Zyklus von Ixodes ricinus (4-6 Jahre)

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1 Zur Verbreitung und Abundanz von Zecken und ihrer Vektorkapazität für humanpathogene Erreger unter dem Vorzeichen des Klimawandels am Beispiel des Bienwaldes Dr. Ulrich Matthes Rheinland-Pfalz Kompetenzzentrum für Klimawandelfolgen

2 Zyklus von Ixodes ricinus (4-6 Jahre)

3 Georeferenzierte Fundorte von Zeckenarten Humanpathogene Relevanz: Ixodes ricinus (Gemeiner Holzbock) zunehmend Zeckenarten aus warm-trockenen Klimaregionen Verschiebung mediterraner Bedingungen nach Norden Auwaldzecke Schafzecke Holzbock Quelle:

4 Wie hängen Klimawandel, Zecken und übertragene Krankheiten zusammen? Klimawandel potenziell positiv für Entwicklung von Zecken und Wirtstieren weitere Ausbreitung nach Norden (Skandinavien) und in größere Höhenlagen (über 1100 m ü. NN im Tschechischen Riesengebirge) direkter Klimawandeleinfluss auf Zecken und Krankheiten unsicher

5 Wie hängen Klimawandel, Zecken und übertragene Krankheiten zusammen?

6 Bis 2100 wird es wärmer und in der Vegetationszeit trockner Temperatur Jahr Niederschlag Vegetationszeit

7 Zeckenprojekt I Zeckenfang 2011 und x pro Monat im Kreis Birkenfeld und im Saar-Pfalz-Kreis an je 8 Standorten Molekularbiologische Analysen auf Anaplasmen, Borrelien und FSME Entomologische Bestimmung auf Art und Stadium Anaplasmen Borrelien FSME-Virus

8 Fangergebnis Birkenfeld und Saar-Pfalz-Kreis 2011: 1804 Zecken 2012: 2110 Zecken 3914 Exemplare des Holzbocks (Ixodes ricinus) FSME, Borreliose, Ehrlichose 1 Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) 15 Exemplare bei Untersuchung im Bienwald Hunde-Malaria (Babesiose) vor Jahren noch Rarität in Deutschland an Flussläufen (Überschwemmungen)

9 Fangergebnis und Erregerprävalenz 1000 Fänge/Erregerprävalenz Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz Saarland Saarland Summe Zecken FSME Borrelien Anaplasmen Etwa jede 5. Zecke trug Borrelien in sich, jede 20. Zecke war mit Anaplasmen infiziert, jede Zecke war mit FSME (nur in 2011) belastet.

10 Zeckenprojekt II Verbreitung und Abundanz von Zecken im Bienwald und Vektorkapazität für humanpathogene Erreger unter dem Vorzeichen des Klimawandels (KIT Karlsruhe) I. Drag-Sampling (Abflaggen der Bodenvegetation): April Mai 2012 Lebensraumtypen: Wald, Waldrand, Wiese II. Kleinsäugeruntersuchung III. Zeckenbefall auf Rehen und Wildschweinen IV. Zeckenbefall auf Schafen Untersuchungszeitraum: März 2012 Oktober 2012 Untersuchung von 20 Lämmern auf Zeckenart, -stadium und Erreger (Borrelien, Rickettsien, Coxiellen (Q-Fieber!))

11 Verbreitung und Abundanz von Zecken am und im Bienwald 289 Wildtiere (107 Rehe, 182 Wildschweine) untersucht Zecken: n=621 (in Mitteleuropa bis zu 360 Ex./100 m²; im Nationalpark Bayer. Wald 0-2, angrenzend 12,4) Prävalenz: Rehwild hoch kompetenter Blutwirt: 48,6 % (im Mittel 7 Zecken) Wildschwein: 3,8 % (im Mittel 1,3 Zecken) Borrelien: 2% (nur bei Rehwild), Rickettsien: 36% keine Erreger in den Tieren nachweisbar (Verdünnungswirte) ganzjährige Aktivität und Paarung von Zecken auf Wildtieren positiver Zusammenhang zwischen Rehwilddichte und Zecken Erstfund einer kürzlich neu beschriebenen Art (Ixodes inopinatus) aus warm-trockenen Klimaregionen

12 Verbreitung und Abundanz von Zecken am und im Bienwald

13 Verbreitung und Abundanz von Zecken am und im Bienwald Aktivität auch oberhalb 35 C möglich, wenn Mikroklima passt

14 Verlängerte Zeckensaison? DWD-Station Kaiserslautern Aktivitätstage Wohlfühltage

15 Klimawandel und Zecken Mögliche positive Effekte des Klimawandels auf die Zeckendichte und -verteilung in allen Monaten Aktivität möglich (bei allerdings starken Schwankungen je nach Jahr) Summe der Tage 6 C (=Aktivitätsbeginn) steigt Anstieg von Wirtstierpopulationen (z.b. häufigere Mäusemassenvermehrungen) Frühjahrs- und Herbstgipfel stärker ausgeprägt (bimodaler Rhythmus) Mögliche negative Effekte des Klimawandels auf die Zeckendichte und -verteilung Aktivitätsrückgang aufgrund von mehr Tagen >> 25 C (>30 C?) Begünstigung von natürlichen Gegenspielern Zunahme extremer Witterung: Hitze/Trockenheit mit Sättigungsdefizit, Nässephasen, Überschwemmung Sommerloch stärker ausgeprägt neue Zeckenarten: Auwaldzecke, Ixodes inopinatus

16 Landnutzung und Zeckenvorkommen auf beweideten Flächen: deutlich weniger Zecken und Zecken 5-mal seltener mit Borrelien infiziert als auf Kontrollflächen Risiko für Borrelien-Infektion auf Weiden 54-fach geringer Wiederkäuer: nicht empfänglich für Erreger befreien Zecken von Erregern

17 Fazit untersuchte Zecken trugen für den Menschen gefährliche Krankheitserreger Prävalenz erregerspezifisch: Borrelien 20%, Anaplasmen 5%, FSME 0,1% kein einfacher Zusammenhang zwischen Klima und z.b. Borreliose- Inzidenz - Klimawandel beeinflusst indirekt Erregerprävalenz Zeckendichte und ihre Prävalenz mit Erregern hängen auch ab: von der Art der Landnutzung (Laub-Mischwälder, Brachflächen) und vom Vorkommen unterschiedlicher Wirtstiere

18 Schalenwild Zecken - Borreliose DJV: Müssen wir mehr Rehe jagen, um das Risiko von Lyme-Borreliose zu senken? Professor Matuschka: Niemals, denn eine massive Reduktion der Rehe würde sofort das Risiko für die öffentliche Gesundheit erhöhen! Und zwar, weil unzählige Jugend- Stadien der Zecken, die sonst an Rehen saugen und keinen Erreger erwerben oder ihn sogar verlieren, wenn sie infiziert waren, jetzt an Wirten saugen müssten, die bekannt sind als Borrelien-Reservoir etwa Nager und Vögel. Dadurch würde der Anteil infizierter Zecken drastisch steigen. Rehe wirken zweifach positiv, einmal lenken sie die Zecken davon ab, auf geeigneten infizierten Wirten zu saugen, und zweitens befreien sie infizierte Zecken, die an ihnen saugen, von ihrer infektiösen Fracht. Je höher die Schalenwilddichte, desto geringer das Infektionsrisiko. Es sei absurd, überhöhte Bestände von Reh- oder Rotwild für ein angeblich erhöhtes Infektionsrisiko verantwortlich zu machen.

19 Anlass für Prüfung und Bewertung Bitte an die FAWF: Prüfung der Aussagen auf Seriösität und wissenschaftlichen Gehalt Kernfragen: 1) Auf welcher Datengrundlage basieren die Aussagen? 2) Wie groß ist der angesprochene Ablenkungseffekt durch Rehe? 3) Bei welchen Schalenwilddichten ist ein Effekt gegeben? 4) Sind Rehe in der Lage, Zecken von Borrelien zu befreien?

20 Zyklus von Ixodes ricinus (4-6 Jahre) N=3000 gesichert: Schalenwild ist Wirt für alle Zeckenstadien Schalenwild befreit Zecken von Borrelien und unterbricht Borrelien-Zyklus positiver Zusammenhang Reh- und Zeckendichte keine Borrelienübertragung auf die nächste Generation unsicher: Rolle von Schalenwild für unterschiedliche Zeckenstadien Ablenkungseffekt (bei welchen Wildtierdichten?)

21 Argumentationslinien befragter Experten Expertengruppe 1 Expertengruppe 2 Hohe Huftierdichten mindern Borreliosegefahr ( Zooprophylaxe, dilution ) Komplexität der Wirt Vektor Erkrankung Beziehung bislang unterschätzt hohe Relevanz von Schalenwild für alle Zeckenstadien (Schorfheide, Südwest Irland) aufgrund Lebensweise Erkenntnisse bei Weidetieren (Kraichgau, Madeira) auf Wildtiere übertragbar Mehr Schalenwild fördert Borreliosegefahr Multiplikatoren für Zeckenpopulation und Verbreitung Reservoirwirte steuern Nymphendichte und damit Zeckenpopulation Warum so viele Krankheitsfälle und warum Befallsrate bei Nymphen so hoch? Einigkeit: Bedarf an sauberen, großflächigen und mehrjährigen Feldexperimenten Bewertung FAWF/RLP KK: Untersuchungen ohne genaue Dichtenangaben Hinweise auf Borrelienbefreiung bei (sehr) hohen Huftierdichten (Weidetiere, Gatterwild) für Waldlebensräume indiskutabel pauschale Aussagen aufgrund von Indizienketten Bewertung FAWF/RLP KK: Übersehfehler (Larven und Nymphen) bei makroskopischem Absammeln groß Rolle Schalenwild unklar Nur mündliche Hinweise: Endauswertung/Publikation steht noch aus

22 Forschungsbedarf Wissenschaftlich fundierte Positionsbestimmung derzeit nicht möglich (Datengrundlage unzureichend, Untersuchungen nicht vergleichbar, nur Indizienketten) fundierte Literaturauswertung gut designte Feldexperimente (mit und ohne Faktor Huftiere, über mindestens 5 Jahre, mehrere Hektar pro Plot) Einfluss Landnutzung und Lebensraumtyp Rolle unterschiedlicher Wirtstiere (Reservoirwirte und Verdünnungswirte) Schalenwild: Borrelienbefreiung contra Zeckenverbreitung? Einfluss Klimawandel

23 Klimawandel Folgen Anpassung Handlungsfeld Gesundheit Filmbeitrag von Landesforsten: Zecken eine große Bedrohung in Zwergengestalt?