Die Angst vor dem persönlichem Versagen
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- Frieder Meyer
- vor 8 Jahren
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1 Die Angst vor dem persönlichem Versagen Versagensängste weisen auf ein Ungleichgewicht zwischen Anforderung und Bewältigungsmöglichkeit hin. Wer davon betroffen ist, hat dies meist bereits in Prüfungssituationen in der Schule oder im Studium kennen gelernt. Es gibt aber auch Fälle, wo im beruflichen Kontext Versagensängste erstmals auftreten. Dann nämlich, wenn weitere Begleitfaktoren hinzukommen, wie beispielsweise private Schwierigkeiten (Trennung, Scheidung, Todesfall). Der gnadenlose Wettbewerb heutzutage zwischen Unternehmen trägt auch dazu bei, dass Ängste auftreten. Der Mensch bleibt dabei nämlich oftmals auf der Strecke. Jährlich wiederkehrend unterliegen Manager und Führungskräfte dem Zwang, noch bessere Zahlen als im Vorjahr erwirtschaften zu müssen. Ständig werden Unternehmen reorganisiert, werden neueste Technologien eingesetzt, Wertschöpfungsketten und Produktionsprozesse optimiert oder Vertriebskanäle verbessert. In den auf Hochglanz polierten Leitlinien und Geschäftsberichten werden die Mitarbeiter gerne als»die wichtigste Ressource«gelobt. Nur zu oft ist der praktische Umgang mit ihnen und ihren persönlichen Möglichkeiten weit weniger wertschätzend, als es in den Broschüren den Anschein hat. Wer außertariflich bezahlt wird, hat auch eine außertarifliche Arbeitszeit zu akzeptieren. Dies kann im Management schon zu einem 16-Stunden-Tag führen. Im Laufe der Zeit verwischt sich jedoch zunehmend die Wahrnehmung für eigene Stärken und besonders für die eigenen Grenzen. Die Einschätzung für das individuelle Maß geht verloren. Damit verliert der Manager den Bezug zu sich selbst, auch wenn er immer noch beteuert, seinen 16-Stunden- Tag voll im Griff zu haben. 19 Der Mensch als wichtiges Humankapital in den Unternehmen
2 Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo Sie mit dem Lesen der vielen Berichte nicht mehr nachkommen, zu fast jedem Termin zu spät kommen, die -Flut nicht mehr bewältigen, nur noch von einem Meeting zum anderen hetzen, auf Ihren Dienstreisen um die Welt nicht mehr wissen, in welchem Land Sie sich befinden. Sie glauben, diesen Arbeits- und Lebensstil Ihrem heroischen Selbstbild und dem Anspruch an Ihre Position schuldig zu sein, und merken gar nicht, wie Sie immer mehr ausbrennen. Früher oder später entsteht die erste Verunsicherung, dass Sie den Ansprüchen nicht mehr genügen. Die Angst zu versagen treibt Sie anfangs noch zu weiteren Höchstleistungen an, bis auch der selbst erzeugte Druck nicht mehr das gewünschte Ergebnis bringt. Hinzu kommen Symptome, die Sie früher nicht kannten, wie lähmende Müdigkeit, anhaltende Erschöpfung, Anfälligkeit für Allergien und Krankheiten, nachlassende Konzentrationsfähigkeit, zunehmende Vergesslichkeit, immer häufiger auftretende Fehlhandlungen. Sie fühlen sich überfordert, reagieren gereizt oder zynisch, Sie trauen sich nichts mehr zu, empfinden alles als Belastung. Immer häufiger stellen Sie fest, dass Sie kraftlos, antriebslos, lustlos, freudlos sind. Aber nicht nur Manager arbeiten bis an die Belastungsgrenzen, auch von den Mitarbeitern wird dieser totale Einsatz erwartet. Das Ergebnis ist das Gleiche. Kurz und bündig: Angst vor persönlichem Versagen ist häufig der Anfang von Burn-out; eine Krankheit, die inzwischen zur Volkskrankheit geworden ist. So weit muss es nicht kommen! Die viel gerühmte Balance zwischen Berufs- und Privatleben kennt viele Möglichkeiten, dem Kreislauf der Erschöpfung zu entgehen. Einer der wichtigsten Gesichtpunkte, um nicht vom Berufsmarathon in den Freizeitmarathon zu hetzen, ist das eigene Wohlbefinden. 20
3 Leider geht das Gefühl dafür in dem ganzen Trubel oftmals unter. Viele meiner Klienten fangen erst allmählich wieder damit an zu entdecken, wie sich Wohlbefinden anfühlt. Dabei ist die Wahrnehmung und Erfahrung des eigenen Atems eine wirkungsvolle Hilfe. Vielleicht haben Sie selbst schon manchmal festgestellt, dass eine Körperübung, die Ihren Atem vertieft, in so einer Situation sehr wohltuend sein kann. Nun heißt vertiefte Atmung aber nicht, möglichst viel Luft zu holen oder die Lungen, den Brustkorb mit Luft füllen. Von tiefer Atmung sprechen wir dann, wenn sich das Zwerchfell beim Einatmen tief in den Bauchraum senkt. Dazu braucht es nicht viel Einatem. Im Kapitel»Atemwege in die Angstfreiheit«(s. S. 113ff.) können Sie darüber ausführlich nachlesen. In der oben beschriebenen beruflichen Entwicklung reagiert der Atem mit immer flacher oder kürzer werdenden Atemzügen, und die natürliche Atempause nach dem Ausatmen fällt weg. Der Atem wirkt genauso gehetzt oder getrieben, wie Sie sich fühlen. Vielleicht halten Sie sogar den Atem an. Überprüfen Sie doch jetzt einmal Ihre eigene Atmung. Geht das leicht und von selbst, oder haben Sie das Gefühl, nachhelfen zu müssen? Wie ist das Verhältnis zwischen Ihrem Einatem und dem Ausatem? Sind beide gleich lang oder dauert eine der Phasen länger als die andere? Haben Sie nach dem Ausatmen eine natürliche Pause? Oder haben Sie sich nach dem Einatmen eine Pause angewöhnt? Sie werden vielleicht feststellen, dass Sie gar nicht längere Zeit im gleichen Rhythmus atmen können. Mittendrin kommt ein unwiderstehlicher Drang nach einem tieferen oder längeren Atemzug. Das ist ganz natürlich, denn der Atem hat seine eigenen Gesetze. Er lässt sich auf Dauer nicht von unserem Willen manipulieren. Wenn wir dies tun, entsteht in unserem ganzen Organismus große Unordnung, die die unterschiedlichsten Symptome auslöst. Angst ist eine von vielen Folgen, die verschiedenste Fehlatmungsformen als Ursache hat. 21
4 Probieren Sie doch einmal folgende Übung. Atemübung Beginnen Sie damit, einfach nur Ihren Atem wahrzunehmen, wie er kommt, wie er geht und wie er nach einer kleinen Pause wieder einsetzt. Versuchen Sie dabei nicht, besonders»gut«oder»richtig«zu atmen. Vergessen Sie ruhig einmal die Wertungen»richtig«und»falsch«! Spüren Sie nur, wie»es«atmet, wenn Sie nicht eingreifen, wenn Sie den Atem nicht holen, sondern geschehen lassen. Sie können dazu auch eine Hand auf die Magengegend legen. Dort ist die Atembewegung am deutlichsten zu spüren. Tun Sie das, solange es interessant ist, sich in dieser Weise mit Ihrem Atem zu beschäftigen. Spüren Sie, wie gut es Ihnen tun, mit Ihrer ganzen Anwesenheit bei Ihrem Atem zu sein, als ob es im Moment nichts Wichtigeres für Sie gäbe, als Ihren Atem wahrzunehmen. Erst wenn Sie den Wunsch haben, etwas zu verändern, gehen Sie weiter: Atmen Sie nun durch den Mund aus und lassen den Atem durch die Nase wieder kommen, ohne nachzuhelfen. Atmen Sie mit jedem Ausatem ein bisschen länger aus. Sagen Sie dann leise und so lange, wie es für Sie angenehm ist:»schschschschschsch«. Durch die Nase den Atem kommen lassen, dann wieder:»schschschsch«. Beim Einatmen Bauchdecke lösen und gleich wieder»schschschsch«. Den Mund zu einem offenen Kussmund formen und wieder»schschschsch«... 22
5 Spüren Sie die beruhigende Wirkung dieser kleinen Übung? Merken Sie, wie Sie in Ihre Balance kommen? Wenn Sie Ihre Hand dabei auf den Bauch legen, nehmen Sie auch wahr, ob der Atem dort ankommt. Wenn Ihre Bauchdecke nicht beteiligt ist (bitte nicht nachhelfen!), dann legen Sie Ihre Hand dort hin, wo Sie die Atembewegung am deutlichsten spüren. Vertrauen Sie darauf, wenn Sie sich mehr mit Ihrem natürlichen Atem beschäftigen, stellt sich auch die Schwingung der Körperwände und der Bauchdecke ein. Sie können dies auch einmal im Liegen tun. Möglicherweise haben Sie dabei andere Empfindungen. Probieren Sie es aus und beruhigen Sie damit Ihren inneren Antreiber! Internettipp: Und wenn Sie mehr über Work-Life-Balancing erfahren wollen, so lohnt sich ein Blick auf folgende Websites: Buchtipp: Sie lesen lieber in einem Buch? Dann blättern Sie doch in dem Buch von Tania Rolus»In Balance: Karriere, Familie, Freizeit«(2003). 23
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