Handbuch Alkohol am Arbeitsplatz
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- Gerhardt Böhmer
- vor 7 Jahren
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1 Handbuch Alkohol am Arbeitsplatz Alkoholismus Definitionen Einführung Alkohol am Arbeitsplatz ist eine Tatsache. 5 bis 10 Prozent aller Arbeitnehmenden haben ein Alkoholproblem. Oft ist Ihnen als Personalverantwortliche/r und/oder Vorgesetzte/r unklar, was Sie tun sollen, wenn Ihre Mitarbeiterin, Ihr Mitarbeiter ein Alkoholproblem hat und das Verhalten und die Leistung am Arbeitsplatz dadurch abfallen. Mit diesem Handbuch hat die Forel Klinik für Sie Informationen und erste Hilfestellungen zum Thema Alkoholismus am Arbeitsplatz geordnet. Der Inhalt führt in ein komplexes Thema und ersetzt keine konkrete Beratung oder Behandlung. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht Ihr adäquater und verantwortungsbewusster Umgang mit betroffenen Mitarbeitenden. Empfehlungen und Grenzwerte Aus biologischen Gründen sind Frauen gegenüber Alkohol vulnerabler (verletzlicher) als Männer. Bereits ein geringer Konsum kann mit Risiken verbunden sein; beispielsweise bei Kindern, während der Schwangerschaft sowie bei Einnahme von Medikamenten wegen möglicher Interaktionen. 1 Standardgetränk (= ca. 12 g reiner Alkohol) entspricht: 3 dl Bier 1 dl Wein 2 cl Spirituosen Internationale Grenzwerte Schweiz Männer Höchstens 3 Standardgetränke pro Tag, ausnahmsweise 4 Getränke pro Tag auf mehrere Stunden verteilt. Frauen Weniger als 2 Standardgetränke pro Tag, ausnahmsweise weniger als 4 Getränke pro Tag auf mehrere Stunden verteilt. WHO Männer Höchstens 3 Getränke pro Tag. Frauen Höchstens 2 Getränke pro Tag, nie mehr als 4 Getränke punktuell zu bestimmten Anlässen. Kanada Männer und Frauen Höchstens 1 Getränk pro Stunde. Höchstens 3 Getränke pro Tag. Höchstens 4 Getränke in Folge. Grossbritannien Männer < 21 Getränke pro Woche. Frauen < 14 Getränke pro Woche. Wann ist jemand Alkoholiker? Laien fällt es in der Regel schwer, festzustellen, ob jemand alkoholgefährdet oder bereits alkoholkrank ist. Denn die Grenze zwischen Konsum, Missbrauch und Abhängigkeit ist fliessend. Die Trinkmenge ist per se kein Diagnosekriterium («... wer täglich mehr als ein Liter Wein konsumiert, ist alkoholabhängig...»). Allerdings führt die Toleranzbildung oft zu gesteigertem, beziehungsweise sehr hohem Alkoholkonsum. Forel Klinik AG Seite 1 von 8
2 Anhand folgender Punkte lässt sich eine Gefährdung oder Abhängigkeit erkennen: Missbräuchlicher Konsum Höherer Konsum als soziokulturell üblich. Konsum zu einer unpassenden Gelegenheit wie zum Beispiel bei der Arbeit und im Strassenverkehr. Physische und psychische Veränderungen. Tägliches Trinken. Das Trinken dient dem gezielten Abbau von Spannungen, Ängsten, Frustrationen etc. Schädlicher Konsum Bei seelischer Angespanntheit verspürt die Person das Verlangen nach Alkohol. Ohne einige Gläser Alkohol am Tag fühlt sich die Person nicht mehr wohl. Die Person trinkt heimlich und alleine. Die Person trinkt morgens häufig Alkohol. Nach wenig Alkohol steigt das Bedürfnis nach mehr. Nervosität und Zittern werden durch den Alkoholkonsum abgebaut. Die Person kann das Trinken nicht mehr von sich aus aufgeben. Die Person trinkt gewohnheitsmässig und schwächt damit Organe und verändert ihr Wesen. Das Trinkverhalten stört Beziehungen, mit dem Verhalten schadet sich die Person selbst und ihrem Umfeld. Alkoholkrank Eine Person kann nicht mehr auf Alkohol verzichten = Abstinenzverlust. Eine Person kann auf Alkohol verzichten, aber die Alkoholmenge nicht mehr kontrollieren = Kontrollverlust. Kommentare zur Definition Eine Alkoholabhängigkeit entwickelt sich meist schleichend über Jahre bis Jahrzehnte. Wenn aber mehr als 12 Monate keines der oben genannten Symptome auftaucht, ist die Diagnose «Alkoholabhängigkeit» nicht mehr zulässig. Bei erneutem Alkoholkonsum entwickeln sich die Abhängigkeitssymptome in sehr viel kürzerer Zeit als vor der Abhängigkeit, häufig innerhalb von Tagen oder Wochen. Forel Klinik AG Seite 2 von 8
3 Erkennen des Problems bei betroffenen Mitarbeitenden Erkennen Auch wenn es Ihnen unangenehm ist und schwer fällt, das Thema Alkohol bei Mitarbeitenden aufzugreifen, so liegt es doch in Ihrer Verantwortung. Sprechen Sie Ihre Mitarbeiterin, ihren Mitarbeiter auf das vermutete Alkoholproblem an. Hilfe und Fürsorge verlangen konkretes Engagement. Wenn Sie unsicher sind, schärfen Sie Ihre Wahrnehmung und beobachten Sie das Verhalten am Arbeitsplatz. Beobachtungen, welche Ihnen Hinweise auf ein mögliches Alkoholproblem geben, teilen Sie in drei Bereiche auf: Arbeits-, Sozialverhalten und das äussere Erscheinungsbild. Arbeitsverhalten Häufiges und unabgemeldetes Fehlen Häufige Kurzabsenzen Entschuldigung durch Dritte Schwankungen bei Leistung und Durchhaltevermögen Generelle Minderleistungen mit periodischen Überaktivitäten Termine werden versäumt, Unpünktlichkeit Steigende Unzuverlässigkeit Mangel an Sorgfalt Eingeschränkte Verantwortungsbereitschaft Unkonzentriertheit Zunehmende Vergesslichkeit Verschlechterung der manuellen Geschicklichkeit Häufige Unfälle Sozialverhalten Alkoholkonsum am Arbeitsplatz Starker Alkoholkonsum bei geduldeten ( privaten ) Anlässen Überempfindliches oder aggressives Reagieren auf Kritik Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung Vermeidung von Gesprächen über Suchtmittel Sinkende Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen Der Kontakt zu den anderen nimmt ab, Blickkontakt wird vermieden oder das Gegenteil trifft zu Wesensveränderung, vorwiegend negative Haltung zu verschiedenen Fragestellungen Äusseres Erscheinungsbild Nachlässigkeit in der Kleidung und Körperpflege oder im Gegenteil - sehr auf das äussere Erscheinungsbild achtend Aufgedunsenes, gerötetes Gesicht Gleichgewichtsprobleme beim Gehen oder überkontrolliertes Gehverhalten Verlangsamte, undeutliche Sprache Müdigkeit Alkoholfahne Kaschieren der Alkoholfahne mit Kaugummis, Mentholtabletten, Rasierwasser Schweissausbrüche Zittrige Hände Forel Klinik AG Seite 3 von 8
4 Ansprechen statt wegschauen Nicht alle genannten Symptome treten zwingend gleichzeitig auf. Oft fehlt das eindeutigste Indiz: die Alkoholfahne. Als Vorgesetzte, Vorgesetzter ist es wichtig, dass Sie die Veränderungen wahrnehmen. Vermeiden Sie es aber, Diagnosen zu stellen, suchen Sie das Gespräch. Unterschiede zwischen Mitarbeitenden, die missbräuchlich trinken und solchen, die krankhaft trinken, können Sie selbst kaum feststellen. Zudem weisen psychisch Kranke unter Umständen ein ähnliches Verhalten wie Alkoholkranke auf. Bespitzeln unterstützt nur das Vertuschen Niemand soll es sich zur Aufgabe machen, alkoholkranke Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zu überführen. Das endet in den meisten Fällen in einer Überforderung für beide Seiten. Zudem sind suchtkranke Menschen sehr einfallsreich dabei, ihre Abhängigkeit zu verbergen. Das heisst auch, dass die betroffene Person alarmiert ist und versucht, das Problem noch stärker zu kaschieren. Meistens, wenn Teamkolleginnen und Teamkollegen sowie Vorgesetzte den Fehler begehen, nach eindeutigem Beweismaterial zu suchen. Darüber sprechen hilft macht aber auch Angst Suchen Sie als Personalverantwortliche oder Vorgesetzter das Gespräch möglichst frühzeitig. Ehemals abhängige und jetzt trockene Alkoholikerinnen und Alkoholiker betonen, wie wichtig die Gespräche am Arbeitsplatz für sie waren. Trotzdem können genau diese Gespräche bei Betroffenen vorerst Verunsicherung auslösen: «Werde ich meinen Status verlieren, wenn ich mir helfen lasse, oder in Behandlung gehe? Wer weiss, ob die Vorgesetzten wirklich vertraulich mit meinem Problem umgehen? Wenn Behandlung heisst, dass ich einige Monate in einer Fachklinik bin, werde ich meine Arbeitsstelle, meine Position behalten können? Muss ich Einkommenseinbussen hinnehmen? Werde ich wirklich die Achtung und das Vertrauen meiner Familie, Kollegen, Freunde und Kunden wieder gewinnen, wenn ich zurückkomme?» Solche Fragen sind existenziell und können massive Ängste auslösen. Wenn Sie sich entscheiden, das Problem anzusprechen, ist es wichtig, dass Sie sich dieser Ängste bewusst sind. Erstes Gespräch Eine Vorbereitung mit folgendem Gesprächsleitfaden unterstützt Sie beim ersten Gespräch: Konfrontation mit den Fakten: Welche Beobachtungen, Vorkommnisse geben Anlass zur Sorge? Vermutung des Suchtproblems ansprechen. Welche Auswirkungen hat das Verhalten der betroffenen Mitarbeiterin, des betroffenen Mitarbeiters auf die Arbeitssituation? Welches Verhalten muss die, der Betroffene verändern? Welche Hilfe kann ich der, dem Betroffenen (interne/externe) anbieten? Bedingungen klarlegen: was muss sich bis wann wie verändert haben? Welche Vereinbarungen werden getroffen? Wie sehen die Konsequenzen aus, wenn die betroffene Mitarbeiterin, der betroffene Mitarbeiter die Vereinbarungen nicht einhält? Wann findet ein Auswertungsgespräch statt? Wenn die betroffene Mitarbeiterin, der betroffene Mitarbeiter mitteilt, dass das auffällige Verhalten mit der Sucht zu tun hat, ist es wichtig, dass Sie Ihre Mitarbeiterin, Ihren Mitarbeiter dabei unterstützen, sich beraten oder therapieren zu lassen. Forel Klinik AG Seite 4 von 8
5 Falls die oder der Beschäftigte eine Suchterkrankung ausschliesst, so können Sie schriftlich eine verhaltensbedingte Verwarnung aussprechen. Darin zeigen Sie die Konsequenzen auf, wenn sich die betroffene Person oder Situation nicht verändert. Zweites Gespräch Die Situation hat sich entspannt In diesem Fall ist es sinnvoll, dass Sie weitere Gespräche zu Verhaltensänderung und deren Stabilisierung führen. Lassen Sie sich dabei von externen Fach- und Beratungsstellen beziehungsweise Ihrem betriebsinternen Sozial- oder Beratungsdienst unterstützen. Die Situation ist weiterhin angespannt Leiten Sie die angekündigten Konsequenzen ein. Schriftliche Vereinbarung Auch die beste Gesprächsführung und Vorbereitung garantieren nicht, dass die betroffene Person ihr Verhalten ändert oder ihre Suchtproblematik einsieht. Oft müssen Sie mehrere Gespräche führen, externe Fachleute oder weitere Hilfsangebote zuziehen. In solchen Fällen hilft Ihnen eine schriftliche Vereinbarung. Das Vorgehen und die Vereinbarung hängen von der jeweiligen Situation ab, wie zum Beispiel Betriebseigenheiten, Eigen- und Fremdgefährdungsrisiko der Arbeitstätigkeit. Passen Sie die Vereinbarung entsprechend an. Nimmt die betroffene Person fachliche Hilfe in Anspruch, ist der Einbezug dieser Fachpersonen bei der Vereinbarung empfehlenswert. Mittelfristige Vereinbarungen halten länger In der Regel bewährt sich eine Vereinbarung von 1,5 bis 2 Jahren Dauer. Langfristige Abmachungen belasten sowohl Sie wie auch die betroffene Person eher als dass sie helfen. Längerdauernde Vereinbarungen werden weniger genau eingehalten und führen dadurch kaum zu besseren Resultaten. Sofern Sie eine Weiterbehandlung in der Vereinbarung festhalten, sollten Sie diese nicht länger als 2 Jahre festsetzen. Falls die betroffene Person diese freiwillig weiterführen will, ist ihr, ihm das selbstverständlich freigestellt. Leitgedanken als Basis der Vereinbarung Klären Sie die verschiedenen Rollen: als Arbeitgeberin, Arbeitgeber beschränken Sie sich auf arbeitsrelevante Aspekte. Übernehmen Sie keine therapeutische Funktion. Beraterinnen und Berater sowie Therapeutinnen und Therapeuten bleiben bei ihrem beraterischen, beziehungsweise therapeutischen Auftrag und in ihrer Expertenrolle. Wo Kontakte mit Berater-/innen, Therapeut-/innen, Fachstellen oder Institutionen vorgesehen sind, soll die betroffene Mitarbeiterin, der betroffene Mitarbeiter zuvor eine schriftliche Entbindung von der Schweigepflicht erteilen. Das gleiche gilt für eingebundene Ärztinnen und Ärzte. Wesentliche Ziele einer Vereinbarung sind Klarheit über die gegenseitigen Erwartungen schaffen Sicher stellen, dass sich das Alkoholproblem der betroffenen Mitarbeiterin, des betroffenen Mitarbeiters nicht auf den Betrieb auswirkt Wiederaufbau des gegenseitigen Vertrauens Forel Klinik AG Seite 5 von 8
6 Inhalte einer individuellen Vereinbarung Die betroffene Person verpflichtet sich, Hilfe in Form von ambulanter Beratung und Therapie in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitgeber meldet der Weiterbehandlungsstelle, wenn die betroffene Mitarbeiterin, der betroffene Mitarbeiter alkoholisiert an der Arbeitsstelle erscheint, der Alkoholkonsum zu einem Arbeitsausfall führt, beziehungsweise der Alkoholkonsum an der Arbeitsstelle vorliegt. Die behandelnde Fachperson, die betroffene Mitarbeiterin, der betroffene Mitarbeiter und die, der Vorgesetzte besprechen das Alkoholproblem und das weitere Vorgehen. Bei Verdacht auf Alkoholkonsum kann der Arbeitgeber die Durchführung von geeigneten Kontrollen (Atemlufttest, geeignete Laborkontrollen) beim Hausarzt, bei der Weiterbehandlungsstelle oder beim Spital verlangen. Bei vorzeitigem Abbruch der Beratung, Therapie: In einem ausserordentlichen Standortgespräch besprechen die behandelnde Fachperson, die oder der Vorgesetzte und die betroffene Mitarbeiterin, der betroffene Mitarbeiter die nächsten Schritte. Auf Wunsch einer der Beteiligten finden ausserordentliche Standortgespräche statt. Diese Vereinbarung tritt ab Unterzeichnung in Kraft und gilt für zwei Jahre. Nach Ablauf dieser Frist ist sie zu vernichten. Auf Wunsch der Beteiligten lässt sich die Vereinbarung jederzeit ändern. Für die Einhaltung dieser Vereinbarung ist die betroffene Person verantwortlich. Ort und Datum: Arbeitgeber: direkte/r Vorgesetzte/r, Personalverantwortliche Arbeitnehmerin, Arbeitnehmer Rückfall Erneuter Alkoholkonsum bei Alkoholabhängigkeit kommt häufig vor. Ein Rückfall bedeutet nicht, dass die Therapie oder Beratung erfolglos bleiben. Im Umgang mit Rückfällen gibt es keine einfachen Massnahmen, sondern Zielhierarchien: Wichtiges Ziel ist die zunehmende Stabilisierung der Arbeitnehmerin, des Arbeitnehmers. Erneuter Alkoholkonsum bewirkt oft, die Ziele und bisherige Entwicklung zu überprüfen. Einen hohen Stellenwert hat die Sicherheit sowohl für den Betrieb als auch für die betroffene Mitarbeiterin, den betroffenen Mitarbeiter. Dieser Aspekt ist stark branchenabhängig. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist für Sie in der Regel die letzte Lösung denn für betroffene Mitarbeitende ist sie häufig fatal und für den Betrieb eine wirtschaftliche Belastung. Alkoholkonsum ausserhalb der Arbeitszeit ist vorwiegend Privatsache der betroffenen Mitarbeiterin, des betroffenen Mitarbeiters, solange die Arbeitsleistung nicht darunter leidet (zum Beispiel Kater durch Restalkohol). Dieser private Alkoholkonsum gehört deshalb nicht in die Zusatzvereinbarung. Allerdings muss Ihnen und vor allem der betroffenen Mitarbeiterin, dem betroffenen Mitarbeiter bewusst sein, dass: sogenanntes kontrolliertes Trinken selten und mehrheitlich nicht von Dauer ist. Sehr oft geht das Trinken wieder in einen unkontrollierten Konsum über. Alkoholkonsum auch ausserhalb der Arbeitszeit das Vertrauen von Kolleginnen, Kollegen und Arbeitgebern erneut erschüttert, wenn er bekannt wird. Forel Klinik AG Seite 6 von 8
7 Die rechtliche Situation Der Gesetzgeber hat die mögliche Gefährdung der Arbeitssicherheit durch den Konsum von Alkohol und anderen berauschenden Mitteln erkannt und nimmt diesbezüglich sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber in die Pflicht. Im Folgenden sind die wichtigsten rechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit Suchtmitteln am Arbeitsplatz aufgeführt. Grundsatz 1. Ein Arbeitgeber, der einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin wissentlich «berauscht» arbeiten lässt, hat nicht alle notwendigen Unfallverhütungsmassnahmen getroffen und daher gegen den UVG-Artikel 82 verstossen. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Zustand durch Alkohol, Haschisch, Medikamente oder andere Drogen verursacht wird. 2. Ein Arbeitnehmer, der berauscht arbeitet und dadurch sich oder andere ernstlich gefährdet, hat einen Arbeitgeber bei den notwendigen Unfallverhütungsbemühungen nicht unterstützt und verstösst ebenfalls gegen Artikel 82 des UVG. Pflichten Pflicht der Arbeitnehmer Der Arbeitnehmer darf sich nicht in einen Zustand versetzen, in dem er sich selbst oder andere Arbeitnehmer gefährdet. Dies gilt insbesondere für den Genuss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln. (Verordnung über die Unfallverhütung (VUV Art. 11 Abs. 3). Dabei gibt es keine klar vorgegebene Promille oder sonstige Grenze. Der Ermessensspielraum hängt u.a. von der Gefährlichkeit der Arbeit ab. Die 0,5, die im Strassenverkehr seit 1. Januar 2005 als Grenzwert gelten, geben einen gewissen Anhaltspunkt. Beeinträchtigungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit treten jedoch bereits ab 0,3 auf! Informations- und Kontrollpflicht des Arbeitgebers Der Arbeitgeber sorgt dafür, dass alle in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, einschliesslich der dort tätigen Arbeitnehmer eines anderen Betriebes, über die bei ihren Tätigkeiten auftretenden Gefahren informiert und über die Massnahmen zu deren Verhütung angeleitet werden. (...) Der Arbeitgeber sorgt dafür, dass die Arbeitnehmer die Massnahmen der Arbeitssicherheit einhalten. (VUV Art. 6 Abs. 1 und 3). Da auch die Einnahme berauschender Mittel zu den «auftretenden Gefahren» gehört, ist der Arbeitgeber verpflichtet, über die diesbezüglichen Regeln, die im Betrieb gelten, zu informieren und die Einhaltung zu kontrollieren. Alkoholverbot Der Arbeitgeber kann den Genuss alkoholischer Getränke einschränken oder verbieten. (Art. 35 Abs. 3 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz ArGV3). Dieser Artikel, der für das ganze Betriebsgelände geltend gemacht werden kann, gibt dem Arbeitgeber eine Handhabe, gegen Alkohol- und Drogengenuss am Arbeitsplatz vorzugehen. Soll der Konsum auch vor Arbeitsbeginn oder während Pausen ausserhalb des Betriebsgeländes eingeschränkt werden (beispielsweise Mittagspause), empfiehlt es sich dies in einem Betriebsreglement festzuhalten, welches als integrierender Bestandteil des Arbeitsvertrages gilt (beispielsweise für Lokführer, Chauffeure). Bereithalten von Trinkwasser In der Nähe der Arbeitsplätze muss Trinkwasser zur Verfügung stehen. Soweit es die Arbeit erfordert, sollen ausserdem andere alkoholfreie Getränke erhältlich sein (Art. 35 Abs. 1 ArGV3). Forel Klinik AG Seite 7 von 8
8 Ist in akuten Fällen oder Verdachtsmomenten das Verordnen von Blasen, Urin- oder Blutproben erlaubt? 1. Die Arbeitgeber sind verantwortlich, dass die Beschäftigten sicherheitsgerecht arbeiten. Es liegt in ihrer Pflicht, abzuklären ob die betroffene Person ihre Tätigkeit ohne erhöhtes Risiko ausführen kann. Wenn die besagte Person eine Beeinträchtigung bestreitet, kann der Arbeitgeber eine Atemluftkontrolle oder eine Blut- oder Urinprobe vorschlagen letzteres aber nur bei illegalen Drogen um so eine objektive Einschätzung zu erhalten. 2. Falls eine solche Probe abgewehrt resp. verweigert wird oder die Beeinträchtigung auf den Konsum von Medikamenten, Cannabis, Heroin oder andere Drogen rückführbar ist, muss der Arbeitgeber dafür sorgen, der/die Beschäftigte an einen ungefährlichen Arbeitsplatz zu versetzen oder nach Hause zu schicken. Weder ein Atemlufttest, noch eine Urin- oder Blutprobe sind erzwingbar. Im Falle von präventiven Massnahmen/Proben, z.b. bei Chauffeuren, sind die Stichproben in einem Reglement festzuhalten. Die Reglemente sind Bestandteil des Arbeitsvertrages, der von beiden Parteien unterzeichnet wird. Solche Proben werden als starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte empfunden und sind mit Zurückhaltung durchzuführen. Dies gilt vor allem für Urinproben die sich ausserdem leicht fälschen lassen. Leistungskürzungen Hat der Versicherte den Unfall bei Ausübung eines Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt, so können die Geldleistungen gekürzt oder in besonders schweren Fällen verweigert werden. Hat der Versicherte im Zeitpunkt des Unfalles für Angehörige zu sorgen, denen bei seinem Tode Hinterlassenenrenten zustünden, oder stirbt er an den Unfallfolgen, so werden Geldleistungen höchstens um die Hälfte gekürzt (UVG Art. 37 Abs. 3). Der Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen ist auch bei Unfällen unter Alkoholeinfluss voll gegeben (Grobfahrlässigkeit gem. UVG Art. 37 Abs. 2) ausgenommen es geschah im Zusammenhang mit einem Verbrechen oder Vergehen. Meistens geht es um Führen eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand. In diesem Fall können Leistungen gekürzt oder ganz gestrichen werden, wenn zwischen dem Unfall und dem Alkoholkonsum eine Beziehung hergestellt werden kann. Heilungskosten werden jedoch auch in diesem Fall bezahlt (UVG Art. 37 Abs. 3). Bei Nichtbetriebsunfällen können Kürzungen neben dem Fall eines Verbrechens oder Vergehens, auch bei Grobfahrlässigkeit oder eines Wagnisses vorgenommen werden. Bei Grobfahrlässigkeit kann es gemäss UVG Art. 37 Abs. 2 zu einer Kürzung der Taggelder bis maximal zwei Jahre nach dem Unfall kommen. Heilungskosten, Renten, Integritäts- und Hilflosenentschädigungen können nicht gekürzt werden. Der Tatbestand Wagnis trifft ein, wenn sich der/die Versicherte durch gewisse Handlungen einer besonders grossen Gefahr aussetzt, ohne risikomindernde Vorkehrungen zu treffen oder treffen zu können, die die Gefahr auf ein vernünftiges Mass reduzieren (UVV Art. 50). Bei Nichtbetriebsunfällen kann der Konsum von Rauschmitteln den Wagnisbestand erfüllen, dies kann eine Weigerung sämtlicher Geldleistungen nach sich ziehen. Forel Klinik AG Seite 8 von 8
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