Modul INFG Grundlagen der Wirtschaftsinformatik
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- Frauke Beckenbauer
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1 Modul INFG Grundlagen der Wirtschaftsinformatik Lernblock 5 Modellierung: Klassenmodelle Semesterwoche 10/11
2 Lernziele Woche 4 Sie wissen, wofür die Klassen-Modellierung bei der Beschaffung und bei der Verwendung von betrieblichen Anwendungssystemen eingesetzt wird Sie verstehen die Begriffe Objekt, Klasse und Attribute Sie können aus einer Gruppe gleichartiger Objekte abstrakte Klassen ableiten und adäquate Attribute definieren. Sie können Beziehungen zwischen Klassen korrekt einordnen und darstellen 2
3 Zweck, Anwendungsbereich Im betrieblichen Umfeld wird die Klassenmodellierung dazu verwendet, betriebswirtschaftlich relevante Objekte (siehe Definition Modelle) zu identifizieren, zu beschreiben und in Anwendungssystemen nutzbar zu machen. Beispiele sind: Kunden, Rechnungen, Aufträge, Artikel etc. Klassenmodelle können demnach als Dokumentation sämtlicher Phasen der Beschaffung/Erstellung und des Betriebs von Anwendungssystemen dienen. Beispiel: Entwurf und Realisierung eines Datenbanksystems 3
4 Analyse des Informationssystems Grundidee: Diejenigen Elemente des Anwendungsbereichs identifizieren, von denen das zu spezifizierende System Informationen kennen und verarbeiten muss. Diese Elemente auf Klassen ähnlicher Objekte, deren Eigenschaften und Beziehungen abbilden. Anschliessend den Klassen Operationen und damit Funktionalität zuweisen. Zweck der Klassenmodellierung während der Analyse: Anforderungsspezifikation ergänzen, Fachentwurf 4
5 Objekte Objekt: Ein individuell erkennbares, von anderen Objekten eindeutig unterscheidbares Element des betrachteten Anwendungsbereichs. Beispiele: Shakespeare Die konkrete Person Eva Müller, 36 Jahre alt, Dr. oec. publ., Leiterin Fertigung in der Firma AGP, verheiratet, ein Kind,... Objekte können: Menschen, Organisationseinheiten (z.b. Mitarbeiter, Abteilung,...) Dinge, Materialien (Buch, Auto,...) Informationsobjekte (z.b. Lieferschein, Rechnung,...) sein. 5
6 Klassen Konkrete Objekte eignen sich nicht zur Modellierung von Anforderungen: zu speziell oft zum Zeitpunkt der Spezifikation gar nicht bekannt Abhilfe: Verallgemeinern zu Klassen Klassenmodelle abstrakte Klassen (Überbegriffe) modellieren (hier nicht weiter betrachtet) Klasse: Eine eindeutig benannte Einheit, welche eine Menge gleichartiger Objekte beschreibt. Beispiele: Schriftsteller, Mitarbeitende, Abteilungsleiter, Zu jeder Klasse werden modelliert: Eigenschaften (Attribute) mit ihren Wertebereichen Beziehungen zwischen Klassen von den Objekten der Klasse angebotene Dienstleistungen als Operationen 6
7 Klassen Quelle: ilustritas.com 7
8 Audi A8 Porsche 911 Objekte vs. Klassen Marke Modell Bild Leistung Höchstgeschwindigkeit Beschleunigung Hubraum Baujahr Gewicht Quelle: ilustritas.com 8
9 Klassendiagramm UML: Einheitliche Notation: wird auf der ganzen Welt verstanden von OMG (Object Management Group) standardisiert ( 9
10 Modellierung von Klassen und Objekten Die Anwendungssicht bestimmt, welches die interessanten Eigenschaften einer Klasse bzw. eines Objekts sind. Beispiel: Modellierung der Klasse Auto Sicht des Verkäufers: Sicht des Mechaniker: Sicht des Steueramts: - Modell - Motor-Typ - Leistung - Preis - Getriebe-Typ - Hubraum - Farbe - Reparatur-Geschichte Das Modell eines Objekts ist deshalb immer eine Abstraktion des Objekts der realen Welt. Es beschreibt bestimmte Eigenschaften und ignoriert andere. Das gleiche gilt für Klassen, da sie Mengen gleichartiger Objekte beschreiben. 10
11 Darstellung von Klassen und Attributen Da sich Modelle in der Wirtschaftsinformatik in der Regel nicht mit einzelnen Objekten befassen, sind Modelle von Klassen wichtiger als Modelle von Objekten. Klassen werden durch ein Rechteck mit dem Klassennamen darin dargestellt: Mitarbeiter Schriftsteller Hat eine Klasse Attribute, werden diese im Rechteck unter dem Klassennamen angegeben, getrennt durch einen Strich. Sie beginnen mit einem Kleinbuchstaben, bei zusammengesetzten Attributnamen beginnen die weiteren Teile mit einem Grossbuchstaben. Mitarbeiter name funktion gebdatum Schriftsteller name pseudonym Klassenname Attribute 11
12 Modellierung von Objekten: Attribute Objekt Auto A Objekt Auto B Objekt Auto C Klasse Auto Identität : oid-293 oid-326 oid-148 Identität Fahrgestell-Nr Fahrgestell-Nr Alter 22 Monate 8 Monate 12 Monate Alter Modell Opel Corsa Ford Mondeo Ford Focus Modell Preis Fr Fr Fr Preis Farbe rot blau grün Farbe Die Attribute sind die Eigenschaften einer Klasse, sie legen die Struktur aller Objekte der Klasse fest, sie sind statisch, d.h. sie ändern sich nicht sie weisen in den konkreten Objekten Werte auf, die dann sehr wohl ändern können 12
13 Typen von Attributen Attribute können einen Typ haben: Konto kontostand : double inhaber : string habenzinsen : double Attribute können mehrwertig sein: Schriftsteller name: string pseudonyme: string [1..*] 13
14 Modellierung von Objekten: Beziehungen Objekt Auto A Objekt Auto B Objekt Auto C Klasse Auto Identität : oid-293 oid-326 oid-148 Fahrgestell-Nr Fahrgestell-Nr Alter Modell 22 Monate Opel Corsa 8 Monate Ford Mondeo 12 Monate Ford Focus Alter Modell Preis Fr Fr Fr Preis Farbe rot blau grün Farbe Besitzer oid-56 oid-18 oid-36 Besitzer Identität : Personal-Nr Vorname Nachname Objekt Mitarbeiter 1 oid-56 p0876 Heinrich Meyer Attribute können auch Beziehungen zu anderen Objekten darstellen. Die Attributwerte sind dann die Identifikatoren dieser Objekte. In diesem Fall spricht man von Beziehungen zwischen Objekten. Mitarbeiter 1: Mitarbeiter Besitzer Auto A: Auto 14
15 Beziehungen zwischen Klassen: Assoziationen Haben alle Objekte einer Klasse eine bestimmte Beziehung zu einem oder mehreren Objekten einer anderen Klasse, so wird diese Beziehung Teil der Klassenbeschreibung. Beispiel: Mitarbeiter arbeitet-für beschäftigt Unternehmen Beziehungen (Assoziationen) können für eine oder beide Richtungen der Beziehung einen Namen haben. Die Leserichtung wird durch einen Pfeil markiert. 15
16 Beziehungen zwischen Klassen: Rollen Die an einer Beziehung beteiligten Klassen nehmen darin eine bestimmte Rolle ein, die bei Bedarf angegeben werden kann. Person Mitarbeiter arbeitet-für beschäftigt Arbeitgeber Unternehmen Weiteres Beispiel: Kunde ist-kontoinhaber ist-kontoberechtigter Konto 16
17 Multiplizitäten (Kardinalitäten) in Beziehungen Auto Motor Frage 1: Ein Auto besitzt wie viele Motoren? Frage 2: Ein Motor gehört zu wie vielen Autos? Multiplizität: Liefert Antwort auf die Frage: Mit wie vielen Objekten der gegenüberliegenden Klasse kann ein Objekt der Klasse verbunden sein? Vermerk der Anzahl in Leserichtung, also bei der gegenüberliegenden Klasse. 17
18 Multiplizitäten (Kardinalitäten) in Beziehungen Person * Mitarbeiter arbeitet-für beschäftigt 1 Arbeitgeber Unternehmen Frage 1: Eine Person arbeitet für wie viele Unternehmen? Frage 2: Ein Unternehmen beschäftigt wie viele Personen? 18
19 Notation von Multiplizitäten * Person 1 Person Person 3.. * Person Person nicht angeschrieben bedeutet 1! Person beliebige viele (entspricht 0.. *) genau 1 0 bis 1 3 bis beliebige viele 0 bis 2 2 Person genau 2 2, 4, 6 Person 2, 4 oder , 8, 10.. * Person nicht 6, 7 oder 9 19
20 Spezielle Beziehungen: Aggregierung Aggregierung ist eine Teil-Ganzes-Beziehung zwischen zwei Klassen. Auf der Seite der Klasse, welche das Ganze darstellt, ist eine kleine Raute angebracht. Auto 1 1 Motor Ganzes Teil Ein Teil kann zu mehreren Ganzen gehören: Zimmer 1.. * 1.. * Wand 20
21 Spezielle Beziehungen: Aggregierung Teile können selber wieder Teile enthalten und eine Aggregation kann auch einen Namen haben: Auto hat 1 1 Motor Ventil Zylinder 1 Zylinderblock 21
22 Spezielle Aggregierung: Komposition Komposition ist ein Spezialfall der Aggregation: Die Teile sind existenzabhängig vom Ganzen. Die Teile existieren folglich nur, wenn das Ganze existiert. Ein Teil kann somit nur zu einem Ganzen gehören. Komposition ist durch eine gefüllte Raute auf der Seite des Ganzen angezeigt. Rechnung 1 1..* Position Buch 1 1..* Kapitel 22
23 Generalisierung Generalisierung ist eine Beziehung zwischen einer allgemeineren Klasse und einer Untermenge dieser Klasse. Die Unterklasse enthält durch Vererbung alle Attribute der Oberklassen(n). Die Unterklasse erweitert die Oberklassen durch weitere Attribute oder Beziehungen. Konto Girokonto sollzinsen : double dispo : double kontostand : double inhaber : string habenzinsen : double Sparkonto Festgeldkonto mindbetrag : int laufzeit : int Generalisierung Spezialisierung 23
24 Operationen (Methoden) Mit Objekten kann man etwas tun, z.b. für ein Konto: darauf einzahlen, den Kontostand anzeigen, das Konto kündigen, etc. Jeder Klasse von Objekten kann man in UML deshalb Operationen (auch Methoden genannt) zuordnen: Konto kontostand : double inhaber : string habenzinsen : double einzahlen() zeigekontostand() kuendigen() Klassenname Attribute Operationen 24
25 Vererbung von Operationen Konto kontostand : double inhaber : string habenzinsen : double einzahlen() zeigekontostand() kuendigen() Über eine Spezialisierung werden neben Attributen auch Operationen vererbt. Girokonto sollzinsen : double dispo : double Sparkonto auszahlen() Festgeldkonto mindbetrag : int laufzeit : int auszahlen() sperren() kuendigen() 25
26 Konventionen für die Namensgebung Namen sollte man so wählen, dass man Sätze formen kann. Beispiel: adresse Kunde gibadresse() 1 besitzt 0..* Konto kontonr kontostand auszahlen() kontoinhaber Klassenname: Substantiv Rollenname: Substantiv Beziehungsname: Verb Attribute: Substantiv Operationen: Verb 26
27 Beispiel 1: CD-Datenmodell (1) Problembeschreibung: Es soll ein Klassenmodell für ein Informationssystem über CDs modelliert werden: Jede CD enthält einen oder mehrere Titel. Jede CD ist von einer Plattenfirma herausgebracht. Eine CD hat einen CD-Titel. Ein Titel kann auf mehreren CDs enthalten sein. Ein Titel hat einen Namen und eine Länge. Jeder Titel kann von mehreren Künstlern gespielt werden. Ein Künstler kann mehrere Titel spielen. 27
28 Beispiel 1: CD-Datenmodell (2) CD cdtitel plattenfirma 1..* 1..* Titel titelname titellänge 1..* 1..* gespielt-von spielt Kuenstler name 28
29 Beispiel 1: CD-Datenmodell (3) Erweiterung: Über eine Plattenfirma sollen Aussagen gemacht werden können: CD cdtitel 1..* 1..* Titel titelname titellänge 1..* 1..* gespielt-von spielt Kuenstler name 1..* herausgegeben-von 1 gibt-heraus Plattenfirma name land 29
30 Verfahren zur Gewinnung von Klassenmodellen Voraussetzung: Text vorhanden Idee: Analyse der grammatischen Struktur der Sätze Problem: Liefert grosse Menge schwach strukturierter Kandidaten für Modellelemente 30
31 Durchführung des Verfahrens Text analysieren: grammatisches Subjekt, grammatische Objekte Kandidaten für Klassen, Attributwerte, Attribute, Wertebereiche Verben beschreiben Zusammenhänge oder Handlungen: Zusammenhänge Beziehungen, Attribute Handlungen Operationen, Funktionalität, Verhalten Adjektive präzisieren Aussagen oder schränken sie ein Abgrenzung von Klassen gegen Attribute / Werte: Jedes Objekt muss eine Identität haben Attributwerte sind Daten ohne eigene Identität Attribute von Attributen sind nicht möglich: In solchen Situationen Klassen und Beziehungen modellieren 31
32 Beispiel 2: Modellierung einer Bibliothek Problembeschreibung: Die Bibliothek bewirtschaftet eine Menge von Büchern. Ein Buch wird beschafft und von einer Bibliothekarin klassifiziert. Es erhält eine Signatur und wird mindestens einem, maximal drei Sachgebieten zugeordnet. Jedes Sachgebiet hat eine Nummer und einen Namen. Gewisse Bücher dürfen nur im Lesesaal eingesehen werden. Die anderen Bücher aus dem Bestand können durch einen Bibliotheksbenutzer ausgeliehen werden. Nur die in einer Benutzerdatei mit Name und Anschrift registrierten Benutzer dürfen Bücher ausleihen. Die Bibliothek führt einen Katalog. Jedes Buch hat einen Katalogeintrag mit Autor(en), Titel, Buchsignatur und bis zu 5 Stichworten. 32
33 Durchführen der Objektanalyse Klassenkandidaten: Bibliothek, Lesesaal, Buch, ausleihbares Buch, Lesesaal- Buch, Signatur, Bibliothekar/in, Sachgebiet, Sachgebietsnummer, Sachgebietsname, Bestand, (Bibliotheks-)Benutzer/in, Benutzerdatei, Name, Anschrift, Katalog, Katalogeintrag, Autor, Titel, Buchsignatur, Stichwort 33
34 Ordnen und Klassifizieren Klasse Attribut Bemerkung Bibliothek Ausleihfrist Buch Signatur AusleihbaresBuch Unterklasse von Buch LesesaalBuch Unterklasse von Buch BibliothekarIn Sachgebiet Sachgebietsnummer, Name BenutzerIn Name, Anschrift Katalog Katalogeintrag Autor, Titel, Buchsignatur, Stichwort Entfallen sind: Bestand (als Facette von Bibliothek aufgefasst) Benutzerdatei (physische Repräsentation von BenutzerIn) Lesesaal (als reines Klassifikationskriterium für Bücher) 34
35 Aggregationen Bibliothek: Aggregation von Buch, BibliothekarIn, Katalog Katalog: Aggregation von Katalogeintrag 35
36 Assoziationen zwischen Buch und BenutzerIn: ausgeliehen-von zwischen Buch und Sachgebiet: gehört-zu zwischen Katalogeintrag und Buch: hat-eintrag 36
37 Erster Modellentwurf (UML-Klassenmodell) Bibliothek ausleihfrist * 1..* Buch signatur: string autor: string titel: string stichwort: string [1..5] BibliothekarIn 1 hat hat 1 gehört-zu 0..* Katalog * Katalogeintrag Sachgebiet sachgebietsnr name LesesaalBuch BenutzerIn AusleihbaresBuch 0..* ausgeliehen-von 0..1 name vorname anschrift 37
38 Bemerkungen Alle Buchattribute sind bei der Klasse Buch modelliert. Sie werden von AusleihbaresBuch und LesesaalBuch geerbt. Die Klasse BibliothekarIn könnte für das zu realisierende Bibliothekssystem irrelevant sein und würde dann entfernt werden. 38
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