Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Zivilverfahrensrecht und RVG und Gerichtskosten
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- Maike Bruhn
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1 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Zivilverfahrensrecht und RVG und Gerichtskosten zum (inoffiziellen) Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für den Verbraucherschutz für ein Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage Stellungnahme Nr.: 14/2017 Berlin, im Februar 2017 Mitglieder des Ausschusses Zivilverfahrensrecht - Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Hirtz, Köln (Vorsitzender) - Rechtsanwältin Dr. Michaela Balke, Mannheim - Rechtsanwalt Dr. Jochen Bühling, Düsseldorf - Rechtsanwältin Beatrice Deshayes, Paris - Rechtsanwalt Dr. Meinhard Forkert, Koblenz - Rechtsanwalt Dr. Carsten Salger LL.M., Frankfurt - Rechtsanwalt Prof. Dr. Volkert Vorwerk, Karlsruhe (Berichterstatter) - Rechtsanwalt Dipl.-Inform. Dr. jur. Marcus Werner, Köln - Rechtsanwalt Dr. Marcus Wollweber, Köln Zuständig in der DAV-Geschäftsführung - Rechtsanwältin Nicole Narewski, Berlin Deutscher Anwaltverein Littenstraße 11, Berlin Tel.: Fax: dav@anwaltverein.de Büro Brüssel Rue Joseph II Brüssel, Belgien Tel.: Fax: bruessel@eu.anwaltverein.de Transparenz-Registernummer: Mitglieder des Ausschusses RVG und Gerichtskosten - Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Bremen (Vorsitzende) - Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer DEA, Bühl - Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen - Rechtsanwalt und Notar Herbert Peter Schons, Duisburg - Rechtsanwältin Lotte Thiel, Koblenz Zuständig in der DAV-Geschäftsführung - Rechtsanwalt Udo Henke, Berlin
2 - 2 - Verteiler Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Arbeitsgruppe Recht Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag Die Linke-Fraktion im Deutschen Bundestag Vorstand und Geschäftsführung des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende der Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende des FORUM Junge Anwaltschaft Deutsche Anwaltakademie Deutscher Richterbund Deutscher Steuerberaterverband Bundesrechtsanwaltskammer Bundesnotarkammer Steuerberaterverband Deutscher Notarverein Deutscher Gerichtsvollzieher Bund e.v. Redaktion NJW ver.di, Bundesverwaltung, Fachbereich Bund und Länder, Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte
3 - 3 - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit rund Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Kurzzusammenfassung Der Deutsche Anwaltverein äußert sich mit dieser Stellungnahme, obwohl ein offizieller Referentenentwurf des BMJV noch nicht vorliegt. Grund dafür ist, dass der inoffizielle Referentenentwurf seit Anfang Dezember 2016 kursiert und bereits in der (Fach-) Öffentlichkeit Resonanz gefunden hat. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) begrüßt das Vorhaben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), neben dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), das nach derzeitiger Regelung am außer Kraft treten wird, ein prozessuales Instrument zu schaffen, das einen kollektiven Rechtsschutz ermöglicht. Die Instrumente, die der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage (RE) zur Verfügung stellt, werden eine effektive Durchsetzung kollektiver Rechtsschutzinteressen jedoch nicht ermöglichen. Der DAV befürwortet in das bisherige Zivilverfahrensrecht eingebettete Regelungen, die sich am Konzept des KapMuG ausrichten, dessen Schwachstellen beseitigen und damit einen effektiven kollektiven Rechtsschutz schaffen. Dadurch würde auch die Benachteiligung fachkundiger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vermieden, die darin gesehen wird, dass diese anders als Verbraucherorganisationen oder Handelskammern solche Musterverfahren nicht auf den Weg bringen könnten. I. 1. Weil aus Sicht des Geschädigten ein rationales Desinteresse (RE, S. 1) an der Durchsetzung von Schadenersatz- oder Erstattungsansprüchen besteht, die im Einzelfall nur eine geringe Höhe erreichen, will der RE eine Klagebefugnis der in 607 RE qualifizierten Einrichtungen nach 4 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) sowie der Einrichtungen schaffen, die in das Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Art. 4 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
4 - 4 - vom, eingetragen sind (nachfolgend nur: qualifizierte Einrichtungen); ferner: der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern. Klagebefugt sollen mithin die qualifizierten Einrichtungen sowie Körperschaften werden, die schon jetzt in den vom RE angeführten (RE, S. 13) Fällen spezialgesetzlicher Regelung klagebefugt sind. Die Erfahrung lehrt, dass jene qualifizierten Einrichtungen von der Möglichkeit ihrer Klagebefugnis nur in beschränktem Umfang Gebrauch machen; wobei davon lediglich die qualifizierten Einrichtungen ausgenommen sind, die sich mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Versicherungsverträgen und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken und Sparkassen befassen. So weist die größte deutsche Rechtsprechungsdatei (juris) seit Inkrafttreten des 10 UKlaG (2004) lediglich vier Verfahren aus, in denen ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung aus 10 Abs. 1 UWG verfolgt worden ist (LG München 37 O 16359/16, LG Hannover 18 O 36/15, OLG Stuttgart 2 U 58/06, OLG Schleswig 2 U 7/12). Dass von qualifizierten Einrichtungen Verfahren zur Gewinnabschöpfung in den Fällen durchgeführt worden sind, in denen international aufgestellte Unternehmen laut Presseberichten Kartellabsprachen getätigt haben (vgl. etwa FAZ v , FAZ v Mio Bußgeld gg. Nestle; Handelsblatt v Drastische Strafen für deutsche Zuckerhersteller ; Spiegel-online v Thyssen-Krupp muss 88 Mio Bußgeld bezahlen; Handelsblatt-online v Klagewelle überrollt Konzerne ; FAZ v Kartellamt verhängt 660 Mio Bußgeld gegen Zementkartell), obwohl davon auszugehen ist, dass in der Folge jener Absprachen auch eine große Zahl Verbraucher betroffen war, ist nicht ersichtlich. a) Die Gründe dafür, dass die qualifizierten Einrichtungen und auch die Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern von der ihnen durch den Gesetzgeber eingeräumten Klagebefugnis praktisch keinen Gebrauch machen, liegen auf der Hand. aa) Die als Prozessgegner in Betracht kommenden Unternehmen sind in der jeweils aufgestellten örtlichen Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer Mitglied. Die Wahrnehmung der Klagebefugnis wird als Eingriff in die Neutralitätspflicht der Kammern (vgl. dazu OVG NRW, Beschluss v A 2617/08, juris) verstanden. Geht der Rechtsstreit zu Lasten der Kammer aus, wird sie sich dem
5 - 5 - Vorwurf aussetzen, mit ihrem Vorgehen in den freien Wettbewerb eingegriffen zu haben. bb) Die finanzielle Ausstattung der qualifizierten Einrichtungen gestattet es nicht, in Fällen mit erheblicher Breitenwirkung Rechtsstreitigkeiten zu führen. Das ist auch der Grund, weshalb im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Versicherungen und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen vermehrt Verbandsklagen anzutreffen sind. Dort gilt als Regelstreitwert pro angegriffener Allgemeiner Geschäftsbedingung der Betrag von (vgl. etwa BGH, Beschluss v IV ZR 45/15, juris; ähnlich v I ZR 106/14, juris, Tz. 5). Sog. Großschadenereignisse bewegen sich in Höhe mehrerer Millionen Euro; häufig über mehrere 100 Mio und sind selbst unter Deckelung der Gerichts- und Anwaltsgebühren ( 22 III RVG; 34 I GKG) und einer Streitwertbegünstigung, bei der der Streitwert stets im siebenstelligen Bereich liegen wird, von den qualifizierten Einrichtungen nicht mehr finanzierbar. Das Prozesskostenrisiko eines Rechtsstreits mit einem Streitwert von 1 Mio beläuft sich auf ,98 ; bei einem Streitwert von 10 Mio beträgt das Prozesskostenrisiko ,78. Der Bundesverband Verbraucherzentrale weist in seinem Jahresbericht 2015/2016 als Prozesskosten einen Betrag von ,90 für Klagen nach dem UWG und dem BGB aus; im Jahresbericht 2014/2015 sind insoweit ,31 ausgewiesen. Es liegt auf der Hand, dass praktisch keine qualifizierte Einrichtung von der ihr durch 607 RE eingeräumten Klagebefugnis Gebrauch machen kann, um kollektive Rechtsschutzinteressen effektivdurchzusetzen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass bei der Durchsetzung kollektiver Rechtsschutzinteressen, wie durch die Rechtsprechung zum KapMuG geklärt (BGH, Beschluss v XI ZB 12/12, WM 2016, 254, 255, juris, Tz. 8), der wirtschaftliche Wert maßgebend ist, der sich aus der Summe der Einzelwerte aller Betroffenen zusammensetzt. Eine Streitwertvergünstigung wirkt sich also gemessen am Prozesskostenrisiko nicht in der Weise aus, die sich der RE möglicherweise vorstellt. Eine Verbesserung der finanziellen Ausstattung etwa von Verbraucherschutzorganisationen wird vom Entwurf gar nicht erst erwogen.
6 - 6 - b) Der RE betrachtet das rationale Desinteresse der Verbraucher an der Durchsetzung des jeweiligen Individualinteresses; nimmt allerdings nicht in den Blick, ob bei den qualifizierten Einrichtungen und den Kammern, denen die Klagebefugnis verliehen wird, ein rationales Interesse an der Durchsetzung kollektiver Rechtsinteressen besteht. Dass qualifizierte Einrichtungen trotz satzungsgemäßer Aufgabe immer dann wenig Interesse am kollektiven Rechtsschutz verspüren, wenn neben der Klärung von Rechtsfragen auch Tatfragen zu klären sind und damit die Ungewissheit besteht, ob die tatsächliche Grundlage, die den Anspruch erst gewährt, bewiesen werden kann, zeigt wiederum 10 Abs. 1 UWG. Der Anspruch nach 10 Abs. 1 UWG setzt eine vorsätzliche unzulässige geschäftliche Handlung i.s.d. 3 oder 7 UWG voraus. Das ist eine vergleichbare Situation, wie sie 606 RE für die Musterfeststellung voraussetzt. Die i.s.d. 607 RE klagebefugte qualifizierte Einrichtung muss sich, da sie ihre Haushaltsmittel wirtschaftlich einsetzen muss, mithin insbesondere mit der Frage auseinandersetzen, ob die Beweismittel auch dazu führen, um die Voraussetzungen des Bestehens oder Nichtbestehen des Anspruches oder des Rechtsverhältnisses gerichtsfest zu beweisen. Das ist, wie gesagt, auch im Falle des 10 Abs. 1 UWG der Fall. Jene Vorschrift ordnet für den Fall des Prozesserfolgs an, dass der abgeschöpfte Gewinn dem Bundeshaushalt zuzuführen ist ( 10 Abs. 4 UWG). Der Bundeshaushalt für 2015 weist unter dem jeweiligen Titel im Hinblick auf die Gewinnabschöpfung gemäß 10 Abs. 1 UWG Einnahmen lediglich i.h.v. 832,09 (!), im Jahre 2014 i.h.v ,97 (!) und im Jahre 2013 i.h.v ,94 (!) aus. c) Bisherige Erfahrungen zeigen mithin mit nicht zu überbietender Deutlichkeit, dass qualifizierten Einrichtungen, aber auch den Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern, die Wahrnehmung kollektiver Rechtsschutzinteressen in dem Bereich, in dem der RE dies vorsieht, nicht überantwortet werden dürfen. Es spricht vielmehr alles dafür, das Konzept beizubehalten, das dem KapMuG zugrundeliegt. Die gebündelten Individualinteressen sind die treibende Kraft, die dem kollektiven Rechtsschutz hilft und auch in der Zukunft die Durchsetzung des kollektiven Rechtsschutzes garantiert. Dies wird auch aus dem Satzungszweck der qualifizierten Einrichtungen deutlich (vgl. dazu die Veröffentlichung des Bundesamtes für Justiz im Rahmen der Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß 4 UKlaG), der, sofern nicht
7 - 7 - Mieter-Interessen wahrgenommen werden, durchweg die Wahrnehmung der Interessen von Verbrauchern anführt. Die jeweilige qualifizierte Einrichtung muss mithin, will sie für ein kleines Klientel von Verbrauchern tätig werden, sorgfältig abwägen, ob dies die Gesamtinteressen der Verbraucher überhaupt berührt, die nach dem Satzungszweck wahrzunehmen sind. 2. Der RE führt Kostenersparnisse für die Betroffenen im Falle des Inkrafttretens als besonderen Vorteil an. Auch diese Vorstellung widerspricht den im Rahmen des KapMuG gemachten Erfahrungen diametral. a) Die Musterfeststellungsklage klärt, wie auch der RE nicht verkennt (RE, S. 14), nur einzelne Fragen (Vorfragen), die für den Ausgang des individuellen Streits zwischen dem Anspruchsteller einerseits und dem Anspruchsgegner andererseits von Bedeutung sind. Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist geklärt, dass u. a. Feststellungen zur Kausalität zwischen Pflichtwidrigkeit einerseits und eingetretenem Schaden andererseits nicht musterverfahrensfähig sind (BGH, Beschluss v III ZB 97/07, veröffentl. bei juris, juris, Tz. 11; Beschluss v II ZB 15/07, WM 2008, 124 f, juris, Tz. 6). Auch die Höhe des individuellen Schadens ist nicht musterverfahrensfähig. Erreicht der eingetretene Gesamtschaden eine Größenordnung, die der Anspruchsgegner auch unter dem Gesichtspunkt der Lästigkeit einer prozessualen Auseinandersetzung nicht zu zahlen bereit ist, muss auch nach dem Konzept des RE jedes Mitglied des Kollektivs nach Abschluss des Musterfeststellungsverfahrens seinen individuellen Anspruch erneut in einem gesonderten Verfahren klagweise durchsetzen. Die Erfahrung lehrt (vgl. etwa die Auseinandersetzung zwischen der Telekom und deren Aktionäre, BGH AZ XI ZB 12/12 und im zweiten Durchgang des Rechtsbeschwerdeverfahrens AZ XI ZB 24/16), dass Anspruchsgegner auch durch eine im Musterverfahren getroffene Feststellung nicht bewegt werden, einzulenken (sh. dazu Halfmeier/Rott/Feess, Evaluation des Kapitalanleger- Musterverfahrensgesetzes, 2009, S. 51 f; vgl. zudem FAZ v , S. 27 Daimler lenkt nach mehr als 11 Jahren im Fall Schrempp ein ).
8 - 8 - Es erweist sich daher als Illusion, dass durch das RE Individualverfahren vermieden werden können. Der RE verstärkt vielmehr die Frustration über eine vermeintliche Ineffektivität der Justiz bei den Rechtssuchenden durch die Möglichkeit der Anmeldung von Ansprüchen ( 609 RE). Jene Anmeldung weckt in der Person der Anspruchsteller die Vorstellung, mit Abschluss des Musterfeststellungsverfahrens würden ihre Ansprüche befriedigt. Diese Annahme kann durchaus eine Fehlvorstellung sein, wie die Beispiele "Telekom" und "Diesel-Skandal" nahe legen. Angegriffene Unternehmen können die Strategie verfolgen, durch einen Gang durch die Instanzen die einzelnen Anspruchsteller zu zermürben, während sie sich zeitgleich in den USA in Kollektiv- Vergleichen zur Zahlung erheblicher Beträge verpflichten (vgl. Telekom, Diesel- Skandal ), zeigt vielmehr, dass Musterverfahren die Durchsetzung des Anspruches selbst im Individualprozess nicht ersetzen. 3. Die im RE zum Ausdruck kommende Vorstellung, Individualverfahren und die damit verbundene Beteiligung von Anwälten, würden die Prozesskosten für den einzelnen Anspruchsteller in nicht tragfähiger Höhe treiben, ist ebenfalls verfehlt. Das Konzept, das dem KapMuG zugrundeliegt, weist das Musterverfahren dem Verfahren erster Instanz als dessen Teil zu. Es entstehen im Rahmen des Musterverfahrens selbst mithin weder gesonderte Vergütungsansprüche für Anwälte noch gesonderte Gerichtskosten. Entscheiden sich die Anspruchsteller nach den Regeln des KapMuGs, ein Rechtsbeschwerdeverfahren durchzuführen, tragen diejenigen, die sich am Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligen, zwar, wie im Zivilprozess stets, nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen einen Teil oder die vollen Kosten. Eine unerträgliche Kostenbelastung für den Einzelnen entsteht dadurch jedoch, wie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes inzwischen geklärt (BGH, Beschluss v XI ZB 12/12, aao, juris, Tz. 12), nicht. So hatte aufgrund der hohen Zahl der am Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten der Anleger am Telekom-Verfahren Beteiligten ein Anleger, der am Gesamtstreitwert mit einem eigenen Streitwert von 2.565,40 beteiligt war, eine anteilige anwaltliche Vergütung i.h.v. 23,29, ein Anleger, der mit ,59 beteiligt war, eine Vergütung in Höhe von 205,18 und ein Anleger, der mit beteiligt war, eine anteilige Vergütung von 902,33 für die anwaltliche Vertretung im Rechtsbeschwerdeverfahren zu zahlen. Das sind Beträge, die weit, weit unter denen liegen, mit denen der RE die Kostenersparnis des RE darzulegen
9 - 9 - versucht. Da die Regeln des KapMuG für den Fall der Kostenerstattung, also für den Fall des Unterliegens des am Rechtsbeschwerdeverfahren Beteiligten, eine Begrenzung des Kostenerstattungsanspruches auf die eigene Beteiligung am Gesamtstreitwert vorsieht ( 26 Abs. 1 KapMuG), ist auch im Falle des Unterliegens mit keiner weit über die angeführten Beträge hinausgehenden Kostenbelastung zu rechnen. 4. Auch soweit es das Kosteninteresse angeht, den der RE in den Vordergrund stellt, sind gegenüber dem Konzept des KapMuG folglich keine erheblichen Kostenentlastungen für die streitenden Parteien zu erwarten. Die vorhersehbare Ineffizienz des Musterfeststellungsverfahrens nach den Regelungen des RE lässt vielmehr befürchten, dass der auf das KapMuG eingespielte Anwaltsmarkt, in dem die Abrechnung auf der Grundlage des RVG stattfindet, durch einen Markt verdrängt wird, in dem Prozessfinanzierer gegen eine Beteiligung von 35 % des erstrittenen Erfolgs die Durchsetzung der Interessen der betroffenen Verbraucher versprechen (vgl. dazu Neue Klagen in Abgasaffären, FAZ v , Online-Ausgabe, Stichwort VW- Abgas-Skandal ; Streit um hohe Kartengebühren, FAZ v , S. 23; Drohgebärde aufgebaut, FAZ v ). II. Erweist sich schon unter diesen Gesichtspunkten der RE nicht reif für die Umsetzung in ein Gesetzesvorhaben, gilt das zudem für einzelne Regelungen, für die schon jetzt absehbar ist, dass der Streit über Verfahrensfragen nach Inkrafttreten des Gesetzes den Streit in der Sache selbst verdrängen wird. 1. Das KapMuG sieht vor, durch Entscheidung des im Musterverfahren zur Entscheidung berufenen Oberlandesgerichtes auf Antrag einer Partei den Kanon der im Musterverfahren zu klärenden Feststellungsziele zu ergänzen ( 15 KapMuG). Diese Vorschrift ist sinnvoll und verfahrensfördernd, weil sich durch im Laufe des Verfahrens erlangte Erkenntnisse neue, klärungsbedürftige Fragen ergeben können; wenngleich insoweit überdacht werden muss, wie einer Verfahrensverschleppung vorgebeugt
10 werden kann. Der RE sieht eine entsprechende Regelung nicht vor; der Entwurf betont vielmehr, dass die allgemeinen Regeln des Zivilverfahrensrechts (ZPO) Anwendung finden (RE, S. 14). Folge davon ist, dass die Verspätungsvorschriften vom Musterfeststellungsverfahren eingreifen, was die abschließende Klärung streitentscheidender, musterverfahrensfähiger Fragen behindern wird. 2. Die Regelung des 609 Abs. 1 Nr. 5 RE verlangt für die Anmeldung von Ansprüchen der Rechtsverhältnissen die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des Anspruches oder des Rechtsverhältnisses. Die Norm richtet sich zwar mit dieser Formulierung an gängigen Formulierungen der ZPO aus. Wie die entsprechenden Voraussetzungen individuell ausgefüllt werden müssen, erschließt sich dem Laien jedoch nicht. Der im KapMuG vorgesehene ( 10 Abs. 2 Satz 3 KapMuG), im RE jedoch erfolgte Verzicht auf den Anwaltszwang im Rahmen der Anmeldung von Ansprüchen wiegt den Laien in der Idee, er könne seine Worte so formulieren, wie dem Volk der Schnabel gewachsen ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Anforderungen der Konkretisierung des Anspruchs im Güteverfahren (BGH, Urt. v III ZR 198/14, BGHZ 206, 41, 48 f, juris, Tz. 20 ff), wird den Anmelder alsdann aus den Träumen reißen, weil jene Rechtsprechung Anforderungen stellt, die der normale Verbraucher nur mit Hilfe eines Anwalts erfüllen kann. 3. Da nur der Anwalt, der die klagebefugte qualifizierte Einrichtung oder die in 607 Nr. 2 RE erwähnte Kammer vertreten hat, das Verfahren in seinen Einzelheiten kennt Abs. 3 RE für Betroffene ausgeschlossen, wird sachgerechter objektiver Rat bei der Entscheidung, ob der Anmelder eines Anspruchs seinen Austritt aus dem Vergleich erklären will ( 312 Abs. 5 Satz 1 RE), nicht erteilt werden können. Der Umstand, dass der Vergleich der Genehmigung durch das Gericht bedarf ( 612 Abs. 3 RE) hilft in diesem Zusammenhang nicht. Um den Vergleich zu befürworten, bedarf es der Kenntnis des Verfahrens. Die Genehmigung durch das Gericht beruht auf der, jedem außenstehenden Dritten verschlossenen, Kenntnis des Verfahrens. Der Anmelder eines Anspruchs wird mithin bei seiner Entscheidung, ob er aus dem Vergleich austreten oder ihn akzeptieren will, hilflos allein gelassen.
11 Streitwertminderung ist ein vom Gesetzgeber gern gehandhabtes Instrument, um die finanzielle Belastung qualifizierter Einrichtungen, die von ihrer Klagebefugnis Gebrauch machen, zu reduzieren. Deutlich machen sollte sich der Gesetzgeber, wenn er von diesem Instrument Gebrauch macht, allerdings auch, dass anstelle von David nur noch ein Hänfling gegen Goliath kämpft. Der in Anspruch genommene Anspruchsgegner verfügt in der Regel über die finanzielle Kraft, die es ihm ermöglicht, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um den Anspruch abzuwehren. Außer der qualifizierten Einrichtung, die von ihrer Klagebefugnis Gebrauch macht, muss auch der sie vertretende Anwalt die Wirtschaftlichkeit seines Tuns ins Kalkül ziehen. Der Rückgriff auf Instrumente, die die Kostenbelastung der qualifizierten Einrichtungen in Grenzen halten soll, schwächt mithin in Wahrheit die Stellung der Anspruchssteller, die im Kollektiv, wie dies auf der Grundlage der Regeln des KapMuGs der Fall ist, eine wesentlich höhere Finanzkraft entwickeln können, als chronisch unterfinanzierte qualifizierte Einrichtungen je in der Lage sind. 5. Die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung ( 19 RVG-E) über die Anrechnung der für die Anmeldung angefallenen Gebühr hat zur Folge, dass der Anwalt, der zunächst einen beschränkten Auftrag zur Anmeldung des Anspruches zum Klageregister erhält, die dafür erhaltene Gebühr nach Nr VV RVG sich im nach dem Musterfeststellungsverfahren nach Jahren anschließenden Individual-Rechtsstreit (sh. oben II 2 a) anrechnen lassen muss. Das ist schlicht nicht einsehbar, weil sich der Anwalt nach Jahren erneut in die Angelegenheit einarbeiten muss. Eine Regelung, die ausdrücklich klarstellt, dass keine Anrechnung vorzunehmen ist, erscheint vielmehr interessengerecht. 17 RVG-E Verschiedene Angelegenheiten Verschiedene Angelegenheiten sind xx. die Anmeldung einer Forderung zum Klageregister ( 609 ZPO) und ein späteres Verfahren aufgrund der gerichtlichen Feststellung nach 613 ZPO oder eines darauf gerichteten Vergleichs nach 612 ZPO; Damit käme klar zum Ausdruck, dass es sich um zwei verschiedene Tätigkeiten handelt, die gesondert zu vergüten sind.
12 Warum das Gesetz 24 Monate nach seiner Verkündung und der Bereitstellung der Haushaltsmittel in Kraft treten soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Motive versprechen eine Entlastung auch der Gerichte (RE, S. 14). Es reicht daher die Umschichtung von Haushaltsmitteln, wenn überhaupt in einem anderen Haushaltstitel Haushaltsmittel benötigt würden. Die Regel über das Inkrafttreten legt vielmehr nahe, dass das BMJV die Eignung eines Gesetzes nach dem Konzept des RE für Großschadenereignisse, wie sie etwa im Rahmen des Diesel-Skandals festzustellen sind, selbst in Frage stellt. Im voraussichtlichen Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes werden Ansprüche, die sich insoweit schon jetzt abzeichnen, nämlich verjährt sein.
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