Grundkonzept für die Planung ökologischer Ersatzmassnahmen als Teil der landschaftspflegerischen Begleitplanung
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- Erica Berg
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1 Die Landschaft zwischen Bütschwil und Dietfurt von Süden aus gesehen Umfahrung Bütschwil: Grundkonzept für die Planung ökologischer Ersatzmassnahmen als Teil der landschaftspflegerischen Begleitplanung Allgemeine Situation: Die neue Umfahrungsstrasse wird teils ober- und teils unterirdisch zwischen den Siedlungsräumen der Dörfer Dietfurt und Bütschwil und der linksseitigen Thurlandschaft durchführen. Das geplante Trassee erstreckt sich in engen, von Siedlungsräumen und Fettwiesen geprägten Landschaftskammern. In den offenen Landschaftsteilen und an den Dorfrändern tangiert die zukünftige Strasse in Bezug auf Naturlandflächen Böschungen mit Halbmagerwiesen. Im Bereich des Flusslaufes der Thur und deren Seitenbäche durchschneidet sie Wald- und Heckenparzellen oder führt entlang von Kleingehölzen. Im südlichen Strassenabschnitt im Gebiet Michelau führt die Umfahrungsstrasse durch das BLN Gebiet Nr. 1414, Thurlandschaft Lichtensteig Schwarzenbach.
2 Das alte Thurufer zwischen Dietfurt und Bütschwil: eine bevorzugte südexponierte Lage für Extensivwiesen Notwendigkeit von ökologischen Ersatzmassnahmen In einer Landschaft wie der vorliegenden stellt eine neue Strasse eine zusätzliche Einengung dar, die den Landschaftsraum noch enger macht. Weil sich in der offenen Landschaft hauptsächlich Fettwiesen erstrecken, kann der Strassenbau mit neu entstehenden Flächen, die zukünftig einer intensiven Bewirtschaftung entzogen werden, durchaus die ökologische Vielfalt der benachbarten Landschaftskammern erhöhen. Ökologische Aufwertungsmassnahmen im Sinne eines Realersatzes können dann eine Chance für die Umwelt darstellen, wenn sie den örtlichen Gegebenheiten und der ökologischen Situation angepasst und untereinander vernetzt sind. Ein Netz von Naturlandflächen in einem Konzept Ein entsprechendes Konzept für den Realersatz kann aber nicht lediglich im Ersatz von überbauten Flächen bestehen. Nur ein quantitativer Ansatz würde dem Anliegen eines optimalen Realersatzes nicht gerecht. Die ökologische Qualität kann vor allem mit Aufwertungen in Naturräumen erhöht werden, die in einiger Distanz zur Strasse vorhanden sind und die eine gewisse Ausdehnung aufweisen. So besteht etwa die Chance, dass im Perimeter des BLN-Gebietes - etwa entlang des Thurlaufes - zu Gunsten dieser geschützten Landschaft von nationaler Bedeutung Aufwertungen verwirklicht werden, die eine bedeutend höhere ökologische Qualität aufweisen wie womöglich teurere Massnahmen unmittelbar neben der Umfahrung. Dies bedeutet aber nicht, dass auch in unmittelbarer Nachbarschaft der neuen Strasse ein Netz von Extensivflächen und Kleingehölzen verwirklicht werden soll. Eine Vernetzung von zukünftigen Naturlandlfächen soll durchaus auch aus kleinen Trittsteinbiotopen entlang des Strassentrassees bestehen. Diese sollen aber eben Trittsteine zu einigen wenigen grossflächigeren Aufwertungsflächen darstellen. 2
3 Der Flusslauf und vor allem die rechten Uferbereiche weisen eine hohe ökologische Qualität auf Mit einem nach einer eingehenden Lagebeurteilung erstellten Konzept mit Massnahmen, die Fleisch am Knochen haben, auf Liegenschaften von aufgeschlossenen Grundeigentümern, können die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel optimal eingesetzt werden. Politisch im Sinne der Akzeptanz eines Strassenbauprojektes ist ein möglichst hohes ökologisches Aufwertungspotenzial - etwa in Form einer Schaffung von Mangelbiotopen wie Magerwiesen oder Stillgewässern - bedeutungsvoll. Dies, weil die Bevölkerung - wie es etwa die Aufwertungsprojekte in den Gemeinden Eschenbach und Kirchberg in jüngster Zeit zeigten - grösstenteils sehr positiv auf die Neuschaffung von neuen naturnahen Landschaftsteilen reagiert. Diese können, falls sie zugänglich sind und es ihre Funktion als Lebensräume für Tiere und Pflanzen erlaubt, auch wertvolle Erholungsräume für die Bevölkerung werden. Allerdings soll im Projektgebiet, das zu grossen Teilen aus Siedlungsräumen besteht und das entlang der Thur einem hohen Erholungsdruck unterliegt, bewusst auf die Errichtung von weiteren touristischen Einrichtungen oder Naturerlebnisräumen verzichtet werden. Dies auch weil in Nachbargemeinden solche Einrichtungen am Entstehen sind. Ein mögliches Konzept wird in der Beilage schematisch dargestellt. Es wird bewusst darauf verzichtet, mögliche Standorte von Aufwertungen zum jetzigen Zeitpunkt schon genau zu bezeichnen. In einer Phase, in welcher noch keine oder nur oberflächliche Kontakte zu den Grundeigentümern bestehen, wäre es verfehlt, schon konkrete Möglichkeiten für ökologische Ersatzmassnahmen darzustellen und zu veröffentlichen. Die hier dargestellte ökologische Situation soll die Grundlage für die weitere Planung darstellen. Bei den Leitarten muss zwischen solchen unterschieden werden, die bereits, wenn auch in geringer Zahl im Projektgebiet vorkommen, und solchen, die als eigentliche Zielarten noch nicht vorhanden sind. Dies sind Arten, die Lebensräume bewohnen, welche erst durch eine Aufwertung geschaffen werden. Beispielsweise sind dies grössere Stillgewässer mit Altwassercharakter entlang der Thur. 3
4 Distelfalter: eine Leitart für blütenreiche Magerwiesen Die Naturwerte des Projektgebietes: Bei der Beurteilung der Landschaft im Bereich der Naturwerte fällt auf, dass es qualitativ zwei völlig unterschiedliche Landschaftsräume im Strassenbauperimeter und dessen Nachbarschaft bis zur Thur gibt. Es sind dies die Siedlungsräume mit benachbarter Kulturlandschaft und die Naturlandschaften entlang der Thur. In die zukünftige Vernetzung von Extensivflächen sollen bestehende Kleinstrukturen integriert werden 4
5 A) Siedlungsräume und angrenzende Kulturlandschaft: Die Siedlungsräume und deren Randzonen und Zwischenräume werden mit Ausnahme weniger Böschungen entlang des ehemaligen Thurufers von intensiv bewirtschafteten Wiesenflächen dominiert. Fettwiesen erstrecken sich in Gunstlagen für die Bewirtschaftung bis in den Bereich der Thurufer. Dieser Landschaftraum ist arm an Arten und weist meist nur triviale Kulturfolger auf. Eine Ausnahme bilden die Seitenbäche mit teils tief eingeschnittenen kleinen Tobeln, die zeitweise zu Rückzugsräumen etwa der Ringelnatter oder des Feuersalamanders geworden sind. Bestockungen entlang der Seitenbäche, Heckenpartien an Böschungen und kleine Obstbaumbestände stellen Relikte einer einst vielfältigen Kulturlandschaft dar. In ihnen finden häufige Vogelarten wie Amsel, Buchfink, Hausspatz, Mönchsgrasmücke, Rotkehlchen, Grünfink, Hausrotschwanz, Distelfink, Girlitz und Zilpzalp noch Lebensraum. Diese Arten kommen mindestens als Gäste wie die Zauneidechse, die Blindschleiche, der Feuersalamander oder der Grasfrosch in naturnah gestalteten Gärten vor. Siedlungsbereiche mit naturnah gestalteten Gartenbereichen weisen im Projektgebiet die höhere ökologische Qualität auf wie die offene Kulturlandschaft. Dies vor allem dann, wenn sie an Magerwiesenböschungen, an Bachtobel oder an Kleingehölze grenzen. Die Böschungen und Raine mit extensiver Bewirtschaftung sind ökologisch im Bereich der Siedlungsgebiete am wertvollsten. In diesen wenigen besonnten Trockenstandorten kommen noch für ungedüngte Wiesen typische Pflanzen wie der Quendel, der Dost, der Kleine Wiesenknopf, die Skabiose und die Witwenblume vor. Eine relativ hohe Anzahl an Tagfalterarten (Augenfalterarten, Weisslinge, Bläulinge, Distelfalter) und andere Insekten wie Heuschrecken, Käfer- Spinnen- und Kleinsäugerarten leben in diesen Trockenstandorten. Diese ungedüngten, wenig gedüngten oder beweideten Wiesenflächen - die meist am ehemaligen Thurufer liegen - sind erhaltenswert. Durch Ansaaten mit geeignetem Saatgut können solche Naturwiesen auch neu geschaffen werden. Ehemals gedüngte Wiesen können auch durch Teilanssaaten, durch so genannte Impfungen, aufgewertet werden. Dabei sollte im Sinne der Vernetzung ein Mosaik an solchen Extensivwiesen geschaffen werden. Eine Koordination mit dem Vernetzungskonzept nach Ökoqualitätsverordnung, das in der Region in Bearbeitung ist, stellt dabei eine Notwendigkeit dar. Es soll in den wenigen Schwerpunktgebieten versucht werden, Naturlandflächen von grösserer Ausdehnung zu schaffen. Solche Kernräume der ökologischen Aufwertung können dabei zu eigentlichen Regenerationsräumen und zu Rückszugsinseln bedrohter Arten werden, die auch für wandernde Tierarten - gerade in einem Tal in Nord-Südrichtung - bedeutsam sind. (Vgl. mögliche Standorte in Beilage) 5
6 Leitarten als Ziel- und Schirmarten für die ökologische Aufwertung trockenwarmer Wiesenflächen und benachbarter Kleinstrukturen: Pflanzliche Leitarten: Zittergras, Wiesensalbei, Karthäusernelke, Männliches Knabenkraut, Wilde Möhre Tierische Leitarten: Insekten: Mauerfuchs, Schachbrett, Grosses Ochsenauge, Schwalbenschwanz, Grünes Heupferd, Warzenbeisser, Maulwurfsgrille Wirbeltiere: Zauneidechse, Blindschleiche, Grasfrosch, Grünspecht, Distelfink, Girlitz, Mönchsgrasmücke, Igel, Zwergfledermaus, Braunes Langohr, Hermelin, Feldhase Das urwüchsige Thurufer: Lebensraum gefährdeter Tier- und Pflanzenarten B) Die Flusslandschaft an der Thur: Diese Naturlandschaft mit meist bestockten Uferbereichen am linken Ufer weist auf der rechten Flussseite felsige Steillagen mit naturnahen, unzugänglichen Wäldern auf. In dieser urtümlichen Landschaft mit hoher Artenzahl kommen auch seltene Tier- und Pflanzenarten vor, die zur Gruppe der Kulturflüchter zu zählen sind. Der Schwerpunkt der Aufwertungsmassnahmen muss entlang der Thur auf der Belebung der Auen durch die Schaffung von Kleingewässern und der Ausweitung der Fluss- und Bachläufe liegen. Damit können seltene Arten, welche von der natürlichen Dynamik im Übergangsbereich zwischen Wasser und Land leben, gefördert werden. 6
7 Durch das Entfernen der Blocksteine erhielte der Fluss mehr Raum für seine dynamische Entfaltung Die Thur als Trainingsgelände und Erlebnisraum für Wassersportler Wo es möglich ist, sollte dem Fluss, der teilweise durch Blocksteine begradigt wurde, wieder mehr Raum gegeben werden. Auch sollten stehende Kleingewässer mit Altwassercharakter geschaffen werden. Dabei können neue Weichholz- und Hartholzauen entstehen. Auch sollten intensiv genutzte Wiesen und Weiden, die sich bis zum Uferbereich der Thur oder deren Seitengewässern erstrecken in eine extensive Bewirtschaftung überführt werden. Es werden wenige Landschaftsteile an der Thur für Aufwertungsmassnahmen ins Auge gefasst, die dank einer gewissen räumlichen Ausdehnung entsprechende Möglichkeiten für effiziente Aufwertungsmassnahmen auch nach den Vorgaben des Richtplans des Kantons St. Gallen erlauben. 7
8 Die Gelder sollen nicht nach dem Giesskannenprinzip, sondern schwerpunktmässig eingesetzt werden. An Tuffsteinwänden wachsen seltene Pflanzen wie das Fettkraut, eine fleischfressende Pflanze Bei der Schaffung von Kleingewässern muss versucht werden, die teils in ausgedehnten Beständen vorkommenden Neophythen zu entfernen. (fremdländische, in die Schweiz eingeführte Pflanzen, welche die einheimische Flora konkurrenzieren) Es kommen vor: Japanischer Knöterich, Drüsiges Springkraut, Kanadische Goldrute, Riesen-Bärenklau Für die Thurlandschaft lohnt sich eine Aufzählung der bemerkenswerten, teils seltenen und bedrohten Arten, weil sie zugleich als Leitarten dienen sollen. Sie stellen wichtige Indikatoren für vielfältige Lebensräume dar. Pflanzliche Leitarten: Alpenmassliebchen, Fettkraut, Hirschzunge, Schmal- und Breitblättriges Waldvögelein, Rotes Waldvögelein, Nestwurz, Frauenschuh, Türkenbund, Aronstab, Felsenbirne, Arten der Stillgewässer als nicht vorkommende Leitarten: Gelbe Schwerlilie, Weisse Seerose, Seekanne, Straussblütiger Gilbweiderich, Rohrkolben 8
9 Stillgewässer entlang der Thur sind sehr selten. Die Schaffung von Tümpeln mit Altwassercharakter würde die ökologische Vielfalt erhöhen Neophyten (fremdländische Pflanzen, wie der Japanische Knöterich) verdrängen die einheimische Flora. Bei der Schaffung neuer Kleingewässer in geeigneten Landschaftsteilen könnten auch diese unerwünschten Arten entfernt werden. Tierische Leitarten: Libellenarten der Fliessgewässer: Quelljungfer, Azurjungfer, Libellenarten stehender Gewässer: Plattbauchlibelle, Gemeine Heidelibelle Tagfalter: Kaisermantel, Waldportier, Zitronenfalter Wirbeltiere: Gelbbauchunke, Erdkröte, Grasfrosch, Geburtshelferkröte (vor einigen Jahren sicher noch vorhanden), Bergmolch, Feuersalamander, Zauneidechse, Ringelnatter, Gebirgsstelze, Wasseramsel, Eisvogel, Zaunkönig, Gartengrasmücke, Grauschnäpper, Trauerfliegenschnäpper, Gartenrotschwanz, Kleinspecht, Grünspecht, Schwarzspecht, 9
10 Sperber, Waldkauz, Rotmilan, Schwarzmilan, Wanderfalke, Wasserspitzmaus, Igel, Wasserfledermaus, Grosses Mausohr, Iltis, Hermelin, Feldhase Nicht vorkommende Leitarten der Stillgewässer: Teichrohrsänger, Wasserfrosch, Moderlieschen, Elritze, Schleie Quintessenz: In einem ökologischen Aufwertungskonzept im Sinne des Realersatzes für durch den Strassenbau benützte und tangierte Flächen sollen erstens entlang der Umfahrung Extensivflächen vernetzt werden. Diese sollen neu geschaffen oder aufgewertet werden und in die bestehenden Kleinlebensräume wie Hecken, Krautflächen und Naturwiesen integriert werden. Zweitens sollen im Bereich der Flusslandschaft der Thur und in offenen Landschaftsteilen einige wenige Aufwertungen auf grösseren Flächen geplant werden. Mit der Schaffung von Stillgewässern oder der Entfernung von Verbauungen soll vor allem die Qualität des BLN- Gebietes erhöht werden. Es sollen dabei Schwerpunkte gebildet werden (kein Giesskannenprinzip). Die zukünftige Aufwertung darf nicht nur quantitativ beurteilt werden. In der Gesamtheit der Massnahmen soll nicht nur ein Ausgleich der ökologischen Qualität sondern deren Erhöhung angestrebt werden. Eine Zunahme der aufgeführten Ziel- und Leitarten nach dem Strassenbau, wäre zukünftig ein positives Zeichen dafür, dass dieses Ziel erreicht wurde. Der Zilpzalp oder Weidenlaubsänger kommt in den Waldpartien noch regelmässig vor. Beilage: - Vorschlag für ökologische Ersatzmassnahmen (Plandarstellung). Ebnat-Kappel, 6. Juni 2006 Fotos und Text: R. Zingg 10
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