Grenzenlos motiviert endlos befristet?

Transkript

1 Grenzenlos motiviert endlos befristet? Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz Informationsveranstaltung an der Universität Regensburg 28. November 2013 Dirk Stockfisch ver.di Bezirk Oberpfalz

2 Lange Tradition

3 Gliederung 1. Hintergründe 2. Regelungen 3. Handlungsmöglichkeiten 4. Aktuell-politische Entwicklungen

4 Rahmenbedingungen an der Hochschule Das deutsche Bildungssystem kennt nur Professor/innen und solche die es werden wollen

5 Befristung als Regelfall Natürliche Grenze bei 100%?

6 Weit ab vom Normalarbeitsverhältnis Es ist ein deutlicher Trend erkennbar

7 Beschäftigungsentwicklung Trotz steigender Studierendenzahlen kein Zuwachs bei den Professuren 7

8 Befristungsproblematik Es zeigt sich die Einzigartigkeit des deutschen Habilitationssystems

9 Zwischenfazit Eine atypische Beschäftigung ist im Wissenschaftssystem tradiert und strukturell verankert

10 Hochschulrahmengesetz (HRG) Die Tradition dieser Struktur in der Wissenschaft brachte ein Sonderbefristungsrecht mit sich Zentrale Fragen des Hochschulwesens wurden im HRG bis zur Einführung der Föderalismusreform geregelt, da der Bund mit diesem Gesetz eine Rahmensetzungskompetenz hatte Auch Strukturvorgaben in Fragen der Beschäftigungsverhältnisse fielen in diese Kompetenz

11 Wesentliche Regelungen im HRG o Einführung von Höchstbefristungsdauern o o o Sachgrundlose Befristung innerhalb der Höchstdauer Einführung der Juniorprofessur Tarifsperre

12 Zum WissZeitVG Einige Bundesländer reichten Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht ein, weil der Bund nach ihrer Ansicht seine Kompetenzen mit dieser HRG-Novelle überschritten 27.Juli gab das BVerfG der Klage statt HRG mit seinen Befristungsregeln war unwirksam

13 Zum WissZeitVG Durch das Urteil wurde eine neue Diksussion zur Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern geführt Das Befristungsrecht war allerdings nicht Hauptthema der geführten Diskussionen Deshalb legte der Bund eine Novelle vor, welche die alten Regelungen zur Einführung der Juniorprofessur und der Befristungen aus dem HRG herauslöste und wieder gültig machte

14 Zum WIssZeitVG 2006 verlor der Bund seine Rahmensetzungskompetenz mit der Einführung der Föderalismusreform Das betrifft nicht den arbeitsrechtlichen Teil der oben erwähnten Novelle Deshalb trat 2007 das WissZeitVG in Kraft Quelle: Janson / Schomburg / Teichler 2006: 87)

15 Regelungen WissZeitVG Die 12 Jahres Regel 2, Abs. 1, Satz 1 & 2 Es kann ohne Sachgrund 6 Jahre vor der Promotion und 6 Jahre nach der Promotion befristet werden Nicht verbrauchte Promotionszeit kann in der zweiten Phase angehängt werden Achtung: Auch unbezahlte Promotionszeit oder Zeit im Ausland wird von der "Restzeit" abgezogen

16 Regelungen WissZeitVG Die 12 Jahres Regel 2, Abs. 3 (Anrechnungszeiten) Zeiten vor dem Studienabschluss werden nicht angerechnet Angerechnet auf die Fristen werden alle befristeten Tätigkeiten an einer deutschen Wissenschaftseinrichtung mit mehr als 25% Stellenanteil

17 Befristungsgrund Drittmittel Über die allgemeinen Höchstgrenzen kann befristet werden Zum einen über das TzBfG, das für alle Beschäftigten gilt Allerdings setzt das TzBfG hohe Hürden bei einer Befristung Daher scheuen die Hochschulen eine Anwendung Mit dem WissZeitVG können Beschäftigte auch über die 12 Jahre hinweg befristet werden, wenn sie überwiegend aus Drittmitteln finanziert werden. Das gilt auch für nichtwissenschaftlich Beschäftigte

18 Befristungsgrund Drittmittel Bedingungen dafür sind Die Finanzierung ist für eine bestimmte Aufgabe und über einen bestimmten Zeitraum bewilligt. Das gilt für Drittmittel Der überwiegende Teil wird dem Finanzierungszweck entsprechend gearbeitet. Das ist in der Praxis kaum nachzuweisen. Achtung: Drittmittelbeschäftigung wird auch vor Erreichen der 12 Jahre angerechnet Befristungsmöglichkeiten sind substanziell erweitert worden

19 Familienpolitische Komponente 2 Abs. 5 (Verlängerungsoption) Soll Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern Verlängerungsoption der Befristungsdauer pro betreutem Kind um 2 Jahre Gilt für beide Elternteile Als Nachweis reicht meist gemeinsamer Haushalt Muss beantragt werden und Arbeitgeber ist angehalten zu verlängern

20 Weitere Verlängerungsoptionen Beurlaubung Wehr- und Ersatzdienst Elternzeit Gleichstellungsbeauftragte Personalrat Behindertenvertretung mit Freistellung Achtung Aufzählung ist abschließend und man ist immer auf den guten Willen des AG angewiesen.

21 Handlungsmöglichkeiten Beratung vor Ort Beratung durch den Personalrat Beratungsangebote der Uni nutzen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Auch die Personalentwicklung gehört zu den Aufgaben der Vorgesetzten

22 Alternativen schaffen Alternativen abschätzen Durch Struktur biographische Sackgassen sehr groß Auch außeruniversitäre Karriereplanung frühzeitig in Betracht ziehen Weiterbildungsangebote (auch außeruniversitäre Ausrichtung) beachten Thematische außeruniversitäre Anschlussfelder suchen

23 Gleichgewicht halten Zahl der stressbedingten Erkrankungen steigt Wissenschaftliche Arbeit hat starken Hang zur Entgrenzung Bei aller intrinsischen Motivation muss in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsintensität eine Balance gehalten werden Achten Sie auch auf Ihre Kolleg/innen

24 und BAG Urteil Rahmenbedingungen der Klage Im Juni 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) der Klage einer Lehrkraft für besondere Aufgaben auf unbefristete Beschäftigung stattgegeben Die LfbA war hauptsächlich mit der Lehre der japanischen Sprache beschäftigt und über das WissZeitVG bei ihrer Einstellung auf 12 Monate befristet worden

25 und BAG Urteil Urteil des BAG Wer zum "wissenschaftlichen Personal" gehört (auf den das WissZeitVG angewendet werden kann) hängt nicht vom jeweiligen LHG ab, sondern regelt das WissZeitVG selbst. Teil des wissenschaftlichen Personals ist nur wer wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Wer mit der Vermittlung von gesichertem Wissen beschäftigt ist, hat keinen hinreichenden Freiraum zur eigenen Forschung und erbringt keine wissenschaftliche Dienstleistung. Die LfbA war über das WissZeitVG bei ihrer Einstellung auf 12 Monate befristet worden. Sie wurde unbefristet eingestellt

26 Evaluation WissZeitVG Zentrale Befunde Vertragslaufzeiten unter 12 Monaten Befristungsquote liegt bei 83% Teilzeit arbeiten über 45% der WiMis Unter 1% der Verträge Verlängerung über familienpolitische Komponente Übergriffe ins Privatleben durch Spielräume Zufriedenheit der Beschäftigten mit der inhaltlichen Arbeit, nicht mit den Lebens- und Berufsperspektiven

27 Fazit Bewährtes Gesetz für die Hochschulleitungen und -verwaltung Verschärfung der Schieflage für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

28 Weitere Handlungsoptionen Tarifsperre kippen Lokal aktiv werden In den Personalrat wählen lassen Gewerkschaftlich engagieren

29 Aktuelle Entwicklungen Verbesserungen sollen durch Regierung vorgenommen werden Vertragslaufzeit gekoppelt an Qualifizierungsphase oder Projektlaufzeit auf Splitting unter 50% zu verzichten Betreuungsvereinbarung Schaffung von Perspektiven einer Karriere unterhalb der Professur Grundsätzliche Anwendung der familienpolitischen Komponente

30 Aktuelle Entwicklungen Zur Zeit auch Teil der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD

31 Kontakt Ansprechpartner an der Uni Regensburg Dirk Stockfisch Tel: 0941/ Richard-Wagner-Str Regensburg Sprechzeiten alle 14 Tage im Büro des Personalrates

32 Informationen zu aktuellen Entwicklungen und Berichten Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit