Äthiopien will Textil- und Bekleidungsindustrie
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1 Äthiopien will Textil- und Bekleidungsindustrie puschen Genbaumwolle und billige Arbeitskräfte sollen es richten / Zielvorgaben erscheinen allerdings utopisch / Von Martin Böll Addis Abeba (gtai) - Äthiopien möchte eine leistungsfähige internationale Textil- und Bekleidungsindustrie aufbauen. Erste ausländische Produzenten und Einkäufer sind vor Ort. Genmodifizierte Baumwolle soll die Versorgung mit Einsatzmitteln nachhaltig verbessern. Das Exportziel von 1 Mrd. US$ bis 2015 erscheint dagegen utopisch. Ein Zehntel davon wäre auch schon ein Erfolg. Wenn im Juni 2014 die Regenzeit in Äthiopien einsetzt, sollen Baumwollfarmer erstmalig genetisch modifiziertes Saatgut (GM crops) einsetzen und den Baumwollertrag, so die Erwartung, geradezu multiplizieren. Der Rohstoff soll dann die heimische Textil- und Bekleidungsindustrie beflügeln. Im Rahmen seines Wirtschaftsplans hat sich Äthiopien zum Ziel gesetzt, bis 2015 mit Textilien und Bekleidung Ausführerlöse in Höhe von 1 Mrd. US$ zu erwirtschaften. Zum Vergleich: 2012 beliefen sich die einschlägigen Exporte erst auf 66 Mio. US$. Utopische Pläne und Zielsetzungen gehören in Ostafrika allerdings zum politischen Geschäft und sollten nicht überbewertet werden. Mit solchen Riesenzahlen soll meist nur Aufmerksamkeit generiert werden. Schon eine Verdoppelung der Textilausfuhren wäre für Äthiopien ein großer Erfolg, wäre aber dann der internationalen Presse vermutlich keine Zeile wert. Für mediales Interesse sorgt bislang nur die Tatsache, dass sich Äthiopien nunmehr für Genpflanzen öffnet, wenngleich zunächst nur bei Baumwolle. Gegner solcher Pflanzen befürchten, dass das Beispiel in der Region Schule machen könnte, während Verkäufer von genetisch modifiziertem Saatgut genau dieses erhoffen, allen voran Unternehmen wie Dupont, Monsanto und Syngenta, die etwa 70% des weltweiten Saatgutmarkes kontrollieren. Bislang baut in Afrika nur die Republik Südafrika Genpflanzen auf kommerzieller Basis an, während Länder wie Simbabwe, Kenia, Nigeria, Mali, Ägypten und Uganda lediglich einschlägige Forschungseinrichtungen unterhalten. In Benin, Burkina Faso, Marokko, Senegal, Tansania, Sambia und Simbabwe soll es Versuchsanpflanzungen geben oder gegeben haben. Das Forschungsinteresse in Afrika gilt Pflanzen wie Süßkartoffeln, Mais, Baumwolle, Sojabohnen, Straucherbsen und Tabak. Textileinkäufer immer auf der Billig-Jagd Aber zurück zur äthiopischen Textilindustrie: Vorausgesetzt, die Baumwollerträge könnten massiv gesteigert werden, würde dies eine Expansion der nationalen Textilindustrie begünstigen. Die Einkäufer der internationalen Bekleidungsfirmen sind wie Nomaden, die es immer dorthin zieht, wo besonders günstig eingekauft werden kann. Vor allem im Billigsegment zählt fast nur der Preis. Internationale Textil- und Bekleidungshersteller wissen das und versuchen deshalb auch ihrerseits immer neue und noch billigere Standorte ausfindig zu machen. Äthiopien hat auf diesem Gebiet Angebotsvorteile: Es gibt Arbeitskräfte ohne Ende, die äthiopischen Arbeiter gelten im afrikanischen Kontext als leistungsbereit und diszipliniert und sind zudem extrem billig. Zu den neuen Investoren in Äthiopien zählt zum Beispiel das türkische Unternehmen MNS Manufacturing P.L.C., das im Rahmen einer ersten 48 Mio. $ teuren Investition mit der Produktion von Teppichen, Handtüchern, anderen Badezimmertextilien, Polyestergeweben und Stoffen für Matratzen und Sitzmöbel begonnen hat. Zwei weitere Ausbaustufen sollen folgen. In der ersten Phase werden bis zu Personen beschäftigt. Die britische Supermarktkette Tesco und das schwedische Textileinzelhandelsunternehmen Hennes & Mauritz (H&M) haben 2013 in Äthiopien Büros eröffnet. Tesco kauft Presseberichten zufolge bei fünf äthiopischen Tex 1
2 tilunternehmen ein (es dürfte derzeit etwa 60 Bekleidungs- und 15 Textilunternehmen in Äthiopien geben.) H&M bezieht nach eigenen Angaben bereits seit mehr als einem Jahr Textilien aus Äthiopien. Das Unternehmen lobt die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen, Zoll- und Steueranreize für Textilexporteure, die lokale Wollproduktion sowie die Verfügbarkeit gut ausgebildeter Fachkräfte. Beklagt wird der verschlossene Finanzsektor, die hohen Transportkosten, die extrem langen Transportzeiten sowie Strom- und Internetausfälle. Die äthiopische Regierung räumt weitere Schwierigkeiten ein: Nach Angaben von Tadesse Haile, Staatsminister für Industrie, gibt es derzeit noch einen Mangel an Rohstoffen, während Maschinen noch zu hoch besteuert werden. Äthiopische Exporte von Garnen, Geweben, fertiggestellte Spinnstofferzeugnissen und verwandten Waren (SITC 65, in Mio. US$) Gesamt 37,25 26,93..Türkei 18,07 11,59..VR China 0,72 5,56..Italien 4,73 5,14..Deutschland 9,26 1,78..Dschibuti 0,00 0,83..Großbritannien 0,95 0,72 Äthiopische Exporte von Bekleidung und Bekleidungszubehör (SITC 84, in Mio. US$) Gesamt 34,55 39,07..Deutschland 26,63 28,07..USA 3,54 4,37..Sudan 3,18 3,41..Niederlande 0,02 0,83..Großbritannien 0,27 0,68..Italien 0,37 0,61 2
3 Äthiopische Importe von Maschinen, Apparaten und Geräten für die Textil- und Lederindustrie sowie Teile davon (SITC 724; in Mio. US$) Gesamt 71,89 79,52..Türkei 23,71 32,72..VR China 15,04 14,44..Italien 8,11 8,94..Schweiz 3,39 6,19..Indien 4,17 4,45..Japan 2,01 3,32..Deutschland 6,85 1,89 Rahmenbedingungen verbesserungsfähig Wenn Äthiopien ein attraktives Ziel für Investoren werden wolle, müsse es allerdings die Rahmenbedingungen noch deutlich verbessern, sagen Landeskenner. Die Regierung setze weiterhin auf ihr Model der staatlich gesteuerten Entwicklung, in der die Privatindustrie nur einen geringen Freiraum habe. Wenn es nach der Staatsbürokratie geht, dann wird aus dem primär landwirtschaftlich geprägten Land binnen weniger Jahren ein Industriestaat. So wie Vietnam, die VR China und Südkorea einst dank billiger Arbeitskräfte internationale Investoren anziehen konnten, so will Äthiopien mit Industrielöhnen zwischen 37 und 53 $ im Monat locken. Investoren winken ferner Zollbefreiungen und Steuervergünstigungen. Ganz so einfach ist es aber nicht: Schon seit vielen Jahren preist Äthiopien seine Standortbedingungen, dennoch kommt der Beitrag der Industrie zum Bruttoinlandsprodukt über 4% nicht hinaus. Die Löhne mögen günstig sein, die anderen Rahmenbedingungen aber sind es nicht: Es fehlt z.b. an Finanzierung, die Korruption ist endemisch und im Trade Logistics Index der Weltbank (2012) rangiert Äthiopien auf dem 141. Rang (von 155); fünf Jahre zuvor lag Äthiopien noch auf Rang 104. Ease of Doing Business (Ränge 1) Land Singapur Mauritius 2) Deutschland Ruanda 3) Äthiopien Kenia Uganda Burundi Tansania
4 1) 2014: Auszug von 189 Ländern bzw. Regionen; 2) 2014: bester Rang in Afrika; 3) 2014: zweitbester Platz in Afrika Quelle: "Doing Business 2014", Weltbank Index of Economic Freedom ) Rang Land Punktzahl Kategorie 1 Hong Kong 89,3 Frei 8 Mauritius 2) 76,9 Weitgehend frei 19 Deutschland 72,8 Weitgehend frei 63 Ruanda 3) 64,1 Moderate Freiheit 79 Uganda 61,1 Moderate Freiheit 98 Tansania 57,9 Weitgehend unfrei 114 Kenia 55,9 Weitgehend unfrei 146 Äthiopien 49,4 Unterdrückt 148 Burundi 49,0 Unterdrückt 177 Nordkorea 4) 1,5 Unterdrückt 1) Auszug; 2) Höchster Rang in Afrika; 3) Dritthöchster Rang in Afrika nach Mauritius und Botswana, 4) Letzter Rang. Quelle: The Heritage Foundation Korruptionswahrnehmungsindex ) Rang Land Punktzahl 1 Dänemark 91 1 Neuseeland Deutschland Botsuana 2) Ruanda 3) Äthiopien Tansania Kenia Uganda Burundi Nordkorea 4) Afghanistan 4) Somalia 4) 8 4
5 1) Auswahl: 2) Bester afrikanischer Rang; 3) Viertbester Rang in Afrika nach Botsuana, den Kapverdischen Inseln und den Seychellen; 4) Schlechtester Rang Quelle: Transparency International (M.B.) Peter Schmitz GTAI KONTAKT Peter Schmitz +49 (0) Ihre Frage an uns Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck auch teilweise nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. 5
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