J urist innen Sc hw eiz Fem m es J urist es Suisse Giurist e Svizzera Giurist as Svizra Wo m en Law yers Sw it zerland
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1 J urist innen Sc hw eiz Fem m es J urist es Suisse Giurist e Svizzera Giurist as Svizra Wo m en Law yers Sw it zerland Eidg. Justiz- und Polizeidepartement Bundesamt für Justiz 3003 Bern St. Gallen, 29. November 2005 Ergänzende Massnahmen im Bereich des Strafrechts zur Umsetzung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs; Vernehmlassung Sehr geehrte Damen und Herren Bis 31. Dezember 2005 läuft die Frist im Vernehmlassungsverfahren in der oben erwähnten Sache. Juristinnen Schweiz Femmes Juristes Suisse Giuriste Svizzera Giuristas Svizra Women Lawyers Switzerland freut sich, Ihnen zum erwähnten Gesetzgebungsvorhaben fristgerecht unsere Stellungnahme einzureichen. Wir halten uns dabei an den von Ihnen erstellten Fragenkatalog. Zu Frage 1.1 ( Stossrichtung der Anpassung ) Juristinnen Schweiz befürworten grundsätzlich die Stossrichtung der vorgeschlagenen Anpassung im Rahmen der Umsetzung des Römer Statuts. Es ist sinnvoll, eigene Straftatbestände in der nationalen Strafgesetzgebung vorzufinden. Zudem berücksichtigen die künftigen Straftatbestände die seit Inkrafttreten des Statuts erfolgte Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts. Zu Frage 1.2 ( Ausformulierung des Straftatbestände? ) Aus Praktikabilitätsgründen sind die einzelnen Straftatbestände im Schweizerischen Strafrecht auszuformulieren. Lediglich ein Verweis auf die völkerrechtlichen Bestimmungen c/o Prof. Dr. Regula Kägi-Diener, Präsidentin Marktgasse St. Gallen regula.kaegi-diener@lawandwomen.ch
2 Umsetzung Römer Statut Stellungnahme JuCH - 2 mittels Generalklausel wäre einerseits aus Praktikabilitätsgründen und fehlender Übersichtlichkeit in der Systematik der Gesetzesanwendung problematisch. Andererseits basiert das schweizeriche Strafrecht auf dem Legalitätsprinzip nulla poena sine lege (stricta), welches in Art. 1 StGB zum Ausdruck kommt. Zu Frage 1.3 ( Art und Ort der neuen Straftatbestände ) Juristinnen Schweiz fordern eine Verankerung der zur Debatte stehenden Straftatbestände im nationalen Strafgesetzbuch (StGB). Die Zusammenfassung der in Frage stehenden Straftatbestände in einem selbständigen Völkerstrafgesetzbuch, wie z.b. in Deutschland, hätte in der Schweiz eine andere Bedeutung. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Straftatbestand des Völkermordes schon in Art. 264 StGB enthalten ist. Würden die neuen Straftatbestände und dieser schon vorhandene Art. 264 StGB in ein separates Völkerstrafgesetzbuch ausgegliedert, erfolgte ein falsches Signal. Straftatbestände, welche nicht im StGB Eingang gefunden haben, werden nur als Nebenstrafgesetzgebung wahrgenommen. Dies würde dazu führen, dass die neu zu regelnden Straftatbestände nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit und Gewichtung erhalten würden. Eine auch nur symbolische Abwertung dieser verabscheuungswürdigen Verbrechen darf in keiner Weise vorgenommen werden. Zu Frage 2 (Erfordernis des engen Bezugs zur Schweiz, Art. 264 quaterdecies) Das Erfordernis des engen Bezugs darf nicht Eingang in das Schweizerische Strafgesetz finden. Juristinnen Schweiz lehnen dieses Kriterium vehement und mit aller Deutlichkeit ab, weil es als unannehmbare Einschränkung des Universalitätsprinzips insbesondere, aber nicht nur, bei Verbrechen, die sich gegen Frauen richten äusserst stossend wäre. Die Schweiz als Signatarstaat zahlreicher internationaler Abkommen zum Schutz der Menschenrechte und als Sitz einiger internationaler Organisationen, insbesondere des IKRK und der UNO hat eine Vorreiterrolle inne, der sie gerecht werden und nachkommen muss. Die Schweiz sollte deshalb international keine falschen Signale setzen, wenn es um die Ahndung schwerster Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht geht. Das Erfordernis des engen Bezugs käme erstens einer inakzeptablen Aufweichung des Völkerstrafrechts und dessen Durchsetzung gleich. Zudem kann die Verfolgung von Verbrechern dieses Ausmasses nicht von einem engen Bezug zur Schweiz abhängig gemacht werden, zumal die Schweiz bei deren Verfolgung als Mitglied der Staatengemeinschaft handelt und nationale Eigenheiten zurückzustehen haben. In diesem Sinne besteht auch ein beachtenswerter Unterschied zur entspre-
3 Umsetzung Römer Statut Stellungnahme JuCH - 3 chenden Regelung bei den Kriegsverbrechen, die (bedauerlicherweise) vom Parlament verabschiedet wurde. Zweitens ist das Erfordernis des engen Bezugs unter dem Aspekt des im Strafrecht besonders wichtigen Legalitätsprinzips äusserst problematisch, da es sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der dem gesetzesanwendenden Gericht ein zu grosses Ermessen überlässt. Drittens widerspräche dieses Erfordernis der allgemein geltenden Martens schen Klausel 1, welche in Bezug auf die Auslegung von Normen dahingehend zu verstehen ist, dass im Zweifel jeweils die anthropozentrische (menschenzentrierte) Lösung zu wählen ist; der Schwächere hier das Opfer hat Vorrang. Dies hat umso mehr bei der Neuformulierung von Normen zu gelten. Zu Frage 3: ( Zuständigkeit zivile Justiz Militärjustiz ) Juristinnen Schweiz ist mit dieser Aufteilung einverstanden. Allerdings sollte der Begriff bewaffneter Konflikt präziser definiert werden. Zu Frage 4: ( Zuständigkeit Bund Kantone ) Die Kantone sind schlicht nicht in der Lage die Erfahrung und die Ressourcen bei völkerrechtlich relevanten Verbrechen bereit zu stellen. Aus diesen Gründen ist eine Bundeskompetenz sinnvoll und notwendig. Zu Frage 5 ( Strafmass ) Es liegt eine Diskrepanz zwischen dem Strafmass bei Völkermord und demjenigen bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Es ist fraglich, ob dies gerechtfertigt ist. Gerade in Fällen von Gewalt gegen Frauen (z. B. Massenvergewaltigungen) erscheint diese Privilegierung in keiner Weise angebracht. Für beide Verbrechenskategorien ist eine Mindeststrafe von sieben (allenfalls zehn) Jahren zu fordern. Aus generalpräventiver Sicht setzen die Normen, welche die Einschränkung in weniger schweren Fällen enthalten, ein äusserst negatives Signal. Bei derart schwerwiegenden Verbrechen sind keine weniger schweren Fälle denkbar. Geht es hingegen um die Bestrafung von Mitläufern o.ä., so steht immer noch Art. 65 StGB zur Verfügung, um eine Strafe angemessen zu reduzieren. 1 Vgl. Rhea Schircks, Die Martens sche Klausel Rezeption und Rechtsqualität, Baden-Baden 2002
4 Umsetzung Römer Statut Stellungnahme JuCH - 4 Zu Frage 6 ( Ratifizierung von weiteren Verträgen? ) Der Beitritt der Schweiz würde eine positive Signalwirkung zeitigen, auch wenn es sich um ältere Verträge handelt, die nur von wenigen Staaten ratifiziert wurden. Er könnte allenfalls die Ausarbeitung zeitgemässerer Abkommen auslösen und hätte damit eine innovative Kraft. Allerdings räumen wir ein, dass es auch vertretbar scheint, dass die Schweiz diesen beiden Verträgen nicht beitritt, hat die Schweiz doch die Unverjährbarkeit mit neu einzufügenden Art. 75 bis Abs. 1 und 3 StGB akzeptiert. Zudem wäre die vorgeschlagene Lösung auch schlank in der Umsetzung. Weitere Bemerkungen Zum Begriff der Verbrechen gegen die Menschlichkeit Crimes contre l humanité / crimes against humanity hat eine viel umfassendere Bedeutung als die im Vorentwurf gewählte deutsche Übersetzung Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Diese Übersetzung wurde zu Recht beispielsweise durch Hannah Arendt kritisiert, da sie eine Verharmlosung dieser Verbrechen mit sich bringt (... as though the Nazis had simply been lacking in human kindness, certainly the understatement of the century 2 ). Wer Humanitätsverbrechen begeht, lässt offensichtlich jede Menschlichkeit ausser Acht. Da es sich bei diesen Verbrechen regelmässig um schwere Verletzungen fundamentaler Menschenrechte handelt, die das Menschsein an sich in Frage stellen, bedeuten diese Verbrechen aber gleichzeitig einen Angriff auf die Menschheit als Spezies. Es ist deshalb dringend angezeigt, im Deutschen entweder den Begriff Humanitätsverbrechen oder aber Verbrechen gegen die Menschheit zu benutzen. Zu den Verbrechen, die speziell gegen Frauen gerichtet sind Es ist klarzustellen, dass Verbrechen gegen Frauen (z.b. Art. 264bis StGB) als schwerste Gewaltverbrechen angesehen werden müssen. Das Konzept der Würde sollte in diesem Zusammenhang vermieden werden. Die entsprechenden Artikel sollten deshalb nochmals aus frauenspezifischer Sicht überarbeitet werden. 2 Vgl. dazu und für weitere Literaturangaben Rhea Schircks, Die Martens sche Klausel Rechtsqualität, Baden-Baden 2002, S. 105 ff. Rezeption und
5 Umsetzung Römer Statut Stellungnahme JuCH - 5 Wir danken Ihnen, dass Sie diese Stellungnahme berücksichtigen. Im Namen des Vorstandes und der eingesetzten Arbeitsgruppe der Juristinnen Schweiz Prof. Dr.iur. Regula Kägi-Diener, Präsidentin in dreifacher Ausfertigung
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