Durch ein neues Testverfahren sollen Frauen bestimmen können, wie hoch ihr Risiko ist, an einem Tumor zu erkranken Von Thomas Gabrielczyk
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1 1 von : Jan. 2014, 9:47 Diesen Artikel finden Sie online unter Die Welt Durch ein neues Testverfahren sollen Frauen bestimmen können, wie hoch ihr Risiko ist, an einem Tumor zu erkranken Von Thomas Gabrielczyk Je früher Brustkrebs erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Vorsorgeuntersuchungen dienen deshalb dem Ziel, Tumore so früh wie möglich aufzuspüren. Ein neuer Test setzt noch zeitiger an. Er soll Frauen, die noch gar nicht erkrankt sind, Auskunft darüber geben, ob sie ein erhöhtes Brustkrebsrisiko haben. Anerkannte Früherkennungsprogramme wie die Mammographie zielen darauf ab, den Brustkrebs möglichst früh in seiner Entstehung zu erkennen. Doch laut Krebsinformationsdienst hat die zweijährliche Röntgenuntersuchung für Frauen mit altersbedingt erhöhtem Brustkrebsrisiko auch ihre Tücken. Nach den "Kennzahlen Mammographie", einer Modellrechnung des Dienstes aus dem Jahr 2010, werden 50 von 1000 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren nach verdächtigen Mammographie-Befunden eine Gewebeprobe entnommen, die sich dann aber als unauffällig herausstellt. Die durch solche falsch-positiven Untersuchungsergebnisse ausgelösten Ängste und Sorgen hängen lange nach, selbst wenn sie sich im Nachhinein als unbegründet erweisen, sagt Professor Anton Scharl, einer der führenden Brustkrebsexperten in Deutschland (Link: Deshalb wäre ein Test sinnvoll, der hilft,
2 2 von :47 Frauen mit niedrigem Brustkrebsrisiko vorab auszusortieren und nicht in Sorge zu versetzen, sagt der Chefarzt am Klinikum St. Marien in Amberg. Ein Vorhersagetest, der helfen soll, Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko zu erkennen, noch bevor überhaupt ein Tumor entstanden ist, steht Ärzten seit Januar 2014 zur Verfügung. Er misst die Konzentration von Proneurotensin im Blutplasma von Frauen einer Vorstufe des im Blut schnell zerfallenden Sättigungshormons Neurotensin. Ist die Proneurotensin- Konzentration auf nüchternen Magen erhöht, steigt auch die Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken. Normalerweise erkrankt jede achte Frau in Deutschland an Krebs, pro Jahr insgesamt Bei Frauen mit hohem Proneurotensin-Spiegel ist das Risiko mehr als doppelt so hoch als bei solchen mit niedriger Konzentration des Hormons. Mit dem Test wollen die Entwickler des Tests von der Firma Sphingotec in Hennigsdorf bei Berlin (Link: eine deutliche Verbesserung der Risikoeinstufung erreichen. Denn für die 95 Prozent der Frauen, in deren Familie Brustkrebs nicht erblich ist, gibt es bisher keinen Vorhersagetest. Schon heute können sie ihr individuelles Erkrankungsrisiko ermitteln lassen. Dazu ermittelt der Arzt einen sogenannten Score, der bekannte Risikofaktoren berücksichtigt. Der Test auf Proneurotensin soll diesen ergänzen. "Proneurotensin zeigt eine erhöhte Anfälligkeit für Krebs, Jahre bevor Tumore entstehen", erklärt Professor Olle Melander von der Universität Malmö. Er hat den Zusammenhang zwischen erhöhter Proneurotensin-Konzentration und Brustkrebs in zwei Studien untersucht. "Diese Ergebnisse belegen, dass anerkannte Risikofaktoren wie das Rauchen, Übergewicht, die Anzahl der Schwangerschaften, der Zeitpunkt der Wechseljahre oder eine Hormon- Ersatztherapie weit weniger Auskunft über die Wahrscheinlichkeit geben, an Brustkrebs zu erkranken, als die Proneurotensin-Konzentration", sagt Sphingotec-Geschäftsführer Andreas Bergmann. Die Ergebnisse der ersten Studie haben Melander und Bergmann bereits im renommierten Fachjournal JAMA veröffentlicht. In dieser untersuchte Sphingotec die Proneurotensin-Konzentration in Blutproben von schwedischen Frauen, die aus der Malmö Diet and Cancer Study (MDC) stammen, die in den neunziger Jahren durchgeführt wurde. Die Messergebnisse gingen zurück an Melanders Team, das nun die "blind"
3 3 von :47 gemessenen Blutkonzentrationen mit den Daten über die nach 15 Jahren Beobachtungszeit aufgetretenen 123 Brustkrebsfälle zusammenführte und statistisch auswertete. Danach ergab sich für die 25 Prozent der Frauen mit dem höchsten Proneurotensin-Spiegel ein 2,4-fach erhöhtes Erkrankungsrisiko. "In dieser Studie hatten wir Blutproben von Frauen im Alter zwischen 40 und 70 Jahren", so Melander. "Um sicherzugehen, dass wir mit Proneurotensin tatsächlich Frauen mit hohem und niedrigem Brustkrebsrisiko unterscheiden können, führten wir im Anschluss eine Bestätigungsstudie durch." Die Ergebnisse der im Dezember 2013 zur Veröffentlichung eingereichten Malmö Preventive Project-Studie mit durchschnittlich um zehn Jahre älteren Frauen, von denen 130 Krebs entwickelten, bestätigen diesen Befund. "Das Viertel der Frauen mit den höchsten Proneurotensin- Blutspiegeln zeigte gegenüber den 25 Prozent der Frauen mit niedriger Blutkonzentration sogar eine neunfach höhere Erkrankungswahrscheinlichkeit", sagt Melander. Den stärkeren Effekt bei den älteren Frauen erklärt er damit, dass diese "näher am Krebs" waren. Sie entwickelten durchschnittlich bereits nach drei Jahren Tumore. "Bisher ist der Test für weiße, europäische Frauen erprobt, die älter als 50 Jahre sind," erklärt Bergmann. "Wissenschaftlich sind noch sehr viele Fragen offen. Deshalb führen wir in Europa und den USA (Link: zahlreiche weitere Studien durch." Allein in diesem Jahr erwartet der Mitgründer der 2009 für 330 Millionen Euro verkauften Diagnostikfirma Brahms, Ergebnisse aus drei weiteren Untersuchungen: "In zwei Studien geht es darum zu belegen, dass Proneurotensin auch bei US-amerikanischen Frauen eine erhöhte Anfälligkeit für Brustkrebs anzeigt. Noch im Januar erwarten wir die Auswertung einer Studie, die zeigen soll, dass sich mit Proneurotensin auch die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls vorhersagen lässt. Im Rahmen einer länger angelegten Untersuchung in Europa prüfen wir, ob die Proneurotensin-Konzentration steigt, je näher die Krebserkrankung rückt", erklärt Bergmann, der die Studien nach eigener Aussage bisher aus privatem Geld finanziert. "Das Erkennen der Anfälligkeit ist aus unserer Sicht, der größte Hebel um die Zahl der Brustkrebsneuerkrankungen substantiell zu senken." Ob oder für welche Frauen das neue Testangebot sinnvoll ist, darüber gehen die Meinungen von Krebsexperten indes weit auseinander. Aus der Sicht von Chefarzt Scharl deuten die
4 4 von :47 bisher bekannten Studienergebnisse zwar darauf hin, dass man anhand der Proneurotensin- Konzentration Frauen mit höherem Risiko und solche mit niedrigem Risiko tatsächlich unterscheiden kann. Doch hieße dies längst nicht, dass der Test für alle Frauen sinnvoll sei. "Ein Test macht erst dann Sinn, wenn sich daraus eine Handlungsmöglichkeit ableitet", sagt Scharl. "Zum Beispiel lässt sich das Brustkrebsrisko mit den Medikamenten Tamoxifen und Arimidex um rund 50 Prozent senken." Diese seien aber nicht ohne Nebenwirkungen. Deshalb müsse der Einsatz eines Vorhersagetests wohlüberlegt und nur bei Frauen erfolgen, deren Risiko erhöht sei. "Eine Möglichkeit wäre, Marker wie Proneurotensin bei den Frauen zwischen 50 und 70 einzusetzen, die wegen ihres altersbedingt ohnehin erhöhten Brustkrebsrisikos zum Mammographiescreening kommen. Wenn ich nur die Frauen zur Mammographie schicke, die für den Marker auffällig sind, ließe sich die Zahl an Frauen, die sich unnötig Sorgen machen, vielleicht verringern. Auch bei Frauen, die sich fragen, ob sie vorbeugende Medikamente gegen Brustkrebs einnehmen sollen, wäre eine solche Vorauswahl sinnvoll." Als nächsten Schritt empfiehlt Scharl weitere Studien, um den Nutzen von Proneurotensin weiter abzuklären: "Bei Frauen, die zur Mammographie kommen, könnte man den Proneurotensin-Spiegel messen. Dann ließe sich feststellen, ob der Brustkrebs bei Frauen mit hohem Spiegel tatsächlich deutlich häufiger auftritt und das Verhältnis von falschpositiven Befunden und Krebsdiagnosen durch den Test besser wird." Scharls Vorsicht betrifft nicht nur den Proneurotensin-Test. "Wenn ich bei einer Krankheit, die bei einem von tausend Menschen auftritt, nur eine Wahrscheinlichkeit von einem Prozent habe, dass ein Marker zwar erhöht ist, aber der Mensch gesund, dann finde ich zehn Gesunde mit Auffälligkeiten und einen Kranken. Das heißt, selbst ein sehr genauer Marker findet mehr Gesunde als Kranke", rechnet der Onkologe vor. "Darum muss man sich immer fragen, was kann ich im negativen Sinne anrichten. Je höher das Erkrankungsrisiko, desto wahrscheinlicher finde ich wirklich einen Kranken und versetze niemanden unnötig in Sorge." "Es gibt Frauen, die einen solchen Test niemals in Anspruch nehmen werden, und solche, die ihr Risiko kennen wollen," sagt Professor Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik der Technischen Universität am Klinikum rechts der Isar in München (Link: "Ich persönlich würde den Test schon machen
5 5 von :47 wollen und würde dann im Falle des Falles jedes Jahr statt alle zwei Jahre zur Vorsorge gehen. Doch für eine Routineanwendung des Tests fehlt sicher noch der Kontext: Was tue ich bei einem positiven Testergebnis?" Genau daran forscht Kiechle. "Wir überprüfen derzeit an Frauen mit erblich bedingt höherem Erkrankungsrisiko, inwieweit sich die Blutkonzentration von Proneurotensin durch eine Änderung des Lebensstils, also eine bestimmte Ernährung und ein Sportprogramm, verändern lässt." Erste Studiendaten erwartet Kiechle Ende Auch Bergmann räumt ein, dass es für Frauen mit positivem Testergebnis keine wissenschaftlich gesicherten Handlungsempfehlungen gebe. Diese müssten in weiteren Studien erst abgesichert werden. Gleichwohl empfiehlt Bergmanns US-Forschungspartner, der Biomarker-Experte Alan Maisel von der San Diego Medical School, den Test zu benutzen: "Derzeit werden die Proneurotensin-Werte von weiteren Tests aus Folgestudien ausgewertet. Es ist richtig, die anfänglichen Daten auf noch solidere Füße zu stellen. Es wäre aber verkehrt, noch lange zu warten, und den Test nicht anzubieten." Weit weniger optimistisch, dass Proneurotensin die Risikoprognose überhaupt deutlich verbessern kann, ist dagegen der Krebsepidemiologe Professor Rudolf Kaaks vom Deutschen Krebsforschungszentrum: "Man muss wissen, dass sich eine Vervier- bis Versechsfachung des Krebsrisikos nach viel anhört, die Risikovorhersage aber nicht so sehr verbessert, wie man annehmen könnte." Um Frauen mit erhöhtem von solchen mit niedrigem Brustkrebsrisiko sicher abgrenzen zu können, seien Marker erforderlich, die das Krebsrisiko "um das 10-, 20- oder 30-Fache erhöhen". Wissenschaftlich hält Kaaks dagegen den Zusammenhang zwischen der Vorstufe des Sättigungshormons Neurotensin und Krebs für hochinteressant. Neben schon bekannten Mechanismen wie einem erhöhten Östrogenspiegel könnten die Proneurotensin-Werte eine zusätzliche Erklärung für das doppelt so hohe Krebsrisiko übergewichtiger Frauen liefern. Bergmanns Firma arbeitet an einem weiteren Test, er soll das Krebsrisiko anhand des Blutspiegels des Vorhersagemarkers Proenkephalin ermitteln. Kombiniert mit dem Proneurotensin-Test soll er nach Angaben des Unternehmens ein mehr
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