Ronja Räubertochter. Die Protagonisten:

Transkript

1 Heinrich-Heine-Universität WS 2001/02 TPS: Verfilmung von Kinder- und Jugendliteratur Dozenten: Britta Dersch-Freese, Erik Horn Referentin: Sabine Ciechowski Ronja Räubertochter Spielfilm, Schweden/Norwegen 1984 Regie und Produktion: Tage Danielsson Drehbuch: Astrid Lindgren nach ihrem gleichnamigen Kinderroman 126 Minuten, Farbe, FSK: ab 6, Altersempfehlung ab 7 Ronja, die Räubertochter ist, ebenso wie die literarische Vorlage, ein Film über die Liebe, die Konflikte überwindet, aber auch über Natur und Gewalt, die das Gute und Böse realer und utopischer Welten in brutalen und bezaubernden Bildern beschreiben. Ein ehrlicher Film, der zu einem lebensbejahenden Frühlingsschrei animiert... Die Protagonisten: Ronja (Hanna Zetterberg): Im Buch als krausköpfiges und dünnes Mädchen illustriert, wirkt Ronja im Film mit ihren blitzenden Augen und offenem Lächeln selbstbewusster und stärker. Ihre glatte Haarmähne erinnert an die der Wildpferde. Sie erscheint naiv und erfahren zugleich, mit einem Sinn für Humor und Gerechtigkeit und entwickelt zum Ende des Films eine gewisse Weiblichkeit. Birk (Dan Hafström):Birk ist ein schlauer und aufgeweckter Räubersohn. Ronjas anfänglichen Egoismus begegnet er mit Verstand und Ironie. Er akzeptiert Ronja als gleichwertig und handelt wie sie gutmütig. Gleichzeitig erscheint er stur und stürmisch, wie ein Mann oder Räuber eben sein sollte. im Buch schlaksig und groß, wirkt Birk im Film eher klein mit krausem Haar und kräftiger Statur Mattis (Börje Ahlstedt): Mattis wirkt stark und gefährlich, ein wilder dreckiger Räuber. Die große Figur und ungehobelten Ausdrücke und Aktionen lassen ihn wie einen echten Räuber wirken, wäre da nicht die sensible und emotionale Seite und die große Liebe zu seiner Tochter, die ihn schließlich zur Vernunft bringt. Ronja braucht ihn nur anzulächeln und sein Herz schmelzt dahin Lovis (Lena Nyman):Lovis ist die gute verlässliche Mutter, die mit ihrer sanften und oft starken Stimme Harmonie ins Burgleben bringt Wolfslied. Sie ist selbstbewusst und fast emanzipiert und doch bleibt sie im Hintergrund; sie akzeptiert Mattis und sein Räuberdasein und nimmt es gleichzeitig nicht ernst. 1

2 "Bilder habe ich eigentlich immer im Kopf, und wenn ich ein Drehbuch schreibe, steht links das, was im Bild passiert, und rechts steht, was die Menschen sagen, und so geht es weiter" - Astrid Lindgren So fängt das Buch sowie der Film mit dem Bild von der Mattisburg an, die am Abend von Ronjas Geburt von einem Gewitterblitz geteilt wird: ein Symbol für die Veränderungen im Leben der Räuber, die durch Ronja eingeführt werden. Der Ort des Geschehens...Liebe, Gewalt und Natur kommen hier zusammen... Aber nichts war mehr so wie sonst Muss es denn unbedingt mit Blutvergießen geschehen, müssen denn alle umkommen, eh ihr zufrieden seid? Gibt es denn keinen anderen Weg? Gewalt Räubergeschichte von Freundschaft, Treue und Mut. Von fröhlichen Festen und derben Ausdrücken, von grotesken Kämpfen bis zum gewalttätigen Menschenraub, Gewalt wird realistisch dargestellt, wirkt jedoch nie logisch und wird durch Ironie verharmlost siehe Kampfszene zwischen Mattis und Borka. Ronja als Sinnbild der Anti-Gewalt Bewegung und der anti-autoritären Erziehung. Es war kaum zu glauben wahr und wahrhaftig, es gab große Bäume und große Gewässer, und alles war voller Leben, musste man da nicht lachen? Natur unberührt und wild, voller Schönheit und Lebenskraft bietet der Wald für Ronja Zuflucht, gleichzeitig ist er voller Gefahren, die in Graugnomen, Rumpelwichten und den grausamen und anmutigen Wilddruden sichtbar werden Ambivalenz von Tier und Mensch: Ronja als Gewitternachtkind und Drudennachtkind respektiert beides: das Schöne und Gefährliche Leben in Harmonie mit der Natur bringt die reale und utopische Welt näher aneinander Diese Gefahren werden nicht allein durch die Bilder und den Anblick der Waldwesen transportiert, sondern werden durch unheimliche Geräusche, Musik und Stimmen unterstützt. Der Film lebt nicht zuletzt von den hervorragenden, märchenhaften Naturdarstellungen. 2

3 Es ist so, dass wir ohne einander nicht mehr auskommen können Liebe Familie und Freundschaft, Verständnis und Vertrauen bieten Ronja Geborgenheit und Sicherheit sowie die Möglichkeit zur Selbstständigkeit der Ablösungsprozess von Mattis mächtiger Vaterliebe wird von dem Romeo und Julia Vergleich intensiviert: Ronja und Birk verlassen und vereinen schließlich die beiden (Burg-) Seiten und integrieren Frieden, Toleranz und Respekt in das Räuberleben. Der Regisseur: Der Filmproduzent und Regisseur Tage Danielson wurde am in Linköping, Östergötland in Schweden geboren. Nachdem er seinen Phil. Mag. in Uppsala absolviert hatte, arbeitete er ab 1955 für das schwedische Radio gründete er die Aktiengesellschaft "Svenska Ord" (schwedische Wörter), die unter anderem auch Fernsehsendungen produzierte. In enger Zusammenarbeit mit Hans Alfredson hat Tage Danielson der schwedischen Unterhaltungsbranche, nicht zuletzt dem Film, eine neue Dimension gegeben. Intelligente Gesellschaftssatire war dabei seine große Stärke. Ronja, die Räubertochter war sein letzter Film, aber auch der erste, für den er das Filmmanuskript nicht selbst geschrieben hatte. Tage Danielson starb Die Kritiken: Das filmische Werk Astrid Lindgrens umfasst 46 Kinofilme und zehn TV-Serien. Meist wurden die Drehbücher von ihr selbst geschrieben. Lindgren wirkte bei den Dreharbeiten mit und war immer am Set anwesend in wieweit sie an der Produktion beteiligt war, weiß ich leider nicht. Aber da der Film eine so große Ähnlichkeit mit dem Buch hat, denke ich, dass sie schon ein Mitbestimmungsrecht hatte z.b. bei den castings etc. Laut Filmförderungsanstalt (FFA) hatte Ronja, die Räubertochter insgesamt Besucher. Während die Kritiken für Ronja, die Räubertochter in Deutschland fast durchweg positiv ausfielen Lindgren steht eben für pädagogisch wertvoll, unterhaltsam und intelligent, ihre Bücher sind in Deutschland wie nirgendwo sonst beliebt ( Verleihung des Freudesnpreises des Deutschen Buchhandles 1978 ), waren in Schweden selbst nur ganz wenige Kritiken überwiegend positiv. Als eine von vielen kritisierte Britta Svensson (Expressen), dass der Film mit zwei Stunden Länge "mindestens eine halbe Stunde zu lang" sei. Die vielen ermüdenden Räuberepisoden ließen einen Sinn vermissen und seien für die Geschichte vollkommen unerheblich, schreibt sie weiter. Fast einhellig kritisiert wurden auch die Dialoge der beiden Kinderdarsteller. Sie seien zu literarisch und würden nicht den Eindruck einer alltäglichen, kindlichen und natürlichen Sprache vermitteln, schrieb Elisabeth Sörenson (Svenska Dagbladet). Siehe: Dialog mit Mattis als Ronja zum ersten mal in den Wald aufbricht. Und was mache ich, wenn ich in den Fluss falle? Dann schwimmst du! Dann ist ja 3

4 gut spiegelt tatsächlich nicht unbedingt die Unterhaltung zwischen Vater und seiner ca 8 Jahre alten Tochter...allerdings ist beides: sowohl der Film als auch das Buch Fiktion. Tage Danielson zugute gehalten wurde aber immer wieder in diesem Zusammenhang, dass nicht er, sondern Astrid Lindgren das Manuskript geschrieben hatte, und dass es für ihn keineswegs leicht gewesen wäre, an ihren Text zu kürzen und zu ändern. Positiv bewertet wurde in der Regel die Musik. Elisabeth Sörenson (Svenska Dagbladet) schrieb: " Es gibt auch eine Menge, worüber man sich freuen kann. Dazu zähle ich die Musik von Björn Isfält, zu der die Räuber tanzen und spielen und sich schlagen." Die Kampfszene zwischen Mattis und Borka wirkt im Gegensatz zum Buch im Film gar nicht so gewalttätig und gefährlich. Mit Musik und Komik untermalt wirken die kämpfenden Räuber albern und kindlich. Wie die so niedlich dargestellten Waldbewohner, die im Buch eher Angst machen, aber im Film süß und fast knuddelig wirken, eben schön anzusehen sind. > der Film war ab 6 Jahren freigegeben, um eben eine breite Masse von Kindern anzuziehen...weshalb das wilde und bedrohliche Räuberleben wahrscheinlich etwas weniger gefährlich und eher albern und süß dargestellt wird. Und Carl-Eric Norberg kommentierte: " In erster Linie ist es ein Film, der Freude macht. Wir werden eingeladen zu frohen Wanderabenteuern und trollischer Waldpoesie. Wir sehen nackte Räuber beim Winterbad und hören leicht satirische Ehestreite. Wir treffen das Licht des Frühlings und den Traum des Friedens." Einiges von Lindgrens Aussage, die von Kritikern, Literaten, Psychologen oder Pädagogen interpretiert wurde, scheint beim Film von den gewaltig schönen Bildern verdrängt. Mit den natürlichen und in jeder Hinsicht bezaubernden Bildern vom Räuberleben in der mächtigen Mattisburg, von niedlichen und unheimlichen Waldbewohnern, die mit Liebe zum Detail lebendig gemacht werden, und von ehrlichen und realistischen Charakteren, erzählt der Film die Geschichte von Ronja so authentisch, dass man sich fast in dem dichten Waldnebel verirren und Lindgrens Moral übersehen könnte, die wie in ihren anderen Werken fast nebensächlich erscheint: Niemals Gewalt. Aber dann ist Lindgren nie sehr offensichtlich und hält nicht viel von schwarz-weißen Sichtweisen... Bei der Vorstellung von Ronja Räubertochter äußerte sich Astrid Lindgren 1981 vor Journalisten: Ihr fragt immer soviel danach, was ich meine und was dahintersteckt. Wisst ihr, ich werde euch mal etwas sagen. Ich denke überhupt nicht so viel. Ich denke gar nicht. Ich schreibe einfach. (...) Das Einzige, worauf ich zu hoffen wage ist, dass meine Bücher den Kindern vielleicht ein wenig zu einer menschenfreundlichen, lebensbejahenden und demokratischen Einstellung verhelfen. 4

5 Quellen: Astrid Lindgren Rezeptionen aus der Bundesrepublik, Rudolf Wolff Astrid Lindgren, Sybil Gräfin Schönfeldt Astrid Lindgren Im Land der Märchen und Abenteuer, Vivi Edström Astrid Lindgren, Margareta Strömstedt Filmrezensionen: 5