Berthold Huber Erster Vorsitzender der IG Metall. Entwurf Einweihung und Schlüsselübergabe Sprockhövel Am 9. September 2011

Transkript

1 Berthold Huber Erster Vorsitzender der IG Metall Entwurf Einweihung und Schlüsselübergabe Sprockhövel Am 9. September 2011 Sperrfrist Redebeginn Es gilt das gesprochene Wort!

2 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept Lieber Guntram Schneider, verehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, jede Zeit hat ihre gewerkschaftliche Bildungsarbeit aber eines hat sich kaum verändert: Die hohe Wertschätzung, die die Bildungsarbeit in der IG Metall genießt. Das möchte ich bei diesem Anlass noch einmal bekräftigen! Diese Wertschätzung der Bildung galt schon für den Vorgänger der IG Metall, den Deutschen Metallarbeiter Verband. Schon damals entwickelte sich eine professionelle Bildungsarbeit. Sie begann mit zahlreichen Broschüren oft didaktischen Meisterwerken in denen Gewerkschaften für ihre Forderungen warben. Auf den zahlreichen gewerkschaftlichen Versammlungen gehörten Vorträge und Diskussionen zur Alltagskultur. Dadurch wuchs das Bedürfnis nach zusammenhängender, systematischer Bildung. Schließlich, kurz vor dem ersten Weltkrieg wurden zum ersten Mal Lehrkräfte für die Bildungsarbeit fest angestellt. Das waren Wanderlehrer, die von Verwaltungsstelle zu Verwaltungsstelle zogen, Vorträge hielten und Kurse anboten. Aber der Ruf nach einem festen Ort für Bildung wurde immer lauter. Langfristige Kurse sollten nicht mehr in den Hinterzimmern von Kneipen stattfinden. Erforderlich war eine Einrichtung, die Voraussetzungen für eine planvolle Bildungstätigkeit bot.

3 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept In einem solchen Haus sollte der Geist gewerkschaftlicher Arbeit lebendig erfahrbar sein. Von dort sollte eine Ausstrahlungskraft in die ganze Organisation ausgehen. Das leisten unsere Bildungsstätten bis heute und das wissen wir alle zu schätzen. Der Metallarbeiter Verband konnte sich 1926 als erste Gewerkschaft eine eigene Bildungsstätte schaffen. Sie war in Bad Dürrenberg bei Leipzig beheimatet. Damit besaß der DMV bereits in der Weimarer Republik ein professionelles Bildungswesen. Manches war sicher stark zeitgebunden. So wurden alle Teilnehmenden vor und nach den Kursen gewogen. Die Küche setzte ihren ganz Ehrgeiz daran, den Gästen möglichst viel auf die Rippen zu schaffen. Heute würde man eher das Gegenteil als Erfolg feiern. Aber damals war eben in Arbeiterfamilien zumeist der Schmalhans Küchenmeister. Am Ende der Weimarer Republik versuchte der DMV, eine Antwort auf die neuen Massenmedien zu finden. Es wurde mit Filmen experimentiert und die neuen Möglichkeiten illustrierter Zeitschriften ausprobiert. Diese hoffnungsvolle Entwicklung wurde von der Naziherrschaft brutal zerstört. Danach war Bildungsarbeit nur noch im kleinsten Kreis möglich, bei Gefahr für Leib und Leben. Seitdem hat die Bildungsarbeit ein entscheidendes Ziel: Dass sich so etwas nie wiederholen soll!

4 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept Nach dem zweiten Weltkrieg stand der Aufbau von Bildungsstätten ganz oben auf der Agenda der neugegründeten IG Metall. Nach einigen provisorischen Vorläufern konnten bereits 1950 in Lohr und Dortmund zwei Bildungsstätten eröffnet werden. Jede Zeit hat ihre gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Jetzt ging es vor allem darum, eine neue Generation von betrieblichen und politischen Funktionsträgerinnen und trägern heranzubilden, die den Wiederaufbau der Gewerkschaft bewältigen sollten. In den sechziger Jahren, als die Planung für Sprockhövel anlief, hatte die IG Metall ein anderes Problem: Es herrschte Vollbeschäftigung, die Tarifabschlusse waren gut, aber die Zahl der Mitglieder blieb hinter dem Beschäftigungsaufbau zurück. Der Organisationsgrad sank. Daher engagierte sich die Bildungsarbeit stark in der Mitglieder- und Organisationsentwicklung. Die IG Metall baute die betriebsnahe Bildungsarbeit auf. Schwach organisierte Unternehmen wurden systematisch für die Gewerkschaft gewonnen. Ähnlich wie das heutige Organizing. Sprockhövel sollte das logistische Zentrum für diese Arbeit sein. Es war ein mutiges Unternehmen Mitte der sechziger Jahre, ein so großes Bildungszentrum zu planen. Ein deutliches politisches Signal das bedrückende politische Klima am Ende der Adenauerära. Ein Zeichen von Selbstbewusstsein und Entschlossenheit der IG Metall, sich gegen widrige politische Verhältnisse zur Wehr zu setzen.

5 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept Heinz Dürrbeck, damals für Bildung zuständiges Geschäftsführendes Vorstandsmitglied und Hans Matthöfer, seinem Abteilungsleiter, gelang es, Otto Brenner für dieses Projekt zu gewinnen. Brenner war ein leidenschaftlicher Parteigänger der Bildungsarbeit. Er war auch bereit, die hohen Kosten in Kauf zu nehmen. Nach dreijähriger Bauzeit konnte das Bildungszentrum1971 fertig gestellt werden. Auch heute setzen wir mit dem Neubau ein Zeichen: Ein Zeichen gegen die herrschende marktradikale Politik. Wir unterstreichen damit unser Engagement für einen Kurswechsel hin zu einem demokratischen, sozial gestalteten und ökologisch verantwortungsbewussten Entwicklungsweg. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach 40 Jahren ist nun ein Neubau notwendig geworden. Ich freue mich, dass wir ihn heute einweihen können. Jede Zeit hat ihre gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Die Finanzmarktkrise hat überdeutlich gemacht, dass wir uns wirtschaftlich in einer Sackgasse bewegen. Die Eurokrise macht uns jeden Tag klar, dass diese Krise nicht zu Ende ist. Von einer Regulierung der Finanzmärkte sind wir weit entfernt. Marktradikales Management setzt die Beschäftigten in vielen Betrieben unter einen gnadenlosen Renditedruck.

6 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept Die soziale Ungleichheit wächst und die Politik verliert an Vertrauen. Verbitterung und Enttäuschung nehmen zu. Sehen wir uns nur die Wahlbeteiligung jetzt in Mecklenburg- Vorpommern an und die Erfolge der Rechtsradikalen bei den männlichen Jugendlichen. Auch die Globalisierung der Produktion schreitet voran und zwingt uns, neue Formen der Interessenvertretung zu entwickeln. Zugleich wachsen die ökologischen Probleme. Dies sind Herausforderungen, denen sich die gewerkschaftliche Bildungsarbeit heute zu stellen hat. Nur eine gut verankerte, mitgliederstarke Gewerkschaft kann sich in diesen Zeiten behaupten. Die Bildungsarbeit für Betriebsräte ist ein umkämpftes Feld geworden, zwischen privaten Anbietern und uns. Ganz wichtig ist es, die neugewählten Betriebsräte gleich in unsere Bildungsarbeit zu integrieren. Hier habt ihr große Anstrengungen unternommen und seid ein ganzes Stück vorangekommen. Das möchte ich hier ausdrücklich anerkennen! Bildungsarbeit beschränkt sich nicht auf die Weitergabe von Wissen. Sie ist ein lebendiger Erfahrungsaustausch zwischen den Beteiligten und ein Ort des Dialoges in der Organisation. Es kommt gerade darauf an, dass die wirklichen Fragen und Sichtweisen der Teilnehmenden zur Sprache kommen und zum Gegenstand der Veranstaltungen werden.

7 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept In den Veranstaltungen kommt viel Erfahrungswissen zusammen. Gute Bildungsarbeit zeichnet sich auch dadurch aus, das sie dieses Wissen in die Organisation zurückgibt. In unserer Bildungsarbeit geht es immer um Haltungen und Werte. Es muss über schwierige Entscheidungssituationen nachgedacht werden. Was sind unsere Maßstäbe, wo wollen wir hin, woran orientieren wir uns? Schließlich ist Bildungsarbeit auch ein Ort der Ermutigung. Zu sehen, dass man nicht mit seinen Problemen alleine steht. Rat und Zuspruch zu bekommen, neue Ideen aufzunehmen, Auswege aus schwierigen Lagen zu finden: All das kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der IG Metall Vorstand hat nicht umsonst viel Geld in die Hand genommen, um diesen Neubau zu ermöglichen. Wir haben das getan, weil wir wissen, dass hier und in den anderen Bildungsstätten an einer zeitgemäßen politischen Bildung gearbeitet wird; dass die Bildungsarbeit sich in der Mitglieder- und Organisationsentwicklung engagiert; dass sie versucht, die privaten Anbieter in der Betriebsrätebildung zurück zu drängen; dass sie die internationale Zusammenarbeit unterstützt; dass sie über Möglichkeiten verfügt, nicht nur Positionen weiterzugeben, sondern den innerorganisatorischen Diskussionsprozess voranzubringen. Darin möchten wir die Bildungsarbeit unterstützen.

8 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept Mit anderen Worten: Die Bildungsarbeit leistet einen wesentlichen, unverzichtbaren Beitrag zur Zukunftsfähigkeit unserer Organisation. Er geschieht eher unspektakulär, eher im Kleinen und ist doch zugleich von großer Tragweite für das Ganze! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ich möchte mich in dieser Stunde bei allen bedanken, die an diesen Neubaubeteiligt waren, die ihn politisch auf den Weg gebracht haben, die ihn geplant haben, die ihn mit ihrer Arbeit errichtet haben die ihn ausgestattet haben, die den Umzug bewältigt haben, die den Lehrbetrieb unter schwierigen Umständen weitergeführt haben, kurzum bei allen, die diese neue Bildungsstätte möglich gemacht und geschaffen haben. Vor Jahren gab es eine große Untersuchung über unsere Bildungsarbeit. Darin hieß es, dass in guten Seminaren die Gewerkschaft quasi noch einmal neu gegründet wird. Gibt es ein höheres Lob für die Bildungsarbeit? Zur Eröffnung der neuen Bildungsstätte möchte ich ganz persönlich dem Haus, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen zukünftigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern viel Glück wünschen und ein frohes Schaffen und dieser Bildungsstätte als

9 Berthold Huber, Einweihung Schule Sprockhövel 9. Sept Ort der Begegnung und des Lernens, des kritischen Denkens und des Genießens eine lange und erfolgreiche Zukunft! Ich danke Euch!