Die Zahnlückenkinder wollen`s wissen
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- Dagmar Stein
- vor 8 Jahren
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1 Die Zahnlückenkinder wollen`s wissen Projekt des Ambulanten Kinder-, und Jugendhospizdienstes Heilbronn im Kindergarten Ittlingen So fing es an: Frau Albrecht, Kindergartenleiterin im Kindergarten Ittlingen nahm Kontakt mit Frau Kohler, Koordinatorin des Ambulanten Kinder-, und Jugendhospizdienstes auf. Gemeinsam mit Elisabeth Kiefer, Erzieherin /Heilpädagogin und ehrenamtliche Mitarbeiterin beim Ambulanten Kinder-, und Jugendhospizdienst wurde überlegt, wie ein Projekt zum Thema: Trauer, Sterben und Tod im Kindergarten gestaltet werden könnte. Der erste Schritt war die Vorstellung eines Konzeptes und die Diskussion über das Thema im gesamten Kindergartenteam. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Thema im Team wurde beschlossen, das Projekt dem Elternbeirat vorzustellen. Elternbeiräte, Erzieherinnen, Frau Kohler und Frau Kiefer trafen sich erneut, um sich mit dem Thema: Trauer, Sterben und Tod im Kindergartenalter auseinanderzusetzen. Es wurden Materialien vorgestellt, eine theoretische Einführung in das Thema: Trauer im Kindesalter geben und heftig diskutiert, ob den Kindern die Auseinandersetzung mit dem Thema zugemutet werden soll. Das Ergebnis war: Das Projekt wird für die Zahnlückenkinder (das sind die 5 bis 6 Jährigen) stattfinden. Wir wollen den Kindern die Auseinandersetzung im Sinne von Mut machen zu-mut-en. Alle Eltern werden vom Kindergarten informiert. Die Teilnahme ist freiwillig. Die Kinder und ihre Themen bestimmen den Verlauf des Projektes. Auch die Eltern erhalten nach jeder Einheit die Möglichkeit Fragen zu stellen und sich mit der Projektleiterin und den das Projekt begleitenden Erzieherinnen auszutauschen. Eine Elternbibliothek mit Fachbüchern und Bilderbüchern wird zur Verfügung gestellt. Wir einigten uns, das Projekt über sechs Einheiten, von je ca. 1,5 Stunden innerhalb drei Wochen durchzuführen.
2 Erste Einheit: Richten des Raumes und gestalten einer Mitte (in jeder Einheit gleich) mit Tüchern, einer Schüssel mit Wasser und Schwimm kerzen. Sich Kennenlernen (auch Lotta, eine Handpuppe ist mit dabei) und miteinander vertraut machen. Gemeinsame Überlegungen für ein Eingangs,- und Schlusslied, welches als Ritual für alle Einheiten beibehalten wird. Betrachten eines Bilderbuches: Jedes Gefühl hat eine Farbe. Anschließend ein Gespräch mit den Kindern. Welche Gefühle kenne ich? Wie fühle ich mich jetzt gerade und wie kann ich dieses Gefühl ausdrücken. Legen eines großen Gefühlmandalas mit vielen unterschiedlichen Materialien. Hier gibt es leider kein Foto. Die Kinder sind sehr offen, es entwickelt sich sofort eine Beziehung und ganz von selbst kommen die Kinder zum Thema traurig sein. Alle Kinder kennen dieses Gefühl und wir besprechen, dass wir uns beim nächsten Mal intensiver mit dem Thema Traurig sein auseinandersetzen wollen. Nach der Einheit informieren sich fast alle Eltern über den Verlauf. Zweite Einheit: Die Kinder freuen sich schon, als ich komme. Wir beginnen mit unserem Begrüßungsritual und greifen danach im Gespräch das Gefühl Traurig sein noch einmal auf. Die Kinder erzählen sehr offen und sehr eindrucksvoll, was sie traurig macht, wie sie mit ihrem Traurigsein umgehen und was sie tröstet. Gemeinsam betrachten wir das Bilderbuch: Mein trauriges Buch.
3 Dritte Einheit: Nach unserer Begrüßung ist es den Kindern ein Anliegen, nocheinmal über ihr Traurig sein zu reden. Gemeinsam erzählen wir das Bilderbuch nocheinmal nach und erleben die Handlungsstrategien von Eddies Vater. Von ihm erzählt das Bilderbuch. Auch die Kinder erzählen, sie erzählen vertrauensvoll, ohne Scheu von ihren Erlebnissen, ihrer Trauer und ihren Verletzungen. Eine tiefe, beeindruckende Atmosphäre entwickelt sich. Ganz selbstverständlich wird das Sterben und der Tod ein Thema. Viele Kinder erzählen von toten Haustieren, von der toten Oma und dem verstorbenen Opa. Die Kinder nutzen den ihnen angebotenen Raum zum Erzählen und wollen gar nicht damit aufhören. Im Anschluß malen die Kinder mit Ölpastelkreide zum Thema: Mein trauriges Bild. Diese Bilder werden anschließend in einer Ausstellung den Eltern gezeigt. Die Eltern geben die Rückmeldung, dass ihre Kinder gerne zum Projekt kommen. Sie sind interessiert an den Abläufen und machen von der Bibliothek regen Gebrauch.
4 Vierte Einheit: Nach unserem gemeinsamen Ankommen betrachten wir miteinander das Bilderbuch: Was ist das? fragte der Frosch. Es erzählt von einer toten Amsel, die von ihren Freunden begraben wird. Auch die Kinder erzählen wie sie in ihren Familien ihre toten Haustiere beerdigt haben. Mit dem Märchen vom Löwenzahn, betrachten wir Werden und Vergehn nocheinmal auf einer anderen Ebene. Nach der Erzählung setzen die Kinder das Gehörte in Bewegung um. Ganz zum Abschluss besprechen wir miteinander die nächste Einheit. Gemeinsam werden wir das örtliche Bestattungsunternehmen und den Friedhof besuchen. Diese Einheit interessierte die Eltern im Voraus ganz besonders. Es war spürbar, dass bei den Eltern viele Gefühle ausgelöst wurden.
5 Fünfte Einheit: Heute wird es etwas länger dauern, da wir zum Friedhof und zum Bestattungsunternehmen laufen. Während bei den Eltern eine gewisse Unsicherheit spürbar ist, als sie die Kinder bringen, kommen die Kinder ganz unbefangen und freuen sich. Ich zeige dir, wo mein Opa liegt. Wir besuchen Opas Grab. Und sehen bei unserem Rundgang über den Friedhof viele unterschiedliche Gräber. Aufmerksam und voller Fragen ist unser Spaziergang über den Friedhof. Sehr beeindruckt sind die Kinder von einem Kindergrab. Anschließend gehen wir noch in die Aussegnungshalle und einige Kinder erzählen, dass sie schon mit ihren Eltern hier waren.
6 Zum Abschluss der Einheit gehen wir in die Räume des Bestattungsunternehmens. Die Kinder sind beeindruckt von den Särgen, den Verzierungen, den Beschlägen, der Größe und der Stabilität. Sie wollen natürlich wissen, wie so ein Sarg von innen aussieht - und wie so ein großer Mensch in eine so kleine Urne passt. Fröhlich und voller Eindrücke kehren wir zum Kindergarten zurück, wo wir von den Eltern schon gespannt erwartet werden. Wir verabschieden uns mit dem Ausblick auf die letzte Einheit, zu der die Eltern zur Schlussrunde mit eingeladen sind.
7 Sechste Einheit: Wir sammeln die Eindrücke der Kinder aus der letzten Einheit. Die Kinder erzählen, dass sie sich zu Hause über den Tod unterhalten haben und für die Kinder war klar, dass sie auch einmal in einem so schönen Sarg sein möchten und dass ihre Eltern lieber verbrannt werden würden. Der von uns eröffnete Raum für dieses Thema wurde auch zu Hause weiter geöffnet. Es ist kein Tabuthema geblieben, sondern in den Familien wurde miteinander darüber geredet. Kindern und Eltern wurden so Ängste genommen und sie haben gemeinsam erfahren: Über Traurig sein, Sterben und Tod kann man auch mit den Kindern reden, es ist ein Thema, das sie sehr beschäftigt. Die Kinder haben jetzt noch die Möglichkeit, für einen Menschen, für ein Tier oder sonst etwas, was ihnen wichtig war und das sie verloren haben, einen Erinnerungsstein zu gestalten. Der Film Willi will`s wissen zum Thema Tod und Sterben ist heute der Schlusspunkt unserer Einheit. Er beeindruckt die Kinder sehr und sie haben noch viel zu erzählen und zu fragen. Auch die Eltern haben viel zu erzählen und zu fragen, und gemeinsam sind sich Kinder, Eltern und Erzieherinnen einig, dass dieses Projekt für alle Beteiligten neue Erfahrungen ermöglichte und die Auseinandersetzung mit dem Thema Traurig sein, Tod und Sterben eine neue Sichtweise für alle brachte.
8 Reflexionstreffen: Nachdem ein wenig Zeit vergangen ist, treffen wir uns alle (Kinder, Erzieherinnen, Frau Albrecht, Frau Kohler und Frau Kiefer) noch einmal zu einem Reflexionstreffen. Auch eine Journalistin ist anwesend, um über das Projekt zu schreiben. Die Frage: An was erinnerst du dich und welcher Gegenstand möchtest du für die Erinnerung legen? wird zu einem Schlussbild, mit dem wir unsere Mitte gestalten. Alle sind sich einig: Es war gut dass wir uns getroffen haben um miteinander über Trauer, Sterben und Tod zu reden. Wir haben sehr profitiert. Nicht nur die Kinder auch wir Erwachsene haben eine ganz andere Sichtweise bekommen, erklärt die Kindergartenleiterin Frau Albrecht zum Abschluss.
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