1 Landwirtschaft in Thüringen 1.1 Agrarpolitische Ziele

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1 1 Landwirtschaft in Thüringen 1.1 Agrarpolitische Ziele Das agrarpolitische Ziel der Thüringer Landesregierung besteht darin, eine leistungs- und wettbewerbsfähige, marktorientierte und umweltverträgliche Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft zu sichern. Dazu dient eine vielfältige Betriebs- und Agrarstruktur; es gibt kein Leitbild für bevorzugte Organisationsformen. In der Agrarpolitik wird den Belangen des Umwelt-, Natur- und Tierschutzes große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Hälfte des Territoriums des Freistaates ist landwirtschaftlich genutzte Fläche und einschließlich der Forsten liegt der Flächenanteil bei über 81 %. Die Agrarwirtschaft erfüllt vielfältige Funktionen in der Gesellschaft. Neben der Sicherung der Ernährungsgrundlage trägt sie zur Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft bei. Die vielfältige und reizvolle Thüringer Landschaft dient als Siedlungs-, Wirtschafts- und Erholungsraum. Die Bedeutung der Landund Forstwirtschaft geht weit über den ausgewiesenen Beitrag zum Sozialprodukt hinaus. Die Nahrungsmittelpreise sind stabil und niedrig, nur jede sechste Mark müssen die Verbraucher für Lebensmittel ausgeben. Die Ernährungswirtschaft trägt wesentlich zur Geldwertstabilität bei. Im Mittelpunkt der Umsetzung agrarpolitischer Ziele muß zunehmend die ökonomische Stabilisierung der landwirtschaftlichen Unternehmen stehen. Es gibt noch erhebliche Reserven, die durch Überwindung ungerechtfertigter Leistungsunterschiede zu erschließen sind. Aus den Vorschlägen zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU ergeben sich höchste Anforderungen an die Thüringer Landwirtschaft, um auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. 1.2 Landwirtschaft als Wirtschaftsfaktor Die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dienen der Wirtschaftsbeobachtung und sind ein Mittel zur Erstellung von konjunkturellen Analysen und Vorausberechnungen. Die Bruttowertschöpfung zu Marktpreisen charakterisiert die innerhalb eines abgegrenzten Wirtschaftsgebietes erbrachte wirtschaftliche Leistung (Produktionswert abzüglich Vorleistungen), sie umfaßt die Abschreibungen sowie die um die Subventionen verringerten Produktionssteuern. Die Wertschöpfung im Agrarsektor wird bei dieser Betrachtung aufgrund niedriger Preise allerdings unterbewertet. Tabelle 1.1: Bruttowertschöpfung 1996 zu Marktpreisen Kreis insgesamt je Erwerbstätigen dav. Land- und Forstwirtschaft Mio. DM DM Mio. DM % Eichsfeld ,65 Unstrut-Hainich-Kreis ,55 Nordhausen ,72 Kyffhäuserkreis ,83 Sömmerda ,33 Weimarer Land ,54 Ilm-Kreis ,65 Gotha ,12 Wartburgkreis ,59 Schmalkalden-Meiningen ,16 Hildburghausen ,63 Sonneberg ,04 Saalfeld-Rudolstadt ,96 Saale-Holzland-Kreis ,05 Saale-Orla-Kreis ,98 Greiz ,12 Altenburger Land ,18 Kreisfreie Städte ,32 Thüringen ,86 Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik 8

2 Nach diesen Berechnungen entfallen weniger als 2 % der Bruttowertschöpfung in Thüringen auf den Zweig Land- und Forstwirtschaft. In den ländlichen Gebieten ist der Anteil naturgemäß wesentlich größer als in den städtischen Ballungsräumen. Im Kreis Sömmerda werden über 5 % der Bruttowertschöpfung in der Land- und Forstwirtschaft erarbeitet. Zur Charakterisierung der Erwerbstätigkeit im Bereich Land- und Forstwirtschaft dienen die statistischen Angaben zu sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern. Dazu zählen alle Arbeitnehmer einschließlich der Auszubildenden, die krankenversicherungspflichtig, rentenversicherungspflichtig und/oder beitragspflichtig gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit sind (Arbeitslosenversicherung), oder für die Arbeitgeber Beitragsanteile entrichten. In Thüringen sind Ende 1996 ca sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer gezählt worden. Tabelle 1.2: Sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer im Bereich Land- und Forstwirtschaft per Anzahl % von insgesamt Eichsfeld 879 2,66 Unstrut-Hainich-Kreis ,55 Nordhausen ,61 Kyffhäuserkreis ,92 Sömmerda ,70 Weimarer Land ,12 Ilm-Kreis ,25 Gotha ,87 Wartburgkreis ,85 Schmalkalden-Meiningen ,79 Hildburghausen ,36 Sonneberg 410 2,05 Saalfeld-Rudolstadt ,19 Saale-Holzland-Kreis ,60 Saale-Orla-Kreis ,58 Greiz ,68 Altenburger Land ,65 Kreisfreie Städte ,13 Thüringen ,34 Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik Im Landesmittel waren 3,34 % aller sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer im Bereich Land- und Forstwirtschaft (einschl. Fischerei) tätig. Bei Einbeziehung der selbständigen Landwirte und deren mithelfenden Familienangehörigen erhöht sich der Anteil der Land- und Forstwirte auf 3,62 % aller Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen (siehe 3.1). 9

3 Tabelle 1.3: Ausgewählte Kennziffern 1997 Thüringen Anteil an Anteil an den Deutschland neuen Bundes- (%) ländern (%) 2 Territorium km 4,5 15,0 Einwohner 2,49 Mio. 3,0 17,6 Beschäftigte in der Landwirtschaft AK 1,9 17,1 Waldfläche ha 5,8 18,2 Landw. genutzte Fläche ha 4,67 14,45 Grünland ha 3,3 15,9 Ackerfläche ha 5,3 14,0 Getreide ha 5,4 15,2 Ölsaaten ha 8,1 14,0 Kartoffeln ha 1,5 7,1 Zuckerrüben ha 2,6 9,5 Gemüse u. Erdbeeren ha 2,1 13,4 Obst ha 4,0 16,9 nachwachsende Rohstoffe ha 15,2 25,2 Rinder Stück 2,9 15,9 Milchkühe Stück 3,2 15,7 Mutterkühe Stück 5,4 15,0 Schweine Stück 2,7 19,9 Schafe Stück 4,4 34,0 Milchmarktproduktion (natürl. Fettgehalt) t 3,4 15,3 Bruttowertschöpfung 1996 der Land- und Forstwirtschaft 999 Mio. DM 3,4 Quelle: Landes- und Bundesamt für Statistik, 1997 Der Flächenerhebung auf Basis des Liegenschaftskatasters liegen außer der durch landwirtschaftliche Betriebe genutzten LF weitere Flächen (z. B. Gärten) zugrunde. Die sogenannte "Landwirtschaftsfläche" umfaßt insgesamt ha. Nutzung der Fläche in Thüringen Landwirtschaft 54,1% andere Nutzung4,9% Verkehrsfläche 3,9% W ald 31,9% Gebäude-u. Freifläche 4,1% Wasser 1,2% Quelle: Kreiszahlen für Thüringen, Ausgabe 1997 Abbildung 1.1: Flächennutzung in Thüringen 10

4 1.3 Agrarstruktur im EU-Vergleich Im Jahr 1995 wurde in den 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Agrarstrukturerhebung durchgeführt. Danach existierten mehr als sieben Mio. landwirtschaftliche Betriebe mit großen strukturellen Unterschieden zwischen den Regionen. Die Thüringer Agrarstruktur weicht stark von den Durchschnittswerten in Deutschland und in der gesamten Union ab. So war die Flächenausstattung der Thüringer Betriebe im Mittel etwa 10 mal höher als in der EU. Legt man die in der Thüringer Statistik 1997 erfaßte Anzahl von Betrieben zugrunde, ergeben sich 142 ha LF. Auf Basis der Agrarförderanträge beträgt die mittlere Flächenausstattung in Thüringen sogar 195 ha LF, während es im EU-Durchschnitt nur 17,5 ha waren. Die größten Betriebe gibt es in Großbritannien mit durchschnittlich 70 ha LF. Thüringen Großbritannien Luxemburg Dänemark Frankreich Schweden Deutschland Niederlande Österreich Griechenland Betriebsgrößen in der EU (ha LF) Irland Finnland Spanien Belgien Portugal Italien 8,7 5,9 4,5 19,7 18,8 17,7 15,4 21,7 30,3 28,2 38,5 34,4 39,9 39,6 70,1 142 Quelle: Agrarbericht der Bundesregierung 1998 Abbildung 1.2: Durchschnittliche Betriebsgrößen in der EU In der EU werden 3 % der LF von Betrieben mit mehr als 100 ha LF bewirtschaftet, in Thüringen sind dies über 92 % der LF. Tabelle 1.4: Agrarstruktur Thüringens im Vergleich 1) EU (15) Deutsch- Thüringen Thüringen 1) land 1997 % der EU Zahl der Betriebe Tsd ,7 0,07 LF Tha ,63 Fläche je Betrieb ha LF 17,5 30,3 142 AK Tsd ,17 dav. Familien-AK Tsd ,05 Ackerland Tha ,86 Dauergrünland Tha ,40 Getreide Tha ,05 Rinder Tsd. Stück ,52 Milchkühe Tsd. Stück ,72 Schweine Tsd. Stück ,59 Schafe Tsd. Stück ,21 benachteiligte Gebiete % LF ROSTAT, 1995 ) Quelle: EU 11

5 Lediglich 0,63 % der LF der EU (15) werden von Thüringer Landwirten bewirtschaftet. In den meisten Zweigen der pflanzlichen und tierischen Produktion verfügt Thüringen über weniger als 1 % des Produktionspotentials der EU. Überdurchschnittlich hoch ist der Getreideanbau. Über 93 % der Beschäftigten in der EU-Landwirtschaft sind Familienarbeitskräfte. In Thüringen liegt dieser Anteil lediglich bei 30 %, während die Mehrzahl der Arbeitskräfte im Lohnarbeitsverhältnis steht. Der Arbeitskräftebesatz je 100 ha LF lag im EU-Durchschnitt bei 5,2 AKE mit einer Spannweite von 2,2 (Großbritannien) bis 14,0 AKE (Griechenland). Deutschland bewegte sich mit 4,1 AKE unter dem EU- Mittelwert und in Thüringen wurden zum vergleichbaren Zeitpunkt 1995 noch 2,8 AKE/100 ha LF registriert; bis 1997 sank der AK-Besatz auf 2,4. Der Strukturwandel setzt sich in der EU beschleunigt fort. 1.4 Natürliche Standortbedingungen Die natürlichen Standortbedingungen sind für die Thüringer Landwirtschaft regional sehr differenziert. Im Unstrut-Hainich-Kreis und im Kreis Sömmerda werden drei Viertel des Gesamtterritoriums landwirtschaftlich genutzt, im Kreis Sonneberg ist es weniger als ein Fünftel. Die mittlere Ackerzahl beträgt in Thüringen 47, die Grünlandzahl 35 und die landwirtschaftliche Vergleichszahl 39. In Tabelle 1.5 werden die Boden- und Klimabedingungen der Kreise charakterisiert. Noch größer sind die regionalen Unterschiede, wenn man die Bedingungen auf Ebene der Städte und Gemeinden analysiert (siehe Anlage). Abbildung 1.3: Anteil der LF an der Kreisfläche 12

6 Tabelle 1.5: Natürliche Bedingungen der Kreise Kreis Acker- Grünland- Landw. Höhen- Nieder- Jahreszahl zahl Vergleichs- lage schlag temperatur zahl m ü. NN mm/jahr EC Eichsfeld ,2 Unstrut-Hainich-Kreis ,6 Nordhausen ,5 Kyffhäuserkreis ,8 Sömmerda ,2 Weimarer Land ,6 Ilm-Kreis ,8 Gotha ,3 Wartburgkreis ,3 Schmalkalden-Meiningen ,8 Hildburghausen ,8 Sonneberg ,2 Saalfeld-Rudolstadt ,9 Saale-Holzland-Kreis ,7 Saale-Orla-Kreis ,7 Greiz ,2 Altenburger Land ,9 Erfurt Stadt ,9 Weimar Stadt ,5 Jena Stadt ,9 Gera Stadt ,6 Suhl Stadt ,4 Thüringen gesamt ,3 1.5 Agrarverwaltung und Beratung Im Geschäftsbereich Landwirtschaft des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt gibt es mehrere Dienststellen und Einrichtungen. Regional sind die 12 Landwirtschaftsämter zuständig für Aufgaben der Agrarverwaltung. 13

7 Tabelle 1.6: Geschäftsstellen im Bereich Landwirtschaft des TMLNU Bezeichnung Straße PLZ Ort TMLNU Hallesche Str Erfurt Thüringer Landesverwaltungsamt, Abteilung Carl-August-Allee 2a Weimar Landwirtschaft Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft Naumburger Str Jena Landwirtschaftsamt Altenburg Zeitzer Str Altenburg Landwirtschaftsamt Arnstadt Mühlweg Arnstadt Landwirtschaftsamt Bad Frankenhausen Kyffhäuserstr Bad Frankenhausen Landwirtschaftsamt Eisenach Frauenberg Eisenach Landwirtschaftsamt Hildburghausen Obere Allee Hildburghausen Landwirtschaftsamt Leinefelde Lisztstraße Leinefelde Landwirtschaftsamt Meiningen An der Röthen Meiningen Landwirtschaftsamt Rudolstadt/Schwarza Preilipper Str Rudolstadt Landwirtschaftsamt Sömmerda Uhlandstraße Sömmerda Landwirtschaftsamt Tautenhain Dorfstraße Tautenhain Landwirtschaftsamt Umpferstedt Safransgarten Umpferstedt Landwirtschaftsamt Zeulenroda Schopperstraße Zeulenroda Landwirtschaftsamt Leinefelde, Thomas-Müntzer Bad Langensalza Außenstelle Bad Langensalza Platz 3 Staatliches Bildungsseminar für Landwirt- Hauptstraße Guthmannshausen schaft, Naturschutz und Umwelt Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Leipziger Str. 75a Erfurt Fachschule für Agrarwirtschaft und Gustav-Hermann Stadtroda Hauswirtschaft Straße 24 Überbetriebliche Ausbildungsstätte für Land- Parkweg Schwerstedt und Hauswirtschaft Im Jahr 1997 wurden tiefgreifende Entscheidungen zur produktionstechnischen und betriebswirtschaftlichen Beratung der Landwirtschaftsbetriebe in Thüringen getroffen. Ursache dafür war die Notwendigkeit, in erheblichem Umfang Personal in der Agrarverwaltung Thüringens einzusparen. Die Arbeitsfähigkeit der Landwirtschaftsämter war unter diesen Zwängen nur durch das gleichzeitige Ausgliedern von Arbeitsaufgaben zu erreichen. Weil hoheitliche Aufgaben dafür nicht in Frage kommen können, mußte das Arbeitsgebiet der Beratung als Aufgabe weichen. Kernpunkt der Umstrukturierung der Betriebsberatung ist die Ablösung der kostenfreien Offizialberatung durch ein privatwirtschaftlich organisiertes System der Beratung. Von seiten der Agrarverwaltung soll zukünftig in folgender Form Einfluß auf die Betriebsberatung für die Gebiete Produktionstechnik und Betriebswirtschaft genommen werden: Anerkennung der Berater, anteilige Förderung der Beratung sowie Information und Fortbildung der Berater. 14