Pädagogische Hochschule Weingarten. Praktikum vom 07. Februar April 2016

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1 Pädagogische Hochschule Weingarten Sarisin, Betül Praktikum vom 07. Februar April 2016 Praktikumsstelle: Edremit Anadolu Lisesi in Edremit/Balikesir Lehramt WHRS PO2011 Ziel: 1. Saatsexamen 8. Fachsemester

2 1. Vorbereitung des Aufenthaltes Wie viele andere Studenten wollte ich auch einmal im Leben im Ausland gelebt haben. Mein Wunsch war es dabei ein anderes Land als Deutschland im alltäglichen Leben erleben und erfahren zu dürfen. Ich bin sehr Heimatverbunden und mir ist klar, dass ich niemals dauerhaft im Ausland leben könnte. Deshalb wollte ich diese Erfahrung während meines Studiums machen, denn nach dem Studium wäre es für mich persönlich nicht mehr vorstellbar, woanders zu leben. Lange habe ich überlegt wo es hin soll, am liebsten würde ich die ganze Welt bereisen und überall einmal gewesen sein. Peru stand zur engeren Auswahl, doch da es für mich am einfachsten war, habe ich mich schlussendlich für die Türkei entschieden. Für den deutschen Staatsbürger ist die Einreise in die Türkei relativ einfach (90 Tage Urlaubsvisum), auch der Erhalt von einem Studentenvisum ist meines Wissens relativ unkompliziert. Jedoch war dies für mich alles unbedeutend. Da meine Eltern türkischer Herkunft sind, habe ich eine sogenannte blue-card für die Türkei. Das heißt, dass mir der unbefristete Aufenthalt in der Türkei gestattet ist. Diese blue-card ist zeitgleich auch eine unbefristete Arbeitserlaubnis und hat mir deshalb den Zugang erheblich erleichtert. Studenten die keine türkische Staatsbürgerschaft oder blue-card besitzen müssen sich mit dem türkischen Konsulat in Verbindung setzen. Die nächsten Anlaufstellen sind in Bregenz und in Stuttgart. Für mich war Stuttgart die Anlaufstelle, denn ich habe dort in der Abteilung für Bildung einen Antrag gestellt um ein Praktikum in der Türkei absolvieren zu dürfen. Der Antrag wurde in Schriftform gewünscht, in dem anzugeben war was und wo ich studiere, warum ich ein Praktikum im Ausland machen möchte und wo in der Türkei meine Praktikumsstelle sein soll. Dieser Antrag wurde zusammen mit einer übersetzten Immatrikulationsbescheinigung und dem ebenfalls übersetzten Paragraphen (Professionalisierungspraktium) in der PO2011 abgegeben. Das Konsulat hat dann alle Unterlagen nach Ankara weitergeleitet und ich wurde von der höchsten Behörde in Ankara an eine Schule in der gewünschten Stadt zugeteilt. In der Türkei kann es genauso wie auch in Deutschland dazu kommen, dass Beamte vergessen ihre Arbeit vollständig zu erledigen. So hat die Behörde in Ankara es versäumt die Schule und die Bezirksleitung zu informieren, dass eine Praktikantin der

3 Schule zugeteilt wurde. Was jedoch nicht weiter schlimm war, da ich die Zusicherung auf die Praktikumsstelle von der höchsten Behörde (Bildungsministerium in Ankara) schriftlich erhalten hatte. Ich habe alles auf eigene Faust in die Wege geleitet, deshalb denke ich, dass es für einen Studenten der gar keine Sprachkenntnisse hat besonders schwer sein dürfte, den Überblick nicht zu verlieren. 2. Praktikum im Gastland Nachdem alle Hürden überwunden waren, bekam ich eine Mentorin zugeteilt. Eigentlich hätte ich mit der mir vorliegenden Erlaubnis des Bildungsministeriums ganze 2 Monate lang, alleine in jeder Klasse unterrichten dürfen. So allgemein war die Zusage formuliert. Stattdessen habe ich mich entschieden nur im Fach Geschichte zu hospitieren und hier meiner Forschungsfrage nachzugehen. Außerdem verstand ich mich mit der Deutschlehrerin besonders gut, was mir ermöglicht hat auch ein paar Mal bei ihr rein zuschauen und den Schülerinnen und Schülern auf Deutsch vom deutschen Bildungssystem zu erzählen. Die Schule ist auch für türkische Verhältnisse relativ groß. Ein Jahrgang besteht aus 210 Schülern. Lise ist die Oberstufe in der Türkei, d. h Klasse. Dementsprechend groß ist das Gebäude. Insgesamt werden 70 Lehrkräfte beschäftigt. Nach meiner Beobachtung ist der Unterricht in der Türkei besonderes Lehrerzentriert, er besteht zum größten Teil aus Frontalunterricht. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Der ausschlaggebendste Grund ist die Bandbreite des Bildungsplans. Er ist so detailliert und umfangreich, dass alle anderen Methoden es kaum ermöglichen würden mit dem Lehrstoff bis zum Ende des Jahres durch zu kommen. Ich habe auf eigenen Wunsch hin wenige Schulstunden in Geschichte gestaltet. Bei den Schülerinnen und Schülern kam dies besonders gut an. Sogar einfachste Methoden waren für die Schülerinnen und Schüler interessant. Auch parallel Klassen haben den Wunsch geäußert von mir unterrichtet werden zu wollen. Jedoch war das schwer realisierbar, da ich nicht besonders fit in der türkischen Geschichte bin. Aufgrund dessen habe ich als passendes Thema etwas aus dem deutschen Lehrplan gewählt. Somit war es für die Lehrer schwer sich dann an den Stoffverteilungsplan zu halten.

4 3. Aufenthalt im Gastland Wie viele hatte auch ich große Angst davor zwei Monate ins Ausland zu gehen. Ein Land das man nicht kennt, andere Strukturen, andere Sitten, Vorurteile. Obwohl ich die Landessprache beherrsche, war die Türkei für mich ein fremdes Land. Bis auf zwei Kurzurlaube kannte ich das Land so gut wie gar nicht. Ich stellte mir Fragen wie: Werde ich von den anderen Lehrern ausgeschlossen? Wird es Schwierigkeiten geben? Wie komme ich mit den Schülerinnen und Schülern zurecht? Werden sie mich mögen? Ich wurde vor allem von den Schülerinnen und Schülern, aber auch von allen Lehrkräften äußerst positiv aufgenommen. Es ist wie überall auf der Welt, bleibt man authentisch, freundlich und aufgeschlossen, wird man auch freundlich empfangen. Das hat mir den Aufenthalt in der Türkei besonders erleichtert. Das Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern, die neugierig auf die deutsche Lehrerin waren, war sehr angenehm. Wo schmeckt das Essen besser? Gefällt dir die Türkei? Warum wolltest du hierher? Auch die Lehrkräfte waren gleichermaßen interessiert. Wie sieht der Bildungsplan in Deutschland aus? Müsst ihr dort auch so viel unterrichten? Wie sieht das Studium für Lehrkräfte aus? Aufgrund der politischen Situation in der Türkei hat das International Office immer per Mail den Kontakt zu mir gehalten und mich gefragt, wie sicher ich mich fühle. Dadurch hatte ich immer das Gefühl von zusätzlicher Sicherheit, da ich mein Praktikum zu jedem Zeitpunkt hätte abbrechen können. Dies war jedoch gar nicht nötig, weil man so weit weg von den Geschehnissen ist und sich somit auch in Sicherheit befindet. Gerade in kleineren Städten, die weder für Touristen interessant sind noch eine politische Bedeutung haben, geht das Leben weiter. Selbstverständlich trauert man um die Opfer, jedoch fühlt man sich zu keinem Zeitpunkt unsicher oder hat Angst.

5 4. Praktische Tipps Am schwersten fiel mir die türkische Verkehrsstruktur, da ich nicht in einer Großstadt bin bestehen die öffentlichen Verkehrsmittel aus den sogenannten Dolmus d. h. Minibusse die überall auf ihrer Route halten. Man steht am Straßenrand und versucht von weitem zu erkennen ob es der richtige Minibus ist. Dann gibt man ein kurzes Handzeichen damit der Fahrer hält. Man sagt in welchem Viertel man aussteigen möchte und der Fahrer kassiert dementsprechend ab. Hat man den Dreh raus, kann man das Geld auch bereits passend dem Fahrer in die Hand drücken oder Fahrgäste die vor einem sind bitten, das Geld an den Fahrer weiter zu geben. Da es keine Bushaltestellen gibt, muss man sich selber Namen überlegen wo man aussteigen möchte. Kurz bevor man die Haltestelle erreicht hat sagt man dann, an der Schule, an der Überführung, am Supermarkt. Hat man keinen besonderen Anhaltspunkt, ist die beste Formel zu sagen irgendwo, wo es passt. Dies fiel mir persönlich die ersten zwei Wochen besonders schwer, denn ich bin es gewöhnt auf einen Stopp-Knopf zu drücken und an der nächsten Bushaltestelle auszusteigen. Aber da alle sehr hilfsbereit sind, bekommt man überall Hilfe, man muss sich nur trauen die Personen anzusprechen. Jedoch kommt man mit deutsch nicht besonders weit, deshalb würde ich empfehlen auf jeden Fall ein Paar notwendige Floskeln zu lernen und es mit Englisch zu versuchen. Müsait biyerde also irgendwo, wo es passt wird euch auf jeden Fall helfen vom Minibus wieder auszusteigen. Sucht euch auch auf jeden Fall einen Freund, der die Landessprache beherrscht und euch zumindest für die ersten Tage begleitet, bis ihr alleine zurechtkommt. 5. Persönliche Wertung des Aufenthaltes an der Schule und im Gastland Die Herzlichkeit der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler hat mir den Aufenthalt und mein Heimweh um einiges erleichtert. Ich habe neue Menschen kennengelernt, mit denen ich sicherlich weiterhin in Kontakt bleiben werde. Die Türkei ist zurzeit politisch problematisch und die Angst in die Türkei zu reisen wächst stetig. Jedoch bekommt man in den kleinen Städten an der Küste entlang wenig von den Unruhen mit. Hier habe ich meinen Alltag in Deutschland zurück gelassen und neue Dinge ausprobiert, sei es zum ersten Mal ins Fitnessstudio zu gehen oder Touren mitgemacht. Troja, Gallipoli, Izmir und Bursa sind auf jeden Fall eine Reise wert. Die historischen Städte der Türkei sind Orte, die ich vielleicht nie zu Gesicht bekommen hätte und gerade für Geschichte sehr zu empfehlen. Ich würde den

6 Aufenthalt jederzeit wieder machen, nur würde ich im Vorhinein die Reisen, die ich im Land machen möchte genauer planen. Es ist gerade für angehende Lehrer toll zu sehen wie das Schulsystem in anderen Ländern funktioniert und man lernt, man lernt aus Fehlern und es hilft sich selbst und seinen Unterricht noch einmal zu reflektieren. Für mich ist klar, ich möchte Lehrerin werden und all die Methoden die uns gerade am Anfang schwer fallen umzusetzen versuchen. Es macht so viel mehr Spaß eine Methodenvielfalt einzubauen und den Schülerinnen und Schülern Hilfestellung zu geben, als nur Vorträge zu halten.