Sehbehinderung beim Kind: Ursachen Diagnostik (Früherkennung) Therapie (Frühförderung)
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- Kurt Flater
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1 Sehbehinderung beim Kind: Ursachen Diagnostik (Früherkennung) Therapie (Frühförderung) Dr. med. Barbara Schaperdoth Augenärztin Sehbehindertenambulanz Universitäts-Augenklinik Essen Hufelandstraße Essen Die Beratung und Betreuung sehgeschädigter Kinder und ihrer Angehörigen steht im engen Kontext mit der allgemeinen Beratung Sehgeschädigter in der Sehbehindertenambulanz einer großen Augenklinik. Im folgenden Diagramm seien die grundsätzlich in diesem Netzwerk notwendigen Schritte und ihre Verknüpfung einmal dargestellt: Abbildung 1: 220
2 MEDIZIN In der Mitte stehen die drei Themen dieses Vortrages, nämlich: Durch welche Ursachen entsteht Sehbehinderung, also Low Vision, welche Diagnostik und medizinische Versorgung ist nötig, welche Formen der Frühförderung neben der Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen sind möglich bei Kindern? Ursachen für Sehbehinderungen bei Kindern können sein: Pränatale Infektionen: Z.B. entstehen bei leider immer noch auftretenden Rötelninfektionen in der Schwangerschaft in der Folge: eine angeborene Cataract, ein Mikrophtalmus oder der Buphthalmus, also der angeborene erhöhte Augeninnendruck, der durch die besonders großen schönen Augen der Säuglinge imponiert. Bei Infektionen mit Toxoplasmen kommt es zu schweren meist in der Makula gelegenen chorioretinitischen Narben. Frühgeborene: Durch die komplexen Schädigungen und mangelnden Reifungsprozesse zu dem verfrühten Termin der Geburt kommt es zu den so genannten Frühgeborenenretinopathien, d.h. es bilden sich u.a. neue Gefäße in der noch nicht regulär mit Gefäßen versorgten Netzhautperipherie. Diese falschen Gefäße wandern in den Glaskörper, führen dann zum Zug an der Netzhaut, zu Netzhautablösungen, Blutungen. Des weiteren kommt es zu Opticusatrophien und insbesondere nach Cryokoagulationen gegen die Neovaskularisationen gehäuft zu einer höheren Myopie (die extremen Myopien sind rückläufig, seit mehr gelasert werden kann). Geburtstraumen: Durch Sauerstoffmangel unter der Geburt, Hirnblutungen oder mechanische Einwirkungen wie z.b. bei einer Zangengeburt kommt es zu Hirnschädigungen, die auch den Opticus mitbetreffen können, insbesondere im weiteren Verlauf im Hirn. Frühkindliche Hirnschädigungen: Hierunter fallen alle Erkrankungen des kindlichen Hirns wie Entzündungen der Hirnhäute, Hydrozephalus, Hirntumoren, Hirnmissbildungen und Ähnliches. 221
3 Genetisch bedingte Fehlbildungen: Neben den Tumoren (Retinoblastome), die in einer großen Zahl vererblich auftreten, fallen unter diese Kategorie die angeborenen Kolobome der Iris, Kolobome der Netz- und Aderhaut, Aniridien, Syndrome mit Beteiligung des vorderen Augensegmentes (Riegersyndrom z.b.), Buphthalmus, hereditäre Opticusatrophien (Verwandtenehe, in einigen Kulturkreisen nicht verboten, Farbsinnstörungen, die tapetoretinalen Degenerationen wie die Retinitis pigmentosa (z.b. im Usher-Syndrom), eine Stargardt sche Makuladegeneration oder der Albinismus. Nicht immer lässt sich die genetische Ursache eindeutig finden oder zuordnen. Diagnostik der Sehbehinderungen Zunächst einmal sind in der Erkennung von Sehbehinderungen die Menschen gefragt, die primär mit den Kindern zu tun haben, sprich die Eltern, Kinderkrankenschwestern, Therapeuten. Dabei ist es wichtig, die Kinder genau zu beobachten, ihre Reaktionen auf Lichtwechsel, Mimik, Objekte zu testen, auffällige rollende Augenbewegungen ernst zu nehmen. Erst wenn diesen Personen Auffälligkeiten bewusst werden, werden die Ärzte in die eigentliche Diagnostik mit einbezogen. Screening-Untersuchungen in den Kinderarztpraxen und augenärztliche Vorsorgeuntersuchungen ( die leider immer noch nicht routinemäßig erfolgen, sondern eine IGEL-Leistung sind ) decken dann sicher einen Teil der fraglichen Fälle auf, die eingehendere Diagnostik sollte dann in Praxen durchgeführt werden, die entsprechende Möglichkeiten haben, bzw. eben in Sehbehindertenambulanzen. Eine wesentliche Rolle kommt dabei den Orthoptistinnen zu, die ja die primäre Untersuchung in der augenärztlichen Praxis bei Kindern durchführen. Wesentliche Untersuchungsbestandteile sind dabei: gezielte Prüfung der Pupillenreaktion, Reaktion auf Licht Fixations- und Folgebewegungen auf Licht und Objekte Greifreaktionen auf Objekte Untersuchung mit dem Preferential-looking Test: (Grundlage dabei ist, dass die Kinder automatisch in die Richtung des Streifenmusters schauen, wenn sie es differenzieren können) 222
4 MEDIZIN Neben weiteren Testmethoden kindgerecht die visuelle Leistungsfähigkeit, die Funktion des beidäugigen Sehens sowie die Motilität zu überprüfen, die die Orthoptistin durchführt, werden im Folgenden die eingehenden Untersuchungen des Organbefundes gemacht (Spalt, Augeninnendruck, Funduskopie, Skiaskopie als einzig sichere objektive Refraktionsbestimmung beim Kind am sichersten unter Gabe von Atropinol bis zum 6. Lebensjahr, später unter Gabe von Cyclopentolat). Die Untersuchung des Gesichtsfeldes beim Kind stellt dabei eine besondere Herausforderung dar und ist nur in Schätzwerten zu erheben, da dort doch eine erhebliche Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit des Patienten gefordert ist. Therapiemöglichkeiten Nach Abschluss der Diagnostik ist dann die Einleitung weiterer Maßnahmen nach eingehender Aufklärung der Eltern erforderlich. Dabei müssen Aspekte der Prognose meist sehr zurückhaltend beantwortet werden. Therapiemöglichkeiten im eigentlichen Sinne gibt es leider fast nie, außer der Verordnung einer Brille oder Kontaktlinse zum bestmöglichen Refraktionsausgleich, Operationen beim grauen oder grünen Star, Laseranwendungen bei Frühgeborenenretinopathien, Strahlenoder Chemotherapien bei Tumoren. Einzig die Okklusionstherapie zur Amblyopiebehandlung kann dann das Sehvermögen auf geschädigten Augen noch durch entsprechendes Gebrauchstraining verbessern, soweit funktionelle und nicht organische Defizite den Visus limitieren. Entscheidende Hilfe kann über die Frühförderung für Sehgeschädigte gegeben werden. Sehbehindertenfrühförderung Diese wird an den Sehbehindertenschulen durch entsprechend geschulte Sonderpädagogen bis zur Einschulung gegeben in Form von Hausbesuchen zu Hause oder im Kindergarten. Kostenträger sind dabei die Schulämter bezogen auf das Personal, Materialien werden vom Landschaftsverband finanziert. Inhaltlich ist folgendes Konzept gegeben: Zunächst wird die Fixation des Lichtes stimuliert, bei entsprechenden Fortschritten werden Folge- und Fixationsbewegungen, Greifreaktionen, Koordination von Auge und Hand gefordert, z.t. mit unterschiedlichen Farbreizen. Hierzu gibt es als besonders gutes Instrument die Lightbox, aber auch viele einfache Hilfsmittel wie Taschenlampen mit unterschiedlichen 223
5 Größen, Farbfolien, sich drehende Lampen, Lichterketten, Discokugeln und Ähnliches, was man sich im Spielzeughandel besorgen kann mit etwas Fantasie und Aufmerksamkeit. Besondere Aufmerksamkeit wird dennoch zusätzlich auf die Stimulierung der übrigen Sinne gelegt, insbesondere bei stark sehgeschädigten Kindern. So soll der Zugang zur Musik und Körperbewusstsein geschaffen werden, Orientierung und Mobilität und lebenspraktische Fähigkeiten eingeübt werden. Nicht zuletzt beinhaltet die Betreuung der Kinder auch die Begleitung der ganzen Familie, die Eltern finden sehr viel Hilfe auch bei sozialrechtlichen Fragen, Kontakten zu Selbsthilfegruppen und Beratung in Konfliktsituationen, die behinderungsbedingt entstehen. Gleichzeitig zur Frühförderung kann ab dem Vorschulalter, in Ausnahmefällen auch schon etwas eher, mit der Versorgung mit vergrößernden Sehhilfen begonnen werden, also mit der eigentlichen optischen Rehabilitation. Hier sind bei den Kindern vor allem geeignet die verschiedenen Visolettlupen, die ja aufgrund der enormen Akkommodationsfähigkeit der Kinder zu sehr hohen Vergrößerungsfaktoren führen. Aber auch Bildschirmlesegeräte werden in einzelnen Fällen schon früh mit Erfolg eingesetzt. 224
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