Ein Zuhause für die Seele

Transkript

1 Barbara Perfahl Ein Zuhause für die Seele In fünf Schritten zum Wohlfühl-Zuhause Illustriert von Susanne Niemeyer KREUZ

2 Inhalt Vorbemerkung 7 Einleitung: Helfen Sie traurigen Häusern? Oder was macht eine Wohnpsychologin? 9 I. Die Psychologie des Wohnens Die Wohnung als dritte Haut Warum sich die Psychologie mit dem Wohnen beschäftigt 15 Die Macht von Räumen 25 Wenn die Wohnung schlecht sitzt 37 Wohnpsychologie als Weg zum Wohlfühl-Zuhause 51 II. Was lässt uns glücklich wohnen? Einflüsse auf die Wohnzufriedenheit Unsere Wohnbedürfnisse: Von sicheren Höhlen, Oasen der Ruhe und Kreativitätswerkstätten 59 Die persönliche Wohngeschichte: Wo komme ich her, wo will ich hin? 81 Wohnvorlieben: Loft oder Landhaus? 99 Das Außen und der Alltag 103 4

3 III. PRAXISTEIL Der Weg zum Wohlfühl-Zuhause Fünf Schritte zum Wohnen im Einklang mit sich selbst 113 Schritt 1: So wohne ich jetzt 116 Schritt 2: Was finde ich gut, was möchte ich verändern? 121 Schritt 3: Meine Wohngeschichte, meine Wohnleitbilder 136 Schritt 4: Meine Wohnbedürfnisse 144 Zwischenstopp: Auswertung der ersten vier Schritte 154 Schritt 5: Licht, Luft und Antennenbuchse Grundlegende Einrichtungstipps 158 Tipp 1: Weniger ist mehr 159 Tipp 2: Mehr Licht 164 Tipp 3: Die Funktion von Räumen tauschen 166 Tipp 4: Raumzonen schaffen 167 Tipp 5: Ignorieren Sie die Antennenbuchse 170 Tipp 6: Ausprobieren! 172 Tipp 7: Umgeben Sie sich mit schönen Dingen 175 Tipp 8: Erfüllen Sie Ihre Wohnbedürfnisse 178 Schlusswort 185 Dank 185 Zum Weiterlesen 186 Anmerkungen 188 Literaturverzeichnis 191 5

4 DIE WOHNUNG ALS DRITTE HAUT Die Wohnung als dritte Haut Warum sich die Psychologie mit dem Wohnen beschäftigt Wohnpsychologie als Wissenschaft Mit welchen Fragen sich die Wohnpsychologie beschäftigt Abgrenzung zu Feng Shui Die Psychologie beschäftigt sich mit dem Verhalten und Erleben des Menschen. Wie sieht es in uns aus? Wie funktionieren wir? Wie nehmen wir unsere Umwelt wahr? Aber auch: Was treibt uns an, was bewegt uns? Und: Was nimmt auf uns Einfluss? Wir Menschen bewegen uns ja nicht im luftleeren Raum, sondern sind umgeben von einer Umwelt. Und wir sind dafür geschaffen, diese Umwelt durch unsere Sinne permanent und jeden Augenblick unseres Lebens wahrzunehmen, in uns aufzunehmen ob uns das bewusst ist oder nicht. Wir nehmen unsere Umwelt wahr, wir empfinden sie, wir beurteilen sie und denken über sie nach. Und deshalb beschäftigt sich die Psychologie auch mit dieser Umwelt des Menschen dort, wo sie auf ihn Einfluss nimmt. Unsere Umwelt beeinflusst also unsere Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken. Dabei meint Umwelt hier alles das, was uns umgibt. Dazu gehört die Natur, aber auch die gebaute Umwelt, also Städte, Gebäude und natürlich auch die Räume, in denen wir uns aufhalten. 15

5 I. DIE PSYCHOLOGIE DES WOHNENS Der moderne, westliche Mensch verbringt mehr als 90 Prozent seiner Lebenszeit in geschlossenen Räumen 1 das heißt, dass den größten Teil unseres Lebens Räume und Häuser die Umgebung sind, die direkt Einfluss auf uns nimmt. Es sind vom Menschen geschaffene und gestaltete Strukturen, die uns die meiste Zeit unseres Lebens umgeben. Da stellt sich ja die Frage: Was macht das mit uns? Wie prägt uns das, wie beeinflusst das unser Leben? Macht es einen Unterschied, in welchen Räumen ich meine Tage und Nächte verbringe? Ob in einem fast leeren, weißen Raum mit glatten Oberflächen, reizarm und ruhig, oder einem üppig barocken Zimmer mit allen möglichen Möbeln und Tand, farbenfroh und unruhig, mit Mustern, Stoffen und Bildern verschiedenster Art? Die uns nächste Umwelt ist unsere Wohnung. Wie oben bereits angesprochen, ist sie nach unserer eigenen Haut und unserer Kleidung die nächste uns umgebende Hülle. Unsere Wohnung ist quasi unsere dritte Haut. Sie bedeutet sehr viel für uns. Sie ist der Ort, an den wir stark gebunden sind, sie ist Träger von Erinnerungen und Teil unserer Identität. (Wir werden dazu später mehr erfahren.) Umgekehrt gestalten wir Menschen unsere Umwelt aber auch, wir schaffen sie, wir verändern sie, wir passen sie unseren Wünschen und Bedürfnissen an. Und je näher uns diese Umwelt ist, desto stärker ist auch unser Bedürfnis, sie uns anzupassen, sie so zu gestalten, dass wir uns darin wohlfühlen und dass sie uns all das gibt, was wir von ihr brauchen. Wir sind also nicht nur die Empfänger der Reize unserer Umwelt, wir schaffen und verändern diese auch. Das ist ein ewiger Kreislauf. 16

6 DIE WOHNUNG ALS DRITTE HAUT Die Tendenz, unsere Umgebung, unsere Wohnung, die Räume, in denen wir uns aufhalten, nach unseren Wünschen und Vorstellungen zu verändern, tragen wir alle in uns. Wir nehmen Einfluss auf die Räume, die uns umgeben, und die Räume nehmen Einfluss auf uns. Genau mit dieser wechselseitigen Beziehung zwischen Mensch und gebauter Umwelt befasst sich seit den 1960er- Jahren die Architekturpsychologie und seit den 1970er-Jahren als ein Teil davon die Wohnpsychologie. Die ersten gemeinsamen Projekte von Architekten und Psychologen beschäftigten sich mit einer Verbesserung der Gestaltung von Krankenhäusern und Heilstätten. Mitte der 1970er-Jahre untersuchte man dann zum ersten Mal die Wohnzufriedenheit und Einstellungen zur Wohnumgebung und entwickelte Testverfahren dafür. 2 Seither sind es vor allem die optimale Gestaltung von Büros, Räumen für bestimmte Personengruppen oder Lebenssituationen (zum Beispiel Altersheime, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser), aber auch Wohngebäude, bei der teilweise wohnpsychologische Aspekte einbezogen werden. 3 Die Wohnpsychologie bedient sich dabei aller Methoden der wissenschaftlichen Psychologie, wie experimentelle Untersuchungen, Testverfahren und Fragebögen, Interviews oder Verhaltensbeobachtungen. Gleichzeitig greift sie auf das Grundlagenwissen der Psychologie, wie Wahrnehmungsgesetze, sozialpsychologische Studien oder neuropsychologische 17

7 I. DIE PSYCHOLOGIE DES WOHNENS Erkenntnisse, zurück. Wohnpsychologie verbindet Grundlagenforschung mit einer klaren Nutzenorientierung. Ziel der meisten Forschungsprojekte ist es, die gewonnenen Erkenntnisse direkt praktisch umsetzen zu können. Die Wohnpsychologie beschäftigt sich mit dem Einfluss, den Räume auf uns haben, und der Frage, wie wir Räume so gestalten können, dass die Bewohner oder Nutzer dieser Räume sich darin möglichst wohlfühlen. Dabei geht sie immer vom Menschen und seinen Bedürfnissen aus. 18

8 DIE WOHNUNG ALS DRITTE HAUT Typische Fragen, mit denen sich die Wohnpsychologie beschäftigt, sind zum Beispiel: Wie und warum wirken Räume auf uns? Welche Aspekte der gebauten Umwelt beeinflussen uns? Welche Räume braucht der Mensch in bestimmten Lebenssituationen (Wohnen, Schule, Arbeit, Krankheit...) Was beeinflusst die Wohnzufriedenheit? Wie entsteht Ortsbindung, also die emotionale Verbundenheit mit der Wohnumgebung, und wie stark ist unsere Wohnung Teil unserer Identität? Wie kann man Räume für die jeweiligen Nutzer optimal gestalten? Daneben spielt die Psychologie aber auch noch an anderer Stelle eine wichtige Rolle: Die psychologische Forschung beschäftigt sich seit ihren Anfängen mit der Wahrnehmung von Farben, Formen und Licht und mit deren Einfluss auf Körper und Psyche. Auch die Wahrnehmung von Raum war bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Forschungsthema, so zum Beispiel bei Wilhelm Wundt, einem Pionier psychologischer Forschung. 4 Viele Erkenntnisse der Wahrnehmungspsychologie haben ihren Weg in das Allgemeinwissen und in Einrichtungsgrundsätze gefunden, die letztlich von Innenarchitekten, Einrichtern, Möbeldesignern und allen, die sich mit Einrichtung beschäftigen, berücksichtigt werden. 19

9 I. DIE PSYCHOLOGIE DES WOHNENS Häufig ist eine der ersten Reaktionen, wenn ich jemandem von meinen Beruf erzähle, der Satz: Ach, dann machen Sie so was wie Feng Shui? Feng Shui beschäftigt sich ja bekanntermaßen, zumindest in unseren Breiten, mit dem Thema Raumgestaltung. Es hat sich teilweise sogar der Begriff Raumpsychologie für Feng Shui durchgesetzt. Haben denn Feng Shui und Wohnpsychologie etwas miteinander zu tun? Sind sie vielleicht sogar verwandt oder gar dasselbe? Feng Shui ist eine aus China stammende Philosophie oder auch Kunst und Wissenschaft vom Leben in Harmonie mit der Umgebung. Danach verbindet und durchströmt die Energie Chi alles im Universum. Ein optimaler Energiefluss ist demnach für unser Wohlbefinden wichtig. Feng Shui versucht nun den Chi-Fluss eines Ortes zu erkennen und zu lenken, also in Wohn- oder Arbeitsräumen, aber auch zum Beispiel in Gärten. Feng Shui steht auch in Verbindung mit der traditionellen chinesischen Medizin, bei der es um den Chi-Fluss im Körper geht. 5 Über das Wohnen hinaus beschäftigt sich Feng Shui mit einem harmonischen Leben im Einklang mit der Umwelt, ja, mit dem Universum. Das Thema Wohnen ist nur ein Teil davon. Insofern ähnelt es der Wohnpsychologie, die ja als Teilbereich der Psychologie auch in ein umfassenderes Wissensgebiet eingebettet ist. Feng Shui ist Teil der chinesischen Kultur und viele der häufig im Zusammenhang mit Feng Shui zu lesenden oder hörenden Gesetze oder Wirkungsweisen klingen zumindest für westliche Vorstellungen eher willkürlich und 20

10 DIE WOHNUNG ALS DRITTE HAUT sind manchmal schwer nachvollziehbar. Dies liegt daran, dass Feng Shui ursprünglich vor allem einen religiösen Charakter hatte. Es kann also letztlich als Glaubenssystem betrachtet werden, das die kosmischen Zusammenhänge beschreibt. Erfolg oder auch Wohlbefinden sind darin abhängig von kosmischen Kräften. Nicht zuletzt ist die Ausrichtung von Siedlungen und Häusern an der Umwelt dafür ausschlaggebend, ob diese Kräfte richtig gebündelt und geleitet werden können. Die Regeln, wie diese Kräfte geleitet werden können, betreffen aber nicht nur die Ausrichtung von Häusern, sondern auch die Anordnung der Räume im Haus, ja sogar die Position und Ausrichtung der Möbel. 6 Die Wohnpsychologie hingegen hat ihre Wurzeln in westlich-wissenschaftlichen Konzepten, auch wenn sie in ihrer Anwendungsorientierung und weil sie von den Bedürfnissen des Menschen ausgeht für den Nutzer wenig wissenschaftliche Schwere hat. Die Konzepte, Ideen und Erkenntnisse entstammen aber einer wissenschaftlichen Betrachtung der Mensch-Umwelt-Beziehung. Interessanterweise habe ich in Gesprächen mit Feng Shui- Beratern des Öfteren festgestellt, dass bei einem bestimmten Wohnproblem eine Feng Shui-Beratung und eine wohnpsychologische Beratung zu ähnlichen Empfehlungen in bestimmten Punkten kommen. Aus meiner Sicht scheint Feng Shui als jahrtausendealte Erfahrungswissenschaft auch grundlegende Bedürfnisse des Menschen im Bereich des Wohnens abzubilden, genau wie dies die Psychologie tut. Der wesentliche Unterschied ist für mich, dass es im Feng Shui, so, wie es hierzulande meist betrieben wird, bestimmte feststehende Maßnahmen und Regeln gibt, die unabhängig von den betroffenen Personen umgesetzt werden können. Ein Unbehagen in Räumen 21

11 I. DIE PSYCHOLOGIE DES WOHNENS oder Wohnprobleme werden dann direkt auf Störungen im Chi-Fluss zurückgeführt, die mit bestimmten einfachen Maßnahmen behoben werden können. Und zwar unabhängig von den Personen, die in den Räumen leben. Es werden dann zum Beispiel Kristalle oder Spiegel aufgehängt, Zimmerpflanzen mit runden statt eckig geformten Blättern empfohlen und die Himmelsrichtungen bei der Positionierung der Möbel einbezogen, weil im Feng Shui bestimmte Stellen im Haus für bestimmte Lebensthemen stehen. Als Psychologin gehe ich hingegen immer vom Menschen selbst aus, vom Individuum mit seiner ganz speziellen Persönlichkeit, seinen Lebensumständen und individuellen Wohnbedürfnissen, um gemeinsam mit ihm ein Wohnproblem zu lösen. Auch die Wohnpsychologie verfügt zwar über bestimmte klare Konzepte. Gerade aus dem Bereich Wahrnehmungspsychologie, also wenn es um Farben und Proportionen geht, gibt es universell geltende Gestaltungsregeln. Der Dreh- und Angelpunkt ist in der Wohnpsychologie aber immer der Mensch mit seiner Persönlichkeit, seiner Geschichte und seinen Bedürfnissen. IN KÜRZE Feng Shui hat klare Regeln, die sich aus religiösen Traditionen ergeben, die Wohnpsychologie dagegen geht vom Menschen und seinen individuellen Bedürfnissen aus. 22

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