Gottesdienst am (14. Sonntag p. Trin.) anlässlich des 900. Weihejubiläums der Basilika in Herrenbreitungen.
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- Sigrid Müller
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1 Gottesdienst am (14. Sonntag p. Trin.) anlässlich des 900. Weihejubiläums der Basilika in Herrenbreitungen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Predigttext: I Thessalonicher 1, Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserm Gebet 3 und denken ohne Unterlass vor Gott, unserm Vater, an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus. 4 Ihr Lieben, von Gott geliebt, wir wissen, dass ihr erwählt seid; 5 denn unsere Predigt des Evangeliums kam zu euch nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft und in dem Heiligen Geist und in großer Gewissheit. Ihr wisst ja, wie wir uns unter euch verhalten haben um euretwillen. 6 Und ihr seid unserm Beispiel gefolgt und dem des Herrn und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis mit Freuden im Heiligen Geist, 7 sodass ihr ein Vorbild geworden seid für alle Gläubigen in Mazedonien und Achaja. 8 Denn von euch aus ist das Wort des Herrn erschollen nicht allein in Mazedonien und Achaja, sondern an allen Orten ist euer Glaube an Gott bekannt geworden, sodass wir es nicht nötig haben, etwas darüber zu sagen. 9 Denn sie selbst berichten von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch bekehrt habt zu Gott von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen und wahren Gott 10 und zu warten auf seinen Sohn vom Himmel, den er auferweckt hat von den Toten, Jesus, der uns von dem zukünftigen Zorn errettet. 1
2 Das sind Worte voller Dankbarkeit, liebe Festgemeinde! Selten hört man vom Apostel Paulus in seinen Briefen solch ein uneingeschränktes Lob. Meist hat er etwas zu kritisieren und zu ermahnen, hat es in den Gemeinden, die er gegründet hatte, mit Gegnern zu tun, die ihn verächtlich machen oder seine Mission bestreiten. Oft schlägt er deshalb einen scharfen Ton an. Hier ist das ganz anders. Er überschüttet die christliche Gemeinde in Thessalonich geradezu mit Lob. Und er meint das ernst. Es scheint sich in Thessalonich tatsächlich um so etwas wie eine Vorzeige- Gemeinde zu handeln, in der die Christen vom Glauben an Jesus Christus bewegt waren und eine große Ausstrahlung auf ihre Umgebung besaßen. Das muss Paulus ungemein gefreut haben. Würde er uns heute auch so schreiben? So überschwänglich? So begeistert? Wie wäre es, wenn er nicht von Mazedonien und Achaja, sondern von Hessen und Thüringen und von Herrenbreitungen redete? Wäre da die gleiche Dankbarkeit zu spüren? Natürlich hat sich seit den Zeiten der ersten christlichen Gemeinden alles verändert. Das Christentum wurde in Europa heimisch, hat seine Kultur bis in die Gegenwart hinein bestimmt. Kirchen und Klöster wurden gebaut: große Kathedralen und beeindruckende Klosterkirchen. Dem Glauben an den auferstandenen Herrn Jesus Christus verdankt sich auch die Basilika hier in Herrenbreitungen wurde sie geweiht und von ihrer wechselvollen Geschichte können andere profunder berichten als ich. Aber so viel denn doch: Das 12. Jahrhundert, also die Zeit des Mittelalters, war längst nicht so finster, wie wir uns das vorstellen. Es herrschte Aufbruchsstimmung! Auf der Grundlage von Handel und Handwerk entstand in den Städten das Bürgertum. Hier entwickelten sich die Zünfte. Aber es gab auch dunkle Schattenseiten: Die Kreuzzüge begannen. Es waren bewegte Jahre. Die Welt wurde größer. 2
3 Im Breitunger Kloster der Benediktinermönche mag man von alledem nur bisweilen etwas mitbekommen haben. Ein Kloster war ein Ort, der sich ganz bewusst von der Welt abgrenzte: ein Ort des Gebets und der täglichen Arbeit. Das wurde anders, als nach der Reformation das Kloster zum Schloss und die Basilika zur Schlosskirche umgebaut wurden. Aber der Zahn der Zeit nagte sichtlich an der Kirche und jetzt dient sie, nachdem sie während der Zeit der DDR zum Volkseigentum erklärt wurde, nur noch manchmal dem Zweck, zu dem sie errichtet wurde: dem Lob Gottes und seiner Ehre. Kirchen können sich ändern: Die ehemals imposante romanische Basilika ist in ihren Ausmaßen sehr viel kleiner geworden. Und zwischenzeitlich glich sie eher einer Ruine. Aber Kirchen sind mehr als bloße Gebäude, sie sind auch viel mehr als nur Denkmäler und damit Zeugen einer vielleicht vergangenen Zeit! Kirche, liebe Schwestern und Brüder: Das ist die Gemeinschaft derer, die an Jesus Christus glauben und ihn als den Herrn über Leben und Tod bekennen. Würde im Rückblick auf 900 Jahre Breitunger Basilika da der Apostel Paulus in gleichem begeistertem Tonfall reden, wie er es gegenüber den Christen in Thessalonich getan hatte? Wäre er für den Glauben, für die Hoffnung, die hier gelebt haben und weiterhin leben, dankbar? Meine Antwort lautet: Ja, uneingeschränkt ja! Das wäre er! Gewiss hat der Wandel der Zeiten stets auch die Menschen betroffen, die ihn manchmal wollten, manchmal aber einfach von ihm überrollt wurden. Und auch die Art und Weise, wie der eigene Glaube konkret gelebt wurde, hat sich im Lauf von neun Jahrhunderten sehr verändert. Nicht immer waren es goldene Zeiten. Im vergangenen Jahrhundert haben Christen es gleich zweimal erleben müssen, dass ihr Christsein den Grund dafür bildete, sie an den Rand zu drängen und den Glauben verächtlich zu machen. Wenn der Apostel Paulus im Brief an die Gemeinde von Thessalonich von Zeiten großer Bedrängnis spricht, dann hört sich das 3
4 hier in Herrenbreitungen anders an als etwa drüben jenseits der ehemaligen DDR-Grenze in Philippsthal oder Heringen. Viele von Ihnen hatten nicht wie ich das Glück, in einer freiheitlichen Demokratie aufwachsen zu können, zu deren Grundrechten auch das Recht auf freie Religionsausübung ohne jegliche Diskriminierung gehört. Im verordneten Atheismus der damaligen DDR war das anders! Für Sie, liebe Schwestern und Brüder, war es weniger selbstverständlich als bei uns im Westen, bewusst als Christen zu leben. Sie mussten Einschränkungen hinnehmen, wenn Sie sich zur Kirche oder gar zur Jungen Gemeinde hielten und standen oft genug unter Beobachtung. Ich habe mir in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Stasi-Unterlagen aus dem Kirchenkreis durchlesen müssen. Schlimme Dinge sind da passiert. Es kostete Mut und innere Kraft, dem Druck von außen nicht nachzugeben und sich nicht wie viele andere anzupassen. Umso dankbar müssen wir sein, dass es gerade hier im Kirchenkreis Schmalkalden trotz aller staatlichen Repressionen eine große Treue zur evangelischen Kirche gegeben hat wie kaum in einem anderen Teil der damaligen DDR. Hier lebten Menschen mit Rückgrat, die sich nicht verbiegen ließen, und denen es etwas bedeutete, weiterhin zur evangelischen Kirche zu gehören! Das alles liegt nun schon mehr als zwanzig Jahre zurück, aber immer noch wirkt es nach! Es braucht wohl noch ein bis zwei Generationen, bis die Wunden verheilt sind. Vielen wird diese lange Zeit nicht mehr vergönnt sein. Da bleiben offene Fragen im Umgang miteinander. Aber die Zeit der bewussten Ausgrenzung von Christen ist unwiederbringlich vorbei. Christ zu sein und seinen Glauben in Wort und Tat zu bezeugen, ist in einem freien Land mit demokratischer Verfassung selbstverständlich erlaubt. Doch es ist nur eine Möglichkeit unter vielen, sein Leben zu bestimmen: Man kann, muss aber nicht Christ sein. Man kann es auch sein 4
5 lassen, braucht nicht zur Kirche gehören. Niemand hat dadurch irgendwelche Nachteile. Manchmal entsteht der Eindruck, es wäre leichter, den christlichen Glauben zu leben, wenn es in Zeiten der Bedrängnis oder Verfolgung geschehe. Dann sei alles eindeutig. Und diejenigen, die Christen sind, seien konsequenter und erkennbarer. Das mag durchaus so sein. Aber niemand von uns wird sich deshalb die Verhältnisse von Nazi-Deutschland oder unter der kommunistischen Diktatur zurück wünschen! Wir können nicht dankbar genug sein für das Geschenk der Freiheit, die auch die Freiheit einschließt, das eigene Leben so zu führen, wie man es selber will. Ohne wirkliche Toleranz gibt es keine Freiheit! Sie ist immer auch die Freiheit derer, die anders denken und anders leben als ich selber das tue. Was bedeutet das für uns heute, liebe Festgemeinde? Wir haben große Freiheiten. Aber nutzen wir sie auch, um glaubwürdig als Christen in der Welt für Christus einzustehen? Uns werden große Möglichkeiten der gesellschaftlichen Mitgestaltung eingeräumt: in der Diakonie, im Bildungsbereich ich denke da an unsere Evangelische Martin-Luther-Schule in Schmalkalden, in Krankenhäusern und sogar bei der Polizei und in der Bundeswehr. Angesichts dessen sind Menschen gefragt, wie sie der Apostel Paulus kannte: Menschen, die mit Liebe bei der Sache Jesu Christi sind und anderen dadurch ein Vorbild werden; Menschen, die zeigen, dass ihr einziger Trost im Leben wie im Sterben Jesus Christus ist und dass dieser Trost stärker ist als alles, was uns sonst Angst macht; Menschen, die dafür beten, dass der Gott des Leben uns zu Gerechtigkeit und Frieden in der Welt leite. Das alles können Sie sein, liebe Schwestern und Brüder! Können die Lethargie und den Kleinmut überwinden und aus der Kraft des Heiligen Geistes mutig und hoffnungsvoll leben. 5
6 Als vor 900 Jahren diese Basilika geweiht wurde, hätte wohl niemand daran gedacht, wie lange diese Kirche trotz aller Veränderungen Bestand haben würde. Aber sie steht immer noch! Und sie bleibt ein Zeichen dafür, dass Christus in dieser Welt gegenwärtig ist und uns zu seiner Gemeinde, zur weltweiten, für alle Menschen offenen Kirche verbindet. Bleiben wir dabei und seien wir gespannt auf alles, was Gott mit uns vorhat. Das ist mehr, als wir ahnen. Und es ist Grund zu großer Dankbarkeit für den Weg, den er bis heute durch die Jahrhunderte und Jahrzehnte mit uns gegangen ist. Amen. Und der Friede Gottes, der alles menschliche Begreifen übersteigt, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Prof. Dr. Martin Hein Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> medio! Internetservice Dieses Dokument ist urheberrechtlich geschützt und elektronisch im Internet abrufbar unter Bei Fragen zu diesem Dokument wenden Sie sich bitte an medio! Die Medienagentur der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck, Internetredaktion, Heinrich Wimmer Str. 4, Kassel, Tel.: (0561) , Fax (0561) , <<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<< 6
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