Komm - In Petite Flamme Deutschland Kommunikation und Informationsstelle der Freunde und Paten in Deutschland von Petite Flamme RD Congo
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- Eduard Baumgartner
- vor 8 Jahren
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1 3. Patenbrief 2015 Kongoreisebericht 3. Teil Potsdam, 27. Februar 2015 Liebe Paten und Freunde von Petite Flamme! Am nächsten Morgen, es ist Mittwoch, stehen wir wie gewohnt um 6:30 Uhr auf, in der Hoffnung, dass sich heute eine gewisse Normalität einstellt. Doch beim Frühstück hören wir, dass eine Fokolarin ein furchtbares Erlebnis hatte. Sie und ihre Begleiterin versteckten sich in Panik, als in ihrer unmittelbaren Nähe zwei Väter mit ihren Kindern erschossen wurden, - Väter, die ihre Kinder von der Schule abholten! Kinder in Schuluniformen. Wir stehen alle nach dieser unfassbaren Nachricht unter Schock. Und wieder heißt es: kein Transport, keine Server. Unsere Freundin Marie-José ruft an um uns zu berichten, dass die Kinder in ihrem Haus von der Schule wieder zurückgeschickt worden sind. Hier ist alles gespenstisch ruhig und die immer überpünktliche Koordinatorin Dada um 9:15 Uhr noch nicht da, ruft dann an, um uns mitzuteilen, dass auch bei Petite Flamme keine Kinder sind. Sie selbst werde zu Hause bleiben und dort arbeiten. Unsere vielen Aufgaben für heute müssen wir verschieben. Gerne wollen wir unsere Listen besprechen, d.h. zu jedem einzelnen Kind etwas erfahren. Außerdem lebt in der Schule in Ndolo ein Waisenkind, Christoph, 12 Jahre alt, dem wir etwas zu essen bringen wollen. Goretti, eine der Fokolarinnen, hatte uns am Abend vorher eine Tüte für ihn gepackt. Sie kann eventuell auch eine Unterbringung für ihn vermitteln. Das wird nun heute nichts. Christiane, eine weitere Fokolarin, hilft mir eine Einkaufsliste für die Markteinkäufe zu erstellen (s.u.), für die 15 Mütter unserer Patenkinder, deren Paten uns dafür Geld mitgegeben haben. Für unsere paar Dollarscheine erhalten wir eine ganz Tüte voller Francs Congolaise. Anfassen mag ich die dreckigen Scheine nicht. Die noch lesbaren Scheine sind um die Bündel gepackt. Ich lege sie beiseite um sie anderen Tags gleich so an Dada weiterzugeben. Wir beschäftigen uns wieder mit Wasserholen, Waschen, Nachbereiten, Vorbereiten und Schreiben, bis die berufstätigen Fokolarinnen zurückkommen und berichten, die ersten Fahrzeuge seien wieder unterwegs. Es gibt jedoch weiterhin keine Nachrichten. Der Strom ist aber wieder da! Eine weitere Fokolarin erzählt, die Studenten, die vor den verschlossenen Türen ihrer Uni standen, haben diese eingetreten und alles verwüstet. So auch die Polizeistation, das Bürgermeisteramt mit dem gesamten Archiv Auf dem Weg dorthin wurden die Läden aufgebrochen und geplündert. Meist traf es die Chinesen. Wir versuchen, alles nicht so dicht an uns heranzulassen. Ein gemütlicher Abend mit allen zusammen lenkt ab. Hier ist richtig gute Stimmung. Als wir nachher draußen vor unserem Zimmer im Garten sitzen, kommt Marisa noch einmal mit ihrem Limoncello, von Mama. Nach einem Gespräch mit ihr über das Kraut Citronelle, das vor Mosquitos schützen soll, läuft sie los, sammelt es im Garten und bereitet uns gleich einen Tee daraus. Diese Liebe und Fürsorge jeder einzelnen Fokolarin ist genau das, was sich im Projekt Petite Flamme widerspiegelt und so gute Früchte trägt! Am nächsten Tag begrüßt uns Santa beim Frühstück mit den Worten, der Präsident habe aufgerufen, zum normalen Leben zurückzukehren. Das klingt nach guter Nachricht und Entspannung. Internet, soziale Netzwerke und SMS gehen allerdings immer noch nicht. Doch wir haben wieder Wasser in der Leitung, wenn man auch nicht von fließendem Wasser reden kann: unsere Dusche zeigt sich als ein schnell tropfendes Rinnsal. Dada kommt erst um 11 Uhr und verkündet, alle Schulen bleiben bis Montag geschlossen. Nicht nur Petite Flamme. Trotzdem fahren wir mit Dada und der Fokolarin Cecilia zu Petite Flamme in Ndolo, weil wir uns um den Waisenjungen Christoph kümmern wollen. An der Straßenecke vor der Schule, wo manche der Petite-Flamme-Mütter Marktstände haben, kaufen wir bei Mama Rose für ihn noch Kochbananen, Mais, Erdnüsse. Als wir durch das Schultor fahren, kommt Christoph schon an, um uns zu begrüßen. Er weiß nicht, dass heute sein Glückstag ist: er bekommt die frischen Markteinkäufe, die Tüte mit Pizzateilchen und Keksen von Goretti sowie Sandalen und Polohemden von mir. Christoph ist überglücklich. 1
2 Wir lassen ihn in der leeren Schule mit dem Wächter zurück und fahren in die Stadt. Einige der Paten haben uns Geld mitgegeben, um den Müttern der Patenkinder ein Pagne (6,50m Stoffpaket) zu kaufen. Diese Pagne sind für alles gut: zum Schneidern der Kleidung, als Kopfbedeckung, als Puffer auf dem Kopf beim Tagen schwerer Lasten, als Tragetuch für Kleinkinder, als Laken, Zudecke, Tischdecke, Vorhang u.v.m. Leisten können sie sich so ein Pagne selten. Die Straßen sind leer, nicht nur vor der Schule (die hohen Bäume sind auf dem Petite Flamme Schulgelände). 2 So geht es schnell in die Stadt und wir sind ruckzuck mit unseren großen Tüten Pagne wieder draußen. Da auch heute nicht viel erledigt werden kann, laden wir kurzerhand Dada und Cecilia zu einem Drink ein. Dazu gehen wir gerne ins Le Delice. Den zypriotischen Wirt André kennen wir, seit Henning 2006 schon mit seinen Soldaten dort gerne mal einkehrte. André freut sich immer sehr, wenn wir wieder da sind und zu ihm kommen. Wir natürlich auch.
3 Zurück im Fokolar, bespreche ich mit Dada unsere Listen: die Liste der Markteinkäufe, die Liste der Pagne -Mütter, die Liste der Mütter, die beides bekommen oder anderes. Alle Zahlungsbewegungen werden exakt festgehalten. Dada amüsiert sich köstlich über meine Empfindlichkeit und nimmt beherzt aus meinen spitzen Fingern mit Freude das Geld aus der Tüte entgegen. Auch am Freitag kann man noch nicht von normalen Leben reden doch wir genießen durchaus auch diese Ruhe. Das Internet geht wieder, extrem langsam, und die ersten Nachrichten sickern durch. Wir hören Zahlen zwischen 40 und 70 Toten während der Unruhen der letzten Tage, doch jeder weiß, dass es viele ungezählte Tote gibt und wir denken an die erschossenen Väter mit ihren Schulkindern. Heute fahren wir mit 3 Müttern auf den Markt. Dada kommt um 10 Uhr und wir bleiben auf unserem Weg zu Petite Flamme Ndolo gleich mächtig im Stau stecken, da um das Parlamentsgebäude herum immer noch alles gesperrt ist. Als wir die Stau verursachende Kreuzung erreichen, sehen wir auch den wahren Grund: Polizisten, Soldaten und Zivile versuchen gleichzeitig den Verkehr zu regeln, wobei jeder andere Anweisungen gibt. Der eine schreit: Fahr!, der andere: bleib stehen!. Alles lautstark und gestenreich. Die Autofahrer schreien zurück. Da heißt es, Ruhe bewahren. Wir fühlen, ein Stück Normalität ist wieder da. In Ndolo warten bereits die drei Mütter, mit denen wir auf den großen Markt wollen: die Großtante Adolphine, die unsere Patenkinder Rudy und Nadine versorgt und ihre Geschwister Hans und Mirielle, alle in Petite Flamme, Mama Hélène Iya mit Tochter Hélène Iya und Oma Agnes von Daniel und Jordain. Cecilia aus Kenia freut sich, als sie feststellt, dass sie sich mit Adolphine auf Suaheli verständigen kann. Die Familie kommt ursprünglich aus dem entfernten Lubumbashi im Süden, wo man Suaheli spricht. Christoph ist natürlich auch da und freut sich über die Abwechslung, jetzt wo keine Schulkinder kommen. Als wir ihn fotografieren wollen, weil er mein Hemd trägt, das ihm so gut passt, wird er verlegen. 3
4 Cecilia und Henning bleiben in Ndolo. Für Hélène Iya haben wir von ihrem Paten einen Brief und ein Geschenk mitgebracht, dass Henning ihr übergibt. Hélène ist überglücklich, berichtet Henning uns später, und auch die Mutter Hélène kann ihr Glück kaum fassen, als sie nach dem großen Markteinkauf auch noch ein Pagne bekommt. Die Fokolarin Cecilia erlebt zum ersten Mal die Freude der Mütter von Petite Flamme über die Geschenke der Paten. Für alle Mädchen in den Haushalten dieser Mütter haben wir noch hübsche Perlenarmbänder. Großtante Adolphine strahlt als sie sie entgegen nimmt. Ein Gruppenfoto, bevor die Mütter geschafft, aber glücklich mit ihren Einkäufen nach Hause gehen. Es ist Freitagnachmittag und wir haben das große Glück, dass wir vom General mit unserer gemeinsamen Freundin Marie-José eingeladen sind, das Wochenende in seinem Ressort am Kongo Fluss verbringen zu dürfen. Luftholen, weit entfernt von der großen, schmutzigen Stadt. Auftanken für die nächste Woche. Montag wollen wir gleich voll losstarten mit den Kindern so haben wir uns das gedacht. Doch Montagfrüh steht Dada um 9:15 Uhr vor uns und sagt: Keine Schule, keine Kinder! Uns läuft die Zeit davon, wir fahren trotzdem nach Ndolo und beginnen mit der Arbeit. Unsere Listen der Kinder gleichen wir mit den Informationen der Direktorin Antoinette und mit Dada ab. Traurig stellen wir fest, dass 12 Patenkinder seit Jahresanfang nicht mehr bei Petite Flamme sind. Viele der Familien versu- 4
5 chen ihr Glück in Angola im Diamantengeschäft. Es ist, so sagt man uns, für Kongolesen relativ leicht über die grüne Grenze zu kommen. Doch die Arbeit in den Diamantenminen ist oft wie Sklavenarbeit und so kommen auch viele Familien irgendwann wieder zurück nicht unbedingt zu Petite Flamme, aber man hört von ihnen. Andere Kinder sind nicht mehr da, weil ihre Väter beim Militär sind und versetzt wurden. Oder Kinder sind mit oder ohne ihre Eltern zu Verwandten in ihre Familienheimat gegangen. Diese Informationen geben wir den betroffenen Paten persönlich weiter, sobald wir können. Wir bitten, ob man die Kinder von Oma Agnes holen könnte. Sie leben im Militärlager hinter der Schule und wir begleiten die Familie seit 2006 intensiv mit befreundeten Paten. Diese Familie steht für viele Familien von Petite Flamme. Es sind immer etwa 10 Kinder, die Oma Agnes in ihrem Haushalt betreut. Geht ein großes Kind weg, bringt es ihr ein Baby wieder an. Unser Patenkind Raphael, der 2012 im Alter von 9 Jahren starb, kam auch aus dieser Familie. Der jetzt große Bernard, der jüngere Bruder Daniel und das Kindergartenkind Jordain werden von unseren Paten unterstützt und sollen sich Geschenke abholen. Daniel bekommt einen Fußball das Größte überhaupt, für die Jungen hier. Daniel ist groß geworden und will sich nicht mehr in den Arm nehmen lassen. Der kleine Jordain, mit seinem weiß gepuderten Hals gegen Hautkrankheiten, ist immer interessiert und überall dabei. Bernard ist in den Jahren bei Petite Flamme ein ausgesprochen höflicher und freundlicher junger Mann geworden. Daniels Freund und Klassenkamerad Abel Kambela ist auch mitgekommen. Auch ein Patenkind. Bernard übernimmt sofort die Führung und wir ermahnen ihn: der Ball gehört Daniel! Und los geht s. Jordain fühlt sich noch verantwortlich für die Tasche mit den anderen Mitbringseln. Aber schnell ist das Spiel in vollem Gang. Nur einer darf nicht mitspielen: Christoph soll erst einmal schreiben und lesen lernen, 5
6 um bei Petite Flamme aufgenommen werden zu können. Dada leitet ihn an und verordnet ihm seine Hausaufgaben. Traurig, den Tränen nahe, sehen wir Christoph über seinem Heft sitzen, während die anderen Fußball spielen. Was dann folgt, hat uns sehr überrascht: als die Jungen mitbekommen, dass Christoph zur Ordnung gerufen wird, sich auf seine Aufgaben zu konzentrieren, kommt zuerst Henoc Kiasimbu aus der 2. Klasse dazu, den wir bisher noch gar nicht gesehen haben. Dann brechen die anderen ihr Fußballspiel ab, setzen sich zu ihm an den Tisch und übernehmen wie selbstverständlich seine Aufgaben. Wir sind völlig überrascht, über diese selbstverständlich gelebte Solidarität der Kinder von Petite Flamme! 6
7 Diese Milieu-Kinder, denen das Leben so viel versagt, denen man kaum bereit ist, etwas zuzutrauen, machen uns immer wieder sprachlos. Sprachlos vor Freude! Viele Grüße, Ihr Petite Flamme Info-Team Jule Müller und Henning Bess Marktliste: Fische (3-4 Stück) Maismehl (5 Kg) Maniokmehl (1kg) Maniok Blattgemüse Reis (1kg) Bohnen (1kg) Öl, raffiniert (1l) Palmöl (1l) Auberginen (3 Stück) Zwiebeln (5 Stück) Knoblauch Gewürze Salz Pili Pili (scharfer Pfeffer) Messer Fortsetzung folgt 7
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