Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen. Liebe Gemeinde!

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1 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen. Liebe Gemeinde! Die Gäste sind gegangen. Es ist aufgeräumt. Die Geschenke sind verstaut. Es ist Zeit, nach Innen zu schauen. Es ist Zeit inne zu halten: was ist da geschehen? Was ist die Wahrheit von alle dem, was sich da ereignet hat? Wir schauen heute auf das danach wie es uns Matthäus erzählt. Und Matthäus hat einen besonderen Blick auf Weihnachten. Er erzählt alles aus der Sicht des Joseph. Er kennt keine Krippe, keinen Stall, keine Hirten. Joseph und Maria leben in Bethlehem, von Nazareth als Wohnort weiß er nichts, auch nichts von einer Volkszählung. All das, was uns so sehr im Herzen berührt, das erzählt uns Lukas. Wir tun aber gut daran, das Evangelium des Matthäus so ernst zu nehmen, wie es dasteht. Und dann auf uns zu schauen, wohin uns das führt. Die Geschichte also nun, eigentlich sind es drei kurze Meditationen, drei Besinnungen, aus Matthäus 2, die Verse 13-23:

2 PTExt: Mt 2,13-23 Die Flucht nach Ägypten 13 Als sie aber hinweggezogen waren, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und flieh nach Ägypten und bleib dort, bis ich dir's sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen. 14 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich bei Nacht und entwich nach Ägypten 15 und blieb dort bis nach dem Tod des Herodes, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht»aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen.«der Kindermord des Herodes 16 Als Herodes nun sah, dass er von den Weisen betrogen war, wurde er sehr zornig und schickte aus und ließ alle Kinder in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren, nach der Zeit, die er von den Weisen genau erkundet hatte. 17 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht (Jeremia 31,15): 18»In Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen.«die Rückkehr aus Ägypten 19 Als aber Herodes gestorben war, siehe, da erschien der Engel des Herrn dem Josef im Traum in Ägypten 20 und sprach: Steh auf, nimm das Kindlein und seine Mutter mit dir und zieh hin in das Land Israel; sie sind gestorben, die dem Kindlein nach dem Leben getrachtet haben.

3 21 Da stand er auf und nahm das Kindlein und seine Mutter mit sich und kam in das Land Israel. 22 Als er aber hörte, dass Archelaus in Judäa König war anstatt seines Vaters Herodes, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und im Traum empfing er Befehl von Gott und zog ins galiläische Land 23 und kam und wohnte in einer Stadt mit Namen Nazareth, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazoräer heißen Die erste Besinnung gilt Joseph. Er schweigt. Wir hören im ganzen Evangelium kein Wort von ihm. Eine oberflächliche Psychologie mag nun gleich hellhörig werden: ja, die Männer, die reden ja bis heute nicht. Sei es, dass sie nichts zu sagen haben, sei es, dass sie zu einfach gestrickt sind oder zu langsam. Aber so würden wir Joseph nie gerecht werden. Matthäus erzählt uns nicht von einem typischen Mann, sondern davon, wie ein Mann sein soll, einem Traum-Mann gewissermaßen. In (): wenn sie wissen möchten, wie ein Frau sein soll, dann müssen sie lesen, was Lukas von Maria erzählt. Joseph also: er schweigt, weil er Zugang zu seiner Seele hat. Weil er auf sein Herz hören kann. Weil er seine Träume versteht und Gottes Wort ernst nimmt. Weil er in der Botschaft eines Engels mehr Wahrheit spürt als in seinen tiefen Ängsten und Befürchtungen.

4 Matthäus beschreibt ganz exakt, was geschieht: die Sternkundigen waren gegangen - was sich also äußerlich beschreiben lässt, ist damit gesagt. Dann steht da: Siehe! Wir werden also aufgefordert, auf eine andere Ebene des Verstehens zu gehen. Wir lassen unsere Klugheit zurück, lassen sie ziehen, und nur wenn wir mit unserem geistigen Auge schauen können, begreifen wir, was jetzt folgt. In dieser anderen Wirklichkeit erkennt Joseph nun, dass das Kind bedroht ist. Sein Kind. Sein Leben. Er selbst. Und nicht nur er: jeder Mensch, damals. Und wir, heute. Unser Leben ist in Gefahr. Und die, die es in der Welt hat sichtbar werden lassen, die das Kind zur Welt gebracht hat, Maria, die ist auch bedroht. Nicht wahr: Weihnachten als historische Erinnerung, als ein Geschehen vor 2000 Jahren, das ist Geschichte. Die beste Geschichte, die es gibt. Aber das, sagt Matthäus, das ist jetzt nicht mehr so wichtig, die ist vergangen, weitergezogen, die Geschichte. Für ihn liegen, 70, 80 Jahre dazwischen, für uns ein paar, auf die kommt es aber nicht an. Das Kind aber, das

5 geboren wurde, das ist heute bedroht, und das ist heute in Gefahr, in dir, in uns. Denn wenn du das Kind in dir nicht schützt, dieses heilige Kind, das einen Namen hat, das Immanuel - Gott mit dir - genannt wird, wenn du Gott in dir nicht schützt, dann kommt Herodes. Herodes ist natürlich der historische Blutherrscher von Roms Gnaden kurz vor der Zeitenwende. Herodes in seinem Palast in Jerusalem. Aber auch der ist vergangen, weitergezogen, zerfallen. Heute sind das andere Herrscher, die andere Namen tragen und in den anderen großen Städten regieren. Verschanzt hinter hohen Mauern. Herodes ist der Anti-Joseph, der Mann, wie er nicht sein soll. Der Alptraum-mann. Kein Teufel in Menschengestalt, aber der dunkle Schattenwurf, wozu Männer in der Lage sind. Die zweite Besinnung des Matthäus gilt deshalb der Bedrohung. Und er folgt damit einem grundlegenden geistlichen Gesetz. Alles, was aus der Welt Gottes in der sichtbaren Welt in Erscheinung tritt, all das wird mit Mächten und Kräften konfrontiert, die gegen Gott streiten. Darüber lässt sich nicht diskutieren, das wäre müßig. Seit diese Welt in ihrer

6 Sichtbarkeit und Vergänglichkeit besteht, wirken Kräfte des Todes und der Zerstörung. Vom ersten Atemzug an. Würden wir sonst Kinder taufen? Würden wir sonst tief in uns die Wahrnehmung haben, dass es eine Bedrohung des Lebens, der Wahrheit, des Guten gibt und dass eben nicht alles gut ist? Je besser und genauer wir darüber Bescheid wissen - also als Joseph einen Zugang zur Wahrheit Gottes haben - um so klarer können wir erkennen und benennen, was den Christus, das Kind, das Leben zerstören will. Jedes Experimentieren etwa mit dem Leben, und wenn es nur ein paar Zellen sind, spielt dem Bösen in die Hände. Wir schauen wieder genau hin auf die Worte. Herodes entdeckt den Betrug. Der Verstand, die Rationalität, die Welt-Macht muss ihre Grenze erkennen. Sie wird nicht zugelassen zur Wahrheit Gottes. Sie kommt nicht hin nach Bethlehem, dort, wo Gott zur Welt kam. Denn sie hätte ja die Knie beugen müssen vor dem Kind. Aber der Verstand ist hochmütig. Demut kennt er nicht. Diese Grenzerfahrung beleidigt ihn und er reagiert im Zorn, mit Wut, mit Gewalt. Der Verstand kann seine Gefühle nicht kontrollieren, sie gehen mit ihm durch. Wenn es so ist, wie Matthäus beschreibt, dann verstehen wir: in Herodes ist das auseinander gefallen, was einen Menschen gerade zu einem Menschen macht: dass er seinen Verstand,

7 seine Gefühle und sein Leben demütig in die Hand Gottes gibt und so von ihm das neue Leben empfängt. Herodes ist das alte Leben, das un-erlöste, heil-lose. Er zerstört Leben. Mit Gewalt. Wenn man diese brutale Geschichte erzählt, dann wird man schnell mit der Frage konfrontiert: und Gott hat das zugelassen? Wer so fragt, tut das ja auf der Ebene des Verstandes. Was mag das für ein Gott sein, der einen zigfachen Kindermord zulässt, um seinen Sohn zu retten? Wir können zweierlei antworten: einmal ist im Text gesagt, dass das, was geschieht, nicht Gottes Wille ist: da wurde erfüllt - d.h.: das haben Menschen getan. Und wir müssen hinzufügen: Menschen, die sich gegen Gottes Willen aufgelehnt haben, die gegen seine Gebote gehandelt haben, die sich ihre eigenen Gesetze gegeben haben. Das Töten eines Menschen widerspricht dem Willen Gottes. Egal wie alt ein Mensch ist. Egal wo auf der Welt. Das zweite: wenn es richtig ist, dass Herodes eine Chiffre, ein Bezeichnung dessen ist, was sich in jedem Menschen gegen Gott auflehnt, dann können wir uns selber fragen: haben wir alles getan für dieses Kind? Haben wir es beschützt, in Sicherheit gebracht? Oder haben wir es töten lassen von

8 blindem Verstand und mörderischen Emotionen? Wenn es hier um etwas geht, was mein Leben betrifft dann sieht es ganz anders aus. Wenn wir geistlich verstehen wollen, worum es geht, stellt sich die Frage: wie kann Gott so etwas zulassen? nicht mehr. Dann stellt sich die existentielle Frage: was lasse ich zu? Denn die Verantwortung ist schnell Gott hingeschoben - weit weg von mir. Aber ich bin in der Verantwortung, dass Christus in mir nicht gemordet wird, sondern dass ich ihn in Sicherheit bringe, damit er leben kann in mir, mit mir, durch mich. Dass er groß werden kann. Und das wäre dann die dritte Besinnung: in Ägypten darf das Kind nicht bleiben. Ägypten ist freilich auch eine Chiffre und für die judenchristlichen Gemeinden, in denen Matthäus lebte, war klar, was wer meinte. Dort kam das Volk 1500 Jahre zuvor hin, der Hunger hatte es dorthin gebracht. Dort war es groß geworden, Ägypten ist der überreiche Mutterboden, dort wachsen die sprichwörtlichen Fleischtöpfe. Wenn man aber dort hängen bleibt, in der Sattheit der Genüsse und Sinne, dann wird man fett und bequem und verfehlt seine Aufgabe. Joseph bekommt ein letztes Traumgesicht geschenkt und kehrt mit Maria und dem Kind zurück, ins Land Israel. Dort, wo

9 Milch und Honig fließen. Die Speise der Kinder und die Speise der Alten. Genug also für das ganze Leben. Dort, im Land, muss Jesus erwachsen werden. Und dann aber ausgerechnet nach Nazareth. Das mitten im Galiläa der Heiden liegt. Keine Verheißungstradition hängt an dem Ort. In einer Episode im Johannesevangelium fragt Nathanael nicht zufällig: Was kann aus Nazareth Gutes kommen? [Joh 1,46] Das ist ein Allerweltsort, Nazareth ist überall. Wenn also wissen wollen, was von dort Gutes kommen kann, so die Antwort, müssen wir kommen und sehen. Jesus wächst im Verborgenen auf und er ist nicht äußerlich als der erkennbar, der er ist. Er läuft nicht mit einem Heiligenschein durch die Gegend. Und daran hat sich nichts geändert. Vielleicht können wir es so sagen: die Gnade Gottes bewahrt das Kind, das Leben, den Christus in uns, schützt ihn vor Tod und Vernichtung und lässt ihn dann groß werden, überlebensfähig. Wir sind getauft und haben die Tradition kennen gelernt, durch unsere Eltern und Großeltern, in der Schule im Konfirmandenunterricht. So sind wir groß geworden, verantwortlich. Ist er, Christus, in unserem Leben mitgewachsen? Oder tragen wir nur ein Kinderbild von ihm mit uns herum?

10 So wie Jesus damals in dem unscheinbaren Dorf Nazareth groß geworden ist, so wohnt er heute ohne großes Aufsehen in einem jeden von uns. Nicht dort, wo die Mächtigen wohnen, die Herodes und Herodias heißen, nicht bei den Satten und Zufriedenen. Sondern dort, wo Menschen hungrig sind nach einem besseren, gerechteren und geheiltem Leben. Wo Menschen zusammen kommen, zwei oder drei oder viele um miteinander zu schweigen und zu singen, zu beten und auf s Wort zu hören. Mögen wir mit ihm zunehmen an Weisheit - dann wird in diesem Jahr Gottes Gnade mit uns sein. Amen