Univ.-Prof. Dr. Georg Wydra. Vorlesung Allgemeine Sportdidaktik Modul Didaktik/Methodik
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- Leander Axel Meyer
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1 Univ.-Prof. Dr. Georg Wydra Vorlesung Allgemeine Sportdidaktik Modul Didaktik/Methodik Baustein 2: Didaktische Modelle des Sportunterrichts - Historische Modelle Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes WS 2016/2017 Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 1
2 Didaktische Modelle Studierende wollen Handlungssicherheit und wünschen sich funktionierende Anleitungen ( Kochrezepte ) für die Praxis In der Praxis existieren eine Fülle von sich zum Teil widersprechenden Vorstellungen vom guten Sportunterricht Toleranz gegenüber unterschiedlichen Auffassungen ist ein Wesen einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft Unterschiedliche Entwürfe bereichern die Diskussion! Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 2
3 Didaktische Modelle Modelle sind nicht nur Modelle von etwas; sie sind auch Modelle für jemanden, einen Menschen oder einen künstlichen Modellbenutzer. Sie erfüllen damit ihre Funktion in der Zeit, innerhalb eines Zeitintervalls. Und sie sind schließlich Modelle zu einem bestimmten Zweck. Man könnte diesen Sachverhalt auch so ausdrücken: Eine pragmatisch vollständige Bestimmung des Modellbegriffes hat nicht nur die Frage zu berücksichtigen, wovon etwas Modell ist, sondern auch, für wen, wann und wozu bezüglich seiner je spezifischen Funktion es Modell ist (Stachowiak 1973, S. 133). Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 3
4 Didaktische Modelle Theorie der Leibeserziehung Sportorientierte Konzepte Das Intensivierungskonzept Das Sportartenkonzept Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung Sportkritische Konzepte Das Konzept der Bewegungserziehung Das Körpererfahrungskonzept Das Konzept des erziehenden Sportunterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 4
5 Theorie der Leibeserziehung Unter Leib wird nicht nur der Körper verstanden, sondern der beseelte, von einem geistigen Prinzip her geprägte und durchwohnte Körper (Schmitz, 1970, S. 63). In der Leibeserziehung gilt die anthropologische Kategorie der Ganzheit: Bewegung ist nicht nur Bewegung des Körpers, sondern immer auch Selbst-Bewegung. Altersgemäße Leibeserziehung fördert die Entwicklung. Leibeserziehung förderte die Soziabilität (Individualität und Sozialisierung) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 5
6 Strukturprinzipien und Dispositionen der Leibeserziehung Bildungsinhalte der Leibeserziehung sind die Leibesübungen Die Bewegung ist mit der Disposition des Gestaltens verknüpft (= zentrale Bildungsaufgabe der Leibeserziehung) Das Spiel ist mit der Disposition des Spielens verknüpft (das zweckfreie Spiel als Gegenwelt zur Arbeit) Der Wetteifer ist mit der Disposition des Leistens verknüpft (Grundphänomen menschlicher Weltzuwendung und Lebensgestaltung) (Schmitz, 1970) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 6
7 Das Grundgefüge des didaktischen Feldes Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 7
8 Didaktische Modelle Theorie der Leibeserziehung Sportorientierte Konzepte Das Intensivierungskonzept Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung Das Sportartenkonzept Sportkritische Konzepte Das Konzept der Bewegungserziehung Das Körpererfahrungskonzept Das Konzept des erziehenden Sportunterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 8
9 Das Intensivierungskonzept (Stiehler) Die Hauptaufgabe des Sportunterrichts ist die intensive und rationell organisierte körperliche Grundausbildung (Stiehler, 1973, S. 60). Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 9
10 Üben im Strom (Stiehler, 1966, S. 213) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 10
11 Ausgangslage Untersuchung zur Intensität des Sportunterrichts Pädagogisch anspruchsvoller, guter Sport-unterricht ist immer auch ein übungsinten-siver Sportunterricht (Hummel, 2005) Die tatsächlichen Bewegungszeiten im Unterricht liegen im Bereich von 5-15 Minuten, mache Autoren sprechen gar von 3-7 Minuten (Bös, 1999). US Department of Health and Human Services (2000): 50 % der Zeit oberhalb 50 %-HRR bzw. 50 % VO2max Herzfrequenz-Reserve nach Karvonen: HFtrain = (HFmax - RP) x Faktor + RP Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 11
12 Fragestellungen Wie viel Zeit wird im Sportunterricht für Bewegungsaktivitäten genutzt? Reichen die Belastungen aus gesundheitlicher Perspektive aus? Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 12
13 Untersuchungsmethodik Personenstichprobe Allgemeine Angaben 46 Sportstunden in Gymnasien und Gesamtschulen n = 234 (Jungen: 182; Mädchen: 208) Alter Jungen 14,2 ± 1,5 Jahre Mädchen 14,3 ± 1,5 Jahre Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 13
14 Untersuchungsmethodik Schülerfragebogen Anstrengung Borg-Skala (Schüler, Lehrer und Beobachter) Grad des Schwitzen Notwendigkeit des Duschens Herzfrequenz (Teilstichprobe) Wohlbefinden (Gesichterskala) Grad der Anstrengung beim Sport in der Freizeit Wunsch nach mehr Anstrengung im SU Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 14
15 Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 15
16 Borg-Skala (Schüler, Lehrer und Beobachter) Borg (2004, S. A 1020): 9 = sehr leichte Anstrengung, wie bei einer Normalperson das normale Gehen im eigenen Tempo. 13 = etwas anstrengend, man kann bei der Belastung aber gut weitermachen. 15 = anstrengend und schwer, aber Fortfahren ist noch möglich. 17 = sehr anstrengend. Man kann noch weitermachen, muss sich aber sehr anstrengen und ist bald erschöpft. 19 = sehr sehr anstrengend, für die meisten Personen ist dies eine sehr anstrengende Belastung, die stärkste, die sie jemals erlebt haben Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 16
17 Untersuchungsmethodik Beobachtungsbogen Zeiten Offizielle Stundenlänge Bruttostundenlänge Nettobewegungszeiten Anstrengung (Borg-Skala) Erkennbare Stundenabschnitte und Inhalte Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 17
18 Ergebnisse Bewegungszeiten in den Sportstunden Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 18
19 Ergebnisse Subjektive Anstrengung (Borg-Skala) Löllgen (2004): Werte zwischen 11 und 14 sind als optimal zu erachten: = 55,1 %. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 19
20 Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 20
21 Physiologische Anstrengung Ergebnisse 50 % Herzfrequenz-Reserve nach Karvonen für 13-jährige Kinder: HFtrain (210-70) x 0, = 140 In der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit bewegen sich die Schüler in einem gesundheitlich bedeutsamen Bereich! Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 21
22 Diskussion Wie viel Zeit wird im Sportunterricht für Bewegungsaktivitäten genutzt? Nur die Hälfte der Zeit wird genutzt. Zum Teil sehr große Verlustzeiten vor und nach dem eigentlichen Unterricht. Verlustzeiten können nur zum Teil den Sportlehrern angelastet werden. Forderung nach mehr Zeit für SU - dritte Sportstunde! -, damit Kinder auf die ihnen zustehende Zeit kommen! Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 22
23 Diskussion Reichen die Belastungen aus gesundheitlicher Perspektive aus? In der Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit bewegen sich die Schüler in einem gesundheitlich bedeutsamen Bereich! Empfehlungen des American College of Sport Medicine (ACSM) (1998) bzw. der American Heart Association (Kavey, et al. 2003) werden überschritten. Vor dem Hintergrund der Verlustzeiten sind dies aber nur ca. 38 Minuten pro Woche! Wir brauchen keinen anderen SU, aber mehr Zeit! Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 23
24 Kritik am Intensivierungskonzept Reduzierung der Didaktik/Methodik auf die Anwendung trainingswissenschaftlicher Prinzipien Einbettung in die Ideologie der sozialistischen Gesellschaft der DDR: Schüler zu charakterfesten, klassenbewussten sozialistischen Persönlichkeiten erziehen Aufgrund der Langlebigkeit von Gewohnheiten nach wie vor von Bedeutung nicht nur im Bereich der Neuen Bundesländer Aber: Wichtig immer dann, wenn es gilt die Zeit für intensives Trainieren optimal zu nutzen (z. B. Sporttherapie und Leistungssport), ist die Orientierung am Intensivierungskonzept nicht von der Hand zu weisen. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 24
25 Didaktische Modelle Theorie der Leibeserziehung Sportorientierte Konzepte Das Intensivierungskonzept Das Sportartenkonzept Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung Sportkritische Konzepte Das Konzept der Bewegungserziehung Das Körpererfahrungskonzept Das Konzept des erziehenden Sportunterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 25
26 Das Sportartenkonzept (Söll) Im Mittelpunkt steht ein fester Kanon von Sportarten, die exemplarisch für eine ganze Klasse anderer Sportarten (exemplarisch) behandelt werden Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 26
27 Sportarten als exemplarische Bedeutungsträger des Sports Grundverhaltensweisen im Sport Körperliche Leistungsfähigkeit möglichst verlustfrei in messbare Leistung umsetzen, z. B. Leichtathletik. Leistungsziel liegt in der Bewegung selbst, z. B. Gerätturnen. Der direkte Vergleich mit dem Gegenspieler, der zugleich Mitspieler ist: z. B. Sportspiele Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 27
28 Das Sportartenkonzept - ein Erfolgsmodell Die Top-Ten im Sportunterricht Gesamtzeit (min) Gesamtzeit (%) Basketball, Fußball, Handball ,1 Volleyball ,0 Aufwärmen ,7 Gerätturnen 933 8,2 Spielformen 890 7,8 Arbeiten mit Ball 741 6,5 Konditionstraining 578 5,1 Leichtathletik 566 5,0 Fangspiele 414 3,6 Völkerball 413 3,6 Stundeninhalte von 237 beobachteten Sportstunden und die hierfür aufgebrachten Zeiten (Wydra, 2008) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 28
29 Das Sportartenkonzept - ein Erfolgsmodell Die Last-Ten im Sportunterricht Gesamtzeit (min) Gesamtzeit (%) Laufen 341 3,0 Badminton 301 2,6 Hockey 225 2,0 Baseball 222 1,9 Schwimmen 218 1,9 Theorie 173 1,5 Tanz 161 1,4 Koordinationstraining 142 1,2 Tests 140 1,2 Funktionsgymnastik 124 1,1 Zirkeltraining 102 0,9 Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 29
30 Ziele des Sportartenkonzepts Einführung in die Bewegungskultur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages (Bewegungsbildung) Gewährleistung einer allgemeinen körperlichsportlichen Ausbildung Erfüllung des Ausbildungsaspektes (Körperbildung) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 30
31 Das Sportartenkonzept - ein Erfolgsmodell Gründe: Sportarten sind die Sinnträger des Faszinosums Sport Sportverständnis von Schülern und Lehrern deckt sich mit dem Sportartenkonzept Menschen verhalten sich traditionell und halten am Bewährten fest Das Gros der Sportlehrer ist mit dem Sportartenkonzept groß geworden und fährt gut damit Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 31
32 Kritik an der Sportartenorientierung Fundamentalkritik an der Leistungsorientierung des Sports (68-er: Sport als Spiegel der Leistungsgesellschaft) Kritik an der Übertragung des Leistungsprinzips des Sports auf den Sportunterricht Kritik an der fast ausschließlichen Orientierung an den medial präsentierten Sportarten Kritik an der Ausrichtung des Sportunterrichts an den Bedürfnissen des organisierten Sports (Handlungsfähigkeit im Sport) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 32
33 Didaktische Modelle Theorie der Leibeserziehung Sportorientierte Konzepte Das Intensivierungskonzept Das Sportartenkonzept Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung Sportkritische Konzepte Das Konzept der Bewegungserziehung Das Körpererfahrungskonzept Das Konzept des erziehenden Sportunterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 33
34 Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung (Hummel) Konzept das von der historischen Entwicklung der Neuen Bundesländer (DDR-Vergangenheit) geprägt ist Der Sport ist das führende und dynamischste Element der Bewegungskultur Orientierung an Inhalten, die als grundlegend, wesentlich, exemplarisch und typisch für die epochale Bewegungs- und Sportkultur gelten können. Bildungsauftrag der Schule beinhaltet auch einen Auftrag zur Qualifikation für außerschulische Anforderungen Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 34
35 Doppelte Bildungsfunktion Intrasportive Bildungsfunktion: Bildung im Sport und durch den Sport: o körperlich-vervollkommnende und leistungssteigernde Funktion o handlungsanleitende und handlungsbefähigende Funktion o sozial-kommunikative Funktion o gesundheitsfördernde Funktion o kompensierende Funktion Extrasportive Bildungsfunktion: Allgemeine, übergreifende Menschenbildung durch den Sport. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 35
36 Konzeption des Machbaren Diese Konzeption zeichnet sich in hohem Maße durch innere Schlüssigkeit (Stringenz, Konsistenz) aus und ist vor allem in einem gesellschaftlich-historischen Umfeld gereift, das nachhaltig die Grunderfahrung belegt, daß die Institution Schule nicht zur revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft geeignet ist und daß an der Institution Schule keine Erziehung neuer Menschen möglich ist. Sie geht auch davon aus, daß über die schulische Bewegungs- und Sportkultur auch keine gravierende Veränderung der gesellschaftlichen Bewegungs- und Sportkultur möglich ist, ganz unabhängig davon, ob das wünschenswert wäre. Insofern nimmt sie in Anspruch, eine realistische, alltagstaugliche pädagogische Konzeption zu sein. (Hummel, 1997, S. 61) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 36
37 Zusammenfassung Klassische Konzepte sehen die Sportarten und die Verbesserung der körperlichen Voraussetzungen als wichtigste Inhalte des Sportunterrichts an. Nicht die Schülerinnen und Schüler mit ihren vielfältigen Interessen und Bedürfnissen, sondern der Sport im Sinne des organisierten Sports steht im Mittelpunkt. Kritische Konzepte orientieren sich an der Bewegung bzw. dem Körper. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 37
38 Didaktische Modelle Theorie der Leibeserziehung Sportorientierte Konzepte Das Intensivierungskonzept Das Sportartenkonzept Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung Sportkritische Konzepte Das Konzept der Bewegungserziehung Das Körpererfahrungskonzept Das Konzept des erziehenden Sportunterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 38
39 Wider die Versportlichung Wenn es nicht gelingt, die Unterschiede des schulischen Sportunterrichts zum außerschulischen Sport deutlicher zu artikulieren, dann liefern wir angesichts der aktuellen schulpolitischen Diskussionen selber die Argumente für eine Verlagerung des Schulsports in Vereine. Und eine solche Fehlentwicklung können wir nur verhindern... durch eine pädagogische Leitlinie für Schulsport (Beckers, 1995, S. 47). Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 39
40 Das Konzept der Bewegungserziehung (Grössing) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 40
41 Begründungen für das Konzept der Bewegungserziehung Der Mensch ist ein kulturell geprägtes und kulturschaffendes Lebewesen Ablösung des zu schmalen Sportbegriffes und Zuwendung zum zentralen Phänomen Bewegung Veränderte Lebenswelt der Kinder erfordert eine andere Form der Bewegungserziehung Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 41
42 Straßensport 1955 Quelle: FAZ vom 15. Februar 2014 Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 42
43 Konsequenzen aus der veränderten Lebenswelt der Kinder Prinzip der Vielseitigkeit (Vielfalt der Bewegungskultur muss sich im Unterricht spiegeln) Prinzip der Mitweltlichkeit (ökologische Perspektive) Prinzip der Anstrengung (kein Erfolg, aber auch kein Spaß ohne Anstrengung) Prinzip der Regionalität (Schwingen; kulturelle Globalisierung Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 43
44 Prinzip der Regionalität Schwingen Camogie und Hurling Hornussen Schweizer Ringkampf Irisches Schlagballspiel Schweizer Schlagballspiel Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 44
45 Didaktische Modelle Theorie der Leibeserziehung Sportorientierte Konzepte Das Intensivierungskonzept Das Sportartenkonzept Das Konzept der körperlich-sportlichen Grundlagenbildung Sportkritische Konzepte Das Konzept der Bewegungserziehung Das Körpererfahrungskonzept Das Konzept des erziehenden Sportunterrichts Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 45
46 Das Konzept der Körpererfahrung (Funke) Thematisierung der Körpererfahrung als Reflex auf den Mangel an körperlichen Herausforderungen im Alltag Impulse und Anregungen aus dem therapeutischen Bereich (z. B. Bioenergetik, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung; Feldenkrais) Siehe auch: Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 46
47 KÖRPERERFAHRUNG (BODY EXPERIENCE) Die Gesamtheit aller Erfahrungen mit dem eigenen Körper. K ÖRPERSCHEMA (BODY SCHEME) Der neurophysiologische Teilbereich der Körpererfahrung Körperorientierung Die Orientierung am und im eigenen Körper Körperausdehnung Das Einschätzen von Größenverhältnissen sowie der räumlichen Ausdehnung des eigenen Körpers. Körperkenntnis Die faktische Kenntnis von Bau und Funktion des eigenen Körpers K ÖRPERBILD (BODY IMAGE) Der psychologisch-phänomenologische Teilbereich der Körpererfahrung Körperbewusstsein Die psychische Repräsentation des eigenen Körpers im Bewußtsein Körperausgrenzung Das Erleben der Körpergrenzen Körpereinstellung Die Gesamtheit der auf den eigenen Körper gerichteten Einstellungen (Bielefeld, 1986) Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 47
48 Lernziele Bau und Funktion des eigenen Körpers und seiner Teile erkennen und erfahren, rechts und links sowie Berührungsreize am eigenen Körper lokalisieren und erfahren, Ausmaße des eigenen Körpers und seiner Teile angemessen einschätzen und erfahren, den eigenen Körper in verschiedenen Ruhelagen wahrnehmen und erfahren, den eigenen Körper in unterschiedlichen Bewegungen wahrnehmen und erfahren, den eigenen Körper als Ganzes und in seinen Teilen durch aktives An- und Entspannen wahrnehmen und erfahren. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 48
49 Bedeutung Sportunterricht: Phasen des Gestaltwandels, in denen der Körper als Fremdkörper wahrgenommen wird Sporttherapie: Körperdysmorphobien (Anorexia nervosa) Leistungssport: Unterstützung der Regeneration, Achtsamkeit Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 49
50 Zusammenfassung Klassische Konzepte sehen die Sportarten und die Verbesserung der körperlichen Voraussetzungen als wichtigste Inhalte des Sportunterrichts an. Die kritischen Konzepte sehen die Ausschließlichkeit, mit der das Sportive in den Mittelpunkt gerückt wird, als Mangel an und sehen die Bewegung und den Körper als zentrale Aspekte einer Bewegungskultur an. Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 50
51 Weiterführende Literatur Bielefeld, J. (1986). Zur Begrifflichkeit und Strukturierung der Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper. In J. Bielefeld (Hrsg.), Körpererfahrung (S. 3 35). Göttingen: Hogrefe. Funke, J. (1987). Über den didaktischen Ansatz der Körpererfahrung. In D. Peper & E. Christmann (Hrsg.), Zur Standortbestimmung der Sportpädagogik (S ). Schorndorf: Hofmann. Grössing, S. (1995). Bewegungskultur durch Bewegungserziehung statt Handlungsfähigkeit im Sport durch Sporterziehung. In A. Zeuner, G. Senf & S. Hofmann (Hrsg.), Sport unterrichten. Anspruch und Wirklichkeit (S ). Sankt Augustin: Academia. Hummel, A. (1997). Die Körperlich-Sportliche Grundlagenbildung immer noch ak-tuell? In E. Balz & P. Neumann (Hrsg.), Wie pädagogisch soll der Schulsport sein (S )? Schorndorf: Hofmann. Hummel, A. (2000). Schulsportkonzepte zwischen totaler Rationalisierung und postmoderner Beliebigkeit. sportunterricht, 49, Hummel, A., & Balz, E. (1995). Sportpädagogische Strömungen Fachdidaktische Modelle Unterrichtskonzepte. Auf dem Weg zu einer fachdidaktischen Landkarte. In A. Zeuner, G. Senf, & S. Hofmann (Hrsg.), Sport unterrichten. Anspruch und Wirklichkeit (S ). Sankt Augustin: Academia. Söll, W. (1995). Sportunterricht ohne Sportarten? Plädoyer für ein richtig verstandenes "Sportartenkonzept". In A. Zeuner G. Senf & S. Hofmann (Hrsg.), Sport unterrichten. Anspruch und Wirklichkeit (S ). Sankt Augustin: Academia. Söll, W. (2000). Das Sportartenkonzept. sportunterricht, 49, 4 8. Stiehler, G. (1966). Methodik des Sportunterrichts. Berlin: Verlag Volk und Wissen. Stiehler, G. (1973). Methodik des Sportunterrichts. Berlin: Sportverlag. Stiehler, G. (1973). Methodik des Sportunterrichts. Berlin: Sportverlag. Wydra, G. (2008). Qualitative und quantitative Aspekte des Sportunterrichts. Unveröffentlichtes Manuskript ( Wydra, G. (2009). Belastungszeiten und Anstrengung im Sportunterricht. sportunterricht, 58, Prof. Dr. Georg Wydra Sportwissenschaftliches Institut der Universität des Saarlandes 51
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