UTB Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage

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2 UTB 8415 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag Köln Weimar Wien Verlag Barbara Budrich Opladen Farmington Hills facultas.wuv Wien Wilhelm Fink München A. Francke Verlag Tübingen und Basel Haupt Verlag Bern Stuttgart Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung Bad Heilbrunn Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft Stuttgart Mohr Siebeck Tübingen C. F. Müller Verlag Heidelberg Orell Füssli Verlag Zürich Verlag Recht und Wirtschaft Frankfurt am Main Ernst Reinhardt Verlag München Basel Ferdinand Schöningh Paderborn München Wien Zürich Eugen Ulmer Verlag Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft Konstanz Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich

3 Marco Hemmerling / Anke Tiggemann Digitales Entwerfen Computer Aided Design in Architektur und Innenarchitektur Wilhelm Fink

4 Die Autoren: Prof. Dipl.-Ing. Marco Hemmerling MA Diplomstudium der Architektur an der Bauhaus Universität in Weimar und der Politecnico di Milano. Postgradualer Master of Arts im Studiengang Architektur Media Management an der Hochschule Bochum. Mehrjährige Tätigkeit als Architekt in Deutschland und den Niederlanden, unter anderem mitverantwortlich für den Entwurf und die Realisierung des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart. Freier Architekt (AKNW) in Köln und Professor für Computer Aided Design an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Dipl.-Ing.Anke Tiggemann Studium der Innenarchitektur an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Mitarbeiterin in Lehre und Forschung im Lehrgebiet Computer Aided Design an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur. Referentin für Software-Schulungen im Rahmen der Fort- und Weiterbildung für Architekten und Innenarchitekten. Prodekanin an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem Papier Wilhelm Fink GmbH & Co.Verlags-KG (Wilhelm Fink GmbH & Co.Verlags-KG, Jühenplatz 1, D Paderborn) ISBN Internet: Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Layout: Anke Tiggemann Titelbild: Philipp Meise Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart UTB-Bestellnummer: ISBN

5 5 Vorwort Der zunehmende Einfluss digitaler Techniken auf die Konzeption, Entwicklung und Umsetzung von architektonischen Entwürfen ist in den letzten Jahren deutlich sichtbar geworden. In fast allen Architekturbüros hat der Computer und mit ihm die entsprechenden Programme und Anwendungen Einzug gehalten. Oft wird bei den in der letzten Zeit entstandenen spektakulären Bauten erwähnt, dass sie ohne die neueste Computertechnik nicht hätten entstehen können. Worin genau besteht das Potential dieser Technik für die Arbeit des Architekten? Der englische Architekturtheoretiker Robin Evans hat in seinem Buch The Projective Cast dargestellt, wie die historische Entwicklung der Architektur durch den Einfluss der zweidimensionalen Darstellung geprägt wurde. Der Zusammenhang zwischen den Möglichkeiten der Repräsentation und der Konzeption von archi tektonischen Entwürfen ist nach Evans dadurch gegeben, dass alle Aktivitäten eines Bauvorhabens klassischerweise mittels einer projektiven Transaktion stattfinden. Dies gilt für alle drei der aufeinander folgenden Schritte gleichermaßen: eine innere Vorstellung des Gestalters wird aufskizziert das Projekt wird anhand einer Perspektivdarstellung erläutert das Projekt wird mittels orthografischer Pläne ausgeführt Die Fülle der angebotenen Repräsentationsarten erfordert es, sich mit den Techniken und den Eigenarten der unterschiedlichen Werkzeuge vertraut zu machen, um diese gezielt für die eigene Arbeit auswählen und einsetzen zu können. Digitale Techniken bieten neue Möglichkeiten auf jeder der von Robin Evans beschriebenen Ebenen: bei der Darstellung und Konzeption bei der Präsentation und Kommunikation im Planungsteam und mit dem Bauherrn bei der Realisierung aufgrund der direkten Umsetzung auf Basis von Datenmodellen Wenn man die neuen Werkzeuge richtig einsetzen kann, ist es nicht nur möglich, andere Formen, sondern auch neue Räume zu schaffen, die den zeitgenössischen Anforderungen entsprechen und Lebensraum mit hoher Qualität bieten. Wie überall gilt auch beim Einsatz von Computern in der Architektur: Es kommt darauf an, was man daraus macht! Jedes noch so komplexe Werkzeug wird erst in der Anwendung durch den gestaltenden Menschen wertvoll. Das vorliegende Kompendium wird Ihnen nützen, diese Potentiale zur Unterstützung Ihrer Kreativität einzusetzen! Tobias Wallisser

6 6 Danksagung Das vorliegende Buch konnte nur mit Hilfe folgender Personen entstehen, denen wir an dieser Stelle für Ihre bereitwillige Unterstützung herzlich danken. Britta Sösemann, Anke Wolf und Markus Tiggemann für die textliche und grafische Bearbeitung, Philipp Meise und Leif Linhoff für die erstellten Visualisierungen, Pläne und Grafiken, sowie Guido Brand, Markus Graf und David Lemberski für die fachliche Unterstützung. Besonderer Dank gilt Ben van Berkel und Caroline Bos (UNStudio) sowie Nik Schweiger (3deluxe biorhythm) für die freundliche Bereitstellung zahlreicher Abbildungen.

7 7 Inhalt Vorwort 5 1 Digitales Entwerfen 12 2 CAAD Entwicklung Programmaufbau Ein- und Ausgabemedien Programmoberfläche Arbeitsbereich Menüleiste Werkzeugpalette Informationspalette Dialogfenster Kontextmenü Organisation Zeichnungsverwaltung Koordinatensysteme Dimensionen D-Planungsmethodik ½D-Planungsmethodik D-Planungsmethodik Maßstabsübergreifende Planung Navigation Zoom, Lupenfunktion Pan, Ansicht verschieben Standardansichten Werkzeuge Erzeugung von Objekten Bearbeitung von Objekten Architekturspezifische Objekte Symbole Konstruktionshilfen Raster Fangfunktionen Zeichnungstechnische Elemente Bemaßung Schraffuren, Füllungen Text Datenaustausch Dateiformate und Programmschnittstellen AVA Planerstellung Plangestaltung Planausgabe 45

8 8 3 3D-Modeling Entwicklung der räumlichen Darstellung Projektionsarten Parallelprojektionen Perspektivische Projektionen Dreidimensionale Entwurfsmethodik Physisches vs. Digitales Modell Qualitäten von 3D-Modellen Darstellung von 3D-Modellen Erzeugung von 3D-Modellen Regelmäßige Körper Klassische Flächenarten Freiformflächen Bearbeitung von 3D-Modellen Deformationen Boolesche Operationen Flächenverschneidung Abwicklung von Flächen 82 4 Visualisierung Entwicklung Geschichte der Architekturvisualisierung Funktionen der Visualisierung Renderings Visualisierung von Architektur und Innenarchitektur Experten-Laien-Kommunikation Entscheidungshilfe Simulation von Material- und Lichteigenschaften Diagrammatische Darstellung Aufbau einer Szene Kamera Perspektive und Bildausschnitt Betrachtungswinkel Größe der Einstellung Schärfentiefe Material Farbe Transparenz Spiegelung Glanz Texturierung Relief Displacement Alpha-Kanal Licht Funktionen von Licht und Schatten Lichtquellen Licht und Schatten 107

9 Inhalt Modellieren mit Licht Rendern Vektor, Pixel, Antialiasing Raytracing Global Illumination Shading Bilddateiformate Multi-Pass-Rendern Animation Entwicklung Darstellung von Bewegung in Zeichnungen Filmtechnik Zeichentrickfilm Computeranimation Architekturanimation Raumwahrnehmung, Bewegung und Animation Architekturanimationen als Präsentationsmedium Architekturanimationen als Entwurfsmedium Echtzeitvisualisierung Animationstechniken Bild-für-Bild-Animation Schlüsselbildanimation D-Animation D-Animation Grundlagen der Animation Abspielgeschwindigkeit Dauer Interpolation Klassen visueller Wahrnehmung von Bewegung Kamera-Animation Objekt-Animation Erzeugung einer Animation Vorbereitung Materialsammlung Nachbearbeitung Architektur-Compositings Ausgabe Rendern Bildformat Videoauflösung Videoformat, Containerformat Bildbearbeitung Entwicklung Fotografie Drucktechnik Fernsehtechnik 142

10 Computergrafik Bildbearbeitung in Architektur und Innenarchitektur Optimierung von Renderings Texturen erzeugen Bildmontagen Grundlagen der Bildbearbeitung Auflösung Abmessung Farbtiefe Farbmodus Eingabe Scanner Digitalkamera Visualisierungsprogramm Digitale Bildbearbeitung Bildgröße anpassen Bildoptimierung Auswahl Bildmanipulation Bildmontage Bildkomposition Ausgabe Bilddateiformat Bildschirmwiedergabe Druckausgabe Layout Entwicklung Erstellung von Druckvorlagen ohne Computer DTP, GUI und WYSIWYG Computerschriften Digitaldruck Planlayout Layout als Kommunikationsmedium Grundvoraussetzungen Bestandteile eines Planlayouts Layout und Typografie Makrotypografie Rahmenbedingungen für Layouts Seitenformat Satzspiegel Gestaltungsraster Zahlenreihen Anordnung von Texten und Bildern Zeilenlänge Zeilenabstand Wortzwischenraum Spaltenabstand 183

11 Inhalt Mikrotypografie Schriftstil Schriftklassifikation Schriftfamilie Schriftschnitt Schriftgrad Textauszeichnung Schriftkombination Textausrichtung Ausgabe PDF-Format Entwicklung von PDF und PostScript PDF-Erzeugung Ausblick Building Information Modeling Virtuelle Realität Digitale Fabrikation Mediatektur Mercedes-Benz Museum, Stuttgart Anhang Ausgewählte Literatur Zitatnachweis Abbildungsnachweis Software Index 222

12 12 1 Digitales Entwerfen Der Einsatz digitaler Medien hat in den vergangenen 20 Jahren nicht nur die Arbeitsweise der Architekten und Innenarchitekten* stark beeinflusst, sondern auch die formale Gestaltung und die daraus resultierende Erscheinung und Wahrnehmung von Architektur und Raum maßgeblich verändert. Computer Aided Design (CAD), deutsch computergestütztes Entwerfen, ist heute der Standard zur Entwicklung und Darstellung räumlicher Konzepte in Architektur und Innenarchitektur. Der Computer ist sicherlich das umfassendste und dynamischste Medium, das der Architekt für seine Arbeit je zur Verfügung hatte. Die Möglichkeiten digitaler Entwurfsmethoden erzeugen neue Freiheiten für die Entwicklung von Architektur. Zur Ausgestaltung dieses Potenzials bedarf es jedoch der Fähigkeit, den Computer als interaktives Instrument einzusetzen und seine künstliche Intelligenz als kreative Erweiterung zu begreifen. Ein professioneller Umgang mit digitalen Medien sorgt dafür, dass die architektonische Qualität vom Entwurf bis zur Realisierung im Kompetenzbereich des Gestalters bleibt, und erweitert gleichzeitig dessen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung von Architektur und Innenarchitektur. Ein wesentlicher Vorteil im Umgang mit CAD liegt in den vielfältigen Möglichkeiten, die einzelnen computergestützten Methoden strategisch miteinander zu verknüpfen. Grundlage solcher Strategien ist die Entwicklung eines konsistenten und umfassenden dreidimensionalen Modells, das im fortschreitenden Planungsprozess gestalterisch weiterentwickelt und durch zusätzliche Informationen ergänzt wird. Von diesem Modell leiten sich alle relevanten Darstellungen ab, die in Form von technischen Zeichnungen, atmosphärischen Visualisierungen und analytischen Simulationen für die Planung verwendet werden. Das digitale Entwerfen schafft eine direkte Verbindung zwischen dem Denkbaren und dem Baubaren und hat dadurch die Entwicklungsmöglichkeiten von Architektur und Innenarchitektur wesentlich erweitert. In diesem Sinne hat sich der Computer von einem reinen Zeichenwerkzeug, das lediglich traditionelle Instrumente simuliert, zu einem integrativen Entwurfsmedium mit eigenen Qualitäten und Anforderungen entwickelt. * Die maskuline Form bezieht sich um der besseren Lesbarkeit willen hier und im Folgenden gleichermaßen auf Architektinnen und Innenarchitektinnen.

13 Einleitung 13 Das Buch Digitales Entwerfen soll eine ganzheitliche Kompetenz für den Umgang mit digitalen Medien im Entwurfs- und Planungsprozess vermitteln. Zunächst werden die wichtigsten Aspekte des zwei- und dreidimensionalen CAAD (Computer Aided Architectural Design) sowie die Bausteine 3D-Modeling, Visualisierung, Animation, Bildbearbeitung und Layout vorgestellt. Anschließend erfolgt ein Ausblick auf weiterführende computergestützte Methoden, die neue Bereiche des Entwurfs- und Realisierungsprozesses in der Architektur und Innenarchitektur erschließen. Hierzu zählen Building Information Modeling, BIM, und digitale Fabrikationsmethoden sowie die Einbindung digitaler Technologien in unsere gebaute Umwelt (Mediatektur) und der Aufbau virtueller Realitäten. Die Netzstruktur, die zu Beginn der Kapitel die Einbindung des jeweiligen Themas in den Kontext digitaler Werkzeuge darstellt, dient als Leitbild für die Verknüpfung der beschriebenen Bausteine und stellt sie in eine logische, anwendungsbezogene Abfolge. Visualisierung CAAD BIM Digitale Fabrikation Mediatektur Animation Bildbearbeitung 3D-Modeling Virtual Reality Layout Am Beispiel des Mercedes-Benz Museums, Stuttgart wird der konsequente Einsatz digitaler Medien und deren Verknüpfung von der Entwurfsfindung bis zur baulichen Umsetzung genauer beleuchtet und durch zahlreiche Abbildungen veranschaulicht. Die ausgewählten Themenbereiche sollen Studierenden und Absolventen der Fachrichtung Architektur und Innenarchitektur, aber auch Anwendern in der Praxis die wesentlichen Kenntnisse im Umgang mit computergestützten Methoden für Entwurf, Planung und Ausführung vermitteln. Die methodische Beschreibung der Bausteine ist programmübergreifend gültig und lässt sich auf unterschiedliche Softwareanwendungen übertragen. Neben den textlichen Ausführungen erläutern Grafiken, Tabellen, Diagramme und Visualisierungen die beschriebenen Aspekte. In den thematisch gegliederten Kapiteln stellen darüber hinaus Anwendungsbeispiele aus der Praxis den konkreten Bezug zu den jeweiligen Einsatzbereichen her. Eine Übersicht gängiger Programme für den Bereich Architektur und Innenarchitektur ist im Anhang des Buches als Linkliste aufgeführt. Zu einer Vielzahl von Programmen stehen darüber hinaus spezifische Programmskripte, die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Buch entstanden sind, als Download zur Verfügung unter Marco Hemmerling und Anke Tiggemann

14 14 Visualisierung CAAD BIM Digitale Fabrikation Mediatektur Animation Bildbearbeitung 3D-Modeling Virtual Reality Layout 2 CAAD Computer Aided Architectural Design (CAAD) steht für den Einsatz computergestützer Entwurfs- und Planungsmethoden in der Architektur. Diese Arbeitsmethodik greift bei der Entwicklung architektonischer Konzepte auf spezifische CAD-Software zurück, die auf Anforderungen der Architektur und Innenarchitektur ausgerichtet ist. Die Arbeitsweise innerhalb eines CAAD-Programms geht über die traditionelle Planung eines Gebäudes am Zeichentisch weit hinaus und ermöglicht dem Architekten eine ganzheitliche gestalterische, technische und organisatorische Bearbeitung seines Projekts auf allen Planungsebenen. Die vielfältigen Informationen, die während eines Projekts erzeugt werden, können mit Hilfe der Software zusammengeführt, strukturiert und darüber hinaus für alle Planungsbeteiligten spezifisch aufbereitet und dargestellt werden. Eine moderne CAAD-Umgebung generiert eine Vielzahl entwurfsentwickelnder und planungsrelevanter Möglichkeiten. Für den Entwurfsprozess liegen die Vorteile des Computers in der schnellen und umfassenden Erzeugung von Planungsdaten, der Speicherung, der Strukturierung, der Automatisierung von Planungsabläufen und in der Möglichkeit, die Entwurfsinhalte nachträglich zu verändern. Diese Funktionen gestatten es kurzfristig, unterschiedliche Entwurfsideen und -varianten durchzuspielen, zu vergleichen und direkt zu bewerten Entwicklung Der Beginn des CAD wird allgemein in dem von Ivan Sutherland 1963 am MIT entwickelten Sketchpad-Programm gesehen. Es schuf die Grundlagen für die Datenstrukturen und Benutzeroberflächen heutiger CAD-Programme und wurde zunächst vor allem im Flugzeugbau eingesetzt. Aus dieser Entwicklung ist Mitte der 1970er Jahre das Programm CATIA (Computer Aided Three Dimen-

15 CAAD 15 sional Interactive Application) entstanden, das der US-Amerikaner Frank O. Gehry in den 1980er Jahren als einer der ersten für die Architektur einsetzte. Die CAD-Software der ersten Generation versteht sich als reines Zeichenwerkzeug mit den Möglichkeiten von Stift und Papier. Die Eingabe erfolgt 2D, zweidimensional, und die Informationsträger sind einfache Linien und geometrische Grundfiguren. Man spricht hier vom Computer Aided Drafting, deutsch computergestütztes Zeichnen, in dem die Software allerdings noch nicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Zeichenaufgabe und des Gestaltungsgebietes reagiert. Ein Maschinenbauingenieur verwendete in den 1980er Jahren noch das gleiche Zeichenprogramm wie der Architekt. Die zweite Generation von CAD-Software der 1980er bis 1990er Jahre ist stärker an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst und schafft so den Wechsel vom Computer Aided Drafting zum Computer Aided Design, computergestütztes Entwerfen und Konstruieren. Durch die Verwendung spezieller Aufsätze bieten die Programme Funktionen, die den unterschiedlichen Nutzern mehr Freiheiten und Variationsmöglichkeiten einräumen. Außerdem beginnt man in dieser Phase, auch am Bildschirm mit einfachen dreidimensionalen Objekten zu arbeiten. Programme der dritten Generation, ab den 1990er Jahren, arbeiten objektorientiert. Im Fall der Architektursoftware heißt das: Neben den einfachen Liniendarstellungen werden auch vordefinierte und referenzierte Architekturobjekte wie Wände, Fenster und Treppen gezeichnet, die sich automatisch an spezielle Randbedingungen, wie Abmessungen und Konstruktionsarten, anpassen. Zudem bieten diese Systeme die Möglichkeit, nichtgrafische Informationen, wie Material- und Masseneigenschaften, an die Zeichnung anzubinden. CAAD ist heute der Standard, um Architektur und räumliche Konzepte zu entwerfen, zu planen und zu konstruieren und ist allgemeingültige Praxis in Architektur- und Innenarchitekturbüros. Der Einsatz von CAAD-Systemen hat sich dabei von einem digitalen Werkzeug, das traditionelle Entwurfs- und Darstellungstechniken umsetzt, zu einem Medium mit neuen Möglichkeiten entwickelt. Der Einsatz dieser Systeme veränderte nicht nur die Arbeitsweise der Architekten, er führte auch zu einer neuen Architektursprache. Mit Hilfe des CAAD lassen sich Entwürfe generieren, wie sie technisch und formal zuvor kaum möglich waren, da sie aufgrund ihrer Komplexität an den zur Verfügung stehenden zeitlichen und technologischen Mitteln gescheitert wären. Eine durchaus kritische Haltung zur formalen Abhängigkeit zwischen der Architektur und dem Computer nimmt Greg Lynn ein, einer der Protagonisten freier digitaler Formenwelten: Es gibt eine Sprache der Gestaltung, die der Computer mit sich bringt, und zuerst macht man, was die Software gut kann.

16 16 Computer Abb Ein- und Ausgabemedien Abb Programmoberfläche: 1. Arbeitsbereich, 2. Menüleiste, 3. Werkzeugpalette, 4. Informationspaletten, 5. Kontextmenü, 6. Mauszeiger

17 CAAD Programmaufbau Der Aufbau von CAAD-Programmen basiert herstellerübergreifend auf den gleichen Prinzipien. Jedoch werden in den jeweiligen Softwareapplikationen unterschiedliche Begrifflichkeiten für vergleichbare Bausteine verwendet. So werden z.b. je nach Programm die Organisationsstrukturen für die Zeichnungsinhalte als Ebenen, Folien oder Layer bzw. Klassen oder Teilbilder bezeichnet. Im Folgenden wird für die Benennung der Bausteine nur jeweils eine Bezeichnung verwendet, die stellvertretend für alle anderen Begrifflichkeiten steht und entsprechend auf die spezifischen CAAD- Anwendungen übertragbar ist Ein- und Ausgabemedien Gegenüber der traditionellen Arbeitsweise mit Stift und Papier wird die indirekte Interaktion mit dem Entwurfsgegenstand über Maus und Tastatur (Eingabegeräte) sowie über den Bildschirm (Ausgabegerät) als wesentlicher Nachteil empfunden. Die Ein- und Ausgabemedien des CAAD erreichen derzeit noch nicht den direkten und intuitiven Zugang, wie man ihn bei dem Erstellen einer Zeichnung von Hand gewohnt ist. Jedoch weisen die Entwicklungen von neuen Eingabegeräten ( Sketchboard, Space-Mouse, Datenhandschuh und Force-Feedback-Systeme) und erweiterten Ausgabeverfahren ( stereoskopische Projektionen, Head Mounted Displays und VR-Technologien) den Weg, diese Schnittstelle in Zukunft zu überwinden. (> Ausblick) Die Qualität eines CAAD-Programms basiert daher, neben den technischen und funktionalen Möglichkeiten, ganz wesentlich auf der benutzergerechten Gestaltung der Programmoberfläche und dem interaktiven Zusammenspiel von Ein- und Ausgabemedien 2. 3 Programmoberfläche Die grafische Benutzeroberfläche eines CAAD-Programms wird über den Bildschirm angezeigt und besteht aus dem zentralen Arbeitsbereich, der als digitale Zeichenfläche fungiert, den Menüleisten sowie Werkzeug- und Informationspaletten, die am oberen und seitlichen Rand des Bildschirms angeordnet sind. Die einzelnen Funktionsbereiche werden über einen Mauszeiger angesteuert, der die Bewegung der Maus auf die Benutzeroberfläche überträgt und anzeigt. Neben der Auswahl und Aktivierung der Programmfunktionen über die Betätigung der Maustasten lassen sich mit Hilfe des Zeigegerätes auch Objekte auswählen und positionieren sowie Koordinaten ermitteln. Dabei verändert sich das Symbol des Zeigers entsprechend der aktivierten Funktion, z.b. Pfeil, Fadenkreuz, Punkt, Zeigefinger oder Textbalken. Einige CAAD-Programme verfügen darüber hinaus über intelligente Zeiger, die sich situationsbezogen den jeweiligen Bearbeitungsschritten anpassen und Konstruktionshilfen wie Ausrichtungspunkte, Fangfunktionen, automatische Hilfslinien und Masken zur Maßeingabe bereitstellen.

18 Arbeitsbereich Der Arbeitsbereich nimmt den größten Raum der Benutzeroberfläche ein und dient der grafischen Darstellung der 2D- und 3D- Objekte, die im Rahmen der Bearbeitung erzeugt werden. Dieser Bereich lässt sich nach Bedarf bei einigen CAAD-Programmen in mehrere Ansichtsfenster unterteilen, die unterschiedliche Blickrichtungen, wie Aufsicht, Seitenansichten und Perspektive, darstellen und somit ähnlich einer Dreitafelprojektion eine umfassende Betrachtung der erstellten Objekte ermöglichen. (> 3D-Modeling > Parallelprojektionen) Menüleiste Die Menüleiste befindet sich oberhalb des Arbeitsbereiches und beinhaltet die Befehlsgruppen und Einstellungen des CAAD-Programms. Neben allgemeinen Funktionen, wie dem Öffnen, Speichern und Drucken einer Datei, finden sich in den Pull-Down-Menüs auch CAAD-spezifische Bausteine, die zur Erzeugung, Modifika tion und Organisation der Planungskomponenten erforderlich sind, sowie Einstellungen, die eine individuelle Anpassung der Benutzeroberfläche ermöglichen. Abb. 18 Werkzeug- und Informationspaletten, Dialogfenster und Kontextmenüs eines CAAD-Programms