Bildung, Nachwuchsförderung und Personalentwicklung aus Unternehmenssicht am Beispiel ThyssenKrupp Steel AG
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- Lena Tiedeman
- vor 8 Jahren
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1 Bildung, Nachwuchsförderung und Personalentwicklung aus Unternehmenssicht am Beispiel ThyssenKrupp Steel AG Kommentar Wolf Jürgen Röder Mitglied des Geschäftsführenden Vorstandes der IG Metall (es gilt das gesprochene Wort) 1
2 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte meinen Kommentar in vier Punkte gliedern: Ich möchte 1. eine Einordnung des präsentierten Beispiels vornehmen 2. die Erwartungen der IG Metall an das Programm Zukunft darstellen 3. das Verhältnis von Personalentwicklung und Qualifizierung kommentieren 4. eine abschließende Bewertung vornehmen. Zu 1. Einordnung des präsentierten Beispiels In der Darstellung der aktuellen wirtschaftlichen Anforderungen gibt es zwischen den Unternehmen in der Regel wenig Unterschiede. Die Stichwörter lauten Gewinnerwartung der Anleger, Globalisierung, Standortkonkurrenz u.a.m. 2
3 In der Regel meint man: weil es dieses oder jenes Umfeld gibt, ist dieses oder jenes unternehmerisches Handeln notwendig. Es sind Wenn dann Sätze. Der neoliberale Mainstream bestimmt betriebswirtschaftliches, volkswirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln. Allem voran wird in der Regel die Globalisierung als Grund für dieses Handeln genannt, ein Verständnis von Globalisierung, das sich in dieser Sichtweise als unveränderbares Schicksal entwickelt, dem nur zu entrinnen ist, wenn Standorte geschlossen und soziale Standards in Betrieben und in der Gesellschaft gesenkt werden. Globalisierung macht Kostensenkung und Personalabbau notwendig dies sollen Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Gesellschaft als Naturgesetz akzeptieren. Ebenso hat sich das Thema Demografie als ein wunderbares Einfallstor erwiesen, um Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen oft zu 3
4 Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu verändern. Aus demografischen Gründen, so wird gerne insistiert, sollen wir alle länger arbeiten. Die Demografie ist schuld, wenn das Rentenniveau gesenkt werden soll. Aber es gibt Alternativen im Denken und im Handeln; dies ist das eigentlich Erfreuliche an der soeben vorgestellten Präsentation. Es gibt Unternehmen, die sich den kurzfristigen und überhöhten Gewinninteressen der Kapitalanleger widersetzen können. Unternehmen, in denen Arbeitgeber, Gewerkschaften und Beschäftigte andere Wege gehen, um Standorte zu erhalten und Beschäftigung zu sichern. Unternehmen, in denen die Mitbestimmung gelebt wird. Beispiele hierfür gibt es in allen Branchen. 4
5 Beispiele, wie Volkswagen oder Telekom, wo die Arbeitszeit gesenkt wurde, um vor allem jungen Menschen nach ihrer Ausbildung eine Beschäftigung zu geben und damit zugleich den Altersdurchschnitt einer Belegschaft zu senken. Aber diese betrieblichen Regeln sind auch instabil, wie die gegenwärtige Auseinandersetzung bei der Telekom zeigt. Es sind eben nicht nur gute betriebliche Beispiele, die Handlungsalternativen aufzeigen und so wie Leuchttürme Innovationsträger einer neuen Unternehmenspolitik werden können. Sie zeigen auch, dass Vereinbarungen auf der betrieblichen Ebene auf Dauer dem Druck globaler Märkte nur schwer standhalten können. Die Betriebe brauchen deshalb flankierende tarifpolitische und gesetzliche Regulierungen, Regulierungen, die längst Branchen und nationale Grenzen überschreiten müssten. 2. die Erwartungen der IG Metall an das Programm Zukunft 5
6 Das Programm Zukunft der ThyssenKrupp Steel AG steht für den alternativen Weg. Es steht für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung und es steht für einen Beweis funktionierender Mitbestimmung. Die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat haben gemeinsam mit dem Unternehmen und dem Arbeitgeberverband eine Vereinbarung getroffen, um den Standort langfristig zu sichern den Auszubildenden eine Übernahmechance zu geben, um die Belegschaft auf den demografischen Wandel vorzubereiten und mittelfristig den Anstieg des Durchschnittsalters abzufedern, um mit vielen Maßnahmen der Personalentwicklung und der Weiterbildung bei den Beschäftigten die qualifikatorischen Voraussetzungen für den Wandel zu schaffen. Dafür war die Belegschaft bereit, dass die Arbeitszeit gesenkt und die Entgelte nach unten angepasst wurden. 6
7 Die zusätzliche Gewinnausschüttung tut ihr Übriges. Das Ziel ist, dass 500 neue Arbeitsplätze entstehen, 500 zusätzliche Altersteilzeitplätze geschaffen werden und insgesamt 1000 Auszubildende zusätzlich übernommen werden. Was da erreicht wurde, - übrigens auch unter Nutzung des Tarifvertrages Demografische Entwicklung ist unter den heutigen Bedingungen ein großartiger Akt gewerkschaftlicher Solidarität! Man kann diesen Schritt nicht groß genug werten in einer Zeit, in der die üblichen Instrumente des großen Streichorchesters angestimmt werden und Arbeitszeiten verlängert sowie Arbeitnehmer entlassen werden. 3. möchte ich zum Verhältnis von Personalentwicklung und Qualifizierung Stellung nehmen: Das Programm Zukunft besticht durch zwei Dinge. 7
8 Erstens werden Bildungsmaßnahmen sicherlich mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen - entlang der Bildungsbiografie entwickelt. Das beginnt mit Patenschaften zu Schulen und Hochschulen, setzt sich in Ausbildung und Studium fort und endet in einem Weiterbildungskonzept, das mit altersgemischten Gruppen den Transfer von Erfahrungen und Wissen von den älteren zu den jüngeren Beschäftigen sichern will. Und es beansprucht zweitens ein Programm zu sein, dass Angebote von den Arbeitern bis zu den Führungskräften bereit hält. Speziell die Nutzung der sog. Verfügungsschichten für Qualifizierung ist hervorzuheben, weil es hierüber gelingt, auch die Arbeiter einzubeziehen. Personalentwicklung und Qualifizierung sind darin auf das Engste miteinander verbunden. Meine Anregungen gehen in folgende Richtungen: Erstens möchte ich Betriebsräte und Vertrauensleute ermutigen, den Kontakt zu Schulen und Hochschulen nicht den 8
9 Personalleitungen und der Wirtschaft allein zu überlassen. Es gibt z.b. wunderbare Beispiele für gute Kontakte zwischen Gewerkschaften und Schulen. Gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung entstehen neue Unterrichtsmaterialien zum Thema Mitbestimmung, es gibt gewerkschaftliche Bildungskonzepte zur Förderung der Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern. Ähnliches ließe sich auch für den Hochschulbereich sagen, wo sich die Gewerkschaften z.b. für eine gute Qualität der Studiengänge engagieren. Es geht mir darum, dass arbeitsweltliche Themen im Unterricht und Praxisbezug in der Lehre einen größeren Anteil bekommen. Aber zugleich müssen wir Sorge tragen, dass die Persönlichkeitsentwicklung und die Allgemeinbildung nicht zu kurz kommen. 9
10 Zweitens hege ich den Verdacht, dass zwischen dem Anspruch des Zukunftsprogramms und seiner Umsetzung noch einige Lücken klaffen. Das Qualifizierungs- und Personalentwicklungskonzept darf nicht bei den Arbeitsplätzen halt machen. Ich habe gelernt, dass Qualifizierung, Personalentwicklung und die Gestaltung der Arbeitsplätze eine Einheit bilden. Arbeitssysteme und Arbeitsplätze sind so zu gestalten, dass sie qualifikationsförderlich und belastungsarm sind. Ich komme zu meiner abschließenden Bewertung: Ich möchte sie folgendermaßen thesenartig skizzieren: Erstens benötigen wir nicht nur ein, zwei oder drei, sondern viele gute Beispiele für nachhaltige Unternehmensentwicklung und Beschäftigungssicherung. Dafür müssen wir auch in den Gewerkschaften die Voraussetzungen schaffen. 10
11 Zweitens müssen wir diese Beispiele absichern. Der Qualifizierungstarifvertrag bietet gemeinsam mit den neuen Regelungen des BetrVg bei den Themen Beschäftigungssicherung und Qualifizierung dafür Ansatzpunkte. Regulation und Gestaltungsbedarf müssen sich parallel entwickeln. Deshalb benötigen wir drittens internationale Standards, weil die Betriebsräte gerade in global agierenden Unternehmen dem Druck sonst nicht standhalten können. Viertens müssen wir Qualifizierung, Personal- und Organisationsentwicklung als Einheit auffassen: Alternsgerechte Qualifizierungskonzepte können nur greifen, wenn auch Arbeitsorganisation, Arbeitsinhalte und Arbeitszeiten entsprechend gestaltet sind. Für Bildungs- und Qualifizierungspolitik bedeutet dies eine ungeheure Herausforderung. Fünftens reicht es nicht, nur an die Älteren zu denken. Wenn es ein vernünftiges Ziel ist, dass Durchschnittsalter der Belegschaften zu senken, so sind mehr Anstrengungen notwendig, um jungen 11
12 Eltern die Beruftätigkeit zu ermöglichen, d.h. Arbeitszeiten zu gestalten und Kinderbetreuung zu organisieren. Sechstens stehen wir vor großen sozial- und bildungspolitischen Herausforderungen, wenn wir gesellschaftlich den Wandel gestalten wollen. Ich unterscheide eine Politik der Anpassung, die aufgrund realer oder eingebildeter Sachzwänge an der Spirale drehen muss, das ist im Grunde die Politik der letzten Jahre, von einer Politik der Gestaltung. Dies ist eine Politik der Nachhaltigkeit, eine Politik der Modernisierung, die keinen Gegensatz zur soziale Sicherung bildet. Das ist eine Politik die Beschäftigung schafft und nicht abbaut, die möglichst Alle mitnimmt und keinen zurücklässt. Dies ist die Herausforderung, 12
13 und in welche Richtung es laufen kann, dafür kann ThyssenKrupp möglicherweise als ein Beispiel gelten. Vielen Dank! 13
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