Prüfung FS 2010 Kriminaltechnische Arbeitsmethoden
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- Marie Schumacher
- vor 7 Jahren
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1 Prüfung FS 2010 Kriminaltechnische Arbeitsmethoden Musterlösungen Frage 1 Beurteilen Sie im nachfolgenden Szenario den Stellenwert bzw. die Werthaltigkeit der sachdienlichen Hinweise und der gesicherten Spuren zum Zweck der Ermittlung und Identifizierung der Täterschaft. An einem warmen Sommer-Abend geht bei der Polizei kurz vor Mitternacht die Meldung ein, dass der Shop der Autobahnraststätte MY STOP (Autobahn A4 Zürich-Luzern) überfallen worden ist. Kurz vor Schliessung um 24 Uhr habe ein Mann als einziger letzter Kunde an der Kasse Waren bezahlen wollen. Plötzlich habe er eine Schusswaffe in der Hand gehalten und in schlechtem Deutsch die Herausgabe der Tageseinnahmen verlangt. Als die eingeschüchterte Kassiererin nach dem Öffnen der Kassenschublade nicht sofort reagierte, habe er sie mit einem Messer attackiert und an Händen und Armen ernsthaft verletzt. Nach Entwendung eines Betrags von ca. CHF in Geldscheinen flüchtete der Täter in unbekannte Richtung. Die Suche nach Hinweisen und Spuren ergibt folgende provisorische Bilanz: - Täterbeschreibung durch Opfer: ungefähres Signalement inkl. Kleidung ( hat Baseball-Mütze getragen ), Sprache ( südländischer Akzent ), Bewaffnung ( Pistole oder Revolver ohne nähere Beschreibung) - Aufzeichnungen von mehreren Überwachungskameras der Raststätte (unter anderen auch im Shop), welche Bilder des Täters enthalten können (noch nicht ausgewertet) - Vom Täter zurückgelassenes Klapp-Messer - DNA-Spuren gesichert ab Messer-Griff (eventuell täterisch, noch nicht ausgewertet) - Fingerabdruck-Spuren gesichert ab Kassen-Schublade (eventuell täterisch, noch nicht ausgewertet) - Kontaktspuren Kleider-Täter auf Kleider Opfer (noch nicht ausgewertet) - Vom Täter an der Kasse zurückgelassene Waren aus Shop (Zeitschrift, Kaugummi-Packung) Täterbeschreibung Stellenwert / Werthaltigkeit: - Zeugenaussage, mit sachdienlichen Hinweisen zwecks Erkennung der Täterschaft - Signalement / Ausschreibung Täterschaft, Fahndungszwecke der Polizei - Öffentlichkeitsfahndung (Zeugenaufruf, Phantombild) - Erkennen von Zusammenhängen mit ähnlichen Fällen - Wahlbildkonfrontation (Durchsicht Verbrecheralbum ) - Nach Festnahme Täter evtl. Wahl-Gegenüberstellung) zwecks Identifizierung
2 - Qualität der Beschreibung abhängig von persönlicher (Psyche, Stress), zeitlicher (Dauer des Kontaktes) und örtlicher (Beleuchtung, Witterung etc) Situation - Aussagen können unbewusst falsch bzw. irreführend sein Aufzeichnungen Überwachungskamera Stellenwert / Werthaltigkeit: - Sachdienliche Hinweise zwecks Erkennung der Täterschaft; bei besonderen und individuellen erkennbaren Merkmalen (Gesicht, Effekten) evtl. Identifizierung - Analog Täterbeschreibung; Verifikation von Zeugenaussagen. - Evtl. Abgleich mit Bilddatenbanken gesuchter / bekannter TäterInnen - Video-Aufzeichnung beinhaltet gegebenenfalls nicht nur Angaben zu Signalement, sondern auch Hinweise zum Tatablauf (modus operandi) und zum Verhalten. - Bildqualität (Bildauflösung, Aufnahmewinkel, Beleuchtung)? - Aufzeichnungsdauer? Die Hinweise zu Sprache und Bewaffnung dienen - je nach Präzisierung - vorerst den internen Ermittlungen. Falls Sprache auf Überwachungsvideo aufgenommen und auswertbar ist, sind evtl. linguistische Ansätze gegeben; nach Festnahme evtl. Stimmenvergleich. Aussagen zur Bewaffnung sind nur zweckdienlich, wenn wegen besonderen Fachkenntnissen verbindlich. Vom Täter zurückgelassenes Klappmesser - Täterischer Gegenstand / Gegenstandspur - Spurenträger von weiteren Spuren: DNA, Fingerabdrücke, Mikrospuren (Schmutz, Fasern etc.) - Sachfahndung (Herkunft?) - Vergleich mit Delikten mit vergleichbarem modus operandi - Trugspuren unbekannterdritter oder Mischspuren Täter-Opfer (DNA, Fingerabdrücke) DNA Spuren auf Messer - DNA = Direkt personenidentifizierende Spur von grundsätzlich hoher / maximaler Beweiskraft und Werthaltigkeit für die Identifizierung von Personen - Fahndungsrelevanz: Auswertung mittels Datenbank zwecks Erkennen von Zusammenhängen mit weiteren Delikten
3 - Beweisrelevanz: Spur-Spur Identifizierung, wenn unbekannte Täterschaft bereits registriert ist; Spur-Person Identifizierung nach Festnahme des gesuchten Täters - Qualitative Beeinträchtigung - DNA Trugspuren => Mischspuren Fingerabdruckspuren auf Kasse - Direkt personenidentifizierende Spuren von grundsätzlich hoher / maximaler Beweiskraft und Werthaltigkeit für Identifizierung von Personen - Recherche mit Datenbank AFIS, Vergleich mit Fingerabdrücken erkennungsdienstlich erfasster Täter (=>Spur-Täter) oder erkennen von Tatzusammenhängen (=> Spur-Spur Vergleich) - Evtl. lassen sich Fingerabdruck-Schweissspuren auch auf DNA untersuchen - Qualitative Beeinträchtigungen - Trugspuren von Berechtigten (welche sich nach Abnahme von Vergleichsfingerabdrücken ausschliessen lassen) - Trugspuren von unbekannten Dritten Kontaktspuren Kleider Täter-Opfer - Sachenidentifizierende Spuren / Mikrospuren - Fahndungsrelevanz: wenn quantitativ genügend evtl. Hinweis auf Art / Typ / Herkunft Spurengebermaterial (Kleidung Täter) - Evtl. Abgleich mit Spuren Seriendelikt / Serientäter - Beweisrelevanz: nach Sicherstellung von Vergleichsmaterial - Beweiswert abhängig von Situation / Spurenmaterial (qualitativ, quantitativ) - Trugspuren (nicht täterisch) - Kontamination (unsachgemässe Sicherstellung) Zurückgelassene Waren Stellenwert / Nutzung / - Sofern Täter keine Handschuhe getragen hat: analog DNA / Fingerabdruckspuren auf Messer bzw. Kasse
4 Frage 2 Was verstehen wir unter direkt Personen-identifizierenden Spuren (Beispiele, Stellenwert, Nutzung)? Direkt Personenidentifizierende Spuren, führen im Gegensatz zu Sachenidentifizierenden Spuren - unmittelbar zur verursachenden Person. Dazu zählen insbesondere: kriminalistisch nutzbare biometrische Spuren wie DNA, Fingerabdruck, Stimme, Handschrift. Diese Spuren sind relevant sowohl für die Fahndung (Datenbanken) als auch für die Erbringung verbindlicher sachlicher (wissenschaftlicher) Beweise. Der hohe Stellenwert dieser Spuren basiert auf deren Beweiskraft (Einmaligkeit, Unveränderbarkeit) als auch der standardisierten Klassifizierbarkeit und Nutzung (Datenbanken). Sofern nicht quantitativ (zu wenig Spurenmaterial) und qualitativ (Kontamination!) eingeschränkt für die Zwecke, haben direkt Personenidentifizierende Spuren eine prioritäre Stellung; hinsichtlich Spurensicherung (Spurenschutz, Reihenfolge) wie Beweiswert (Wahrscheinlichkeit dass täterisch bzw. nicht-täterisch). Frage 3 Artikel 260 der neuen Schweizerischen Strafprozessordnung regelt die Erkennungsdienstliche Erfassung von Personen: Bei der erkennungsdienstlichen Erfassung werden die Körpermerkmale einer Person festgestellt und Abdrücke von Körperteilen genommen. Welche konkreten Massnahmen fallen darunter und wie können sie für die Zwecke der Personenerkennung genutzt werden? Umfassen insbesondere - Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken - Feststellung äusserlicher körperlicher Merkmale und Messungen - => Signalement - => Besondere Merkmale (Tätowierungen) - Fotografische Aufnahmen - Entnahme Wangenschleimhautabstrich (DNA Proben) - Evtl. Abnahme Schrift- und Stimmproben - Evtl. Abnahme Ohrabdrücke, Gebissabdrücke Für die Entnahme von Blut, Urin oder Haaren gelten die Vorschriften über die Untersuchung des Körpers. Die Erhebung körperfremder Spuren (Fingernagelschmutz) unterliegt den Bestimmungen über die Durchsuchung von Personen. Die erfassten Merkmale dienen der erkennungsdienstlichen Registrierung, um nicht abgeklärte Straftaten bestimmten Personen zuzuordnen und bei künftigen Taten eine Wiedererkennung zu ermöglichen (Nutzung von Datenbanken: Fingerabdrücke => AFIS; DNA => CODIS; Fotografie => (biometrischer) Bild-Bildvergleich).
5 Frage 4 Der forensische Sachbeweis misst der Qualitätssicherung und der Nachvollziehbarkeit einen zunehmend hohen Stellenwert zu. Welche Aspekte der spurenkundlichen Tatortarbeit sind hierfür von grosser Bedeutung? Durch geeignete Sofortmassnahmen am Tatort gilt es dafür zu sorgen, dass keine vorhandenen Spuren vernichtet, keine eigenen Spuren gelegt und vorhandene Spuren geschützt werden: - Absperrung, Regelung Zutritt, Definition von Spuren-Sperrzonen etc - Fernhalten unbefugter Dritter - Spuren vorgängig Vernichtung bei Gefahrenabwehr sicherstellen (Notasservation) - Spuren von Kontamination schützen (Tragen von Schutzanzügen etc) - Festhaltung von Situationsspuren Lückenlose Dokumentation der angetroffenen und der veränderten Situation: - Dokumentation - Protokollierung Frage 5 Die kriminalistische Spurenkunde basiert auf dem Prinzip Every contact leaves a trace ( Jeder Kontakt hinterlässt Spuren ). Erläutern sie - an einem Beispiel - was damit gemeint ist. Bei jedem Personen- bzw. Sachkontakt kommt es ungewollt zu einem Spurenaustausch, gegebenenfalls zu einer Spurenüberkreuzung (= Prinzip von Locard). D.h. Täter hinterlässt Spuren am Tatort und Tatort hinterlässt Spuren am Täter. Beispiele: Verkehrsunfall mit Fahrerflucht: Spuren des verursachenden Fahrzeugs (Lack etc) am Unfallort / Unfallfahrzeug / Opfer; Spuren des Unfallfahrzeugs (Lack etc) oder Spuren des Opfer (Blut, Haare, Textilfasern) am Fluchtfahrzeug. Sexualdelikt: gegenseitige Übertragung / Austausch von Textilspuren bei Kontakt Kleidung Täter-Opfer. Einbruchsdelikt: Spuren Täter am Tatort: Fingerabdruck, DNA, Mikrospuren Kleider; Spuren Tatort am Täter: Mikrospuren vom Ereignisort auf Kleidung Täter.
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