MeIN LeBeN für DAS HeMD

Transkript

1 MeIN LeBeN für DAS HeMD Es gibt Menschen, die sich kleiden und jene, die sich anziehen. Das ist doch das gleiche!, mögen Sie meinen? Nehmen wir uns einmal die Zeit, aus dem sicheren Hinterhalt eines Straßencafés die vorbeiziehende Menschenmenge aufmerksam zu betrachten. Sie werden schnell den Unterschied erkennen. Da wir hier das männliche Geschlecht unter die Lupe nehmen und im Speziellen das Kleidungsstück Hemd, könnte man unsere Unterteilung auch kurz anhand der Bezeichnungen Mann und Herr vornehmen. Der Mann zieht ein Hemd an, weil er eins tragen muss, ein Herr entscheidet sich bewusst für ein Produkt und wählt es nach besonderen qualitativen und stilistischen Kriterien aus. text Claude Dufour Illustrationen Silke von Halász früher nannten sich die Hemdenproduzenten Wäschefabrik. Warum? Das Hemd war kein eigenständiges Kleidungsstück, sondern galt als Wäscheartikel. Der Herr mit Stil trug zur Konfektion, die je nach Anlass und tageszeit unterschiedlichen Regeln zu folgten hatte, ein Unterhemd aus Irischem Leinen. Hierbei handelte es sich aber nicht um ein komplettes Kleidungsstück, so wie wir es heute kennen, sondern um eine Art Basisrumpf, auf den die verschiedensten, passenden Kragenformen direkt am Jackett befestigt. Das Proletariat dagegen trug einfache und grobe Baumwollhemden, natürlich ohne edle Konfektion. Ab den 30er/40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts etablierte sich edle Baumwolle als Hemdenstoff in der Noble Société. Man fertigte nur noch komplette Hemden mit fest angenähten Kragen und Manschette. es wäre jedoch undenkbar gewesen, diese ohne Krawatte oder fliege und entsprechende oberbekleidung zu tragen. erst die Hippies der 60er Jahre machten das Hemd als eigenständiges Kleidungsstück salonfähig. Wir kennen alle die Bilder von wilden Blumendrucken, Batikmustern oder auffälligen ment, also die Normen der gutbürgerlichen Gesellschaft galt, entwickelte sich schnell zum Modetrend und verhalf dem Hemd zum neuen Selbstbewusstsein, das uns bis heute begleitet. Der Siegeszug des Hemdes ist ungebrochen. Hoffähig ist es, edel und modisch anspruchsvoll soll es sein eine große Aufgabe für gelernte Hemdenschneider. Immer mehr firmen machen auch 52

2 Hemden, ohne zu wissen, welche Beachtung jedem einzelnen Detail zu schenken ist, um das Perfekte Hemd zu kreieren. eine fertigung nach alter tradition unter einbeziehung modischer Attribute ist eine wahre Kunst. es muss das Ziel der Gestaltung sein, dass sich das Hemd, auch ohne Sakko getragen, als autonomes und einzigartiges Kleidungsstück präsentiert. (Armschlitz mit separatem Unterschlitz) Woran erkennt Mann das besondere Hemd? es kommt auf die sichtbaren 25 cm² an, denn mit Sakko und Krawatte getragen bleibt wirklich nur dieser kleine Ausschnitt, der auf den ersten Blick über die Qualität entscheidet. ein paar wichtige Kriterien sind der Stoff: ein feiner Zwirn ist sofort an der gestochen scharfen Abbildung des Dessins erkennbar, die Verarbeitung: eine hohe Stichdichte lässt auf große Haltbarkeit der Nähte schließen, ein perfekter Sitz des Kragens: dies ist nur mit einer besonderen, auf die Kragenform abgestimmten Schnitttechnik und mit Handarbeit bei der Kragenfertigung möglich. ein gutes Hemd entsteht aus ungefähr 30 einzelnen Arbeitsschritten. es kommt jedoch nicht nur auf die Quantität an, sondern auch auf die Art und Weise des Zuschnitts und auf die Verarbeitung der einzelelemente: abgestimmt mit geringem Abstand der bei hochwertiger Verarbeitung eingesetzt wird. sich nicht lösen Verstärkung von Kragen und Manschette Stecknadeln, um das feine Gewebe nicht zu beschädigen 53

3 CUtAWAY HAI BUttoN DoWN KeNt KURZeR offener KeNt BUBI KRAGeN tab KRAGeN NADeL KRAGeN SteHKRAGeN frack KRAGeN BUttoN DoWN SPoRtMANSCHetteN UMSCHLAGMANSCHetteN 54

4 MAteRIALKUNDe Das Hemd bedeckt ca. 60% des menschlichen Körpers. Grund genug, nur beste Materialien und so wenig Chemie wie nötig an die eigene Haut zu lassen. Viele Hersteller werben mit sogenannten bügelfreien Hemden. Das klingt zunächst einmal positiv, habe wir doch alle wenig Zeit und glauben, wir würden uns damit etwas Gutes tun. Kaum jemand weiß jedoch, wie ein Stoff behandelt wird, um vermeintlich bügelfrei zu werden. Das Baumwollgewebe wird mit einer flüssigammoniak-ausrüstung behandelt, die die Baumwollfaser wie ein Klebstoff zukleistert und ihre natürliche Atmungsaktivität enorm reduziert. Das erinnert uns ein wenig an die Sünden der 60er Jahre, als vollsynthetische Nyltesthemden die Hausfrauen jubeln ließen. endlich kein Bügeln mehr! für den fortschrittsgläubigen Herrn entpuppte sich diese Revolution eher als Last, denn als Lust, trug er doch seine Heimsauna täglich am eigenen Leib. das Garn Damit aus den Baumwollfasern ein Stoff entstehen kann, muss zunächst ein Garn gesponnen werden. Die fasern werden dabei in mehreren Arbeitsschritten in Längsrichtung parallelisiert und auf Spezialmaschinen miteinander verdreht und gestreckt. Man kann sich das etwa so vorstellen, als ob man einen Wattebausch zwischen beiden Händen festhält, ihn immer weiter auseinanderzieht und ihn dabei verzwirbelt bis eine Art faden entstanden ist. der ZWirn In hochwertigen Geweben verwendet man meist Zwirne, die ebenmäßiger und stabiler als ein einfachgarn sind. Hierzu werden zwei oder mehrere einzelfäden miteinander verzwirnt. Zum Wohle der eigenen Haut sollte Mann daher durchaus in die Männer ja auch regelmäßig ihre Autos. Hochwertige Baumwolle kommt zum Beispiel mit wenigen Zusatzstoffen aus, die das die BaUMWolle angebaut. Diese zeichnen sich durch eine besondere feinheit und Stapellänge (faserlänge) aus. Je länger die einzelfaser des Rohstoffs, desto gleichmäßiger kann der faden gesponnen werden und desto ebenmäßiger ist demzufolge auch der gewebte Stoff. Die hochwertigsten europäischen Webereien beziehen ihr Garn aus peruanischer (Pima) und ägyptischer Baumwolle (Giza). feinheit eines Garns oder ZWirns Nehmen wir ein 100er Garn. Der Zahlenwert bedeutet, dass Zahlenwert, desto feiner das Garn. Verzwirnt man nun 2 fäden eines 100er Garns miteinander, entsteht ein 100/2 Zwirn, aus dem edle klassische Stoffe meist bestehen. Die feinheit von neben anderen faktoren maßgeblich seine optik und seinen einsatzbereich. Die Königin der Baumwolle ist jedoch die sogenannte Sea Island Cotton, die auf den Westindischen Inseln in der Karibik angebaut wird. Mit einer faserlänge von bis zu 55 mm übertrifft sie selbst die hochwertigsten Qualitäten und kommt in ihrer Der Anteil der Sea Island Baumwolle an der weltweiten Baumwollproduktion beträgt nur 0,0004%. 55

5 Stoffe HeMDeNPfLeGe Gewebe, also Stoffe entstehen auf Webmaschinen durch Verkreuzung von Garnen/Zwirnen. Diese werden in Längsrichtung (Kette) und Querrichtung (Schuss) miteinander auf verschiedenste Weise verbunden. Sie kennen vielleicht die simplen Handwebrahmen aus Ihrer Kindheit. Das fadengerüst, das in die Kerben des Holzrahmens eingespannt wird, bezeichnet man als Kette. Die bunten fäden, die man dann auf ein Schiffchen gewickelt in Querrichtung durchzieht, entsprechen dem Schuss. Selbstverständlich ist die funktionsweise moderner Webmaschinen erheblich komplexer, aber das Grundprinzip lässt sich vergleichen. Damit sich Ihr Lieblingshemd auch nach dem Waschen noch in form und farbe präsentiert, sollten Sie den Anweisungen des Was das Bügeln angeht, helfen Ihnen ein paar tipps die Arbeit zu erleichtern und Ihr Hemd schonend in neuem Glanz erstrahlen zu lassen: Batist ein Batist ist ein Gewebe in Leinwandbindung mit quadratischer Konstruktion (nahezu gleiche Anzahl von Kett- und Schussfäden) foto Lebenskleidung.com PoPeline ein Popeline ist ebenso ein leinwandbindiger Stoff, allerdings mit doppelt so vielen Kett- wie Schussfäden. foto Lebenskleidung.com oxford ein oxford ist ein sportlicheres Gewebe in Leinwandbindung. Beim sogenannte Royal oxford wird in der Kette ein 2-fach Zwirn und im Schuss ein 3-fach Zwirn verwendet. foto finecotton.eu Pin Point oxford Der Pin Point oxford ist, wie der Name schon vermuten lässt, eine fein strukturierte Variante des oxfords Zu den sportiveren Geweben gehören ebenso: twill (Diagonalstruktur) fischgrat (Zickzack optik) flanelle (gerauhte Gewebe) 56 das Hemd sollte noch leicht feucht sein 1. Kragen und Manschetten von links bügeln, um die Bügeltischkante drehen, um die Passe zu bügeln 7. Vorderteil Knopf-Seite bügeln 9. fertig, ging doch ganz schnell! Der Autor Claude Dufour wurde 1949 in St. Georges, frankreich, geboren. Nach seiner Ausbildung zum Hemdenschneider und der Absolvierung einer Designschule in Paris war er langjähriger Designer und Produktverantwortlicher für das Hemd bei van Laack in Mönchengladbach.