Studie. Autorin: Prof. Dr. Gretchen Binus
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- Hannelore Holzmann
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1 Konzernmacht in der Europäischen Union Untersuchung der wichtigsten Indikatoren der europaweit agierenden Industrie- und Bankenkonzerne und Entwicklung von Ansatzpunkten für das parlamentarische Agieren der Bundestagsfraktion zur Demokratisierung des europäischen Wirtschaftsraumes Studie Autorin: Prof. Dr. Gretchen Binus Erarbeitet im Auftrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE. September 2006
2 Vorwort zur Studie Europäische Konzernverflechtungen Von Gregor Gysi Wer die unserer Linksfraktion vorgelegte Studie liest, kann die Spannung spüren, wird dann aber nach Auflösung fragen, nach Gegenkonzepten. Die Linke hat einige Alternativen entwickelt, die als Anstoß für einen öffentlichen Diskurs über Wirtschaftsdemokratie auf europäischer Ebene dienen sollen, aber nicht als endgültige Allheilmittel. So stellen wir Forderungen nach der Stärkung öffentlich rechtlicher Unternehmen, nach Rückführung privatisierter Ressourcen der öffentlichen Versorgung wie Wasser- und Verkehrsbetriebe, nach Entflechtung des Bankensektors. Wir wollen eine vorausschauende Industriestruktur- und Regionalpolitik, die Ausweitung des öffentlichen Sektors, die gezielte Förderung der öffentlichen Auftragsvergabe besonders an kleine Unternehmen und die Schaffung von Anreizen zur Gründung genossenschaftlicher und kleinerer Unternehmen. Entscheidend wären auch eine neue Mitbestimmungsoffensive, die Einführung der staatlichen Genehmigung von Preisen im Versorgungsbereich bei Energie und Wasser oder pharmazeutischen Produkten, die Suche nach neuen demokratischen Kontrollmöglichkeiten bei meldepflichtigen Fusionen oder unsere Forderung nach Schaffung demokratisch legitimierter europäischer Konzernräte. Sicher zielt eine moderne linke Politik immer auf die internationale und damit auch auf die europäische Ebene. Die Aufgabe nationalstaatlicher Regelwerke erweist sich dennoch als schwerer Fehler. Wer z. B. spekulative Hedgefonds verbieten möchte, wie die Linke, wer Konzerne, die aus Profitgründen Unternehmen schließen und ins Ausland gehen, die staatlichen Fördermittel erstatten lassen will, wer eine demokratische Kontrolle des Lobbyismus einflussreicher Konzerne und Gremien will, wird sich nach Lage der Dinge zunächst erst einmal im nationalen Rahmen artikulieren müssen. Die Linke wird dies zu berücksichtigen haben, wenn sie ihre Elemente für eine Alternative zum gescheiterten Verfassungsvertrag öffentlich vorlegt und diskutiert. Mit der vorliegenden Studie sollen das Denken auf europäischer Ebene und die nationalen Handlungsoptionen zusammengeführt werden, um zu einer internationalistischen Vernetzung von Gegenmacht zu kommen, die der transnational agierenden monopolkapitalistischen Übermacht wenigstens ein stärkeres Gewicht entgegensetzt. Ein Kurswechsel in der europäischen Integration und der deutschen Europapolitik ist nötig, ein anderes Europa ist möglich.
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4 Inhalt Seite Einleitung 2 I. Kurzfassung der Studie 3 II. Konzernmacht in der Europäischen Union Ökonomisches Potential als Grundlage der Machtexpansion 12 Ressourcen und Wirtschaftsstruktur Die Unternehmenslandschaft als Feld der Konkurrenz 2. Machtpositionen und Expansion der Industrie- und Bankenkonzerne 20 Positionen der EU-Konzerne in der Weltwirtschaft Industriemacht in Europa Banken, Versicherungen und Börsen 3. Finanzströme der Großkonzerne- Fusionen und Direktinvestitionen 28 Fusionswellen in der EU Ausländische Direktinvestitionen Internationalisierungsgrad der EU-Konzerne 4. Strategien der EU-Konzerne und Schwerpunkte der Machtkämpfe 39 Energiesektor Eisen- und Stahlmarkt Automobilindustrie Chemie- und Pharmaindustrie Luft- und Raumfahrtindustrie Banken, Versicherungen und Börsen 5. Staatsinterventionen und Einfluss der Großkonzerne auf die Politik 50 Nationale Staatinterventionen als Rückgrat der Konzerne Staatliche Interventionen auf der EU-Ebene zugunsten der Konzerne Die Europa AG Bildung europäischer Champions Energiepolitik unter Druck der Konzerne Finanzmarktintegration Instrument der Konkurrenz Industrie- und Bankenlobby in Aktion 6. Ansatzpunkte für das parlamentarische Agieren zur Demokratisierung des europäischen Wirtschaftsraumes 61 1
5 Einleitung Zeitgeister und Trendmedien schnattern für die Freihandelszone Europa und wehe, wer sich nicht einpasst. Bis in die gemäßigte Linke hinein tönt es, die Globalisierung sei ein unumkehrbarer Prozess, dem wir Menschenkinder nur gläubig hinterher sehen dürfen. Modern sei, wer alle nationalstaatlichen Kompetenzen und Standards schnell auf dem europäischen Globalisierungsaltar opfere; rückständig und reaktionär sei, wer das Wort Verstaatlichung in den Mund nimmt, wie es der Bolivianer Morales, der Venezuelaner Chavez und der Südafrikaner Mandela getan haben. Generationen von Linken haben höhere Löhne, soziale Standards, Umweltauflagen und anderes zivilisatorisches Regelwerk in die nationalstaatliche Matrix hineingekämpft. Das, was hier Gewerkschaften und soziale Bewegungen, Sozialistinnen und Sozialisten sowie Ökologinnen und Ökologen erstritten haben, galt einst als progressiv. Und heute soll es auf den Müllhaufen geworfen werden, einem beispiellosen Neoliberalismus Platz machen, der bisher nur eines zuwege brachte: die zunehmende Verarmung und Desintegration weiter Teile der Bevölkerung und einen fortschreitenden Vertrauensverlust in die Handlungsfähigkeit von Politik. Wir haben für die Fraktion DIE LINKE. eine Studie erarbeitet, die verblüffen soll: Fünf Energiekonzerne haben das Zepter der Monopolmacht im EU-Europa übernommen. Und dies, obwohl die institutionellen Finanzdienstleister und Großbanken nichts an ihrer Profit- und Umsatzstärke eingebüßt haben. Diese EU ist auf dem Weg, dem Imperialismus der USA den Rang abzulaufen und hat Japan längst abgehängt. Deutschland, Großbritannien und Frankreich beherrschen diese EU, wenn man überhaupt diese Staaten als Mutterländer der Konzerne noch nennen darf, denn ihre innere Zusammensetzung ist transnational. Die Welt freilich hat keine Anteile an den Aktienmehrheiten. Diejenigen, die unter dem Ozonloch leiden, denen die NATO-Bomben auf die Städte geworfen worden, die prekarisiert, arbeitslos und ohne Hoffnung sind, haben in den Chefetagen dieser Konzerne nichts zu melden. Es sind die Superreichen in einigen wenigen Kernstaaten, die sich bei den Fusionsverhandlungen die Klinke in die Hand geben, und einen closed shop der Verflechtung geschaffen haben. Es sind aber längst nicht mehr nur die Angestellten und Arbeiterinnen, die unter der Konzernmacht in dieser EU zu leiden haben. Prof. Dr. Horst Heininger, einer der führenden Kapitalismuskritiker der Gegenwart nannte das kapitalistische Monopol in erster Linie ein Enteignungsverhältnis. Enteignet werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die so genannten Arbeitsplatzbesitzer, die Auszubildenden, die Alleinerziehenden und die Mütter. Aber es werden auch kleine und mittlere Unternehmen enteignet, den Giganten einverleibt oder in den Ruin getrieben. Das Kapital schafft eine Gleichheit, zu der der Sozialismus in der Vergangenheit nie in der Lage war. Vor dem Monopolkapital werden viele gleich, die vom Sozialismus nie gleich gemacht werden wollten. Aber diese Enteignung durch das Monopol schafft und das ist ihre parasitäre Seite wenig neue Produktionsmittel und Akkumulation. Die Akkumulation stagniert, die Fusionen nehmen zu. EON, RWE und Vattenfall haben 80 Prozent der deutschen Stromerzeugung monopolisiert. Ihre Gewinne konnten sie in den letzten fünf Jahren um jährlich
6 mindestens 20 % (2001 sogar um 118 %) steigern. Die Konsumenten werden abgezockt, die Volkswirtschaften werden ob dieser Erstarrung von Monopolmacht labiler und unberechenbarer. Nicht nur kleine und mittlere Unternehmen, sondern auch größere Traditionsunternehmen gehen über die Wupper. Der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers zufolge sind in den letzten zehn Jahren seit 1996 in der Rangliste der 300 Top-Unternehmen in Deutschland 36 Prozent der Konzerne nicht mehr enthalten, weil sie übernommen wurden. 14 % erreichten nicht mehr die erforderliche Größe, neun Prozent gingen in Insolvenz. Institutionelle Anleger halten mittlerweile 40 % des VW-Aktienkapitals. Viele Menschen vermag solcherlei Information noch zu verblüffen. Demgegenüber hätten wir der Deutschen Bank sicherlich zugetraut, dass sie seit 2001 sechs neue Börsengänge russischer Gesellschaften mit einem Emissionsvolumen von Millionen US-$ betreut hat. Der europäische Rüstungskonzern EADS Airbus scheint dagegen ein Gewächs auf heimischem Boden. Seine Aktionärsstruktur verzeichnet 30 % Daimler, 15 % beim französischen Staat und 34,5 % Streubesitz. Forderungen linker Kräfte nach einer sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaft schließen eine demokratische Gestaltung des Integrationsprozesses ein, in der die Übermacht des Großkapitals, sein politischer Einfluss zur Durchsetzung seiner Profitinteressen zurückgedrängt wird. Dem objektiven Interesse der europäischen Staaten an der ökonomischen Verflechtung, der Schaffung größerer Märkte, an verbesserten Strukturen und der Beseitigung von Ungleichheiten, der effektiven Nutzung wissenschaftlicher und technischer Potenzen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen in Europa steht das Agieren der großen Konzerne jedoch entgegen. Die Europäische Ebene steht bei dieser Studie im Vordergrund. Darum aber die Gegenmachtelemente, die von der Linken seit über einem Jahrhundert in die nationalstaatlichen Regulatorien hineingekämpft wurden, zu vernachlässigen, wäre nicht nur töricht, sondern auch abseits des Diskurses über den Nationalstaat, der die internationalistische Linke gegenwärtig auf allen fünf Kontinenten bewegt. Eine genauere Kenntnis der internationalen Kapitalstrukturen, der Machtpositionen der Industrie- und Banken-Konzerne, ihrer Strategien und ihres Einflusses auf die Politik sowohl der Nationalstaaten als auch der EU-Institutionen ist wesentliche Voraussetzung für Vorschläge zur Demokratisierung der Wirtschaft in der Europäischen Union. Wir gehen davon aus: Die vorliegende Studie soll, kann und wird dazu einen Beitrag leisten. Sie soll bewegen. Prof. Dr. Gretchen Binus Dr. Diether Dehm, MdB Europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag
7 Kurzfassung 1. Die gegenwärtige Krise der EU ist keine Krise des Großkapitals. Seine Konzerne konnten die kräftigste Gewinnexplosion der Nachkriegszeit verzeichnen. Deren ökonomische Interessen und ihr Einfluss auf die neoliberale Gestaltung des Wirtschaftsraums jedoch sind eine entscheidende Ursache für die langjährige Wachstumsschwäche, den gravierenden Sozialabbau und für die offensichtliche Legitimations- und Akzeptanzkrise der EU. Eine Grundlage der Machtexpansion der Konzerne bildet das große, aber ungleich verteilte ökonomische Potential der EU. Im Jahr 2004 überragte das gesamte Bruttoinlandsprodukt der 25 Mitglieder mit Mrd. bei dieser Kennziffer der wirtschaftlichen Leistung sogar die USA um 10 Prozent. Seine Konzentration auf wenige hoch entwickelte Länder bestimmt die Machtverhältnisse im europäischen Raum. Mehr als Dreiviertel entfallen auf Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien. Innerhalb der Wirtschaftsstruktur sind es die beiden großen Bereiche Industrie und Finanz- und Unternehmensdienstleistungen, die fast die Hälfte der gesamten Wertschöpfung erzeugen. Es sind die Aktionsfelder der Industrie- und Bankenkonzerne. Beide Bereiche weisen aber ebenfalls große Ungleichheiten zwischen den Ländern aus. Die hoch technologisierten Industriezweige, wie Automobilbau und Luft- und Raumfahrtindustrie, sind überwiegend in den fünf Kernländern konzentriert. Der Energiesektor ist durch die große Abhängigkeit der EU-25 von den Rohstoffen Kulminationspunkt der Auseinandersetzungen zwischen den Konzernen und den Staaten. Der Finanzdienstleitungssektor zeigt ein schnelleres Wachstum gegenüber den anderen Bereichen und ist mit seiner Funktion der Kapitalmobilisierung, der Vermittlung und Steuerung der Finanzströme zum Schalthebel der Expansionsstrategien der Konzerne und staatlicher Interventionen im ökonomischen Geschehen geworden. Innerhalb der Struktur der Kreditinstitute der EU konzentrieren die großen Monopolbanken fast drei Viertel des Vermögenswertes bei sich. Zum anderen bildet die Unternehmenslandschaft eine Ebene der Machterweiterung. Das etablierte Großkapital nutzt sie als Feld gnadenloser Konkurrenz im Kampf um Marktanteile und Profit. Unter deren gewaltigen Druck steht die Mehrzahl der Unternehmen, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), deren Anzahl sich in den nichtlandwirtschaftlichen Wirtschaftszweigen der EU auf etwa 21 Millionen beläuft. Allein im verarbeitenden Gewerbe macht der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen 99 Prozent der 2,15 Millionen Unternehmen aus. Zu 93 Prozent sind das Kleinstunternehmen bis neun Beschäftigte, auf die ein Drittel aller Arbeitsplätze entfallen. In den kapitalintensiven Bereichen der Industrie ist ein hoher Konzentrationsgrad von Produktion und Arbeitskräften zu verzeichnen, der aber kaum Schlussfolgerungen über die reale Konzernmacht zulässt. Die KMU befinden sich trotz ihres großen Gewichts im Wirtschaftsgefüge und ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung auf sie entfallen fast zwei Drittel der Arbeitsplätze und mehr als die Hälfte des Umsatzes in einer prekären Lage. Ihre gesamte Existenz wird von den marktbeherrschenden Konzernen bestimmt. Mit der Liberalisierung haben sich ihre Bedingungen erheblich verschlechtert. Das zeigt sich in einer wachsenden divergierenden Gewinnentwicklung zwischen KMU und Großkonzernen. 3
8 2. Unter dem verschärften Konkurrenzkampf in der Welt hat die EU-Konzernmacht eine neue Größenordnung erreicht. Triebkraft der Expansion sind nicht mehr nur der Machtanspruch innerhalb der Triade-Konstellation USA-EU-Japan, sondern neben der Herausforderung durch das Weltmachtstreben der USA auch die Rohstoffproblematik sowie die Herausbildung eines neuen Wirtschaftszentrums in Asien mit China und Indien. Die Spitzenkonzerne der EU haben Liberalisierung und Deregulierung in der EU für ihre globalen Ambitionen genutzt mit gravierenden sozialen Konsequenzen. In der Weltwirtschaft konnten sie über den Ausbau eines eng verflochtenen Netzes ihrer Herrschaft ihre Positionen eindeutig gegenüber der stärksten Wirtschaftsmacht USA verbessern. Unter den 100 mächtigsten Industriekonzernen der Welt entstammen 55 dem europäischen Raum, aus den USA 25. Vier Jahrzehnte zuvor lag der Schwerpunkt der Machtverteilung mit 69 Konzernen bei den USA. 3. Im europäischen Wirtschaftsraum dominieren die EU-Konzerne aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Italien und Spanien. Die hoch entwickelten EU-Mitgliedsstaaten, die das Gros des ökonomischen Potentials auf sich vereinigen, bestimmen im gleichen Ausmaß auch die Machtverhältnisse in der EU. Außerhalb der Integration sind vor allem die Großkonzerne der Schweiz und in jüngster Zeit die neuen russischen Kapitalgesellschaften ernsthafte Konkurrenten. In der Branchenstruktur der Industrie liegt der Schwerpunkt der Machtkonzentration auf dem Energiebereich. Das Vordringen der Energiekonzerne an die Spitze der umsatzstärksten Unternehmen Europas ist das herausragende Merkmal des gegenwärtigen Kampfes um Führungspositionen. Viele traditionelle Spitzenkonzerne der Automobil-, Chemieund Elektroindustrie konnten ihre Stellung unter den Mächtigsten zwar halten, ihre Position ist jedoch weiter nach hinten gerückt. Marktgröße zielt auf Marktbeherrschung. Die vier großen deutschen Energieversorger E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall haben 80 Prozent der deutschen Stromerzeugung monopolisiert und diktieren die Preise - für ihre Gewinnmaximierung. 4. Banken, Versicherungen und Börsen stehen den Industriekonzernen in ihrem Machtstreben nicht nach. Im Ergebnis einer forcierten Konzentration im Finanzbereich mit der Öffnung der Finanz- und Kapitalmärkte verbunden mit einem Schrumpfen der Anzahl der Kreditinstitute fungieren sie als Regulator im Prozess der Formierung neuer Konzerngruppierungen im europäischen Raum und in der Weltwirtschaftsarena. In erster Linie sind daran die Großbanken beteiligt, die bei den internationalen Zusammenschlüssen als Fusionsberater auftreten und Milliarden-Transaktionen tätigen. Von den führenden 50 Weltfinanzkonzernen stammen 29 Großbanken und Versicherungen aus der EU, 10 aus den USA, 6 aus Japan, 2 aus der Schweiz und 3 aus China ein Indiz für die gefestigte Vormachtstellung der EU- Finanzkonzerne auf dem internationalen Finanzmarkt.. Zusammen mit den Großbanken bilden die Versicherungen und Börsen ein enges Geflecht finanzkapitalistischer Macht in der Europäischen Union. Aufgrund eines jahrzehntelangen Konzentrationsprozesses haben sich die Versicherungen zu marktbeherrschenden Konglomeraten entwickelt. Unter den mächtigsten Konzernen Europas befinden sich sieben Versicherungsunternehmen. Die Börsen sind eine Drehscheibe der Konzernmachtbildung und selbst ein 4
9 Machtfaktor in der Konkurrenz um Führungspositionen auf dem Weltkapitalmarkt. Ihr Stellenwert hat sich vor allem mit der Verlagerung des gesamten Wirtschaftsgeschehens auf die Ebene der Zirkulation von Finanztiteln erhöht. 5. Der erreichte Grad der Machtkonzentration ist Ergebnis von Fusionen und ausländischen Direktinvestitionen. Über beide Formen der Expansion fließt das akkumulierte Kapital der Konzerne in Milliarden Dimensionen in Bereiche mit höherer Profiterwartung. Überwiegend werden bestehende Unternehmen aufgekauft, um bereits vorhandener Anlagen und Ressourcen zu nutzen, weniger um über Investitionen neue Kapazitäten zu errichten. Beides sind Formen der Zentralisation von Produktion und Kapital unter ein Kommando, die über lukrative Finanzgeschäfte realisiert werden. Sie schließen Dezentralisationsaktivitäten mit ein, d.h. Abstoßen von Gesellschaften, Auslagerungen von Abteilungen und Stilllegungen verbunden mit rigoroser Vernichtung von Arbeitsplätzen. Diese Prozesse haben mit der Erweiterung der EU neue Dimensionen erreicht. Mit der Gestaltung angeblich effektiver Konzerngruppierungen verstärkt sich der labile Charakter der Volkswirtschaften. Zerfallsprozesse von Großkonzernen und Untergang traditioneller Unternehmen werden häufiger. Mit den Finanzströmen wird im nationalen und europäischen volkswirtschaftlichen Rahmen ein Strukturwandel vollzogen, der keineswegs den deklarierten Zielen von wirtschaftlicher Dynamik und Wiedererlangung des sozialen Wohlstandes gerecht wird. Der Fusionsprozess entwickelt sich wellenförmig, abhängig von den Kapitalverwertungs- und wirtschaftspolitischen Bedingungen. In der Entwicklung der EU hat es mehrere Fusionswellen gegeben. Für die sich in jüngster Zeit erneut abzeichnende Welle ist einmal der hohe Anteil grenzüberschreitender Transaktionen - von 63 Prozent - sowie die Größendimensionen des Transaktionsvolumens charakteristisch. Im Zeitraum von 2003 bis 2005 wurde für die Anzahl von 5860 Transaktionen in Europa insgesamt ein Kapitalfluss von 2186 Mrd. Dollar verzeichnet. Zum anderen verändert sich auch der Charakter der Fusionen durch die Zunahme feindlicher Übernahmen und durch die Aktivitäten der spekulativen Hedge-Fonds, wodurch die Instabilität der Wirtschaftsprozesse wächst. Im Bankenbereich verläuft der Fusionsprozess analog, aber er wird von den Vertretern der Bankkonzerne als zu niedrig bezeichnet, weshalb sie eine Beschleunigung des Tempos der Liberalisierung einfordern. 6. Die Entwicklung ausländischer Direktinvestitionen geht mit dem Fusionsprozess konform. Sie wird von den Großfusionen angetrieben und von den Großkonzernen getragen. Mit den Finanzströmen werden von den marktbeherrschenden Konzernen die Weichen für die regionale und sektorale Richtung ihrer Kapitalexpansion und zugleich für Strukturentwicklungen in der Wirtschaft gestellt. Diese Regulierungsfunktion ausländischer Direktinvestitionen ist ein Instrument zur Erlangung neuer Profitquellen. Sie haben deshalb nicht nur für die EU-Konzerne einen hohen Stellenwert, sondern auch für deren Konkurrenten. Der Zustrom von privaten Investitionen des internationalen Großkapitals in die EU ist ein Beweis für die Attraktivität dieses Standortes als günstiger Ausgangspunkt für den Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt. Der Bedeutungszuwachs dieses Indikators der Machtexpansion zeigt sich in einem erhöhten Volumen seit 1999 gegenüber früheren Perioden. Für den Ausbau der Machtpositionen der EU-Konzerne besitzt die Kapitalverflechtung 5
10 innerhalb des EU-Wirtschaftsraumes durch seine neoliberale Gestaltung einen besonderen Stellenwert. Der Kapitalfluss der EU-Staaten in die anderen Mitgliedsländer weist deshalb auch ein höheres Niveau auf als das der Direktinvestitionen über die EU-Grenzen hinaus. Die ausländischen Direktinvestitionen werden insgesamt von nur wenigen Mitgliedsstaaten getätigt. Auf Großbritannien entfielen z.b. etwa ein 20, auf Deutschland 14 und auf Frankreich 13 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen außerhalb der EU. 7. In Abhängigkeit von den ökonomischen und politischen Bedingungen in der Weltwirtschaft sowie den Profiterwartungen verändern sich die regionalen Richtungen der ausländischen Direktinvestitionen. Bei den Finanzströmen der EU in die Länder außerhalb ihres Wirtschaftsraumes sind im Jahre 2004 andere Empfängerländer in den Vordergrund gerückt. Es zeigt sich eine verstärkte Orientierung auf Mexiko, China und Japan. Die USA als bedeutendes Hauptempfängerland sind demgegenüber abgefallen. Auffallend ist auch der verstärkte Abfluss in Drittländer des europäischen Raums, so nach Russland, oder in die Kandidatenländer Bulgarien, Kroatien, Rumänien und die Türkei. Bereits vor dem Beitritt der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2004 verzeichneten die Finanzströme in diese Länder einen Aufschwung. Am Zufluss ausländischer Direktinvestitionen in die EU-Länder waren 2004 zu Dreiviertel die vier Länder USA, Schweiz, China und Japan beteiligt. Die dominante Rolle spielen immer noch die USA, wenn auch mit gesunkenem Anteil. China entwickelt sich zu einem der Hauptinvestoren in der EU. Die sektorale Ausrichtung der Finanzströme innerhalb der EU entspricht dem Richtungstrend des ökonomischen Potentials der EU. Die Bedeutung des Dienstleistungssektors ist gegenüber dem verarbeitenden Gewerbe ständig gewachsen. Das betrifft sowohl die Finanzströme innerhalb der EU als auch den Kapitalzufluss von außerhalb. Gleichzeitig verändern sich durch die ausländischen Direktinvestitionen auch die Schwerpunkte innerhalb des Dienstleistungssektors selbst. So haben die Finanzdienstleistungen innerhalb der EU mit mehr als der Hälfte des gesamten Bestandes an Direktinvestitionen die erste Position eingenommen - ein sichtbarer Faktor des Trends der Ausdehnung des finanzkapitalistischen Überbaus über die Wirtschaft in der EU. 8. Im Ergebnis der Finanzströme erhöht sich der Internationalisierungsgrad der EU- Industrie- und Bankenkonzerne. Gleichzeitig wächst das Gewicht der Auslandskonzerne im europäischen Wirtschaftsraum. Die Konzernmacht in Europa trägt daher keinen spezifisch innereuropäischen Charakter, sie ist international geprägt. Den höchsten Internationalisierungsgrad weisen im Industriebereich die Mineralöl- und Energie- sowie Elektrokonzerne aus. Bei den Großbanken der EU zeigt sich der hohe Internationalisierungsgrad nicht nur an der Anzahl ihrer Auslandsfilialen, sondern auch daran, dass über 40 Prozent der Erträge bereits aus ihrer ausländischen Geschäftstätigkeit stammt. Zum Kennzeichen der Internationalisierung der EU-Konzernmacht wird auch die sich verändernde Struktur des Konzerneigentums, d.h. der Wandel in der Zusammensetzung der Eigner am Aktienkapital des Konzerns. So nimmt die Anzahl der von ausländischen Konzernen kontrollierten Unternehmen zu, besonders über das Eindringen ausländischer institutioneller Anleger. Neben den seit Jahrzehnten in Europa fest verankerten Auslandskonzernen, wie Ford oder 6
11 General Motors, wird der Positionsausbau der Auslandskonzerne über Kapitalbeteiligungen an EU-Konzernen zu einer allgemeinen Erscheinung. Sie erhält zudem mit dem Entstehen eines neuen Großkapitals in den mittel- und osteuropäischen Ländern, besonders in Russland, einen zusätzlichen Impuls. 9. Die Konzernstrategien sind auf die finanzkapitalistische Beherrschung riesiger Wirtschaftskomplexe gerichtet und zielen auf Marktmacht und höhere Profite. Mit den Herausforderungen im europäischen Wirtschaftsraum und in der internationalen Arena nimmt die Aufteilung der Märkte unter den großen Konzerngruppen eine besondere Ausprägung an: - Im Vordergrund steht die weltweite Präsens zur Erschließung neuer Märkte. Das europäische Engagement der EU-Konzerne und die Stärkung ihrer Position innerhalb der EU sind Bestandteil der internationalen Orientierung. - Alle Mittel zur Rationalisierung der Produktion, Anwendung neuster Technologien, Minimierung der Transportkosten u. a. bilden eine selbstverständliche Grundbedingung, um über profitable Finanzgeschäfte in neuen Größendimensionen Marktmacht zu erreichen, auszuüben und zu erweitern. - Die Konzernstrategien stellen die Aneignung bestehender und die Verfügung über vorhandene Ressourcen zuungunsten der Akkumulation, der Errichtung neuer Kapazitäten in den Vordergrund. - Das Spezifische der Machtausdehnung besteht in Enteignungsprozessen größten Ausmaßes. Kennzeichen dafür sind die verstärkte Ausgrenzung der kleinen und mittleren Kapitale von der Nutzung des ökonomischen Potentials, das hohe Niveau von Insolvenzen und vor allem die rigorose Enteignung der Beschäftigten von ihren Einkommen durch Verlust der Arbeitsplätze. - Charakteristisch für die Machtexpansion der Industriekonzerne und Banken werden zunehmend feindliche Übernahmen, die Erhöhung des Tempos von Aufkäufen, fehlerhafte Konzernentscheidungen und veränderte Schwerpunkte und Richtungen bei der Formierung neuer Kapitalgruppierungen im nationalen und internationalen Rahmen. 10. Der polarisierende Konkurrenzkampf ist Auslöser verschärfter Konflikte und Rivalitäten zwischen den Konzernen und zwischen den Mitgliedsländern der EU. Der Energiebereich ist das strategisch wichtigste Feld der Expansionspläne der EU-Konzernmacht und wegen der politischen Erpressbarkeit der Staaten der brisanteste Markt. Grundlage der Konflikte bilden die ausgeprägte Monopolstruktur und die Interessen der Konzerne nach neuen Rohstoffquellen und Energieressourcen, die von nationalen über europäische bis internationale Expansionsziele, einschließlich ihrer staatlichen sowie außenpolitischen Begleitung und militärischen Absicherung reichen gebündelt unter dem Begriff Energieversorgungssicherheit. Im Mineralölbereich hat dieser Kampf um Rohstoffressourcen mehrere Facetten. Zum einen wollen die dominanten EU-Ölkonzerne bei den knapper werdenden Ölvorkommen ihre bisherigen Quellen sichern. Der Mittlere Osten und Afrika bleiben in ihrem Visier. Zum anderen orientieren sie sich angesichts der unsicheren Lage im Nahen Osten, aber auch in Afrika auf den Einstieg in neue Erdöl- und Erdgasvorkommen. Im Vordergrund steht die Teilhabe an den Rohstoffquellen in Russland. Trotz der politischen Brisanz der Beziehungen zwischen der EU und Russland hat ein Run der EU-Konzerne auf diese Ressourcen eingesetzt. 7
12 Auf dem Energieversorgungssektor im europäischen Wirtschaftsraum bilden sich gleichzeitig neue Kräftegruppierungen heraus - im Hinblick auf die zu erwartende Konkurrenz mit der Liberalisierung des europäischen Energiemarktes im Jahr Die verstärkte Einbeziehung staatlicher Potenzen wird unausweichlicher Bestandteil des Prozesses und der zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen. Es läuft eine zweite Welle der Restrukturierung auf dem Strom- und Erdgasmarkt. Sie führt innerhalb der EU-Wirtschaft zu einer Monopolisierung des Energiesektors durch ein halbes Dutzend Konzerne. Im Mittelpunkt des Kampfes stehen einerseits die Bildung nationaler Champions zur Abwehr ausländischer Konkurrenten, andererseits äußerst aggressive Strategien, um in den anderen EU-Ländern neue Positionen durch Beteiligungen zu erringen. 11. Ein harter Konkurrenzkampf von ökonomischer und politischer Tragweite läuft gegenwärtig auch in einigen anderen Bereichen. In der Stahlbranche wird verstärkte Machtkonzentration gegen verschärfte Konkurrenz zum Markenzeichen. Vor dem Hintergrund wachsender Stahlnachfrage sowie hoher Rohstoffpreise konzentrieren sich die zwei führenden Stahlerzeuger in der Welt, der niederländische transnationale Konzern Mittal Steel und luxemburgische Stahlerzeuger Arcelor, unter einem Dach. Diese Monopolstellung in der EU soll die groß angelegte Expansion in Asien sichern. In der Automobilindustrie wollen die Marktführer, wie die Volkswagen AG, durch Umbau der Konzerne und Sanierung der Produktion ihre Marktanteile halten und erweitern. Um Marktanteile geht es auch bei der Bildung neuer Allianzen. Diese Zentralisationsform sichert den beteiligten Konzernen den Zutritt zu neuen Märkten, die Nutzung der technischen Entwicklung und der Ressourcen des Partners. Darauf zielt das strategische Bündnis zwischen dem US-Konzern General Motors und den beiden miteinander verbundenen Unternehmen Nissan (Japan) und Renault (Frankreich). Kennzeichen der Konzernstrategien in der Chemie- und Pharmaindustrie ist die Neuformierung dieser stark monopolisierten Wirtschaftsbereiche in der EU. In erster Linie zielt diese auf einen größeren Marktanteil in Sparten, die einen höheren Profit versprechen, zum Beispiel die Sparte Gesundheit. Das groß angelegte Übernahmepoker des Pharmaunternehmens Schering AG durch den Chemiekonzern Bayer AG ist unter diesem Aspekt zu sehen. Hintergrund ist die von der herrschenden politischen Klasse über den Staat verordnete Verlagerung von Gesundheitsleistungen auf die privaten Haushalte. Andere Chemiekonzerne wie Akzo Nobel oder BASF legen hingegen ihren Schwerpunkt auf solche Sparten mit Marktdominanz wie Farben oder Spezialchemie. Die Konzentrationsentwicklung in der Luft- und Raumfahrtindustrie der EU vollzieht sich unter dem spezifischen Aspekt der schnellen Militarisierung der EU und des gegenwärtigen Rüstungsbooms. Auf dem Hintergrund der EU-Politik, die nationalstaatlichen unterschiedlichen außenpolitischen Interessen mit dem Kurs auf eine militär-strategische Selbstständigkeit zu verbinden, vollzieht sich der Konkurrenzkampf der Rüstungskonzerne um Marktanteile an der profitabelsten Sparte der Industrie. Im Vordergrund stehen die inneren Gegensätze der national verschiedenen Anteilseigner des in der Weltrangliste zweitgrößten und in Europa führenden Raumfahrts- und Rüstungskonzerns EADS N.V. um Machtpositionen und Teilhabe am Rüstungsgeschäft. 12. Die Strategien der Großkonzerne im Finanzsektor richten sich in erster Linie auf Übernahmen von Firmen und auf die Erweiterung ihrer Marktstruktur. 8
13 Konzentration des Marktes und Konsolidierung gilt im Bankenbereich als Megatrend. Darunter wird eine Vielzahl von Prozessen summiert: - Die Offensive der führenden EU-Großbanken in Richtung auf andere EU- Mitgliedsländer. Zentraler Punkt ist eine starke Position auf mehreren Märkten der EU auch mit dem Ziel der Machtexpansion nach Osteuropa. Dazu werden auch grenzüberschreitende Netzwerke mit befreundeten Partnerbanken auf- und ausgebaut und Versicherungskonzerne integriert. - Das Aufbrechen bisheriger Angebotstrukturen des Finanzbereiches durch Übernahme der Märkte der aufgekauften Firmen. Hierbei werden die Grenzen zwischen den einzelnen Sektoren des Finanzbereichs und auch die zu anderen volkswirtschaftlichen Bereichen überschritten. Mit dem Trend zur größeren Kundennähe wird eine gewinnträchtige Kapitalmobilisierung erwartet, - Die beginnende Umkehr der traditionellen finanzkapitalistischen Verflechtung zwischen Bank- und Industriekapital. Große Industriekonzerne, aber auch Handelsketten, Energieversorger, Mobilfunkbetreiber gehen ins Finanzgeschäft, während Banken ihre Industriebeteiligungen teilweise abgegeben. Ziel sind kapitalmarktnahe Dienstleister, wie beispielsweise Autobanken. - Ein verstärkter Einstieg der Großbanken in die Hedge-Fonds-Branche. Versicherungen und Börsen tragen diesen Trend der Konsolidierung mit. 13. Der Ausbau von Konzernmacht im EU-Raum ist ohne das äußerst enge Beziehungsgeflecht von Wirtschaft und Politik nicht denkbar. Es stellt sich als ein sehr widerspruchsvolles, ambivalentes Verhältnis zwischen Monopolen und Staat auf nationaler, zwischenstaatlicher und internationaler Ebene dar. Die Europäische Union ist davon besonders geprägt, Dem Bemühen um Gemeinsamkeiten in der politischen Ausrichtung zum Erhalt und Ausdehnung der kapitalistischen Integration stehen die durch das Konkurrenzprinzip hervorgerufenen Rivalitäten entgegen. Deshalb ist auch der europäische Wirtschaftsraum heute zu einem Spannungsfeld von Konflikten ersten Ranges geworden. Sie finden in den gegenläufigen Tendenzen von Harmonisierung und Protektionismus ihren besonderen Ausdruck. Nationale Staatsinterventionen bilden in allen Ländern der EU das Rückgrat der Konzerne, auch wenn sie wie in Frankreich, Deutschland, Großbritannien oder Italien verschieden ausgeprägt sind. Steuerpolitische Maßnahmen, Subventionen, finanzielle Beihilfen und die Außenhandelsförderung gelten als klassische Maßnahmen. Neuen Anforderungen an die Kapitalverwertung passt sich der Staat mit von den Konzernen geforderten verbesserten Rahmenbedingungen oder direkten Eingriffen zur Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit an. Im Vordergrund der gegenwärtigen staatlichen Aktivitäten stehen Eingriffe in die Unternehmensstruktur mit der Förderung nationaler Champions zugunsten der Stärkung der eigenen Konzerne. Diese protektionistische Tendenz der Abschottung vor der ausländischen Konkurrenz wird in der Debatte um staatliche Industriepolitik unter dem Begriff Wirtschaftspatriotismus diskutiert. 14. Staatliche Interventionen auf der EU-Ebene zugunsten der Konzernmacht sind überwiegend durch die machtpolitischen Interessen der Konzerne bestimmt. Sie zielen auf eine Verstärkung der neoliberalen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, 9
14 um vor allem durch die Liberalisierung der Märkte ihren Expansionsraum zu vergrößern. Drei Bereiche machen das sichtbar: a) Die mit der Europa AG forcierte Bildung europäischer Champion. Sie ist ein direkter Antrieb für eine weitere Machtkonzentration der Konzerne, indem sie die Fusion von Unternehmen verschiedener Rechtsformen aus verschiedenen Mitgliedsländern erleichtert. Die Umwandlung in eine Europäische Gesellschaft (SE) beschleunigt den Kapitaltransfer im Rahmen grenzüberschreitender Fusionen, bietet vor allem mit neuer Managementorganisation und Standortverlagerungen über die Grenze die Möglichkeit, bestehende Mitbestimmungsrechte zu unterlaufen. b) Die Energiepolitik. Sie steht im Brennpunkt der Auseinandersetzungen und der staatlichen Aktivitäten auf der EU-Ebene angesichts der Energieabhängigkeit sowie der tobenden Konkurrenzschlacht der Konzerne um Rohstoffressourcen Es eskalieren die politischen Konflikte. Bei gemeinsamer Zustimmung der Regierungsverantwortlichen zur Bildung europäischer Champions auf dem Energiesektor gibt es Differenzen zu den bisherigen staatlichen Interventionen der EU-Behörden in diesen Bereich und zur Vorherrschaft im europäischen Energiesektor. Wegen der Dringlichkeit der Energieproblematik stellte die EU- Kommission mit einem Grünbuch Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie Vorschläge und Optionen vor, die Grundlage einer umfassenden europäischen Energiepolitik sein könnten. Differenzen existieren vor allem zur Frage einer gemeinsamen auswärtigen Energiestrategie. c) Die Finanzmarktintegration. Mit dem Financial Services Action Plan (FSAP) wird eine neue Phase in der staatlichen Regulierung des Finanzsektors in der EU eingeleitet, die dem Stand der Internationalisierung des Kapitals angepasst ist und durch eine Harmonisierung der Regelwerke im erweiterten europäischen Wirtschaftsraum den Expansionsspielraum der Konzerne vergrößert. Die gegenseitige Öffnung der nationalen Finanzmärkte und die freie Kapitalmobilität werden als Wege zur Angleichung der Struktur nationaler Finanzmärkte gesehen. Der Plan stellt mit seinen 42 Vorhaben für eine Integration der Finanzmärkte ein sehr umfangreiches Programm dar, das über eine Vielzahl von Gesetzesverfahren zu realisieren ist. Die Interessengegensätze werden beim Aushandeln der Maßnahmen sichtbar. 15. Der Einfluss der mächtigen Industrie- und Bankenkonzerne auf die staatliche Politik der EU und auf die Gestaltung seiner Wirtschaftsfunktion ist immens. Über die Ländergrenzen hinaus haben sich ihre Top-Manager in internationalen Lobbyverbänden organisiert, die unmittelbar auf die Gestaltung des Integrationsprozesses einwirken, die Vertiefung und Erweiterung des EU- Gebildes bestimmen, und zwar im Vorfeld wichtiger politischer Entscheidungen. Es sind dies die Union of Industrial and Employers Confederations of Europe (UNICE), European Round Table (ERT) European Financial Service Round Table (EFR) Mit dem Charakter eines politisch-strategischen Netzwerkes durch eine Allianz mit den zentralen politischen Institutionen der EU zählen diese internationalen Unternehmerverbände zu den wichtigsten politischen Kräften im zentralisierten politischen Mechanismus der EU überhaupt. Der dominierende Einfluss der 10
15 Wirtschaftseliten auf die Entscheidungen der EU-Kommission ist eine Hauptsäule des demokratischen Defizits der EU. Diese Wirtschaftslobby treibt die staatlichen EU-Institutionen immer stärker in eine Situation der politischen Lähmung gegenüber notwendig gewordene Aufgaben in der erweiterten EU und bedingt ihre politische Handlungsunfähigkeit. 16. Die Konzernmacht in der EU steht einem sozialen, demokratischen und friedlichen Europa diametral entgegen. Zur Demokratisierung des europäischen Wirtschaftsraumes bedarf es einer komplexen Strategie, in der auch die Zurückdrängung der Macht der Konzerne einen zentralen Stellenwert einnimmt. Dies entspricht der gegenwärtigen Debatte um das europäische Gesellschaftsmodell mit ihrem Anliegen, das Ganze in den Blick zu nehmen. In einer solchen langfristigen Strategie sollte die Wirtschaftsdemokratie mit konkreten Vorstellungen und praktikablen Maßnahmen in den Vordergrund rücken. Dazu zählt eine alternative Eigentumspolitik, die mit einer demokratischen Ausgestaltung der Wirtschaftsverfassung und Steuerungsinstrumenten den monopolistischen Kapitalstrukturen entgegensteht. In der parlamentarischen Arbeit kann auf solche Ansatzpunkte Bezug genommen werden wie die Gestaltung einer demokratisch abgestimmten Wirtschaftspolitik, der Aufbau einer demokratischen Wirtschaftsverfassung durch Abkehr von der Liberalisierung und Deregulierung, Begrenzung der Marktanteile der Großunternehmen, Einführung der staatlichen Genehmigung von Preisen im Versorgungsbereich, gezielte Förderung de KMU, Vorschläge zur Veränderung des Europäischen Kartellrechtes, Überführung von Schlüsselindustrien in gesellschaftliches Eigentum, Einführung einer qualitativ neuen Mitbestimmungsregelung. 11
16 II. Konzernmacht in der Europäischen Union 1. Ökonomisches Potential als Grundlage der Machtexpansion Ressourcen und Wirtschaftsstruktur Die gegenwärtige Krise der EU ist keine Krise des im europäischen Wirtschaftsgebiet herrschenden Großkapitals. Die 500 größten europäischen Unternehmen verzeichneten die kräftigste Gewinnexplosion der Nachkriegszeit. Allein im Jahr 2003 war sie mit 223 Mrd. Euro viermal so hoch wie im Jahr zuvor zeichnet sich das dritte Gewinnrekordjahr ab. Mehr als 130 führende deutsche Großunternehmen konnten im vergangenen Jahr ihre Nettogewinne um durchschnittlich 30 Prozent steigern. Die Machtverhältnisse und die divergierenden Interessen der Konzerne, ihr Einfluss auf die wirtschaftspolitische, neoliberale Gestaltung des europäischen Wirtschaftsraumes bilden jedoch die entscheidende Ursache für die langjährige Wachstumsschwäche, den gravierenden Sozialabbau sowie für die offensichtliche Legitimations- und Akzeptanzkrise der EU. Die großen Konzerne haben sich seit Beginn der 90er Jahre mit der neuen Stufe der wirtschaftlichen Integration durch die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion außerordentliche Rahmenbedingungen für ihre Kapitalverwertung geschaffen. Mit dem forcierten Bestreben zur einer koordinierten Wirtschaftspolitik unter Beachtung des Grundsatzes einer offenen Markwirtschaft mit freiem Wettbewerb, den Liberalisierungstendenzen in dem sich erweiternden Integrationsraum ergeben sich mit neuen Märkten, Aneignung von Kapazitäten und Ressourcen weitere Möglichkeiten zur Gewinnmaximierung. Das ökonomische Potential der EU ist beträchtlich. Das gesamte Bruttoinlandsprodukt der 25 Mitglieder ( EU-25 ) betrug im Jahre Mrd.. Im Verhältnis zur Ökonomie der USA überragt die EU bei dieser Kennziffer das führende kapitalistische Zentrum um etwa 10 Prozent. Japan hingegen erreichte rund 37 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der europäischen Gemeinschaft. Allerdings sind die einzelnen Mitgliedsländer der EU an dieser wirtschaftlichen Leistung sehr unterschiedlich beteiligt, was die Ungleichheit zwischen ihnen charakterisiert. Die Konzentration des Wirtschaftspotentials auf wenige hoch entwickelte Staaten bestimmt die Interessen und Machtverhältnisse im europäischen Raum. Deutschland allein trägt ein Fünftel zum EU-Bruttoinlandsprodukt bei. Zusammen mit den EU-Mitgliedsstaaten Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien werden über 75 Prozent des gesamten BIP von ihnen bestritten. Mit Ausnahme von Polen sind alle anderen EU-Länder mit weniger als 1 Prozent an dieser wirtschaftlichen Leistung beteiligt. 2 Diese existenten innergemeinschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedländern sind bisher durch die bisherigen Liberalisierungsmaßnahmen kaum abgebaut worden. 1 Handelsblatt, Düsseldorf, European business Facts and figures, Eurostat, Panorama of the European Union, 2005 Edition, , S.16 12
17 Die Gliederung des ökonomischen Potentials in einzelne Branchen zeigt den Stand der Entwicklung der Wirtschaftsstruktur in der europäischen Gemeinschaft. Das statistische Amt der europäischen Gemeinschaft teilt sie auf Grundlage der Wertschöpfung in sechs große Bereiche der wirtschaftlichen Aktivität ein. (Tab. 1) Die größte Branche der Finanz- und Unternehmensdienstleistungssektor - widerspiegelt mit 27,5 Prozent der gesamten Wertschöpfung den strukturellen Wandel der europäischen Wirtschaft von der Industrie einschließlich dem verarbeitenden Gewerbe 2004 mit einem Anteil von 20,7 Prozent zum Dienstleistungssektor. Dies ist bedingt durch eine Reihe von Faktoren, wie das schnelle Wachstum der Produktivität im industriellen Bereich, die Konzentration der Industrieunternehmen auf das Kerngeschäft und die damit verbundene Auslagerung unternehmensinterner Dienste, die Nutzung effizienter Organisation auf Basis von Hochtechnologien, aber auch die dominant gewachsene Rolle der Finanzmärkte für die Kapitalmobilisierung, speziell das Kredit- und Versicherungsgewerbe als marktbestimmende Finanzdienstleistung. In den einzelnen Mitgliedesländern haben diese beiden großen Bereiche Industrie sowie Finanz- und Unternehmensdienstleistungen - ein sehr ungleiches Gewicht. An der Wertschöpfung des jeweiligen Landes war die Industrie in Deutschland mit 25,1, in Großbritannien mit 18,5 und in Frankreich 15,8 und in Irland sogar mit 33,0 Prozent beteiligt. Der Anteil der Finanz- und Unternehmensdienstleistungen machte in Deutschland 29,1, in Frankreich 31, 0, in Großbritannien 30,0 in Luxemburg aber 46,7 Prozent aus. Tab. 1: EU-Wirtschaftsstruktur nach Bereichen 2004 in v. H. EU-25 insgesamt Wertschöpfung zu Grundpreisen* Zahl der Beschäftigten Insgesamt 200,5 Mio Mrd. EUR Land- und Forstwirtschaft, 2,0 5,1 Fischerei und Fischzucht Industrie (Bergbau, Verarbeit. 20,7 18,3 Gewerbe, Energie- und Wasserversorgung) Baugewerbe 5,9 6,9 Handel, Gastgewerbe, Verkehr&Nachrichtenübermittlung Finanzdienstleistungen, Unternehmens- Dienstleistungen Öffentliche Verwaltung u. a. Dienstleistungen 21,3 25,5 27,5 14,7 22,5 29,6 *entsprechend der statistischen Klassifikation der ökonomischen Aktivitäten in der EU - NACE Quelle: Eurostat, Panorama of the European Union, European business Facts and figures, 2005 Edition, , S. 17, 18 Innerhalb des Industriebereiches der EU-25 entfällt allein auf das Verarbeitende Gewerbe rund 87 Prozent der Wertschöpfung. Daran haben die Chemieindustrie mit 13
18 rund 12, der Maschinenbau mit 11 und die Kraftfahrzeugindustrie mit 8 Prozent einen bedeutenden Anteil 3. Die Metallerzeugende und Metallverarbeitende Industrie, darunter vor allem die Eisen- und Stahlindustrie, weist für die EU-25 mit einer Wertschöpfung von 193 Mrd. Euro (2002) eine fast ähnliche Größenordnung auf wie das Verarbeitende Gewerbe insgesamt. Mit 4,8 Millionen konzentriert dieser Zweig 13,3 Prozent der industriellen Arbeitskraft auf sich. Von Bedeutung innerhalb des ökonomischen Potentials der EU ist auch - trotz des relativ geringen Anteil am gesamten verarbeitenden Gewerbe von 1,9 Prozent der Wertschöpfung und 1,1 Prozent der Gesamtbeschäftigten - die Luft- und Raumfahrzeugindustrie als ein herausragender Hochtechnologiesektor. Sie ist aber nicht nur wegen ihrer Spitzentechnologien für die zivile Luftfahrt, sondern vor allem wegen ihres militärischen Gewichts für das Machtpotentials des Großkapitals der führenden EU-Staaten von Bedeutung. Auf diesen entfallen mehr als ein Drittel aller Sektoren. Militärflugzeuge sind bei den Luftfahrtzeugen mit 26 Prozent des Umsatzes beteiligt. 4 Die innergemeinschaftlichen Ungleichgewichte der EU zeigen sich auch hier in der Konzentration der hoch technisierten Zweige schwerpunktmäßig auf nur wenige Länder. Gemessen an der Wertschöpfung werden fast Dreiviertel der Chemieindustrie der EU-25 (2001) von fünf Ländern bestritten (Tab.2) Im Maschinenbau, in der Kraftfahrzeugindustrie, in der Erzeugung von Rohmetall und Metallprodukten sowie in der Luft- und Raumfahrt belaufen sich die Anteile dieser Länder auf 70 bis 90 Prozent der Wertschöpfung. Tab. 2: Industriezweigkonzentration der EU-25 in hoch entwickelten Ländern In Prozent der Wertschöpfung 2001 Industriezweig Chemie Maschinenbau Kraftfahrzeug Metall* Luft/Raumfahrt* Deutschland 28,4 37,4 47,1 27,7 19,6 Großbritannien 14,5 10,1 10,7 11,8 38,6 Frankreich 14,2 9,9 14,3 13,4 21,9 Italien 10,4 16,7 5,8 16,9 6,9 Spanien 6,6 4,8 6,2 n.a.** 2,9 *2002 ** nicht ausgewiesen Quelle: eurostat, Statistik kurz gefasst, Nr. 47/2004, Nr.4/2005, Nr.10/2006; Eurostat, Panorama of the European Union, European business Facts and figures, 2005 Edition, , S.164 Neben diesen Zweigen hat der Energiesektor innerhalb des ökonomischen Potentials für die Machtposition der Großkonzerne durch die Veränderungen auf dem Weltenergiemarkt und die zunehmende Importabhängigkeit vom Rohöl und Gas eine erstrangige Bedeutung gewonnen. Der Bereich Energie der EU-25 war einschließlich des Transports über Pipelines 2002 mit einem Wert von 224 Mrd. EUR zu fast 13 Prozent an der Wertschöpfung der Industrie und mit 1,8 Millionen Beschäftigten zu 5 Prozent an den in der Industrie Tätigen beteiligt. Fast zwei Drittel entfällt dabei auf Herstellung von Elektrizität, Gas, Dampf und Heißwasserversorgung. Die Wertschöpfung in der Gewinnung von Rohöl und Naturgas hatte einen Anteil von 21, die der Herstellung von Koks und raffinierten Ölprodukten sowie von Nuklearbrennstoffen von 13 Prozent am gesamten Energiebereich. 3 eurostat, Statistik kurz gefasst, Nr. 47/2004, Nr.4/2005, Nr.10/ eurostat, Statistik kurz gefasst, Nr. 7/
19 Im Zeitraum von 1993 bis 2003 ist die Primärenergieproduktion mit durchschnittlich 0,2% kaum gewachsen. Sie erreichte 885 Mill. toe (Tonnen zum Öläquivalent). Allerdings hat sich die Zusammensetzung in diesem Zeitraum verändert. Der Anteil von erneuerbarer Energie stieg von 8,8 auf 11,6, der von Nuklearenergie von 24,7 auf 28,4, von Gas auf 19,1 auf 21,4, von Rohöl und Mineralölprodukte von 15,0 auf 16,4 Prozent zuungunsten fester Brennstoffe, wie Kohle und Koks. Deren Anteil sank von 32,4 auf 22,2 Prozent. Bei relativ gering wachsendem Verbrauch von jährlich 1,1 Prozent nahm daher die Abhängigkeit von Energieimporten jährlich um 2,2 Prozent auf 876 Mill. Tonnen bis 2003 zu, was einem Äquivalent von 98,9 Prozent der Primärproduktion entspricht. Von den Nettoimporten entfielen ,5 Prozent auf Rohöl und Petroleumprodukte, 24,7 Prozent auf Gas. 5 Die Energieabhängigkeit der EU (Tab. 3) stellt das gravierende Rohstoffproblem für die Expansion der Großkonzerne dar. Es ist zugleich die Herausforderung an die Aktionsfähigkeit des Verhältnisses von Wirtschaft und Staat. In den 10 Jahren bis 2002 ist die Energieabhängigkeit insgesamt auf 48,1 Prozent angewachsen. Bei den so genannten Kernländern betrifft das mit Ausnahme von Großbritannien und den Niederlanden vor allem den Öl- und Erdgassektor. Tab. 3: Energieabhängigkeit der EU-25 in Prozent (%) Alle Produkte Steinkohle Öl Erdgas EU ,5 48,1 28,4 42,9 80,8 76,8 45,0 51,7 Ausgewählte Länder Deutschland 54,5 60,5 16,2 50,9 98,1 95,1 77,9 79,5 Großbritannien 4,2-12,1 21,7 49,3-11,6-48,1 9,3-8,1 Frankreich 52,4 51,0 79,9 93,8 95,2 99,2 93,5 98,0 Italien 84,2 86,7 100,5 95,8 95,2 94,7 68,8 84,1 Spanien 67,6 78,2 52,6 72,3 98,1 101,2 82,7 101,0 Niederlande 18,0 33,8 98,9 97,8 92,4 91,3-85,8-51,5 Quelle: eurostat, Energy, transport and environment, Data , Luxembourg 2005 Äußerst unterschiedlich ist der Anteil der Atomkraft am Energieverbrauch (ohne Berücksichtigung grenzüberschreitender Stromtransfers) in den einzelnen Ländern. Für die zu den G8-Ländern zählenden EU-Staaten werden dafür folgende Zahlen genannt 6 : Frankreich 39,1 Prozent Deutschland 11,4 Prozent Großbritannien 8,1 Prozent Italien 0 Prozent 5 Eurostat, Panorama of the European Union, European business Facts and figures, 2005 Edition, , S FTD, Hamburg, v
20 Innerhalb der Wirtschaftsstruktur der EU setzt gegenwärtig vor allem der Finanzdienstleistungssektor grundlegende Bedingungen hinsichtlich der Wirksamkeit des ökonomischen Potentials und damit für die Kapitalverwertung der Großkonzerne. Es geht hierbei um die notwendige Kapitalmobilisierung, um Vermittlung und Steuerung der Kapitalströme, um Risikoabsicherung von Kapitalanlagen in einer zunehmend international geprägten Wirtschaft. Deshalb ist dieser Bereich auch der entscheidende Schalthebel privater Kapitalstrategien und staatlicher Interventionen im politischen und ökonomischen Geschehen im europäischen Wirtschaftsraum. Entsprechend den Angaben der europäischen Statistik 7 repräsentiert 2002 der Finanzdienstleistungssektor in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung im Durchschnitt 6,8 Prozent der Bruttowertschöpfung der EU-25. Sie resultiert aus der Tätigkeit von Banken, Versicherungen und Börsengeschäften. Für Luxemburg als Finanzmetropole hat diese Kennziffer mit 36,5 und für Irland mit 12,8 sowie für Großbritannien mit 8,4 Prozent einen weitaus höheren Stellenwert innerhalb der nationalen Wirtschaft. Charakteristisch für den Finanzbereich ist das schnellere Wachstum gegenüber der Industrie, bedingt durch den bedeutenden Wandel in den Finanztechniken und der Ausweitung des Kreditüberbaus, aber auch durch die Liberalisierung der Finanzmärkte. Dies hat zu neuen Sektoren und Regulierungsmechanismen geführt. Dem Großkapital wurden damit vielfältige Möglichkeiten zur Expansion eröffnet. Die Struktur der Kreditinstitute in der EU-25 weist folgende Anteile entsprechend ihres Rechtsstatus (2003) aus. Die genossenschaftlichen Unternehmen haben einen Anteil von 46,4, die Aktiengesellschaften von 37,5 und öffentlich-rechtliche Unternehmen von 5,0 Prozent. Werden die Aktiva als Maßstab der Gewichtung der einzelnen Arten von Banken genommen, dann zeigt sich ein eindeutiges Übergewicht des Potentials bei den privaten Geschäftsbanken, unter denen sich die großen Monopolbanken befinden. An diesem Vermögenswert partizipieren sie mit 72,0 Prozent, während auf die Sparkassen nur 18 und auf die Genossenschaftsbanken 10 Prozent entfallen. 8 Die Unternehmenslandschaft als Feld der Konkurrenz Die Unternehmenslandschaft ist ein Spannungsfeld gnadenloser Konkurrenz. In ihm bewegt sich das etablierte Großkapital im Kampf um neue Märkte und größere Marktanteile, bessere Akkumulationsbedingungen und steigenden Profit. Auf ihm wirken auch die kleinen und mittleren Unternehmen als beträchtlicher Wirtschaftsfaktor, von Regierungen und Unternehmerverbänden als tragende Säule der Wirtschaft gepriesen, von Großkonzernen einem erbarmungslosen Druck ausgesetzt. Der Wirtschaftsraum der Europäischen Union hat mit seiner Erweiterung auf 25 Mitgliedesstaaten eine neue Dimension erhalten. In ihm ist der Unternehmenssektor in seiner Größenordnung nur schwer erfassbar. Es gibt schätzungsweise 21 bis 22 Millionen Unternehmen in den nichtlandwirtschaftlichen Wirtschaftszweigen. 9 Nach 7 eurostat, Panorama of the European Union, European business Facts and figures, 2006, S eurostat, Panorama of the European Union, European business Facts and figures, 2006, S eurostat gibt im Fünften Bericht Unternehmen in Europa, Luxemburg 2000, für die EU-15 etwa 18 Millionen Unternehmen für das Jahr 1995 an; in eurostat, Statistik Kurz gefasst 5/2004 wird für 16
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