Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitarbeiter,
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- Oskar Michel
- vor 8 Jahren
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1 Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitarbeiter, Wir schreiben das Jahr 2012 und wir können uns wieder hier im Sunshinehouse treffen. Wir haben wie auch in den Jahren davor im Jahr 2011 für über 100 Kinder Hilfe zur Erziehung geleistet, Angehörigen und Familien Unterstützung in schwierigen Lebenslagen gegeben und den einen oder anderen jungen Erwachsenen auf den Weg in ein eigenständiges Leben geschickt. Für uns, für mich ist es nicht selbstverständlich. Nun könnten Sie, sehr verehrte Gäste, sagen: klingt das nicht etwas sehr pathetisch? Zumal wir wissen, unsere Bilanzen sehen gut aus, die regionale und überregionale Nachfrage nach unseren Leistungen ist ungebrochen gut und wir mühen uns nach besten Kräften, unsere Häuser instand zu halten und gute Rahmenbedingungen vorzuhalten. An dieser Stelle möchte ich vor allem unseren vielen Freunden und Unterstützern Dank sagen, ohne die dies nicht möglich wäre. Ich denke dabei an die gute Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Gotha, dem Jugendamt Gotha, den Bürgermeistern aus der Region und unseren Netzwerkpartner und Firmen. Aber das, meine sehr verehrten Damen und Herren, habe ich nicht gemeint mit ich freue mich, dass wir noch da sind. Seit längerer Zeit ist es ein anderes Thema, was mich und meine Kollegen mit Sorge in die Zukunft blicken lässt. Wir erfüllen mit unseren Leistungen einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag, für Menschen in besonders schwierigen Lebenslagen, um ihnen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, in welcher Form auch immer, wieder zu ermöglichen oder zu verbessern. Dazu braucht es keine hochtechnologischen Maschinen, sondern dazu braucht es Menschen. Frauen und Männer, die bereit sind, sich der sozialen Arbeit zu stellen, in einem wie wir täglich hören - Sozialstaat. Seite 1
2 Und hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier erwächst immer stärker unsere Sorge. Ich möchte sie nicht mit dem altbekannten ziemlich ausgetretenen Thema Fachkräftemangel unterhalten. Das ist für mich längst nicht mehr das vorrangige Thema. Junge Menschen gibt es genug, Schulen und Universitäten sind voll von Studenten in dieser Fachrichtung. Vielmehr geht es um das Image des sozialen Berufes in der Gesellschaft. Die stark zurückgegangene Zahl von Bewerbern liegt nicht hauptursächlich in der demografischen Entwicklung und dem Mangel an Personen. Vielmehr habe ich in Gesprächen mit Studenten, Auszubildenden und jungen engagierten Menschen erfahren, dass es für sie nicht erstrebenswert ist, sich für einen Beruf in der sozialen Arbeit zu entscheiden, da die allgemeine Wertschätzung dieses Berufes und die Rahmenbedingungen nicht wirklich attraktiv sind. Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen. Der Runde Tisch, der sich mit den tragischen Vorfällen beschäftigt, die es in der Vergangenheit in den einzelnen Bereichen gab, hat in der Öffentlichkeit zu einer Generalverurteilung der Menschen geführt, die in sozialen Berufen arbeiten. Wenn männliche Mitarbeiter oder männliche Ehrenamtsinteressenten sich scheuen, beim Vorlesen ein Kind auf den Schoß zu nehmen, einfach ein Bonbon aus der Tasche zu nehmen und es einem weinenden Kind zu geben, dann ist doch, meine Damen und Herren, irgendwas schief gelaufen in der Gesellschaft. Wenn wir uns allen so misstrauen und uns nicht mehr über den Weg trauen, dann wird ein Zusammenleben und Solidarität der Menschen untereinander immer mehr schwinden. Wenn es Verantwortungsträgern nur noch darum gehen muss, sich ringsum abzusichern, dann wird man sich auch überlegen, ob man Verantwortung übernehmen möchte im Sozialstaat.. Wenn Menschen sich bereit erklären, ihr Leben der sozialen Arbeit im Kinderdorf voll und ganz zu widmen und sie es noch schaffen, ihren Partner davon zu überzeugen, ein Leben mit fremden Kindern zu führen, dann ist es für mich nicht nachvollziehbar, wenn ich mir von einem öffentlichen Träger sagen lassen muss, dass ein ehrenamtlicher Hausvater schließlich auch eine Treppe benutzt, die das Jugendamt bezahlt; oder auf einem Stuhl sitzt, der vom Jugendamt bezahlt wird. Ich gebe ihnen Recht, ein toller Prokurist oder Controller ist durchaus in der Lage auszurechnen, wie viele Cent der Hausvater vielleicht bezahlen müsste, wenn er die Treppe in dem Haus hochgeht, um nachts nach den Kindern Seite 2
3 zu schauen, weil seine Frau vielleicht nach der dritten Nacht mal durchschlafen sollte, um am Morgen wieder ihren Dienst antreten zu können. Was denken Sie? Welche Rahmenbedingungen soll ich einem interessierten Paar bieten, damit sie bereit sind, 365 Tage im Jahr mit Kindern zu leben, denen es nicht möglich ist, in einer intakten Familie aufwachsen zu können. Und lassen Sie mich ein letztes Beispiel dafür bringen, dass ich mir Sorgen mache, wer zukünftig die Arbeit im Sozialstaat machen soll. Die Bundesregierung bringt ein neues Kinderschutzgesetz auf den Weg. Es tritt am in Kraft. Und 6 Wochen später kürzt der Thüringer Wirtschaftsminister die Gelder für Maßnahmen und Einrichtungen im sozialen Bereich im Kinderschutz. Wer sich von Ihnen mit diesem Gesetz befasst hat, weiß, dass es in diesem Gesetz vorrangig um die Einführung von Maßnahmen und Netzwerken geht, die Kinder vor sexueller, körperlicher und seelischer Gewalt schützen sollen. Ich möchte an dieser Stelle nicht über die Inhalte dieses Gesetzes sprechen, sondern auch hier den Bezug zu der Frage: Wer soll diese Arbeit ausfüllen? Wen kann ich als Arbeitgeber für eine so eigentlich wichtige, bedeutsame Tätigkeit gewinnen ohne Sicherheit auf einen dauerhaften Arbeitsplatz zu gewährleisten? Da spreche ich nicht einmal davon, wie schwierig es ist, aus dem Blickwinkel des Arbeitsgesetzes einen rechtmäßigen, weil immer wieder befristeten Arbeitsverträgen für diese Mitarbeiter zu gestalten. Ganz zu schweigen von der Stundenzahl, die für diese Maßnahmen zur Verfügung steht. Keine junge Familie erhält einen Kredit bei befristetem Arbeitsvertrag. So können wir junge Menschen nicht in der Region halten. Ich könnte die Reihe der Beispiele fortsetzen und sicher fragen Sie sich, warum erzählt sie das heute? Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie hier sitzen, dann ist das für mich ein Zeichen dafür, dass Sie unsere Arbeit unterstützen, dass Sie sie wertschätzen und um deren Bedeutung wissen. Die Kritik an Organisationen, in denen Hilfen zur Erziehung stattfinden, reißt nicht ab. Und die Strukturen, die Abläufe, die Inhalte, stehen immer und grundsätzlich unter scharfem Beschuss und zwar alle Bereiche betreffend. Heimerziehung, Jugendämter, Pflegefamilien. Nichts scheint angemessen, nichts scheint wirklich hilfreich, alles steht unter dem Verdacht, wenig effizient und auf jeden Fall zu teuer zu sein. Die Unterstellungen reichen weit und sind umfassend. Die Heimerziehung ist per se für Außenstehende oft ein fragwürdiges Unternehmen. Seite 3
4 Wie also sollen wir Fachkräfte uns in den Hilfen zur Erziehung selbst beschreiben, wenn um uns herum sowieso davon ausgegangen wird, dass die Profession im weitesten Sinne unfähig agiert und nicht notwendig ist. Die Frage nach der Wirkung wird nunmal von jedem Akteur unterschiedlich beurteilt. Aber wie misst der Sozialarbeiter die Wirkung seiner Arbeit? Das Verhalten der Politik ist in diesem Kontext nicht hilfreich. Die Praxis der Hilfen zur Erziehung hat sich in vielen Teilen wesentlich weiter entwickelt als Politik, Wissenschaft und die allgemeine Öffentlichkeit es wahrnehmen wollen. Die Grenzen zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Hilfeangeboten sind durchlässig geworden, beziehen sich aufeinander, variieren je nach Bedarf und arbeiten zusammen. Die Organisationen der Hilfen zur Erziehung sind keine Heime im herkömmlichen Sinne mehr, sondern vielfältig gebaute Teilbereiche, die aufeinander bezogen arbeiten und auch fachlich voneinander profitieren. Das Albert-Schweitzer-Kinderdorf und die Sunshinehouse ggmbh sind dafür ein praktizierendes Beispiel. Lassen Sie mich ein paar Ansätze für die positive Entwicklung der Hilfen zur Erziehung nennen: Demokratie praktiziert in Form von Beteiligung Partizipation und Mitbestimmung insbesondere im Hinblick auf Kinder und Jugendliche und Familien Solidarität ein grundsätzlich solidarischer Umgang mit den Kindern und deren Familien Fachlichkeit mit einem Anspruch der Mitarbeiter ständig neues Wissen zu generieren und in den Organisationen anzuwenden Flexibilität hier sei die Orientierung der fachlichen Arbeit am Fall und an der Fallentwicklung genannt Diese Arbeitsansätze und Positionen haben in der Praxis erhebliche Veränderungen gebracht. Wir haben uns im weitesten Sinne zu modernen demokratisch und fachlich orientierten Organisationen entwickelt. Seite 4
5 Wir brauchen dazu Fachkräfte, die Haltungen mitbringen und die bereit sind, diese zu erzeugen und als Grundannahmen ihres eigenen Handelns umzusetzen. Doch wie soll das gehen? Wenn wir nur intern eine Atmosphäre von Anerkennung und Wertschätzung erzeugen, so reicht das auf die Dauer nicht aus. Und gestatten Sie mir meine ganz persönliche Meinung zum Thema Konkurrenzkampf in der sozialen Arbeit. Ich bin aus tiefstem Inneren davon überzeugt, dass Sie für die fachliche positive Entwicklung und unserem gesellschaftlichen Auftrag nur ein Hemmnis sind. Die Qualität der Arbeit lässt sich durchaus mit anderen Kennzahlen messen, als eine initiierte Jagd der Einrichtungen aufeinander und der billigste ist der beste. Sehr verehrte Gäste, helfen Sie mit, das der Berufsgruppe der sozialen Arbeit Anerkennung, Wertschätzung und Objektivität in der Öffentlichkeit zu teil wird, damit wir auch in Zukunft unseren gesellschaftlichen Auftrag mit Menschen für Menschen erfüllen können. Heute aber möchten wir mit unserer Einladung Dank sagen für die Zusammenarbeit und die Unterstützung und unseren Kollegen und Kolleginnen viel Kraft, Gesundheit und Enthusiasmus wünschen für ein weiteres erfolgreiches Jahr des Albert-Schweitzer-Kinderdorf und Familienwerke Thüringen e.v. und der Sunshinehouse gem. GmbH. Seite 5
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