CO 2 -Abscheidung (Carbon Capture and Storage, CCS

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1 CO 2 -Abscheidung (Carbon Capture and Storage, CCS Basiswissen-Dokument, Stand Oktober Zusammenfassung Mit CCS-Verfahren (Abscheidung und Speicherung von CO 2 -Emissionen) kann die klimaschädliche Wirkung von Energieproduktion aus fossilen Brennstoffen (Kohle, Gas, Öl) stark reduziert werden. Mittels verschiedener Verfahren wird das CO 2 vor oder nach der Verbrennung abgetrennt, transportiert und in geeigneten Tiefenlagern langfristig gespeichert. Zum Einsatz kommen soll CCS vorrangig bei fossilen Kraftwerken, aber auch bei Industrieprozessen oder im Bergbau. Weltweit sind verschiedene Pilotprojekte zu CCS in Betrieb oder in Planung. In Deutschland sind CCS-Pilotprojekte in Grosskraftwerken gestoppt worden, weil keine Gesetzgebung zur CO 2 -Endlagerung zustande gekommen ist. In der Schweiz sind Forschungsprojekte in Gang, welche die Möglichkeiten einer Umsetzung von CCS auf Schweizer Gebiet untersuchen. 2. Technologie Der Prozess zur CO 2 -Abscheidung und -Speicherung, Carbon Capture and Sequestration (CCS), umfasst die drei Bereiche Abscheidung, Transport und Speicherung. Diese unterschiedlichen Technologiebereiche werden unabhängig voneinander erforscht und entwickelt. 2.1 Abscheidung Im Bereich CO 2 -Abscheidung fokussiert die Forschung auf drei Technologien: Post-Combustion: Abscheidung nach der Verbrennung Bei der Abscheidung nach der Verbrennung (Post Combustion Capture) wird das CO 2 aus den Abgasen abgeschieden. Diese Technologie kann ohne grössere Anpassungen in bestehende Anlagen eingebaut werden. Am häufigsten wird das CO 2 mittels Lösungsmitteln, hauptsächlich Aminosäuren, extrahiert. In Erwägung gezogen werden jedoch auch Prozesse wie Kalzium-Kreisläufe und Gefrierprozesse. Eine weitere Möglichkeit zur Abscheidung bieten auch Festkörper oder Membrane, die das CO 2 adsorbieren. 1 1 P. Broutin, How can we capture CO 2? IFP Energies nouvelles, Lyon, Hintere Bahnhofstrasse 10, Postfach, 5001 Aarau, Telefon , Fax , info@strom.ch,

2 Abbildung 1: CO 2-Abscheidung nach der Verbrennung. Quelle: IFP Oxyfuel: Verbrennung mit reinem Sauerstoff Im Oxyfuel-Prozess wird zur Verbrennung anstatt Luft reiner Sauerstoff verwendet. So entstehen Abgase, die einen CO 2 -Anteil von über 90 % erreichen und nicht mit Luftstickstoff verdünnt sind. Der Wasserdampf im Abgas kann einfach kondensiert werden. Allerdings ist die vorgängige Separation des reinen Sauerstoffs mittels Gefrierverfahren sehr energieintensiv und würde etwa 15 % der im Kraftwerk produzierten Elektrizität konsumieren. Abbildung 2: CO 2-Abscheidung mit Verbrennung von reinem Sauerstoff (Oxyfuel). Quelle: IFP Pre-Combustion: Abscheidung vor der Verbrennung Bei diesem Prozesstyp wird der Kohlenstoff bereits vor der Verbrennung abgeschieden. Dafür wird der Brennstoff beispielsweise mittels Dampfreformation vorgängig in ein Synthesegas aus Kohlenmonoxid (CO) und Wasser (HO 2 ) umgewandelt. In der anschliessenden Reaktion des CO mit Wasser entstehen Wasserstoff und CO 2. Das CO 2 wird abgeschieden und der Wasserstoff mit Luft verbrannt, wobei Wasserdampf und Luftstickstoff entstehen. Abbildung 3: CO 2-Abscheidung vor der Verbrennung. Quelle: IFP /8

3 2.2 Transport Für den Transport grösserer Mengen CO 2 ist eine Pipeline die effektivste Methode 2. Da zum Umgang mit Erdgas und dem Gebrauch von CO 2 in der Industrie bereits viel Know-how zur Verfügung steht, kann der Transport von CO 2 gemäss dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) als marktreife Technologie betrachtet werden 3. Andere Quellen sehen jedoch noch Forschungsbedarf 4. Denn in der Regel wird das CO 2 für den Transport und die Einlagerung verdichtet. Dadurch befindet es sich in superkritischem Zustand (flüssig-/gasförmig). In dieser Form wurde CO 2 bis anhin erst selten in grossen Mengen über weite Distanzen transportiert. 2.3 Speicherung Für die Speicherung von CO 2 kommen verschiedene geologische Formationen in Frage. Diese müssen unter anderem mehr als 800 m unter der Erdoberfläche liegen und von einer undurchlässigen Gesteinsschicht bedeckt sein. Diskutiert werden heute einerseits saline Aquifere, das sind tiefliegende, mit Salzwasser getränkte Sandsteinschichten. Sie weisen eine beträchtliche Porosität zur Aufnahme von CO 2 auf und sind auf der ganzen Welt weit verbreitet an Land und auch Offshore. Andererseits sind Öl- und Gasreservoirs im Vordergrund, weil sie ihre Speichertauglichkeit bereits über sehr lange Zeiträume unter Beweis gestellt haben und gut erforscht sind. Zudem kann die Injektion von CO 2 hier auch genutzt werden, um die Ausbeute dieser Felder zu erhöhen, was unter dem Namen Enhanced Oil/Gas Recovery bekannt ist. Schliesslich könnte das CO 2 auch in nicht abbaubare Kohleflöze injiziert werden. Das eingeführte CO 2 verdrängt dabei das an die Kohle adsorbierte Methan und wird so langfristig und sicher an die Kohle gebunden. Verglichen mit den anderen Formationen bieten diese Kohleflöze allerdings ein geringes globales Speicherpotenzial. Noch am Anfang der Entwicklung steht die mineralische Fixierung von CO 2. Hierbei reagiert das CO 2 mit Kalzium- oder Magnesiumoxiden und fällt in Form von Carbonaten aus. Diese können als Feststoff sicher gelagert werden. Problematisch ist allerdings die langsame Reaktionskinetik, die in einem Reaktor beschleunigt werden müsste, ohne viel Energie aufzuwenden Kosten und Wirkungsgradverluste Die Kosten konventioneller Prozesse zur Abscheidung von CO 2 in Abgasen grosser industrieller Anlagen, die vor allem in Japan bereits in Betrieb sind, werden auf 50 bis 60 Euro pro Tonne CO 2 geschätzt. Im Rahmen des Pilotprojekts am dänischen Kraftwerk Elsam sollen die Kosten pro Tonne CO 2 auf 20 bis 30 Euro L. Wallquist, M. Werner, Carbon dioxide Capture and Storage CCS, Studie zum Entwicklungsstand von CCS in der Schweiz, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, 2008 B. Metz et al., Carbon Dioxide Capture and Storage, Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC, Genf, 2005 L. Wallquist, M. Werner, Carbon dioxide Capture and Storage CCS, Studie zum Entwicklungsstand von CCS in der Schweiz, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, 2008 L. Wallquist, M. Werner, Carbon dioxide Capture and Storage CCS, Studie zum Entwicklungsstand von CCS in der Schweiz, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, /8

4 halbiert werden. 6 Die Kapitalkosten für kohle- oder gasgefeuerte Kraftwerke verdoppeln sich bei Anwendung von CCS. 7 Die schwedische Vattenfall-Gruppe, eine der grössten Strom- und Wärmeproduzenten in Europa, rechnete beim Oxyfuel-Verfahren mit einem Wirkungsgradverlust von ca. 8 %. Erhofft wurde, diesen Verlust durch Optimierung der herkömmlichen Kraftwerkstechnologien zu kompensieren. Damit wäre ein Gesamtwirkungsgrad von rund 46 % bis 2020 erreicht worden. Gemäss Berechnungen sollten die Kosten pro vermiedene Tonne CO 2 rentabel sein, das heisst, sie wären günstiger ausgefallen als die prognostizierten Kosten für ein CO 2 -Zertifikat im europäischen Emissionshandel. 8,9 RWE, einer der fünf führenden Strom- und Gasanbieter in Europa, plante ein modernes Kohlekraftwerk mit integrierter CCS, bei dem die Kohle zuerst vergast und das CO 2 vor der Verbrennung abgeschieden wird. Bei diesem sogenannten IGCC-CCS-Kraftwerk rechnete RWE in einer kommerziellen Anlage um 2020 mit einem Wirkungsgrad von 37 %. 10 Allerdings wurde das Pilotprojekt von RWE aufgrund einer Gesetzesänderung im Deutschen Kohlendioxid-Speicherungsgesetz auf Eis gelegt Ökologische Aspekte der Speicherung von CO 2 Die Speicherung von CO 2 im Erdreich birgt gewisse Risiken. Eine Studie des Bundesamt für Energie (BFE) nennt insbesondere folgende Themen, die es zu beachten gilt 12 : Aufgrund veränderter Druckverhältnisse kann die Injektion von CO 2 die Freisetzung existierender seismischer Spannungen beschleunigen, wie dies in Basel in Zusammenhang mit geothermischen Probeinjektionen von Wasser geschehen ist. Durch Lecks austretendes CO 2 kann zur Bildung von Säuren führen, die Schwermetalle lösen. Diese können das Grundwasser verunreinigen. Grossflächige Lecks in CO 2 -Speichern können zur Veränderung der Biodiversität an der Oberfläche und in oberflächennahen Erdschichten führen. Aufgrund der höheren Dichte kann sich CO 2 an der Erdoberfläche in Senken ansammeln und bei hoher Konzentration auch für Menschen gefährlich werden. Bei der Injektion von CO 2 in saline Aquifere kann unter Umständen Salzwasser in höhere Schichten verdrängt werden und dort Grundwasser verunreinigen. Diese Gefahren für die Umwelt können auf ein Minimum reduziert werden, wenn die Speicherstätten sorgfältig ausgewählt und Auswirkungen einer Leckage in fundierten Analysen abgeschätzt werden. Zudem sind staatliche Regulatorien und Standards für den sicheren Betrieb von Speicherstätten zu erarbeiten. Schliesslich müssen die Lagerstätten während des Betriebs und auch nach der Versiegelung langfristig überwacht werden. 6 7 P. Broutin, How can we capture CO 2? IFP Energies nouvelles, Lyon, Pöyry Management Consulting. Angebot und Nachfrage nach flexibler Erzeugungskapazität in der Schweiz. Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE/AES), Aarau, ETH CEPE 8 9 Vattenfall 10 ETH CEPE 11 RWE 12 L. Diamond et al., Studie zur Abschätzung des Potenzials für CO2-Sequestrierung in der Schweiz - Schlussbericht, Bundesamt für Energie BFE, Bern, /8

5 5. CCS Pilotprojekte und Erfahrungen weltweit Weltweit sind verschiedene Pilotprojekte zu CCS in Betrieb oder in Planung. Die meisten Erfahrungen wurden von der Erdölindustrie gemacht in Zusammenhang mit Enhanced Oil/Gas Recovery. Abbildung 4: Geplante und operative CCS-Grossprojekte weltweit (>1 Mt CO 2 p.a.). Quelle: IEA Es hat sich insbesondere in Deutschland als kritisch herausgestellt, Akzeptanz bei der Bevölkerung und in der Politik für CCS zu schaffen, und den notwendigen Rechtsrahmen herzustellen. Die Schwierigkeiten und die nicht gegebene Wirtschaftlichkeit führten dazu, dass Vattenfall und RWE, aber auch E.ON ihre Bemühungen um Pilotprojekte in Nord- und Ostdeutschland eingestellt haben Vattenfall /8

6 6. CCS in der Schweiz Die in diesem Bericht vorgestellten Technologien eignen sich vor allem für punktuelle Quellen mit grossem CO 2 -Ausstoss. Infrage kämen hierfür in der Schweiz bestehende Zementwerke oder allfällige zukünftige fossil-thermische Kraftwerke. 14 In einem solchen Gaskombikraftwerk, das ein kleines Kernkraftwerk wie Mühleberg ersetzen könnte, würde jährlich rund 1 Mt CO 2 anfallen. Das rein geologisch untersuchte Potenzial für CO 2 -Endlagerung in durchschnittlich oder höher geeigneten salinen Aquiferen in der Schweiz wird im Forschungsprojekt Carma auf 2680 Mt CO 2 geschätzt 15. In diesem Projekt untersuchen Forschende von ETHZ, EPFL, FHNW, PSI und Uni Bern, ob und in welchem Mass CCS in der Schweiz machbar wäre. Die Untersuchungen können als Grundlage dienen, in welchen Regionen vermehrte Forschung betrieben werden müsste, um effektive technische Potenziale zur Speicherung von CO 2 zu finden. Abbildung 5: Geographische Verteilung aus geologischer Sicht geeigneter Speicherorte für CCS Zukünftige Entwicklung In Europa verhindert die mangelnde Umsetzung der EU-Vorgabe zum Erlass verbindlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen zurzeit den Bau von CCS-Anlagen. Die Endlagerung von CO 2 in tiefen Gesteinsschichten (tiefer als 800 Meter) gilt als sicher, ist jedoch noch nicht langfristig erprobt. Die Akzeptanz von CO 2 -Endlagerung ist in betroffenen europäischen Regionen gering. 14 siehe auch Antwort des Bundesrates vom auf Interpellation CO2-Sequestrierung in der Schweiz 15 Werner, Merz, Sutter, & Mazzotti, M. Werner et al., Geologische Speicherung von CO2 in der Schweiz, TEC21 37/2011, S , /8

7 Die Forschung an fossil-thermischen Grosskraftwerken mit CCS mittels Pilotanlagen wurde 2010 grossteils gestoppt, insbesondere da in Deutschland, das auf diesem Gebiet führend ist, keine Gesetzgebung zur CO 2 -Endlagerung zustande gekommen ist, die für die Industriepartner eine Weiterführung der Pilotprojekte rechtfertigen würde. 17,18 8. Fazit Zur CO 2 -Endlagerung in der Schweiz wurden noch keine detaillierten Potenzialstudien erstellt. Geologische Vorstudien identifizieren im Dreieck Fribourg Olten Luzern die aussichtsreichsten Gebiete für weitere Forschungen 19. Nutzungskonflikte mit zukünftigen Geothermieprojekten sind dabei möglich. Eine signifikante Umsetzung ist aufgrund von Akzeptanzproblemen fraglich. 17 Spiegel 18 Energate 19 Forschungsprogramm Kraftwerk 2020 & Carbon Capture & Storage (CCS) Überblicksbericht 2010, Bundesamt für Energie BFE, Bern, /8

8 9. Quellenverzeichnis BAFU 2008 BFE 2010 BFE 2010a Energate ETH CEPE IEA 2009 IFP 2010 IPCC 2005 L. Wallquist, M. Werner, Carbon dioxide Capture and Storage CCS, Studie zum Entwicklungsstand von CCS in der Schweiz, Bundesamt für Umwelt BAFU, Bern, 2008 L. Diamond et al., Studie zur Abschätzung des Potenzials für CO 2 -Sequestrierung in der Schweiz - Schlussbericht, Bundesamt für Energie BFE, Bern, 2010 Forschungsprogramm Kraftwerk 2020 & Carbon Capture & Storage (CCS) Überblicksbericht 2010, Bundesamt für Energie BFE, Bern, Österreich will CCS verbieten ( ), Pilotprojekt wegen CCS-Gesetz vor dem Aus ( ), RWE gibt CO 2 -Einlagerung in Deutschland auf ( ) (Centre for Energy Policy and Economics, ETH Zürich, Vortragsreihe zu CO 2 und Energie) Carbon Capture and Sequestration - Technology Roadmap, International Energy Agency (IEA), Paris, 2009 P. Broutin, How can we capture CO 2? Ifp Energies nouvelles, Lyon, (zu finden unter B. Metz et al., Carbon Dioxide Capture and Storage, Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC, Genf, 2005 RWE ( IGCC-CCS-Kraftwerk ) * VSE 2012 Pöyry Management Consulting. Angebot und Nachfrage nach flexibler Erzeugungskapazität in der Schweiz. Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE/AES), Aarau, 2012 Spiegel Bundesrat verhindert Gesetz zur CO 2 -Entsorgung ( ) Vattenfall Vattenfall 2013 Werner M. Werner et al., Geologische Speicherung von CO 2 in der Schweiz, TEC21 37/2011, S , /8