verzichteten zum Zeitpunkt der Befragung auf Medikation gegen Tagesschläfrigkeit und/oder Kataplexie.
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- Innozenz Breiner
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1 5. Zusammenfassung Die durchgeführte Befragung hatte zum Ziel, die sozialmedizinischen Konsequenzen Fahrtauglichkeit, Arbeitslosigkeit, frühzeitige Berentung und Versicherungsauflagen zu evaluieren. Die vorliegende Datenerhebung gründet sich auf einem standardisierten Fragebogen in Anlehnung an das Narkolepsieregister und unter Berücksichtigung der Fragen einer vorangegangenen Arbeit zur Unfallhäufigkeit bei Narkolepsie (Müller 2002). Der Fragebogen umfasste Fragen nach den Narkolepsiesymptomen, der bisherigen Therapie und Begleiterkrankungen. Zur Fahrtauglichkeit wurden der Führerscheinbesitz, die Dauer der Fahrpraxis und die Kilometerleistung pro Jahr erfragt, sowie Unfälle und deren Ursache. Um die sozialmedizinischen Konsequenzen der Narkolepsie zu erfassen, wurde nach dem aktuellen Beruf, Arbeitsplatzverlust, Arbeitsunfällen, Erwerbsunfähigkeit, Berentung, Schwerbehinderungsgraden und Versicherungsstatus gefragt. Diese Fragen wurden durch halbstandardisierte Interviews ergänzt, in denen insbesondere nach Problemen im Behindertenrecht, Problemen am Arbeitsplatz und im Versicherungswesen angesprochen wurden. Führende Symptome der Narkolepsie sind Tagesschläfrigkeit mit imperativen Einschlafattacken und Kataplexie. Es gilt, dass Narkolepsiepatienten aufgrund der Tagesschläfrigkeit und der Kataplexie als nicht fahrtauglich einzustufen sind (Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrzeugeignung 2005). Die Fahrtauglichkeit kann aber bei adäquater medikamentöser Therapie durch die Begutachtung eines ausgewiesenen Facharztes für Neurologie bescheinigt werden (Kotterba, Orth 2007). Befragt wurden 80 Narkolepsiepatienten, 41 Männer und 39 Frauen. Das Durchschnittsalter der Männer betrug 51,6 ± 16,8 Jahre. Das Durchschnittsalter der Frauen betrug 47,3 ± 17,2 Jahre. 37 Männer litten an Narkolepsie mit Kataplexie und vier Männer an einer Narkolepsie ohne Kataplexie. 34 Frauen litten an einer Narkolepsie mit Kataplexie und fünf Frauen an einer Narkolepsie ohne Kataplexie. 13 Männer und Frauen 72
2 verzichteten zum Zeitpunkt der Befragung auf Medikation gegen Tagesschläfrigkeit und/oder Kataplexie. 41 Männer und 37 Frauen hatten zum Zeitpunkt der Befragung einen Führerschein. 38 Männer und 28 Frauen nahmen zum Zeitpunkt der Befragung aktiv am Straßenverkehr teil. Drei Männer und acht Frauen hatten zum Zeitpunkt der Befragung das Auto fahren aufgegeben. Die Fahrpraxis in Jahren (Mittelwert) der Männer lag bei 31,6 ± 14,9 Jahren, die Fahrpraxis in Jahre (Mittelwert) der Frauen lag bei 25,6 ± 15,4 Jahren. Die Kilometerleistung pro Jahr der Männer war signifikant höher als die der Frauen (p= 0,004). Insgesamt gaben die 77 Narkolepsiepatienten mit Führerschein an, an 173 Autounfälle beteiligt gewesen zu sein. Davon entfielen 131 Unfälle auf die Männer und 42 Unfälle auf die Frauen. Aber nur 59 Autounfälle sollen nach Angaben der Patienten durch die Tagesschläfrigkeit verursacht worden sein. Das entspricht einem prozentualen Anteil von 33,7%. Den Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2005 zufolge, sind etwa 0,4% aller Unfälle auf Tagesschläfrigkeit zurückzuführen. Darüberhinaus ist die Unfallrate unter den Gesunden unter 40jährigen signifikant höher als bei den über 40jährigen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie ergeben ein deutlich höheres Unfallrisiko der Narkolepsiepatienten gegenüber Gesunden. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Daten bisheriger Studien (Aldrich et al. 1989, Müller 2002, George, Boudreau, Smiley 1996, Kotterba et al. 2004). Die Daten zu Alter und Fahrpraxis zeigen ein zu den Daten des Statistischen Bundesamtes und den Daten bisheriger Studien (Müller 2002, Kotterba et al. 2004) widersprüchliches Bild. Hier verursachten die über 40jährigen signifikant mehr Unfälle als die unter 40jährigen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass nur allgemein nach der Anzahl der Unfälle im Laufe der Fahrpraxis gefragt wurde, nicht nach dem Alter zum Zeitpunkt des Unfalls. Eine Korrelation zwischen Alter und Unfallrate ist deshalb nicht herzustellen. Die erhobenen Daten zeigen einen signifikanten Unterschied zwischen der Unfallhäufigkeit und dem Geschlecht. Die durchschnittliche Unfallrate der Männer liegt bei 3 Unfällen, die der Frauen bei 1,1 Unfällen. Das Männer 73
3 demnach nominal mehr Unfälle machen, lässt sich durch die Fahrleistung pro Jahr erklären: Im Vergleich zu den Frauen legen die Männer signifikant mehr Kilometer pro Jahr mit dem Auto zurück. Schriftlich in den Fragebögen gab nur ein Mann einen Unfall an, der durch eine Kataplexie verursacht worden sei. In den mündlichen Interviews gaben zwei der Frauen einen Unfall an, der durch eine Kataplexie bedingt gewesen sei und sie zum Aufgeben des Autofahrens bewegt habe. Der Vorteil des Fragebogens besteht zweifellos in der Standardisierung. Dennoch zeigte sich in dieser Studie, dass ein halbstandardisiertes Interview bei der heiklen Frage nach Autounfällen aufgrund der Narkolepsie eine sinnvolle Ergänzung sein kann. Selbst unter der Zusicherung der Anonymität und der ausbleibenden Sanktionierung muss die Validität der Antworten berücksichtigt werden. Unfälle aufgrund von Tagesschläfrigkeit wurden von den Befragten eingeräumt. Die Zahl der Unfälle insgesamt (173) und die Unfälle aufgrund von Tagesschläfrigkeit (59) differierte deutlich. Unfälle aufgrund der Kataplexie wurden aber nur von einem Patienten eingeräumt. Erst in einem persönlichen Gespräch waren zwei Betroffene bereit zuzugeben, dass auch die Kataplexie Unfallursache war. Eine Patientin gab zu, dass sie im Gespräch mit Freunden und Bekannten die Kataplexie als Unfallrisiko aus Angst vor möglichen Sanktionen ausschloss. Aufgrund der gewonnen Daten scheint die Ergänzung eines standardisierten Fragebogens durch ein persönliches Interview sinnvoll. Der persönliche Kontakt schafft ein Vertrauen, das nur durch schriftliche Befragung nicht möglich und offensichtlich auch nicht ausreichend ist. Die Fragen nach der beruflichen Situation der Narkolepsiepatienten ergab das folgende Bild: Insgesamt waren 23 Männer berentet, davon 11 Männer aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit. Vier Männer waren zum Zeitpunkt der Feststellung der MdE jünger als 50 Jahre, acht Männer jünger als 60 Jahre. 74
4 Insgesamt waren 14 Frauen berentet, 11 der Frauen aufgrund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit. Sechs Frauen waren zum Zeitpunkt der Feststellung der MdE jünger als 50 Jahre, vier Frauen jünger als 60 Jahre. 15 Männer und 16 Frauen waren zum Zeitpunkt der Befragung berufstätig. 15 Männer und sieben Frauen gaben Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes an, wobei acht Männer und fünf Frauen Arbeitsunfälle aufgrund der Erkrankung erlitten hatten. Ein Viertel der befragten Narkolepsiepatienten hat im Laufe des Berufslebens ein Mal den Arbeitsplatz aufgrund der Erkrankung verloren. 20 der 31 zum Zeitpunkt der Befragung berufstätigen Narkolepsiepatienten gaben an, Angst vor einem Arbeitsplatzverlust zu haben. Das mag erklären, warum keiner der Betroffenen den Arbeitgeber bei Antritt des Arbeitsverhältnisses über die Erkrankung informiert hat. Die Betroffenen schließen die Möglichkeit, dass ein Arbeitgeber mit der Information umgehen kann, von vorneherein aus. Kollegen werden nur nach langjähriger Zusammenarbeit informiert und dann auch nur über die Kataplexie, selten auch über die Tagesschläfrigkeit. An Narkolepsie erkrankte Arbeitnehmer berichteten im Rahmen von informellen Interviews über das Anschwärzen von Kollegen beim Arbeitgeber wegen vermeidlicher Schlafpausen während der Arbeitszeit. In einem Fall folgte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, in zwei weiteren Fällen wurde eine Aussprache möglich, die zur Schaffung besserer Arbeitsbedingungen führte. Es überwiegt die Angst, dass ein Arbeitgeber aus Unkenntnis über die Erkrankung nicht adäquat reagiert und die Beweislast zur Arbeitsfähigkeit allein auf Seiten des Betroffenen liegt. Die Narkolepsiepatienten nehmen das Risiko eines Arbeitsunfalles aufgrund unzureichender Arbeitsbedingungen dabei in Kauf. 16 der befragten 80 Narkolepsiepatienten entschieden sich für Berufe, die mit ihrer Erkrankung nicht vereinbar sind, weil sie ein hohes Unfall- bzw Verletzungsrisiko bedeuten. Vertreten sind Berufe wie Elektriker, Schweißer, Metzger, Kraftfahrer und Schornsteinfeger. Die Hälfte der Betroffenen konnte durch Umschulungsmaßnahmen berufstätig bleiben, für acht der Betroffenen wurde aber eine MdE ausgesprochen. Vier der acht Patienten waren zum Zeitpunkt der Berentung unter 40 Jahre alt, zwei der Patienten waren 41 und 75
5 44 Jahre alt und zwei Patienten waren zum Zeitpunkt der Berentung 52 Jahre alt. Gemäß 2 Abs.2 SGB IX sind Patienten mit Narkolepsie aufgrund der Symptomatik der Erkrankung (Tagesschläfrigkeit, Schlafattacken, Kataplexien, automatisches Verhalten im Rahmen von Ermüdungserscheinungen, Schlaflähmung häufig verbunden mit hypnagogen Halluzinationen), als schwerbehindert einzustufen. 22 Frauen und 26 Männer waren zum Zeitpunkt der Befragung als schwerbehindert eingestuft worden. Acht Männer und acht Frauen reichten zur Durchsetzung ihrer Interessen vor dem Sozialgericht Klage ein. Dabei erstritten sich die Patienten entweder die erstmalige Einstufung als schwerbehindert oder aber eine prozentuale Erhöhung der bisherigen Einstufung. Die Narkolepsiepatienten beklagten dabei, dass die sie vertretenden Anwälte zum Teil nur unzureichend über die Erkrankung informiert waren, weshalb sich Gerichtsverfahren verzögerten oder aber die Betroffenen kein Recht bekamen. Betroffene konnten von teils kuriosen Verhandlungen mit Versicherungsgebern berichten: Mit Verweis auf Erkrankung wurden Abschlüsse entweder verwehrt oder an Auflagen (Risikozuschlag, Ausschluss von Unfällen, die sich auf die Erkrankung zurückführen lassen) gebunden. Zukünftig müssen Arbeitgeber, Versicherungen und Behörden Zugang zu fachlicher Information bekommen, um eine soziale Integration der Erkrankten zu verbessern. Frühberentung und teilweise Erwerbsunfähigkeit muss durch geeignete Berufsberatung und Berufswahl vorgebeugt werden. Arbeitskollegen müssen intensiver als bisher mit der Erkrankung vertraut gemacht werden, um Missverständnisse und demütigendes Anschwärzen bei Vorgesetzten zu vermeiden. Arbeitgeber müssen informiert sein, um Arbeitsbedingungen verbessern und das Risiko für Arbeitsunfälle minimieren zu können. 76
6 Nur die bessere fachliche Information von Arbeitgebern, Behörden und Versicherungen kann die soziale Integration von Narkolepsiepatienten deutlich verbessern. 77
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