Cevio Line Array. So kam, was kommen musste. Nach dem im. Acoustic Systems Engineering LAUTSPRECHER

Transkript

1 LAUTSPRECHER Acoustic Systems Engineering Cevio Line Array VON ROLF HÄHLE 46 Was tun, wenn man für die Umsetzung einer Idee ein ganz spezielles Lautsprecherchassis braucht, das es gar nicht gibt? Klar, der Gedanke an einen Eigenbau drängt sich natürlich auf. Der ist andererseits aber leichter gedacht, als umgesetzt. Seit beim deutschen Vifa-Importeur ASE eine CNC-Fräse zur Werkstattausrüstung gehört, sind dort die technischen Möglichkeiten zur Umsetzung solcher Ideen allerdings ganz beträchtlich gewachsen. So kam, was kommen musste. Nach dem im letzten Jahr gelungenen Umbau eines Konuslautsprechers mit einem Ringradiator-Hochtöner zum einem Koaxiallautsprecher-System, stand die Idee zur Entwicklung und zum Bau einer Hochtonzeile auf dem Programm. "Diese in der Beschallungstechnik (auch ELA-Technik genannt) durchaus gängige Form der Lautsprecheranordnung, ist im Bereich HiFi so gut wie nicht existent. In jedem Museum, jeder Kirche und auf den Bahnsteigen dieser Welt findet man sehr häufig lange, schmale Lautsprecherboxen, in denen in einer Reihe gleichartige, meist relativ kleine Lautsprecherchassis eingebaut sind. Das Gehäuse ist üblicherweise kaum breiter als die Lautsprecherchassis selbst. Solche im ELA-Jargon Tonzeile genannten Chassis-Anordnungen werden senkrecht montiert, weil sie waagerecht einen sehr breiten Abstrahlwinkel haben. Mit einer Tonzeile lässt sich ein wesentlich breiterer Bereich mit Schall versorgen, als es mit einer herkömmlichen Lautsprecherbox möglich wäre. Das ist natürlich genau das, was beispielsweise auf einem Bahnsteig gefragt ist: Möglichst wenige Lautsprecher versor-

2 gen einen möglichst breiten Bahnsteigbereich. Schließlich soll eine Durchsage nicht nur von demjenigen verstanden werden, der zufälligerweise vor der Box steht. Das Prinzip der breiten horizontalen Abstrahlung funktioniert im HiFi-Bereich natürlich genau so gut. Mit einer solchen Lautsprecheranordnung lässt sich nicht nur der eine Platz in der Mitte der Couch, sondern das gesamte Möbel beschallen. Sozusagen die optimale Konstruktion für gesellige Hörer. Aber der Reihe nach. Das vorrangige Ziel bei der Entwicklung der Cevio war die Schaffung einer kompakten Box, die einerseits so klein ist, dass sie sich im Wohnraum akustisch günstig unterbringen lässt, andererseits aber auch so belastbar ist, das sie wenn es denn mal sein muss trotz der geringen Größe so richtig Pegel kann, ohne gleich an ihre Grenzen zu kommen. Die Entwicklung startete folgerichtig mit der Suche nach den Gründen für die meist mangelhafte Pegelfestigkeit typischer Lautsprecherboxen. Der maximale Schalldruck den ein Lautsprecher erzeugen kann, hängt von der Luftmenge ab, die er bewegen kann. Sie ist im Wesentlichen durch die Membranfläche und den maximalen linearen Hub des Chassis begrenzt. In einer typischen Zweiweg- Kombination ist das limitierende Element üblicherweise der Hochtöner: Seine Membran muss möglichst klein sein, damit er höherfrequente Schallanteile nicht zu sehr bündelt, und der maximale linearer Hub ist auch meist eher gering. Die Vergrößerung des Hubs ist technisch kaum zu bewerkstelligen, die Membranfläche lässt sich aber durch parallel schalten mehrerer Hochtonchassis nahezu beliebig vergrößern. Das bringt uns zur Hochtonzeile, die alle wesentlichen Eigenschaften der verwendeten Hochtöner erhält, die Belastbarkeit aber deutlich steigert. Stückliste Frequenzweiche Menge für eine Box Leiterplatte Cevio, Abmessungen 90 mm x 160 mm - Frequenzweiche außerhalb des Gehäuses (ausgelagerte Weiche) L1 = 1,50-mH-Rollenkernspule, CuL-ø1,0 mm, R circa 0,22 Ohm L2 = 0,27-mH-Stiftkernspule, CuL-ø0,71 mm, R circa 0,25 Ohm L3 = 1,00-mH-Stiftkernspule, CuL-ø0,71 mm, R circa 0,53 Ohm L4 = 1,20-mH-Stiftkernspule, CuL-ø0,71 mm, R circa 0,61 Ohm L5 = 0,27-mH-Luftspule, CuL-ø0,71 mm, R circa 0,43 Ohm C1 = 37-µF-Elko, bipolar, 100 Vdc (22 µf + 15 µf parallel) C2 = 2,2-µF-MKT oder MKP, 100 Vdc C3 = 10-µF-MKT oder MKP, 100 Vdc C4 = 33-µF-Elko, bipolar, 100 Vdc R1 = 10-Ohm-Drahtwiderstand, 10 Watt R2 = Drahtbrücke R3 = entfällt R4 = 3,3-Ohm-Drahtwiderstand, 10 Watt Bauteiletoleranz < 5% Als Nebeneffekt ergibt sich die Möglichkeit, die Abstrahleigenschaften optimal anzupassen. Die Bestückung Die beiden identischen Tiefmitteltonchassis in der Cevio stammen aus der High Definition Sound-Serie von Peerless. Die unter der Bezeichnung HDS-N 5-25/08 gelisteten Lautsprecher sind durch die Kennung N als Vertreter der Baureihen gekennzeichnet, in der Peerless durchgängig mit Nomex-Fasern verstärkte Membranen einsetzt. Bild 1: Die Schallwand ist ein Sandwich aus Birke-Multiplex und MDF. Bild 2: Für die CNC- Fräse kein Problem, für die Handarbeit mit der Oberfräse empfiehlt sich die Herstellung einer Schablone. Bild 3: Der Peerless-V- Line-Tiefmitteltöner mit seinen beiden abgefrästen Korbseiten ermöglicht sehr schmale Gehäuseformen.

3 48 Bild 4: Die Frequenzweiche behandelt das Hochton-Array wie zwei separate Lautsprecher. Nomex ist der Handelsname einer extrem reißfesten Polyamid-Faser des Herstellers Dupont, deren Aufbau dem der bekannten goldgelben Kevlar-Fasern ähnelt. Die Einlagerungen der Nomex-Fäden in die Papiermasse macht diese so fest, dass selbst das Durchreißen einer bereits eingeschnittenen Membran mit beiden Händen kaum möglich ist. Die 5 in der Typenbezeichnung des Chassis kennzeichnet die typische Korbgröße von 5,25 Zoll (knapp 14 cm), die 25 steht für den Schwingspulendurchmesser von einem Zoll. Die Basis des Hochtonarray ASE LA8/25XT liefert der bestens bewährte 25-mm-Ringstrahler XT 300 in der Version mit Neodym-Magnet. An der von ASE dafür eigens angefertigten Aluminiumleiste sind alle Chassis von der Rückseite aufgeklebt und entsprechend verdrahtet. Diese ziemlich fummelige Arbeit muss man sich übrigens nicht selbst machen, das Line Array ist einbaufertig aufgebaut zu haben. Der Gehäusebau Mit den Abmessungen 22,5 cm Breite, 39,5 cm Höhe und einer Tiefe von 31 cm ist die Cevio eine der kleineren Boxen aus dem Testfeld. Der Materialauf- wand für das Gehäuse hält sich dementsprechend in geringen Grenzen. Im Inneren genügt eine einzige Versteifung in Form eines Zwischenbretts mit vier gleich großen Ausschnitten, die den Luftaustausch zwischen oberer und unterer Hälfte möglichst wenig beeinträchtigen sollen. Die beiden Seitenbretter, Boden und Deckel sind auf Gehrung geschnitten und anschließend mit einem Falz für die Aufnahme der Rückwand versehen worden. Die Falztiefe richtet sich dabei logischerweise nach der Dicke des Materials für die Rückwand. Eine Materialstärke von 19 mm ist ausreichend. Die immerhin 27-mm-dicke Schallwand ist von außen stumpf auf die Seitenteile aufgeleimt. Ein umlaufender Falz an der Schallwandrückseite tarnt die Klebestelle hinter einer Schattennut. Was im Plan nicht zu sehen ist, in der Praxis aber selbstverständlich berücksichtigt werden muss, ist der Einbau eines Bassreflexrohres auf der Gehäuserückseite. Die korrekte Abstimmung ergibt sich bei Verwendung des Bassreflexrohrs BRT 68/220 mit 68 mm Durchmesser, das auf 12 cm gekürzt werden muss. Eine gute Position dafür findet sich knapp

4 oberhalb des inneren Versteifungsrahmens auf der Mitte der Rückwand. Die Frequenzweiche Das Schaltbild der Frequenzweiche (Bild 4) stammt aus der Simulation mit dem Programm Netcalc. Die gemessene Übertragungskurve der einzelnen Lautsprecherchassis im endgültigen Gehäuse nimmt das Programm als Grundlage für die Dimensionierung einer Weiche, die der gesamten Box zum optimal ausgeglichenen Frequenzgang verhilft. Die beiden parallel geschalteten Tiefmitteltöner sind durch ein Filter 3. Ordnung in das Gesamtsystem Cevio eingebunden. Die Kombination aus L1/L2 und C1 trennt die Konuslautsprecher bei etwa 1,2 khz vom musikalischen Geschehen ab. Das ist deutlich unterhalb der oberen Grenze ihres Arbeitsbereichs, die bei etwa 5 khz liegt. In der Prototypenphase ist der Hochtonteil noch wie ein einzelnes Chassis behandelt worden. Das Simulationsergebnis war ein Filter 2. Ordnung und ein Spannungsteiler zur Pegelanpassung an den Tiefmitteltonteil. Im Rahmen diversere Hörsitzungen hat sich aber eine bessere Lösung finden lassen: Die vier inneren und die vier äußeren Hochtöner werden Bild 5: Die Bauzeichnung.

5 Bild 6: Der Amplitudenfrequenzgang ist vorbildlich glatt. Bild 7: Die Sprungantwort zeigt keinerlei Resonanzprobleme. Bild 8: Das Wasserfalldiagramm zeigt das extrem schnelle Abklingen des Hochton-Arrays. jeweils wie ein Chassis behandelt und über die Frequenzweiche getrennt versorgt. Diese Aufgabe übernimmt L5, die bei steigenden Frequenzen ab etwa 6 khz die vier äußeren Hochtöner ausblendet. Der Widerstand R2 wird durch eine Drahtbrücke ersetzt, R3 entfällt ganz. Damit bleibt für den Hochtonteil ein Filter 2. Ordnung (C2/C3/L3), dessen Flankensteilheit R1 für die Besonderheiten der Cevio optimiert. Messungen Zur Ermittlung des Frequenzgangs war das Messmikrofon in der Höhe genau zwischen die beiden inneren Hochtönern und in der Seite zwischen die Tieftöner und das Line-Array ausgerichtet. Die durchgezogene rote Kurve in Bild 6 ist das Ergebnis der Messung. Der Frequenzgang ist mit dem Pseudo- Rauschsignal vom MLSSA-System errechnet worden, bei dem die Raumeinflüsse rein rechnerisch auf der Computerebene ausgeblendet werden können. Die gestrichelte Linie zeigt die Messung auf 30 Grad nach innen. Wie man sieht, sieht man fast nichts: Der Unterschied ist erwartungsgemäß sehr gering. Anders sieht die (hier nicht abgebildete) Messung auf 30 Grad nach außen aus. Hier ist der Pegelabfall aufgrund der asymmetrischen Anordnung des Hochtonarrays wunschgemäß sehr deutlich. Im Wasserfalldiagram in Bild 8 ist das sehr schnelle und völlig ohne Resonanzeffekte ablaufende Ausschwingen der Hochtöner zu erkennen. Der Klang Die ungewöhnliche Lautsprecheranordnung in der Cevio hat Folgen, das macht sich schon bei der Aufstellung bemerkbar. Durch die asymmetrische Anordnung der Hochtöner ist das seitliche Abstrahlverhalten natürlich keineswegs symmetrisch. Im Sinne des Entwicklers sind die Lautsprecher so aufzustellen, dass die Hochton-Arrays nach außen, die Bässe nach innen ausgerichtet sind. Zur Mitte hin sieht dann jedes Array einen relativ breiten Schallwandteil als Abstrahlfläche, nach außen hin aber nur einen ganz schmalen Streifen. Als Folge davon strahlt die Cevio im Mittel-/Hochtonbereich unter Winkel nach außen nur sehr wenig Schall ab. Sie kann daher problemlos in der Nähe seitlicher Wände aufgestellt werden, ohne dass Verfärbungen durch Raumreflexionen zu befürchten sind. Der Einfluss des Hörraumes ist bei der Cevio geringer als bei anderen Lautsprecherkonstruktionen, einfach deshalb, weil der Raum weniger intensiv angeregt wird. Die Box bietet eine sehr gute Räumlichkeit und eine breite Stereoperspektive am Hörplatz. Das ändert sich auch dann nicht, wenn man sich horizontal bewegt. Nur Aufstehen darf man nicht. Dann sind die oberen Tonlagen sehr schnell verschwunden. Ohne auf einzelne Frequenzbereiche einzugehen, lässt sich die Cevio mit einem einzigen zugegebenermaßen schon häufig zitierten Satz sehr treffend charakterisieren: "Die unglaubliche Leichtigkeit des Seins". Ob gerade kleine Pegel, mittlere Pegel oder so richtig Krach gefragt sind, die Lautsprecherbox behält ihren ausgewogenen und verfärbungsfreien Charakter über einen beeindruckend großen Pegelbereich. Beeindruckend, erst recht, angesichts der geringen Baugröße. Egal, welches Musikmaterial zu reproduzieren ist, die Wiedergabe wirkt jederzeit völlig unangestrengt. 50 Name: Cevio Prinzip: 2-Weg-Kombination aus Hochton-Line Array und Bassreflexbox / 4 Ohm Nennbelastbarkeit: 120 Watt Musikbelastbarkeit: 160 Watt Vertrieb: ASE Entwicklung: Dipl-Ing. Gerd Lommersum Hochtöner: ASE LA 8-XT Tief-/Mitteltöner: Peerless HDS-N 5-25 / 8 Ohm Trennfrequenz: 1,2 khz und 5 khz Abmessungen: 22,5 cm x 39,5 cm x 31 cm Nettovolumen: 18 Liter Bausatzpreis: Chassis, Fertigweiche, Dämmmaterial, Kabel, Polklemmen, Bassreflexrohr pro Paar Euro