Die Rigi - ein Berg mit Verkehrs- und Kulturgeschichte

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1 Die Rigi - ein Berg mit Verkehrs- und Kulturgeschichte von Alfred Waldis, Luzern Seit dem Mittelalter zog die Rigi Menschen aus aller Welt on. «... Wir bestiegen den Rigi; um halb Achte standen wir bei der Mutter Gottes im Schnee: sodann an der Kapelle, am Kloster vorbei, im Wirtshaus zum Ochsen... )) beschreibt Johann Wolfgang Goethe 1775 auf seiner ersten Schweizerreise den Aufstieg zum Kaltbad und fährt weiter «... Als die Wolken auseinanderrissen und uns, von wallenden Rahmen umgeben, eine klare herrliche sonnenbeschienene Welt als vortretende und wechselnde Bilder sehen liessen, war es ein nie gesehener, nie wieder zu schauender Anblick...!) Am Anfang kamen die Pilger Rundsicht und Sonnenschein gehören auch heute noch zum unverwechselbaren Markenzeichen der Rigi, doch bekannt wurde der Berg vor allem durch die Pilger. Bereits im 15. Jahrhundert suchten sie Heilung beim «Kalten Bad)), wo seit 1585 eine Kapelle stand, hundert Jahre später kam in Rigi Klösterli die Kapelle «Maria zum Schnee)) dazu und bald danach ein Kapuzinerhospiz. Da und dort wurden Gaststätten errichtet, und der Zustrom der Pilger nahm ständig zu. Zu jener Zeit begannen Naturforscher, Dichter und Maler von der Schönheit und Unberührtheit der Berge zu berichten; die Rigi wurde zum Ziel ungezählter Menschen aus nah und fern. Sie gehörte zum Reiseprogramm der Grossen aus Politik, Wirtschaft und Kultur, und in den Gästebüchern der Grand Hotels auf Kulm, Kaltbad, First und Scheidegg finden sich Berühmtheiten wie Karl Maria von Weber, der Kronprinz von Bayern, Kaiserin Louise von Frankreich und Kaiser Alexander von Russland, Victor Hugo und Königin Viktoria von England. Wer damals Anspruch auf Bildung und Reiseerfahrung erheben wollte, musste die Rigi besucht haben. Mitte des 19. Jahrhunderts zählte man auf der Rigi jährlich bis zu Besucher; die meisten legten den Weg zu Fuss zurück, und viele, denen der Aufstieg zu beschwerlich war, liessen sich zu Pferde oder im Sessel hinauftragen. Die Tarife schwankten, je nach Abgangsort, zwischen sechs und zehn Franken. Das Trägergewerbe bildete bis zur Inbetriebnahme der Rigibahn einen wichtigen Erwerbszweig der einheimischen Bevölkerung. Es entstanden die ersten Hotels für Pilger und Naturfreunde Rigiträger unterwegs zum Rigi Kulm, ca bis die Bergbahnen das Zeitalter des Tourismus eröffneten.

2 Projekt-Idee für Bal/onbahn auf Rigi Kulm nach den Vorschlägen von Hotel Rigi Kulm um die Mitte des 19. Jahrhunderts Architekt Friedrich Albrecht, 1859 Die Bahn erobert die Berge 1847 begann in der Schweiz mit der Spanisch-Brötli Bahn das Schienenzeitalter. Zur sei ben Zeit tauchten auch die ersten Ideen für Alpenbahnen auf. Dabei bildete die Überwindung grösserer Steigungen eine besondere Herausforderung für die Techniker und führte zu Vorschlägen wie Steilrampen mit Seilzügen, schiefen Ebenen und Zahnstangen. Zu den Ingenieuren, die sich mit diesen Problemen befassten, gehörte auch Niklaus Riggenbach, Werkstättechef der Centralbahn in Olten. Das von ihm entwickelte System einer in die Geleisemitte verlegten Zahnstange, in die das Zahnrad der Lokomotive eingreifen konnte, kam bei den grossen Alpenlinien nicht zur Anwendung. Es bildete indessen eine grundlegende Voraussetzung für den Bau von Bergbahnen und gelangte bei der 1871 eröffneten Vitznau-Rigi-Bahn zum Einsatz. Sie wurde zum Vorbild weiterer Anlagen, obwohl zwei Jahre zuvor in den USA die Zahnradbahn auf den Mount Washington, als erste derartige Anlage auf der Welt, den Betrieb aufgenommen hatte. Es war jedoch die Bahn am Vierwaldstättersee, die, zusammen mit den von Mitarbeitern Riggenbachs, den Ingenieuren Roman Abt und Emil Strub, vervollkommneten Konzepten, der Idee der Zahnradbahn zum weltweiten Durchbruch verhalf. Vitznau-Rigi-Bahn, erste Zahnradbahn Europas Der Anstoss zum Bau einer Bahn auf die Rigi kam vom Schweizerischen Generalkonsul in Washington, John Hitz. Beim Zusammentreffen mit Riggenbach im Jahre 1868 in Olten sah dieser das Modell der Zahnstange und empfahl ihm, seine Erfindung doch mit einer Bahn auf den weltbekannten Aussichtsberg Rigi zu erproben. Die Rigi gehörte seit Jahrhunderten zu den bekanntesten und am meisten besuchten Aussichtsbergen unseres Landes. Die Rigi war zwar schon 1859 Gegenstand eines phantastischen Projektes gewesen. Architekt Friedrich Albrecht aus Winterthur schlug vor, eine Ballonbahn mit Gondeln für 20 Personen einzusetzen. An einem an Eisenjochen aufgehängten Kabel laufend, wären die Gondeln von Gasballonen auf Rigi Kulm empor gezogen worden; für die Talfahrt hätte man Wasserballast verwendet. Eine Neuheit für Europa Versuchsfahrt der Lokomotive Riggenbach von 1870 Riggenbach, der seine Erfindung bereits 1863 in Frankreich patentieren liess, verfolgte die Idee einer Rigibahn weiter und fand bei den Ingenieuren Olivier Zschokke aus Aarau und Adolf Naeff aus St. Gallen aktive Unterstützung. Diese Initiantengruppe erhielt vom Kanton Luzern, auf dessen Gebiet die geplante Bahn zu liegen kam, am 9. Juni 1869 die Konzession für eine Linie von Vitznau nach Rigi Staffel höhe an der Kantonsgrenze zu Schwyz. Im September 1869 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, und ein Jahr später traf die erste von Riggenbach in der Oltener Werkstätte konstruierte Dampflokomotive, die «Stadt Luzernn, in Vitznau ein. Die Eröffnung der Bahn fand am 21. Mai 1871 statt. Die Weltpresse bezeichnete die Inbetriebnahme dieser ersten Zahnradbahn Europas als einen beispielhaften Erfolg der Verkehrstechnik. Sie leitete die Erschliessung der Berge durch die Bahnen ein. 86

3 Arth-Rigi-Bahn zur Zeit der Bergbahn-Pioniere Zur selben Zeit fand auch die Eröffnung der Rigi-Scheideggbahn statt; diese musste 1931 ihren Betrieb einstellen, geblieben ist das Trassee, das als bequemer Spazierweg und als Langlaufloipe an die einst mit hohen Erwartungen gebaute und eine der ersten meterspurigen Adhäsionsbahnen der Schweiz erinnert. Rigistaffel mit Blick auf Rigi Kulm um 1873 (das Geleise der Art-Rigibahn ist noch nicht erstellt) Erfolg und Vorbild Der unmittelbar einsetzende grosse Besucherandrang erforderte weiteres Rollmaterial lieferte die neu gegründete Schweizerische Lokomotivfabrik in Winterthur vier Triebfahrzeuge zum Preis von je Franken, darunter auch ihre erste Lokomotive, die, als Betriebsnummer 7 der Rigibahn, der Nachwelt als eines der wertvollsten Ausstellungsobjekte im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern erhalten geblieben ist. Am 27. Juni 1873 konnte der durchgehende Betrieb von Vitznau bis Rigi Kulm aufgenommen werden. Auf diesen Zeitpunkt hatte Niklaus Riggenbach im Auftrag der neuen Arth Rigi-Bahn das noch fehlende Geleise ab Rigi Staffel höhe bis Rigi Kulm fertiggestellt. Die Anlagen der Rigi-Bahn sind wiederholt erneuert und modernisiert worden wie 1937 die Elektrifikation, 1957/1958 Ersatz der eisernen Schnurtobelbrücke durch eine Betonbrücke, 1968 Neubau der Stationsanlagen und 1991 des Lokomotivdepots in Vitznau. Eine wertvolle Ergänzung bildet seit 1968 die Luftseilbahn von Weggis nach Rigi Kaltbad. Die Arth-Rigi-Bahn, Zugang von Norden «Gewiss ist es recht und billig, dass in solchen Fällen die kantonsangehörigen Bürger, so wie die spezifisch schwyzerischen Interessen den Vorzug haben... )} lautete die Zusammenfassung eines Sitzungsberichtes des Schwyzer Kantonsrats vom 23. Juni 1870 über die im Jahr zuvor von Arther Bürgern sowie von der Vitznau-Rigi-Bahn eingereichten Gesuche um eine Konzession der auf Schwyzer Gebiet gelegenen Strecke von Staffelhähe nach Rigi Kulm. Danach wollten die Arther die Fortsetzung der Luzerner Rigibahn bis Kulm selbst bauen und dieser zudem mit einer eigenen Bahn von Staffel nach Arth ein Konkurrenzunternehmen gegenüberstellen. Rigi Klästerli mit Hospiz, Kirche und Hotels um 1875 Die erste Schnurtobelbrücke, mit ihren 80 m Länge das grässte Bauwerk der Rigibahn.

4 Nostalgie auf Plakaten und Bahnfahrten vorsah. Die Gotthardbahn musste jedoch 1875 wegen der Finanzkrise auf die Zufahrtslinie von Zug her - vorläufig - verzichten und errichtete einen Bahnhof für die 1882 eröffnete Gotthardbahn in Goldau. Veranslaltel vom SKI, CLUB LUZERN KURSUITtR l[ir BtRG!.T. BYtIRNSTAD CHRisTlM1A Die Arth-Rigi-Bahn war in die Abschnitte Arth am See - Oberarth als Adhäsisons- und von dort bis Rigi Kulm als Zahnradstrecke unterteilt. Im Juni 1873 begannen Niklaus Riggenbach und Olivier Zschokke mit dem Bau. Schwierigkeiten verursachte vor allem die Strecke entlang der Kräbelwand. Am 15. Januar 1875 erfolgte die Betriebsaufnahme bis Oberarth und am 4. Juni bis Rigi Kulm. Es vergingen noch zweieinhalb Jahre bis zur Gründung der «Arther Rigibahn-Gesellschaftn (ARB) am 10. Dezember Diese hatte bereits am Vortag mit der Luzerner Gesellschaft einen Pachtvertrag für den Abschnitt Staffelhöhe-Rigi Kulm abgeschlossen, dessen Bestimmungen noch während Jahren Anlass zu Diskussionen gaben. Die 1,7 Kilometer lange Teilstrecke wurde am 27. Juni 1873 dem Betrieb übergeben. Bahnhof Arth-Goldau, das neue Zentrum Der Erfolg einer Bergbahn auf der Nordseite der Rigi setzte den Bau der Gotthardbahn voraus. Diese hatte ursprünglich einen Bahnhof in der Nähe von Oberarth vorgesehen, weshalb die ARB als ihren Ausgangsort Arth 88

5 Zwei modeme Zohnradbohnen ab Goldau und Vitznau treffen sich am gemeinsamen Ziel. Die Luftseilbahn Weggis - Rigi Kaltbad ermöglicht interessante Ausflugs-Varianten. Der Bahnhof der Gotthardbahn - er hiess Arth-Goldau - wurde nun zum Betriebsmittelpunkt der Arth-Rigi-Bahn. Wegen der Inbetriebnahme der Gotthard-Zufahrtsstrecken ab Zug und Luzern im Jahre 1896 baute die Gotthardbahn den grossen Inselbahnhof, und die Arth Rigi-Bahn erichtete über den Luzerner Geleisen einen Hochperron. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet durch Auseinandersetzungen um den Pachtvertrag wurden die Grundlagen für eine bessere Zusammenarbeit geschaffen und die bisher getrennten Stationen Rigi Staffel und Kulm zusammengelegt und durch die ARB geführt Renaissance dank Zusammenarbeit Weitere Verbesserungen brachten unter anderem die Umstellung auf das Stromsystem der Vitznau-Rigi-Bahn mit 1500 Volt - die ARB führte bereits 1906 als erste normalspurige Zahnradbahn der Welt die Elektrifikation mit Gleichstrom von 750 Volt durch - modernes Rollmaterial sowie 1952 eine neue Schiebebühne auf Rigi Kulm und die 1990 auf Rigi Staffel eingebaute Weiche, die den Austausch von Fahrzeugen beider Bahnen ermöglichte. Paradies zum Wandern im Sammer und für Skisport im Winter von Sonnenaufgang..... bis Sonnenuntergang

6 Bereits 1968 hatte die Zusammenarbeit der beiden Bahngesellschaften zu einer Absichtserklärung für eine Betriebsgemeinschaft geführt erfolgte die Fusion zur neuen Rigibahnen AG, die auch die Luftseilbahn Weggis-Rigi Kaltbad einschliesst. Sitz der Gesellschaft ist Goldau, derjenige der Geschäftsleitung Vitznau. Dieser Zusammenschluss ermöglicht einen wirkungsvolleren Einsatz von Personal und Fahrzeugen sowie der Werbemittel. Zudem sind Neuerungen vorgesehen wie Neubau Bahnhof Kaltbad, Strecken-Verbesserungen auf der Nordseite und Neugestaltung der Abfahrtsanlagen in Arth-Goldau. Heute befördern die drei Bahnen im Jahr über eine Million Passagiere. Zur Erinnerung Die Rigi - beliebtes Ausflugsziel und Wanderparadies Von allen Seiten vortrefflich erschlossen, ist die Rigi der Berg des Ausflüglers und des Wanderers. Die vielen Wege und Pfade vermitteln, etwas weggerückt von den Alpen, eine unvergleichliche Rundsicht, die vom Jura zu den Ostalpen und den Viertausender des Wallis und Berner Oberlandes reicht, verbunden mit Tiefblicken auf zahlreiche Seen. Während des ganzen Jahres zeigt sich die Rigi dem Besucher stets von einer anderen Seite, schenkt immer wieder neue Natureriebnisse, bietet sportliche wie kulturelle Abwechslung. Die beiden Zahnradbahnen ab Vitznau und Goldau, sowie die Luftseilbahn ab Weggis bieten vielfältige Rundfahrtkombinationen - auch in Verbindung mit einer Schifffahrt auf dem malerischen Vierwaldstättersee. Für die Eisenbahn-Fans führen die Rigibahnen regelmässig Fahrten mit den Dampflokomotiven aus den Jahren 1923 und 1925 von Vitznau über Staffelhöhe nach Arth-Goldau aus. Der vielfältige und sorgsam gepflegte historische Wagenpark lässt die Herzen aller Romantiker und Nostalgiker höher s hlagen. Auf der Rigi sorgt ei n abwechsl u ngsreiches Vera nsta Itu ngsprog ra m m - von Folklorekonzerten über Sonnenaufgangsfahrten bis hin zum Weihnachtsmarkt für Kinder - für gute Stimmung das ganze Jahr hindurch. Neu im Programm der Rigibahnen sind auch Erlebnispackages für Gruppen, wie beispielsweise Fackelwanderungen, Alpen-Barbeques, geführte Kräutertouren oder das festliche Nachtessen im «schwebenden Restaurant)) der Luftseilbahn Weggis - Rigi Kaltbad. Niklaus Riggenbach, Erbauer der Rigibahn, Zahnstange und Zahnrad System Riggenbach, ausgestellt im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern Bilder: Rigi-Bahnen und Archiv Verkehrshaus der Schweiz Unser Autor, Dr. h.c. Alfred Woldis wor von Direktor des 1959 eröffneten Verkehrshauses der Schweiz, bis 1990 Prösident und seither Ehrenprösident 90