Eine explorative Analyse der Zusammenarbeit zwischen Veterinärämtern und Staatsanwaltschaften bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz
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- Karsten Fiedler
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1 Eine explorative Analyse der Zusammenarbeit zwischen Veterinärämtern und Staatsanwaltschaften bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz Amelie Buhl, Sonia Starosta Seite Tierschutzfälle 0 Angela vor Gericht Bergschmidt September KTBL-Tage 2017, Hüttenberg 2015
2 Gliederung 1. Fragestellung 2. Methodik 3. Ergebnisse 4. Weiterer Forschungsbedarf Seite 1
3 Ausgangspunkt der Untersuchung Aus Sicht der Veterinäre eindeutige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz werden von den Justizbehörden (Staatsanwaltschaften, Richter) nicht als solche gesehen und nicht strafrechtlich verfolgt. Es existieren auf nationaler bzw. Bundesland-Ebene keine Angaben darüber: wie viele von Veterinärämtern angezeigten Verdachte auf eine Straftat von Staatsanwaltschaften zur Anzeige gebracht werden wie viele Fälle von Gerichten eingestellt oder freigesprochen werden Keine quantitative Analyse möglich Seite 2
4 Methodenwahl Fokusgruppendiskussionen Geringe Kenntnis des Themengebiets erschwert Formulierung präziser Fragen keine schriftliche Befragung sondern Interviews (offene Fragen) In Gruppen motivieren einzelne Teilnehmer durch ihre Berichte andere dazu über ihre Erfahrungen zu berichten Gruppendiskussionen Fokusgruppen= strukturierte Gruppendiskussion um Meinungen und Erfahrungen zu einem bestimmten Thema zu erfahren (Kühn und Koschel, 2011) Die Intention von Fokusgruppen ist nicht hochrechenbare Daten zu liefern sondern Zusammenhänge zu verstehen und die Reichweite zu bestimmen (Krueger und Casey, 2009) Seite 3
5 MV BB SH SN TH ST BY BW SL NRW HE NI Qualitative Methode: Fokusgruppendiskussionen Gruppendiskussion 1 Gruppendiskussion 2 Gruppendiskussion 3 Gruppendiskussion i Staatsanwälte X X X? Veterinärbehörden X X X? Staatsanwälte X X X? Veterinärbehörden X X X? Staatsanwälte X X X? Veterinärbehörden X X X? Staatsanwälte X X X? Veterinärbehörden X X X? Gruppendiskussionen fanden 2014 in Kassel statt Audioaufnahmen wurde transkribiert und ausgewertet Darstellung der Ergebnisse in Form von Focusgroup Illustration Maps (Pelz, Schmitt, Meis 2004) Seite 4
6 Veterinärämter und Staatsanwaltschaften Diskussion Veterinäre Teilnehmer Diskussion Staatsanwälte Teilnehmer Hessen Veterinärämter Staatsanwaltschaften* Nordrhein- Westfalen Niedersachsen * ohne Generalstaatsanwaltschaft Quelle: Veterinärämter: Bundesverband der beamteten Tierärzte e. V. (2014), Staatsanwaltschaften: Bundesamt für Justiz (2013). Seite 5
7 Untersuchungsfragen Was ist entscheidend dafür, dass dem Verdacht auf eine Straftat des Veterinärs nachgegangen wird? Veterinäramt meldet Verdacht auf Straftaat Wann kommt es zu einer Verurteilung? Staatsanwaltschaft nimmt an Staatsanwaltschaft stellt ein Aus welchen Gründen werden Verfahren durch den Richter eingestellt? Richter stellt ein Richter verurteilt Richter spricht frei Welche Faktoren beeinflussen das Strafmaß? Strafmaß entspricht den Vorstellungen a) des Veterinärs b) der Staatsanwaltschaft anderes Strafmaß Aus welchen Gründen werden Verfahren eingestellt? Was sind klassische Gründe für Freisprüche? Warum wird das Strafmaß nicht ausgeschöpft, den Empfehlungen nicht gefolgt? Seite 6
8 Ergebnisse: die Sicht der Veterinäre (1) Verständlich Empathieerzeugend Umfassend, ausführlich (1) Gute Unterlagen des Veterinäramtes Knapp und präzise Persönlicher Kontakt, häufige Gespräche Feste Ansprechpartner Kompetenz durch Erfahrung Schwerpunkt- Staatsanwaltschaft Gründe für Anklage-Erhebung durch die Staatsanwaltschaft (3) Motivierte und kompetente Staatsanwaltschaft Emphatische Staatsanwälte (2) Gute Kommunikation zwischen Veterinäramt und Staatsanwaltschaft Empathie nicht notwendig, aber Engagement Seite 7
9 Ergebnisse: die Sicht der Veterinäre (2) Formfehler Unzureichende Unterlagen Einstellung, damit Schreibtisch wieder frei wird der Veterinärämter der Staatsanwaltschaften (1) Schlechte personelle Ausstattung Gründe für eine Einstellung durch Staatsanwaltschaft Andere wichtigere Arbeitsgebiete (Mord, Totschlag etc.) Tierschutz wird als Rechtsbereich nicht ernst genommen (3) Geringes Fachwissen Keine Kenntnisse, wann ein Tier Schmerzen hat (2) Geringes Interesse, andere Prioritäten Seite 8
10 Ergebnisse: die Sicht der Staatsanwaltschaften Fehlende Informationen (Veterinäre setzten zu viel Fachwissen voraus) Dokumentation zu umfangreich (1) Mängel in den Unterlagen der Veterinärämter Wenig Fachverstand Arbeitsüberlastung Mangelnde Empathie Gründe für eine Einstellung durch Staatsanwaltschaft (2) Geringes Engagement der Staatsanwaltschaft Mangelnder Tatverdacht Seite 9 (3) Inhaltlich-juristische Einschätzungen Kein Vorsatz nachweisbar Niedriges Verschulden Keine objektive Zurechenbarkeit Schuldunfähigkeit des Verantwortlichen/Täters
11 Gemeinsame Schlussfolgerungen von Veterinären und Staatsanwälten Hauptgründe für Ablehnung von Verfahren durch Staatsanwaltschaften und Richter: Staatsanwälte und Richter, die wenig Engagement für und Interesse am Tierschutz haben, Geringe Fachkenntnisse der Staatsanwälte und Richter (sowohl hinsichtlich spezifischer Tierschutzgesetze, als auch der Bedürfnisse und dem Schmerzempfinden von Tieren) und die schlechte personelle Ausstattung der Staatsanwaltschaften und Richter (Arbeitsüberlastung) sowie der Veterinärämter (Mängel in Gutachten und Dokumentation). Seite 10
12 Empfehlungen der Veterinäre und Staatsanwälte für eine bessere Ahndung von Verstößen gegen das Tierschutzgesetz Verbesserter Informationsaustausch zwischen Veterinärämtern und Justiz Wissensaufbau bei den Juristen (Kenntnisse über EU-Verordnungen, Bedürfnisse und Schmerzempfindung bei Tieren) Konzentration der Tierschutzstraffälle auf Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften und Schwerpunkt-Richter Positionierung der Tierschutzgesetze aus dem Nebenstrafrecht ins Strafgesetzbuch Erhöhung des Strafrahmens Strafbarmachung von Fahrlässigkeitsdelikten Seite 11
13 Nach Abschluss der Studie gewonnene Erkenntnisse & weitere Empfehlungen von Veterinären und Staatsanwälten Vereinheitlichung der Erfassung von relevanten Befunden durch Veterinäre Bessere Ausbildung der Veterinäre hinsichtlich rechtsfester Erfassung (z.b. Zuordnung zum Stall, zum Einzeltier, zu einer spezifischen Person) Tierschutz zählt zu den Umweltstrafsachen. In einigen Bundesländern werden Umweltstrafsachen in Spezialdezernaten bearbeitet (z.b. BW, ST). Das erlaubt Spezialisierung und geht in Richtung Schwerpunktstaatsanwaltschaft Weiterer Vorschlag einer Anpassung des Rechtsrahmens: auch den Versuch eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz strafbar machen Seite 12
14 Weiterer Forschungsbedarf Quantitative Informationen Zur Anzeige gebrachte Tierschutzstraffälle Von der Staatsanwaltschaft angenommene und abgelehnte Fälle (inkl. Angabe der Ablehnungsgründe) Eingestellte, freigesprochene, verurteilte (inkl. Angabe des Strafmaßes) Qualitative Informationen Informationen über Zusammenarbeit Veterinäre Justiz in andern Bundesländern, weitere Informationen zu NRW, HE und NI Einschätzungen der Richter Seite 13
15 Herzlichen Dank! Seite 14
16 Backup: Weitere Ergebnisse (Richter) Thünen-Institut für Betriebswirtschaft Seite Magdeburg KTBL-Tage 2015
17 Ergebnisse: die Sicht der Veterinäre Mangelhafte Klagebegründung Staatsanwaltschaft Unerfahrene Gutachter, im Prozess verunsichert Mangelhafte Klagebegründung Veterinäramts Zu umfangreiche Akten (1) Schlechte Unterlagen Gründe für eine Einstellung, Freispruch durch Richter (3) Mangelnde Fachkenntnisse der Richter Mord und Vergewaltigung wichtiger (2) Mangelndes Interesse des Richters am Thema Tierschutz Personelle Engpässe Nehmen nicht an Fortbildungen/Informationsaustausch teil Kennen zwar noch Hund und Katze, aber keine Nutztiere Seite 16
18 Ergebnisse: die Sicht der Staatsanwaltschaften Richtern sind viele tierschutzrechtliche Verordnungen nicht bekannt (1) Wenig Sachverstand vorhanden Mangelnde Gerichtserfahrung der Gutachter Wissenschaftliche Relativierungen vor Gericht kontraproduktiv Gründe für eine Einstellung, Freispruch durch Richter (2) Schwächen in der Unterstützung durch das Veterinäramt (4) Geringer juristischer Stellenwert von Tierschutzgesetzen (3) Verzögerte Bearbeitung Tierschutz-Straffälle sind Bagatelldelikte vergleichbar mit einer Beleidigung Seite 17
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