanwendende Behörde «Sanktionierung» bei Integrationsdefizit» Betroffene ausländische Person «Verunsicherung» bezüglich Aufenthaltstatus Verlust von Rechten, die mit dem Aufenthaltsstatus verknüpft sind Page 19
20 Ab 1. November 2018 Forschung zur Interpretation / Anwendung der Integrationskriterien, NCCR on the move, Phase II, Leitung: Prof. Christin Achermann, Universität Neuenburg und Prof. Stefanie Kurt, Hochschule für Soziale Arbeit, HES-SO VS. Informationen auf: Literaturhinweise Kurt Stefanie, La gestione dell integrazione da parte dello Stato: panoramica del modello, d integrazione graduale, in: Terra Cognita 32, S. 64ff. Kurt Stefanie, Fast-Tracking Full Citizenship in the Context of the Swiss Integration Stage Model, NCCR on the Move Working Paper #15, Oktober Kurt Stefanie, Nouvelles exigences en matière d'intégration des étrangers, in: plaidoyer 04/2017 du 3 juillet 2017, S Stefanie Kurt, Sprechen und Schreiben Sie Deutsch? Niveau A1, A2 oder B1?, Blog NCCR on the move, 1. Februar Kurt Stefanie, Keine Integration ohne Information, Blog NCCR on the move, 2. Juni Kurt Stefanie, Keine Teilnahme am Schwimmunterricht = kein Schweizer Pass?, Blog NCCR on the move, 16. März Page 20
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