Die Rote Furie träumt vom Titel Spaniens Fußball-Nationalelf muss keinen Gegner mehr fürchten

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1 1 COPYRIGHT: COPYRIGHT Dieses Dieses Manuskript Manuskript ist urheberrechtlich ist urheberrechtlich geschützt. geschützt. Es darf Es ohne darf Genehmigung ohne Genehmigung nicht verwertet nicht werden. verwertet Insbesondere werden. darf Insbesondere nicht ganz darf oder es teilweise nicht ganz oder oder in Auszügen teilweise oder abgeschrieben in Auszügen oder in sonstiger abgeschrieben Weise vervielfältigt oder in sonstiger werden. Weise Für vervielfältigt Rundfunkzwecke werden. darf das Für Manuskript Rundfunkzwecke nur mit Genehmigung darf das Manuskript von DeutschlandRadio nur mit Genehmigung / Funkhaus Berlin von Deutschlandradio benutzt werden. Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel vom Die Rote Furie träumt vom Titel Spaniens Fußball-Nationalelf muss keinen Gegner mehr fürchten Autor: Ole Schulz Ende Oktober in Madrids Bernabéu-Stadion: Der AC Mailand ist in der Champions League zu Gast bei Real. Es ist der erste Härtetest für die Königlichen aus Spaniens Hauptstadt, die sich vor der Saison spektakulär verstärkt haben. Und gleich die erste Belastungsprobe geht schief: Ohne den verletzten Cristiano Ronaldo, dafür aber mit dem Brasilianer Kaká und dem Franzosen Benzema, geht Real Madrid zwar mit 1:0 in Führung. Doch am Ende kontern die alten Herren aus Mailand mit der brasilianischen Nachwuchshoffnung Pato im Angriff die wacklige Abwehr Madrids gekonnt aus und gewinnen mit 3:2. So sind es die Gesänge der Mailänder Tifosi, die nach dem Abpfiff, durch das weite Rund des Bernabéu hallen. Dabei hat Real Madrid im Sommer allein für Portugals Weltfußballer Cristiano Ronaldo 160 Millionen Euro ausgegeben. Denn Präsident Florentino Pérez will in seiner zweiten Amtszeit an die goldenen Jahre der Galácticos um Zidane, Figo und

2 2 Ronaldo anknüpfen. Miguel Pardeza, der Sportdirektor Reals, hört den Vergleich mit den Fantastischen dennoch nicht gerne: 1-O-Ton Miguel Pardeza: Uns aus der sportlichen Leitung des Vereins gefällt das Wort Galácticos nicht besonders. Wir reden lieber von guten und von schlechten Spielern. Und es steht außer Frage, dass es sehr gute Spieler sind. Das neue Projekt hat gerade erst begonnen, und es muss noch reifen und unter Beweis stellen, dass es die in sie gesteckten Erwartungen erfüllen kann. Doch es ist definitiv noch zu früh zu sagen, ob diese Mannschaft in die Geschichte eingehen wird. Miguel Pardeza, früher selbst Spieler bei Real Madrid, über das nicht unumstrittene Geschäftmodell des Vereins: 2-O-Ton: Miguel Pardeza: Es ist nun mal das traditionelle Konzept von Real Madrid: Die besten Spieler der Welt zu verpflichten. Das wiederum garantiert einem sportliche Erfolge, wodurch man die Investitionen wieder reinholen kann. Das Ganze ist gut durchdacht und folgt der Linie des Klubs. Doch nicht nur der große Konkurrent, der FC Barcelona, beschwert sich über die Höhe der Transfers, sondern zum Beispiel auch Michel Platini, Präsident der Vereinigung Europäischer Fußballverbände (Uefa). Er hält solche Ablösesummen für unanständig, zumal in Zeiten der Wirtschaftkrise. 3-O-Ton: Miguel Pardeza Das ist eine Meinung, die wir respektieren müssen. Doch das einzige, was wir machen, ist unser eigenes Geld in die wichtigsten Spieler zu investieren, die auf dem Markt sind. Wir sind es doch nicht, welche die Preise festlegen, sondern die ganze Fußballwelt zusammen. Alles in allem können wir gelassen sein. Entspannt können die Madrilenen aber nur sein, weil es der Vereinspräsident Florentino Pérez immer wieder irgendwie schafft, genügend Geld für die Mega-

3 3 Transfers aufzutreiben. Pérez ist einer der größten Bauunternehmer Europas und hat von dem jahrelangen Bauboom in seiner Heimat profitiert. Spielerisch aber läuft bei Real Madrid schon länger nicht mehr viel zusammen. Santiago Segurola, Fußball- Kommentator und ehemals Sportchef der renommierten Tageszeitung El País : 4-O-Ton: Santiago Segurola Real Madrid hatte in den letzten 15 Jahren ungefähr 15 verschiedene Trainer. Es ist ein Klub, der sich in einer ständigen Krise befindet. Was aber nicht heißt, dass der Verein nicht trotzdem Erfolg haben kann: In diesen 15 Jahren wurde drei Mal der Europacup gewonnen und sechs Mal die Liga. Aber der Eindruck ist der eines kranken, in Flammen stehenden Klubs. Real Madrid ist ein stolzer, prestigeträchtiger Verein mit guten Spielern, aber zugleich auch ein ungeduldiger, selbst zerstörerischer Verein. Das Publikum ist unzufrieden, weil es ihm Keiner recht machen kann, und das Krisengefühl bleibt bestehen, egal ob die Mannschaft gewinnt oder verliert. Dieses Gefühl überträgt sich auf die Spieler wie den Trainer. Dazu kommt die ungeduldige Presse, so dass es hier sehr schwierig ist, ein harmonisches Spielsystem zu entwickeln. Gut 600 Kilometer entfernt von Spaniens Hauptstadt kann man das Alternativmodell zur verschwenderischen Vereinspolitik Real Madrids beobachten: In der Ciudad Deportiva, dem modernen am Stadtrand gelegenen Trainingsgelände des FC Barcelona, wird von der Jugend aufwärts nach dem gleichen System gespielt. Sergio Busquets aus dem defensiven Mittelfeld über Barças Erfolgskonzept: 5-O-Ton: Sergio Busquets Grundlegend ist der Ballbesitz. Stets wird versucht, vom Torwart aus das Spiel über die Verteidiger aufzubauen und über Dreiecks-Kombinationen Chancen zu kreieren. Das wichtigste ist dabei, immer im Ballbesitz zu bleiben. Solange Du denn Ball hast, kann der Gegner kein Tor machen. Hat er ihn aber, dann müssen schon unsere Angreifer Druck ausüben und verteidigen. Sergio Busquets ist das jüngste Beispiel für die erfolgreiche Jugendarbeit des FC Barcelona. In nur sieben Monaten ist Busquets aus Barças-B-Team in der dritten Liga in die erste Mannschaft gekommen, hat die Champions League gewonnen und

4 4 ist Nationalspieler geworden. Zu verdanken hat der 21jährige seine überraschend abgeklärte Spielweise auch dem Training seines Klubs. 6-O-Ton: Sergio Busquets Wir machen viel mit dem Ball. Das macht uns Spielern nicht nur viel Spaß, sondern lehrt zudem auch eine gewisse Disziplin im Umgang mit dem Ball. Man mag denken, dass dadurch das körperliche Training zu kurz kommt, aber das ist nicht unbedingt der Fall, und Spaß macht es auch noch. Dabei wurde dieser erfolgreiche, spaßorientierte Fußball Barcelonas gewissermaßen aus dem Ausland importiert. Der Ex-Profi Carlos Rexach darüber, wie alles begann: 7-O-Ton: Carlos Rexach Der erste, der diese Idee von Fußball hierher brachte, war Rinus Michels als Trainer in Barcelona in den Jahren 1973/74. Cruyff und ich haben in dieser Mannschaft mitgespielt, die Pokal und Meisterschaft gewonnen hat. Seitdem ist Barças Ansatz immer, den Ball und das Spiel zu kontrollieren und offensiv zu agieren. Rinus Michels hat damit angefangen und im Laufe der Jahre wurde das System natürlich weiter verbessert. Carlos Rexach ist in Barcelona eine Legende, 44 Jahre lang war er für den Verein tätig. Erst als Außenstürmer, dann als Co-Tainer unter Johan Cruyff. Der Holländer formte Anfang der 90er Jahre jene Mannschaft, die als Dream Team in die Geschichte einging. Musik-1: Coral Sant Jordi - Cant del Barça Der Fútbol Club Barcelona, 1899 gegründet, entwickelte sich zum Mythos: Unter der Diktatur Francos wurde er seit Ende der 30er Jahre zu einem Klub, der für viele Katalanen weit mehr war als nur ein Fußballverein.

5 5 Der katalanische Historiker Carlos Santacana: 8-O-Ton: Carlos Santacana Es gab schon zur Zeit der zweiten Republik einen Slogan, der das Selbstverständnis des FC Barcelona widerspiegelte: Sport und Staatsbürgerschaft. Diese Verbindung blieb wichtig - bis Ende der 60er Jahre das heute bekannte Motto auftauchte: Más que un club, Mehr als ein Klub. Das bedeutet die Identifikation des Vereins mit der katalanischen Gesellschaft und ihrer Sorgen. Der Klub wurde zum Ort der Repräsentation Kataloniens, die sonst unmöglich war - wegen der Diktatur. Die katalanische Sprache wurde damals unterdrückt und Barças Stadion Camp Nou zum Ort, wo man seinen Widerwillen gegen die faschistische Regierung in der Hauptstadt Madrid offen ausdrücken konnte. Einer, der die Endphase der Franco-Diktatur Mitte der 70er Jahre als Kind noch miterlebt hat, ist der heutige Barça-Trainer Pep Guardiola. In seinem ersten Jahr als Profi-Trainer schaffte er mit dem Dreifach-Triumph in Liga, Pokal und Champions League, was vorher noch keine andere spanische Mannschaft erreicht hatte. Guardiola steht wie kein Zweiter für die Kontinuität im System Barças: 9-O-Ton: Carlos Rexach Pep hat als 12jähriger in Barças Jugendschule `La Masía begonnen. Er hat alle Jugendmannschaften durchlaufen, er kennt den Klub sehr gut und außerdem liebt er den Fußball Barcelonas, weil er so gut funktioniert. Ich glaube er ist die ideale Person für diesen Job. Musik-2: Lluís Llach - Al carrer dels quatre Llits

6 6 Der eloquente, kulturbeflissene Guardiola wurde in einem 6000-Einwohner-Ort im Herzen Kataloniens geboren. Aufgewachsen ist Pep jedoch im Schatten des Camp Nou, des FC Barcelona-Stadions. Einst einer der wichtigsten Spieler des Dream Teams unter Cruyff hat der Katalane Guardiola jetzt ein Team geformt, das inzwischen auch den Kern der spanischen Nationalmannschaft bildet. Mit dem kleinen, unscheinbaren Barça-Spielmacher Xavi als Taktgeber konnte Spanien mit seinen Tiki-taka -Stil 2008 bekanntlich gegen Deutschland die Europameisterschaft gewinnen. Christoph Metzelder stand beim Endspiel auf dem Platz. Der Abwehrmann, den Real Madrid von Borussia Dortmund holte, bildete mit Mertesacker die deutsche Innenverteidigung. 10. O-Ton: Christoph Metzelder Wir haben schon versucht, auch in dem Spiel, einfach sie auch zu langen Bällen zu zwingen. Ich kann mich an die ersten 20 Minuten erinnern, da fand das ein paar Mal statt, aber irgendwann kann man das auch im Mittelfeld nicht mehr belaufen. Wir haben auch umgestellt, haben nur noch mit einer Spitze gespielt, fünf Mittelfeldspieler gegen die Mittelfeldachse von Spanien, aber das sind Spieler, die aufgrund ihrer Bewegung, aufgrund ihrer Passsicherheit, aufgrund ihrer Genialität, einfach irgendwann in ihr Spiel finden. Und wenn sie dann vorne auch solche Abnehmer haben wie Villa wie Torres, dann ist es wirklich nur eine Frage der Zeit, bis sie Tore machen. Hinter den Stürmern sind es die Mittelfeldakteure Barças, die mit ihrem schnellen Passspiel überhaupt erst Raum für Torchancen schaffen. Vicente del Bosque, der jetzige Nationaltrainer Spaniens, betont, welch großen Einfluss der FC Barcelona auf das Spielsystem der furia roja, der roten Furie, hat: 11-O-Ton: Vicente del Bosque Wir sind zuletzt meistens in einem System angetreten, mit zwei Außen- und einem Mittelstürmer. Wir müssen uns ja danach richten, was in den Vereinen passiert und gerade ist es der FC Barcelona, der die Spielweise, auch

7 7 der Nationalmannschaft, vorgibt. Welche wichtigen Mittelfeldspieler stehen uns denn zurzeit zur Verfügung? Das sind Spieler wie Xavi, Iniesta, oder Sergio Busquets, die alle von Barça kommen. Und es sind gerade die Mittelfeldakteure, welche das Spiel einer Mannschaft definieren. Xavi Hernández und der bleiche, ebenfalls klein gewachsene Andrés Iniesta - heute werden Barças Mittelfeldlenker von aller Welt gelobt. Sie gehören zu einer Generation von Auswahlspielern, die schon als Junioren viele Titel gewannen. Doch selbst in Spanien mussten sie lange um Anerkennung kämpfen, sagt der Fußball- Kommentator Santiago Segurola. 12-O-Ton: Santiago Segurola Der Erfolg der spanischen Nationalmannschaft ist meines Erachtens vor allem dem Kampf einiger Spieler zu verdanken, die von der Presse traditionellerweise kritisiert und verschmäht wurden. Ich rede von solch herausragenden Spielern wie Xavi und Iniesta oder auch Silva und Villa. Ihnen wurde lange vorgeworfen, dass sie körperlich nicht in der Lage seien, mit den anderen großen Mannschaften mitzuhalten, weil sie so klein und leicht sind. Auch für den in Barcelona lebenden Fußball-Autor Ronald Reng ist Spanien zurzeit das Maß aller Dinge. Dass der ewige Geheimfavorit nach über 40 Jahren Erfolglosigkeit und trotz weiterhin bestehender regionaler Spannungen plötzlich triumphiere, habe viel mit dem Wandel des Landes nach dem Ende der Franco- Diktatur zu tun: 13-O-Ton: Ronald Reng Spanien ist ganz klar im Sport eine Aufsteigernation, das heißt eine Nation, die zur Franco-Zeiten eingesperrt war und nach Franco ist ein Ventil aufgegangen, endlich sind wir frei und endlich haben wir auch Platz, Geld und Zeit und Freiheit nach Hohem streben und auch ein ganz großes Bedürfnis, uns zu bestätigen.

8 8 Dieses Bedürfnis hat sich vor allem im Sport geäußert: Nicht nur im Fußball, in fast allen Ballsportarten haben die Spanier inzwischen große Titel geholt. Die Basketballer gewannen WM und EM, die Handballer eine Weltmeisterschaft und die Hockeyspieler Europameisterschaften. Laut Reng liegt das am guten Mannschaftsspiel der Spanier: 14-O-Ton: Ronald Reng Es hat sich in den letzten Jahren extrem in allen Ballsportarten durchgesetzt die Richtung, das Wichtigste am Ballspiel ist das Zusammenspiel. Jede Mannschaft ist besser, je besser sie zusammen spielt, das heißt wir müssen extrem das Zusammenspiel, das Passspiel trainieren, das heißt die technischen Fertigkeiten. Es gibt Ausnahmen, Atletic Bilbao, da wird man auch sehen, die Fahren mit dem Mountain-Bike durch den Wald, aber das sind die Ausnahmen. In den meisten Vereine trainieren hier extrem ballorientiert, balllastig. Dass der deutsche Fußball bis heute anders tickt als der spanische, glaubt auch Christoph Metzelder. Der erfahrene Verteidiger, der bei Real Madrid nur selten zum Einsatz kommt, spricht von Defiziten in der Heimat: 15-O-Ton: Christoph Metzelder Da muss man auch ehrlich sagen, dass der deutsche Fußball in vielen Bereichen einfach noch zehn Jahre hinter allen anderen ist, was Viererkette angeht, was Raumdeckung angeht, was sicherlich auch Trainingslehre angeht. Das ist hier in Spanien zum Teil anders. Sogar der deutsche Vorzeigeverein, der FC Bayern München, musste sich unlängst heftige Kritik gefallen lassen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, das Manager Uli Hoeneß so aus der Fassung brachte, kritisierte Philipp Lahm, seines Zeichens Bayern-Eigengewächs und Vize-Kapitän der Nationalmannschaft, ein fehlendes System bei den Bayern - als Gegenmodell nannte Lahm ganz bewusst einen spanischen Verein: den FC Barcelona.

9 9 Vom Dreifachtriumph des katalanischen Vereins in der letzten Saison hat die gesamte Primera División profitiert. Mit der englischen Premier League aufnehmen kann es die spanische Liga trotzdem noch nicht: 16-O-Ton: Ronald Reng Die spanische Liga wird wahrscheinlich der englischen Liga vom Finanziellen nie das Wasser reichen können. Es wird hier nicht besonders akribisch oder detailliert gewirtschaftet, das heißt die meisten Vereine - von Real Madrid oder Barcelona abgesehen - funktionieren eigentlich so, dass man heute guckt, wo man morgen oder auch gestern ein paar Millionen herkriegen kann. Während also der Erfolg der englischen Liga ganz klar ein Gelderfolg ist, weil sie es geschafft haben, auch durch ihre internationale Vermarktung viel mehr Geld zu kreieren als jeder andere, ist im Gegenteil der Erfolg der spanischen Liga ein Fußballerfolg. In der ersten spanischen Liga gibt es gleichwohl ein starkes Gefälle zwischen den Topteams und dem Rest sportlich wie finanziell. Allein Real Madrid hat zur laufenden Saison mehr Geld für Neueinkäufe ausgegeben als die gesamte Bundesliga zusammen. Der Champions League-Gewinner FC Barcelona folgt mit deutlichen Abstand auf Platz zwei. Musik-1: Coral Sant Jordi - Cant del Barça Aber wie auch immer die laufende Saison für Barcelona ausgehen mag: Derart blamieren wie Real Madrid können sich die Katalanen kaum mehr. Im Pokal schieden die Madrilenen mit 1:4 Toren gegen den Drittligisten Alcorcón aus. Eine historische Lachnummer, titelten Spaniens Sportgazetten, Trainer Pellegrini sitze auf einem elektrischen Stuhl. Ganz anders in Barcelona: Dort versucht der Vereinspräsident Joan Laporta seit seiner ersten Amtszeit 2003 den Klub als Modell des Guten in der Fußballwelt zu etablieren. Ein fairer und attraktiver Fußball, dazu ein demokratisches Mitsprachrecht der Mitglieder - das ist das Image, das der FC Barcelona in der ganzen Welt hat.

10 10 Lange hat man ganz auf Trikotwerbung verzichtet, seit 2006 wirbt man gratis für das UN-Kinderhilfswerk UNICEF. Der FC Barcelona ist mittlerweile aber auch ein global agierender Weltkonzern, Jahresumsatz: über 300 Millionen Euro. Dass Barça eine eigene Marke ist, wird beim Besuch des Camp Nou klar: An das Stadion angegliedert sind ein Museum, das Mini-Stadion und ein Megastore des Sponsors Nike. Täglich fahren hier voll gepackte Touristenbusse vor. Doch der FC Barcelona will seinen besonderen Charakter aber behalten. Geschäftssprache des Vereins ist bis heute das Katalanische. Der Vereinspräsident Joan Laporta hat sich sogar als nationalistischer Extremist geoutet und macht sich für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien stark. 17. O-Ton: Santiago Segurola Es ist hässlich und schlecht, den Fußball für politische Zwecke missbrauchen zu wollen - das ist das, was Laporta gerade macht. Damit werden die Fans instrumentalisiert. Der FC Barcelona hat genauso wie Atletic Bilbao Fans aus allen politischen Lagern, und gleichzeitig repräsentieren diese beiden Klubs auch ihre Regionen, die Konflikte mit dem Zentralstaat haben. Das leugnen zu wollen, bringt auch nichts. Obwohl heute nur noch eine Minderheit der Katalanen die Unabhängigkeit will, ist die Ablehnung der konstitutionellen Monarchie Spaniens weit verbreitet. Beim Pokalfinale im Mai, dem Königs-Pokal, pfiffen die Zuschauer aus Katalonien und dem Baskenland die Nationalhymne jedenfalls gnadenlos aus. Ob das heutzutage noch angebracht ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. 18-O-Ton: Carlos Rexach Ich bin aus Katalonien, 100prozentiger Katalane und in vielerlei Hinsicht mit meiner Heimat verbunden. Aber wenn der `Königs-Pokal ausgespielt wird und man nicht mitmachen will, dann soll man es sein lassen.

11 11 Wenn man aber teilnimmt, verstehe ich nicht, warum man dann den anwesenden König auspfeift. Und das sage ich, der kein Monarchist ist, aber es ist eine Frage des Respekts. Anders als die Barça-Legende Carlos Rexach äußert der katalanische Historiker Carlos Santacana Verständnis für solche Unmutsbekundungen: Spanien sei ein Land, das erst langsam beginne, die Verbrechen der Franco-Diktatur aufzuarbeiten. 19-O-Ton: Carlos Santacana Auf der symbolischen Ebene gibt es Dinge, die sich nicht geändert haben, die Hymne zum Beispiel ist dieselbe wie unter Franco. Und auch die Fahne ist die gleiche geblieben. Es hat keinen deutlichen Wechsel bei diesen Symbolen gegeben - weg von der Diktatur, hin zur Demokratie. Ich denke, der konkrete Fall zeigt dass eine Unzufriedenheit herrscht, seitens der Katalanen und Basken gegenüber der Zentralregierung. Das hängt weniger von einer bestimmten Regierung ab, sondern ist eher ein strukturelles Problem. Trotz aller Animositäten: Wenn es um Geschäfte geht, dann reden die Katalanen und Madrilenen schon miteinander. Es war die Caixa, eine Sparkasse aus Barcelona, die Florentino Pérez einen 57 Millionen-Kredit für Real Madrid einräumte. Den brauchte der Bauunternehmer, um überhaupt für die Präsidentschaft des Vereins kandidieren zu können. Ob die spanische Nationalmannschaft dabei helfen kann, das zerrissene Land zu einen, und die rote Furie die Rolle eines nationalen Integrationsmotors übernehmen kann? Zumindest Fußball-Autor Ronald Reng ist skeptisch: 20-O-Ton: Ronald Reng Diese Mannschaft wurde in Bilbao gefeiert, sie wurde in Katalonien gefeiert, als sie gewonnen hat und sie wird von den Spaniern jeder Region als mein Team angesehen. Sie wird aber nichts ändern können - da wird der Sport leider auch meistens überschätzt -, an der politischen Zerrissenheit dieses Landes, weil da

12 12 auch die nationalistischen Politiker des Baskenlandes und Kataloniens viel zu großes Interesse haben, den Konflikt immer weiter zu schüren. Einige sehen das anders - wenigstens ein bisschen. Miguel Pardeza zum Beispiel, der Sportdirektor Real Madrids: 21-O-Ton: Miguel Pardeza Die Nationalmannschaft hat etwas erreicht, was viele Politiker nicht geschafft haben und eine Eintracht zwischen den Regionen erzeugt. Das hat ein gewisses Nationalgefühl geschaffen - etwas, das bei uns immer stark umstritten war. Erfolge, wie die der spanischen Auswahl, erzeugen wenigstens ein Gefühl von Einigkeit. Musik-3: Paco de Lucia - Almoraima Der Leidensweg des FC Sevilla-Spielers Jesús Navas beleuchtet ganz gut die zerrissene Gemütsverfassung vieler Spanier - irgendwo zwischen Heimatliebe, Nationalstolz und Mannschaftsgeist. Der nur 1,60 Meter große und 60 Kilo schwere Navas begeistert mit seinem Flankenläufen seit Monaten, so dass ihn Nationaltrainer Vicente del Bosque für die spanische Auswahl nominierte. Doch der hochsensible Navas ließ del Bosque wochenlang im Ungewissen, ob er bereit sei, seine andalusische Heimat zu verlassen - so sehr hängt er an seinem Geburtsort Los Palacios. Vielleicht hätte Navas einmal mit Sergio Busquets sprechen sollen: Der Barça- Rookie, ebenfalls Sprössling einer andalusischen Familie, sagt, die Stimmung im Nationalteam sei fantastisch: 22-O-Ton: Sergio Busquets Wir sind wie eine kleine Familie, es werden ständig Scherze gemacht, und es wird viel gelacht. Wir sind eine tolle Truppe, und das zeigt sich dann auch, wenn wir gemeinsam auf dem Platz auflaufen.

13 13 Dass es beim FC Barcelona gerade noch nicht ganz rund läuft, darüber redet Busquets lieber nicht. Die spanischen Medien sprechen schon von der Krise des barocken Barça-Stils: Wenn trotz geduldigen Ballhaltens gegen eine kompakte Abwehr einfach kein Tor fallen will, dann wissen die eher schmalbrüstigen Barça- Strategen manchmal auch nicht weiter. Immerhin, so der Fußball-Kommentator Santiago Segurola, stünden ihnen im Nationalteam exzellente Mitspieler zur Seite: 23-O-Ton: Santiago Segurola Ich meine Fußballer wie Senna, Xabi Alonso, Cazorla, Silva, Mata und Cesc Fàbregas - der kommt auch aus Barças-Jugendschule. All diesen Spielern ist eins gemein: ihre herausragende Technik. Sie alle sind zudem exzellente Mittelfeldspieler, die andere in solch großer Zahl nicht haben. Klar ist: Spanien steht weiterhin auf Platz Eins der Fifa-Weltrangliste und hat in der WM-Qualifikation mit begeisterndem Spiel zehn Mal hintereinander gewonnen - eine neue Rekordmarke. Im Vergleich zu früher glauben die spanischen Auswahlspieler auch an sich, wenngleich sie sich in ihrer Bescheidenheit nur zurückhaltend äußern. 24-O-Ton: Sergio Busquets Wir gehören sicherlich zu den Favoriten. Am Ende müssen wir das aber auch auf dem Platz unter Beweis stellen. Denn bei Weltmeisterschaften ist alles möglich. Wir müssen ambitioniert sein und mit Lust aufspielen, um zu beweisen, das wir zu Recht einer der Favoriten sind. Ähnlich vorsichtig wie sein Spieler Sergio Busquets ist auch Nationaltrainer Vicente del Bosque. 25-O-Ton: Vicente del Bosque Es könnte sein, dass wir gewinnen. Aber wir wissen um die Schwierigkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Denn auch andere großartige Mannschaften treten dort an. Und bei einem solchen Turnier kann es passieren, das der kleinste Fehler, die kleinste Unachtsamkeit zum Ausscheiden führt. Nicht immer gewinnen am Ende die besten Mannschaften. Ich glaube, dass wir eine

14 14 hervorragende Gruppe von Spielern haben. Es gibt eigentlich nichts, worüber ich mich beschweren kann. Und wenn es doch etwas geben würde, dann würde ich es bestimmt nicht verraten. Musik-3: Paco de Lucia Almoraima Verwendete Musik: Musik-1: Cant del Barca (1:45) Komponist: Manuel Valls Text: Josep M. Espinàs undi Jaume Picas Interpret: Joan Lluis Moraleda & Coral Sant Jordi Edita Edigsa / Barcelona Dip. Leg.: B zur Verfügung gestellt vom Ibero-Amerikanischen Institut Berlin (IAI) Musik-2: Al Carrer dels Quatre Lits (8:48) CD: Un Pont de Mar Blava, Track 1 Komponist: Lluís Llach Text: Lluís Llach Interpret: Lluís Llach Pläne Verlag LC Aris-CD zur Verfügung gestellt vom Ibero-Amerikanischen Institut Berlin (IAI) Musik-3: Almoraima (5:27) CD: Paco de Lucia Gold, CD 1, Track 1 Komponist: Paco de Lucia Interpret: Paco de Lucia Mercury / Polygram Ibérica LC