Arbeitsmappe Pauschalierung der Kosten für Unterkunft und Heizung Juni 2011
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- Katja Fromm
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1 Arbeitsmappe Pauschalierung der Kosten für Unterkunft und Heizung Juni 2011 Landesverband Hessen 1
2 Pauschalierung der Kosten für Unterkunft und Heizung Zum Sachverhalt CDU und FDP haben einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des hessischen OFFENSIV- Gesetzes mehrheitlich verabschiedet. Das klingt etwas kompliziert es bedeutet aber nur, dass die Regierungsparteien einen eigenen Gesetzentwurf erneut verändert haben. In das OFFENSIV-Gesetz wurde nun ein neuer Paragraph 4a eingefügt. Das Gesetz zur Änderung des OFFENSIV-Gesetzes tritt rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft. Was ist überhaupt das OFFENSIV-Gesetz? Das OFFENSIV-Gesetz wurde nach dem Besuch des damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch in Wisconsin (USA) - entwickelt und erprobt. Am 1. Januar 2005 trat das hessische OFFENSIV-Gesetz (Optimal Fördern und Fordern Engagierter Service In Vermittlungsagenturen) hessenweit in Kraft. Die Landesregierung hatte damit Regelungen zur Umsetzung der Hartz-IV-Gesetze und der damit verbundenen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe geschaffen. Damals nahmen die Job-Center (ARGEn) ihre Arbeit auf. Warum sollte uns dieser Paragraph 4a interessieren? Der neue 4a hat es in sich! Hunderttausende einkommensschwache Haushalte in Hessen werden davon betroffen sein. Denn die Kommunen können zukünftig nicht nur ihre Hilfeleistungen für Unterkunft und Heizung selbst per Satzung festlegen. Sie brauchen auch nicht mehr die tatsächlichen Kosten zu tragen, sondern können eine Pauschale auszahlen. Größter Nachteil an der Satzungslösung: selbst die Wohnungsgröße darf per Satzung festgelegt werden. Wer ist betroffen? Betroffen sind Empfänger/innen von Hartz IV und von Grundsicherung. Wohngeld war schon pauschaliert. Doch ist zu befürchten, dass die Wohngeldpauschale zukünftig niedriger ausfallen wird. Das betrifft Erwerbslose, Aufstocker/innen, Rentner/innen, prekär Beschäftigte, usw.) 2
3 Der Text im Wortlaut: 4a Satzungsermächtigung für die Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung Die Kommunalen Träger werden ermächtigt, nach Maßgabe des 22a Abs.2 und 3 sowie der 22b und 22c des zweiten Buches Sozialgesetzbuch durch Satzung 1. zu bestimmen, in welcher Höhe Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet angemessen sind, 2. die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in ihrem Gebiet durch eine Pauschale zu berücksichtigen. Was bedeutet eine Pauschalierung der Kosten für Unterkunft? Es wird ein fester Betrag für Wohnung und Heizung ausgezahlt, der die tatsächlichen Kosten nicht decken muss. Die hilfesuchenden Menschen müssen dann den Fehlbetrag aus den Regelleistungen (Arbeitslosengeld, Hartz IV) selbst ausgleichen. Jeder weiß, dass diese Hilfen ohnehin nicht bedarfsdeckend sind. Sind die Kommunen verpflichtet, den 4a anzuwenden? Die Kommunen sind nicht verpflichtet, die Kosten der Unterkunft zu pauschalieren. Sie können es tun. Doch bei der derzeitigen Verschuldung der Kommunen wird von dieser Sparmöglichkeit bestimmt Gebrauch gemacht. Auch werden Kommunen mit leeren Kassen nicht einfach darüber entscheiden können, ob sie pauschalieren oder nicht. Denn es ist absehbar, dass Druck auf die verschuldeten Kommunen gemacht wird, wenn sie die Kosten der Unterbringung in tatsächlicher Höhe zahlen und die Sparmöglichkeiten nicht nutzen. Schon heute gibt es Pauschalen Schon heute gelten in vielen Gemeinden pauschale Obergrenzen für die Kosten der Unterkunft. Die sind zwar rechtlich anfechtbar, allerdings muss jede betroffene Person ihr Recht alleine durchsetzen. Eine Satzung der Kommune ist ebenfalls rechtlich anfechtbar: Betroffene können sofort vor das Landessozialgericht Hessen (LSG) ziehen, um die Satzung überprüfen zu lassen. Ein Vorteil wäre: diese Satzung gilt für alle. Es muss nicht mehr jeder für sich kämpfen. Eine kommunale Satzung unterliegt Vorgaben, wie die Pauschale zu ermitteln ist. Hier ein Auszug aus 22 SGB II: 22c Datenerhebung, -auswertung und -überprüfung (1) Zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sollen die Kreise und kreisfreien Städte insbesondere 1. Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken und 2. geeignete eigene statistische Datenerhebungen und -auswertungen oder Erhebungen Dritter einzeln oder kombiniert berücksichtigen. Hilfsweise können auch die monatlichen Höchstbeträge nach 12 Absatz 1 des Wohngeldgesetzes berücksichtigt 3
4 werden. In die Auswertung sollen sowohl Neuvertrags- als auch Bestandsmieten einfließen. Die Methodik der Datenerhebung und -auswertung ist in der Begründung der Satzung darzulegen. Welche Gründe sprechen gegen die Pauschalierung? Einkommensschwache Menschen werden gezwungen, ihre Wohnungen in gutbürgerlichen Vierteln oder Gemeinden aufzugeben und in billigere Wohnquartiere auszuweichen. In den Landkreisen werden einkommensschwache Menschen in strukturschwächere Regionen mit schwacher Infrastruktur und geringen Arbeitsmöglichkeiten abgedrängt. (Dies ist eigentlich nach EGRGEB 22 III Nr.4 - Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unzulässig: dort heißt es, es müssen sozial ausgeglichene Bewohnerstrukturen geschaffen oder erhalten werden.) Es besteht die Gefahr, dass sich in bestimmten Stadtteilen die sozialen Probleme häufen. Soziale Brennpunkte/Ghettos entstehen. Angemessene Wohnkosten können von Kommune zu Kommune oder Region zu Region äußerst unterschiedlich bewertet sein. Pauschalen könnten zu einem Unterbietungswettbewerb unter den Kommunen führen. Die Kommunen könnten per Satzung auch die angemessene Wohnungsgröße festlegen. Eine kommunale Satzung muss nur alle zwei Jahre überprüft, bzw. angepasst werden. Bei Mietpreiserhöhungen würden die Pauschalen im schlechtesten Fall erst nach zwei Jahren angepasst. (Für manche Kreise oder Kommunen wäre dies aber schon ein Erfolg. Zum Beispiel wurden im Landkreis Fulda die Obergrenzen noch aus der Sozialhilfe übernommen, d.h. in Fulda wurde die Angemessenheitsgrenze für die Kaltmiete in diesem Jahrtausend noch nicht angepasst.) Wenn die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht gezahlt werden, führt das zu mehr Armut: Ein Teil der Wohnkosten muss dann aus der Hilfe zum Lebensunterhalt genommen werden. Die Betroffenen leben dann weit unter dem Existenzminimum. Es gibt nicht genügend freien Wohnraum. Es gibt nicht genügend Sozialwohnungen. Der Bestand der Sozialwohnungen ist seit 1987 um die Hälfte gesunken, neue werden kaum noch gebaut. Verschuldete Kommunen versuchen, ihren Wohnungsbestand zu verkaufen, um Modernisierungskosten zu vermeiden und Haushaltslöcher zu stopfen. In der Folge werden Mieten teurer. Die Pauschalierung der Heizkosten ist sachlich nicht möglich und erfordert eine hohe behördliche Kontrolle. Verwaltungskosten können nicht eingespart werden. Betroffene können die Heizkosten nur begrenzt reduzieren. Sie haben keinen Einfluss auf die Qualität der Heizungsanlage, die Preise für Brennstoffe, die Isolation des Hauses Ist eine Pauschalierung verfassungskonform? Das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom (1 BvL 1/09) verweist auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und außerdem auf einen Anspruch auf Leistungen zur Kostendeckung von Unterkunft und Heizung. Das Urteil des BVerfG sagt: 4
5 5 Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch ein Parlamentsgesetz erfolgen, das einen konkreten Leistungsanspruch des Bürgers gegenüber dem zuständigen Leistungsträger enthält Schon aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip ergibt sich die Pflicht des Gesetzgebers, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgebliche Regelung selbst zu treffen Dies gilt in besonderem Maße, wenn und soweit es um die Sicherung der Menschenwürde und der menschlichen Existenz geht Die Pauschalierung im hessischen OFFENSIV-Gesetz 4a würde aber nicht durch ein Parlamentsgesetz, sondern durch eine kommunale Satzung festgesetzt. Nach bisher geltendem Recht (SGB II) dürfen Kommunen nur pauschalieren, wenn ausreichend freier Wohnraum zur Verfügung steht. Den Betroffenen muss es möglich sein, mit der Untergrenze der Pauschale eine Wohnung mit ausreichendem Standard anzumieten. Eine Obergrenze ergibt sich aus der Wirtschaftlichkeit: Die Pauschale darf nicht höher sein, als die tatsächlichen Kosten der Unterkunft es sei denn, dadurch ließen sich erheblich Verwaltungskosten sparen.
6 Anfrage Muster Pauschalierung der Kosten für Wohnung und Heizung Anfrage Stadtrat ### (DIE LINKE.) Frage 1: Wie viele Menschen in ###- Stadt/Kreis benötigen Hilfen/Zuschüsse für Miete und Heizung? Frage 2: Wie hoch sind die Kosten, die ####Stadt/Kreis für Unterkunft und Heizung aufwendet? Frage 3: Ist geplant, die Kosten der Unterkunft zu pauschalieren? Frage 4: Ist geplant die Heizkosten zu pauschalieren? Frage 5: Gibt es in ###-Stadt/Kreis einen Mietspiegel? Gibt es eine Mietdatenbank? Frage 6: Wie viel freien Wohnraum gibt es in ###-Stadt/Kreis? Frage 7: Wie viele Sozialwohnungen gibt es? Frage 8: Werden diese Wohnungen modernisiert und energiesparend umgerüstet? Frage 9: Der Bau von wie vielen Sozialwohnungen ist derzeit geplant? Wer baut sie? Frage 10: Ist geplant, kommunale Wohnungen an private Träger zu verkaufen? 6
7 Antrag Muster (bitte entsprechend der örtlichen Bedingungen abändern) Keine Pauschalierung von Kosten für Unterkunft und Heizung Einkommensschwache Bürger/innen sollen in Zukunft nicht mehr die tatsächlichen Kosten für Wohnung und Heizung erhalten. Der ###-Kreis plant, nur noch einen Pauschalbetrag zu zahlen. Betroffen sind Empfänger/innen von Hartz IV und von Grundsicherung. Dies lehnt DIE LINKE. ab und beantragt: Die Gemeinde X / der Kreis X Verzichtet auf die Möglichkeit der Pauschalierung der Kosten von Unterkunft und Heizung, wie sie im neuen 4a des hessischen OFFENSIV-Gesetzes ermöglicht wird. Miete und Heizkosten werden bedürftigen Menschen in der tatsächlichen Höhe bezuschusst. Begründung: Es besteht keine Verpflichtung der Kommune/ des Kreises, die Kosten der Unterkunft und Heizung zu pauschalieren. Der 4a des hessischen OFFENSIV-Gesetzes ist eine Kann- Regelung. Mit der Pauschalierung wächst die Gefahr, dass die Leistungen für Wohn- und Heizkosten unter das bisherige Niveau abgesenkt werden. Einkommensschwache Menschen müssen dann einen erheblichen Teil ihrer Hilfen zur Sicherung des Unterhalts für Heizung und Miete aufwenden. Infolgedessen leben immer mehr Menschen unter dem Existenzminimum. Pauschalierungen haben nur einen Sinn, wenn ausreichend freier Wohnraum zur Verfügung steht. Die Betroffenen müssen die Möglichkeit haben, mit der Untergrenze der Pauschale eine Wohnung mit ausreichendem Standard anzumieten. Ist dies nicht der Fall, wird die Pauschale eher als Instrument für Leistungskürzungen missbraucht, denn es gibt auf dem Wohnungsmarkt so gut wie keinen Wohnraum, dessen Preis angemessen ist. Es besteht die Gefahr, dass einkommensschwache Menschen gezwungen werden, ihre Wohnungen in gutbürgerlichen Vierteln/Gemeinden aufzugeben und in billigere Wohnquartiere/strukturschwächere Regionen auszuweichen. (Dies ist eigentlich nach EGRGEB 22 III Nr.4 - Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unzulässig: dort heißt es, es müssen sozial ausgeglichene Bewohnerstrukturen geschaffen oder erhalten werden.) Es besteht die Gefahr, dass sich in bestimmten Gemeinden/Stadtteilen die sozialen Probleme häufen/soziale Brennpunkte/Ghettos entstehen. Und zuletzt: Für die Kommunen entsteht ein hohes Risiko: Sind die Pauschalen zu niedrig, ist die Satzung rechtlich leicht anfechtbar, sind sie auf gleicher Höhe wie die heutigen Angemessenheitsgrenzen, bekommt sie jede und jeder voll ausgezahlt, selbst wenn die tatsächlichen Kosten der Unterkunft günstiger sind. 7
8 Presseerklärung Muster (bitte entsprechend der örtlichen Bedingungen abändern) Keine Pauschalierung von Kosten für Unterkunft und Heizung Die Stadtverordnete/ der Kreistagsabgeordnete der Linken (Name) wendet sich gegen die Pläne von X-Stadt/X-Kreis, die Hilfen für Miete und Heizung zu kürzen. (Name) empört sich: Einkommensschwache Bürger/innen sollen in Zukunft weniger für Wohnung und Heizung erhalten. Der ###-Kreis plant, nur noch einen Pauschalbetrag zu zahlen. Die Pauschale liegt in den meisten Fällen unter den tatsächlichen Kosten für Miete und Heizung. Einkommensschwache Menschen müssen dann einen erheblichen Teil ihrer Sozialhilfe für Heizung und Miete aufwenden. Infolgedessen leben immer mehr Menschen unter dem Existenzminimum. Betroffen sind Empfänger/innen von Hartz IV und von Grundsicherung. DIE LINKE. hat im Stadtparlament/im Kreistag einen Antrag gestellt, keine Pauschale zu zahlen, sondern die Wohn- und Heizkosten in voller Höhe zu bezuschussen. (Name) erklärt: Es besteht keine Verpflichtung der Kommune/ des Kreises zu pauschalieren. Das hessische OFFENSIV-Gesetz wurde zwar entsprechend verändert ist aber eine Kann- Regelung. Pauschalierungen haben nur einen Sinn, wenn ausreichend freier Wohnraum zur Verfügung steht. Die Betroffenen müssen die Möglichkeit haben, mit der Untergrenze der Pauschale eine Wohnung mit ausreichendem Standard anzumieten. Ist dies nicht der Fall, wird die Pauschale eher als Instrument für Leistungskürzungen missbraucht, denn es gibt auf dem Wohnungsmarkt so gut wie keinen Wohnraum, dessen Preis angemessen ist. Es besteht die Gefahr, dass einkommensschwache Menschen gezwungen werden, ihre Wohnungen in gutbürgerlichen Vierteln/Gemeinden mit guter Infrastruktur aufzugeben und in billigere Wohnquartiere/strukturschwächere Regionen auszuweichen. Es besteht die Gefahr, dass sich in bestimmten Gemeinden/Stadtteilen die sozialen Probleme häufen/soziale Brennpunkte/Ghettos entstehen. 8
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