Gerechtigkeit in der liberalen Demokratie: John Rawls
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2 Gerechtigkeit in der liberalen Demokratie: John Rawls Dr. phil. Jörg Schaub Lehrstuhl für internationale politische Theorie und Philosophie (Goethe Universität Frankfurt/M). Eine Frage der Gerechtigkeit. Verteilung im Sozialstaat Tutzing, 12. Dezember 2009
3 Gerechtigkeit in der liberalen Demokratie: John Rawls / Dr. Jörg Schaub Übersicht Teil I Beantwortung der Frage, warum uns der in freiheitlichen Gesellschaften bestehende Pluralismus religiöser und säkularer Weltbilder nötigt, nur solche Gerechtigkeitskonzeptionen zu berücksichtigen, die sich gegenüber allen als freie und gleiche Bürger verstandenen Personen rechtfertigen lassen. Teil II Vorstellung der von Rawls favorisierten Gerechtigkeitsauffassung und Erörterung der Fragen, wie er diese Gerechtigkeitskonzeption rechtfertigt und warum er sie für die vernünftigste erachtet.
4 Teil I: Die Herausforderung des Pluralismus
5 Teil I: Die Herausforderung des Pluralismus Übersicht: Teil I 1. Zwei Modelle der Demokratie 2. Der Pluralismus als Problem 3. Zur Vernünftigkeit des Pluralismus 4. Politische Gründe als gemeinsame Grundlage
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7 Übersicht: Teil II 1. Die geteilten Interessen freier und gleicher Bürger 2. Die Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien hinter dem Schleier des Nichtwissens 3. Die beiden Prinzipien der Gerechtigkeit 4. Faire Chancengleichheit 5. Das Differenzprinzip 6. Politischer Pluralismus 7. Die Familie vernünftiger politischer Gerechtigkeitskonzeptionen 8. Sind Rawls Prinzipien tatsächlich die vernünftigsten?
8 ad 1) Die geteilten Interessen freier und gleicher Bürger Bürger besitzen zwei höherrangige moralische Interessen: Erstens, das Interesse ihren Gerechtigkeitssinn auszuüben und auszubilden. Zweitens, ein Interesse daran, eine Konzeption des Guten auszubilden und erfolgreich zu verfolgen
9 ad 2) Die Wahl der Gerechtigkeitsprinzipien hinter dem Schleier des Nichtwissens Symmetrisch zueinander positionierte TreuhänderInnen der höherrangigen moralischen Interessen freier und gleicher Bürger wählen im Urzustand Gerechtigkeitsprinzipien hinter einem Schleier des Nichtwissens Fairness des Wahlprozesse überträgt sich auf die gewählten Prinzipien
10 ad 3) Die beiden Prinzipien der Gerechtigkeit 1. Das Freiheitsprinzip: Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist, und innerhalb dieses Systems wird der faire Wert der gleichen politischen (und nur der politischen) Freiheiten garantiert.
11 ad 3) Die beiden Prinzipien der Gerechtigkeit 2. Das Chancenprinzip und das Differenzprinzip: Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen: erstens müssen sie mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offenstehen, und zweitens müssen sie sich zum größtmöglichen Vorteil der am wenigsten begünstigten Gesellschaftsmitglieder auswirken.
12 ad 4) Faire Chancengleichheit Faire Chancengleichheit besteht in einer Gesellschaft, wenn alle Bürger, die über vergleichbare Talente und eine vergleichbare Bereitschaft verfügen, diese auszubilden und in die soziale Kooperation einzubringen, ähnliche Chancen haben, Ämter und Positionen zu bekleiden, die mit sozio-ökonomischen Vorteilen wie Macht und höherem Einkommen verbunden sind.
13 ad 5) Das Differenzprinzip Das Differenzprinzip fordert sozio-ökonomischen Ungleichheiten zwischen Bürgern nur dann zuzulassen, wenn diese zum maximalen und absoluten Vorteil der schlechter gestellten Bürger ausfallen. Ungleichverteilungen gelten also nur dann als gerecht, wenn sie erstens den Grundgüter-Index und damit die Lebensaussichten der Schlechtergestellten (verglichen mit einem Zustand der Gleichverteilung) absolut verbessern, und wenn diese Ungleichheiten zweitens so organisiert werden, dass sie den Grundgüteranteil der Schlechtergestellten maximieren.
14 ad 6) Politischer Pluralismus Rawls räumt ein, dass gleiche Berücksichtigung der grundlegenden Interessen von Bürgern, wie sie der Urzustand nahelegt, nicht die einzige vernünftige Interpretation bürgerlicher Gleichheit darstellt. Zugleich besteht er aber darauf, dass jede Auffassung bürgerlicher Gleichheit, die für sich reklamiert, vernünftig zu sein, zumindest die grundlegenden Interessen aller freien und gleichen Bürger auf angemessene Weise zu berücksichtigen hat.
15 ad 7) Die Familie vernünftiger politischer Gerechtigkeitskonzeptionen Vernünftige politische Gerechtigkeitskonzeptionen besitzen folgende Hauptmerkmale: (1) Sie garantieren bestimmte, aus demokratischen Verfassungsstaaten bekannte Grundrechte und -freiheiten sowie formale Chancengleichheit. (2) Sie räumen diesen Rechten, Freiheiten und Chancen einen besonderen Vorrang gegenüber anderen Ansprüchen und Zielen (zum Beispiel der Beförderung des allgemeinen Wohls) ein. (3) Sie sorgen dafür, dass alle Bürger über eine angemessene Ausstattung mit Allzweckmitteln verfügen, die es ihnen ermöglicht, von ihren Freiheiten, Rechten und formalen Chancen einen sinnvollen und wirksamen Gebrauch zu machen.
16 ad 8) Sind Rawls Prinzipien tatsächlich die vernünftigsten? Argument über Gewährung der sozialen Grundlagen der Selbstachtung: Rawls zählt Selbstachtung zu den Grundgütern, weil er annimmt, ein Mangel an Selbstachtung habe gravierende Konsequenzen für das Vermögen von Personen, eine Konzeption des Guten zu entwickeln und zu verfolgen. Selbstachtung hat nach Rawls zwei Aspekte: (a) Selbstwertgefühl und (b) Selbstvertrauen. ad (a) Das Selbstwertgefühl bezeichnet»die sichere Überzeugung«vom eigenen Wert und die Vorstellung, dass der»eigene Lebensplan [ ] wert ist, verwirklicht zu werden«(theorie der Gerechtigkeit: 479). ad (b) Unter Selbstvertrauen versteht Rawls das»vertrauen in die eigene Fähigkeit, seine Absichten, soweit es einem möglich ist, auszuführen«(ebd.).
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