Alisa Tennenbaum D_FICHES_2 - copie.indd /07/ :17
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- Katharina Walter
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2 Anschluss: nennt man die Annektierung Österreichs durch Hitlerdeutschland und die Erweiterung des deutschen Reichs, im März Die österreichische Armee bejubelt den Einmarsch der deutschen Truppen. Seitdem erlebt man, von Seiten der Autorität aber auch der Zivilbevölkerung, Gewalttaten an den Juden. Kristallnacht : in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 stürzen sich die Nazis, unter dem Vorwand der Ermordung eines Legationssekretärs der deutschen Botschaft in Paris, Ernst von Rath, durch einen jungen jüdischen Polen, in ein gigantisches Pogrom (Gewalttaten, Plünderungen und Mord an den Juden) im ganzen Reich, besonders in den großen Städten, aber auch in Österreich. Im Ganzen werden hunderte von Menschen getötet, Juden werden verhaftet und in die bestehenden Konzentrationslager deportiert, 280 Synagogen werden verbrannt, 7500 Geschäfte geplündert und die jüdische Gemeinschaft wird mit 1 Milliarden Reichsmark besteuert, um den Schaden zu bezahlen. Palästina: bis 1947 bezeichnet man als Palästina das Gebiet zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer, das seit dem ersten Weltkrieg unter englischer Verwaltung stand, wo jüdische und arabische Bevölkerungen leben. Im November 1947 wird dieses Gebiet, durch eine Abstimmung der UNO, in zwei Staaten aufgeteilt. Diese Aufteilung wird von den Vertretern der arabischen Bevölkerung abgelehnt. Was den israelischen Staat angeht, so wird er am 14. Mai 1948 ausgerufen. Heute bezeichnet man als Palästina die Gebiete des Westjordanlands und des Gazastreifens, wo eine arabische Bevölkerung lebt, die die Schaffung eines palästinensischen Staats anstrebt. Ich heiße Alisa. ich bin am 3. September 1929 in einer traditionellen jüdischen Familie in Wien geboren. Meine Schwester Myriam war damals 7 Jahre alt. Mein Vater Mosche Scherzer war in Österreich geboren und meine Mutter Edith in Galizien, im Süden Polens. Meine Eltern hatten ein Geschäft für Hülsenfrüchte. Wir waren nicht reich aber wir litten keinen Mangel. Ich bin in eine gemischte Schule gegangen, mit Juden und Christen. Zum Zeitpunkt des Anschlusses, am 12. März 1938, war ich in der Schule. Alle jüdischen Kinder sind von der Schule verwiesen worden. Ende Mai 1938 ist eine Schule für jüdische Kinder eröffnet worden, aber am 10. November, einen Tag nach der Kristallnacht, hat die Schule geschlossen. Das war sehr gefährlich, alle Kinder sind nach Hause gegangen. Am selben Tag ist eine Frau gekommen, um uns von der Verhaftung meines Vaters zu informieren. Zehn Tage später haben wir von Papa eine Karte aus dem Lager Dachau bekommen. Alle Juden haben versucht ein Visum für Palästina zu bekommen, aber nur 60 Jugendliche haben eines erhalten. Meine Schwester wollte auch wegfahren. Meine Mutter war zuerst dagegen, hat ihr dann aber einen Koffer mit allem Nötigen für ihre Abreise gekauft. Myriam hat Österreich am 7. Januar 1939 mit einer Gruppe Jugendlicher verlassen können. Am 27. Januar 1939 hat die Schule für jüdische Kinder wiederaufgemacht. Ich war im Unterricht als eine Nachbarin gekommen ist, um mir zu sagen, dass mein Vater aus Dachau befreit worden war. Ich bin nach Hause gelaufen. Ich habe meinen Vater nicht wiedererkannt. Er saß auf dem Bett und weinte. Sein Kopf war kahl geschoren. Papa hatte drei Monate, um Osterreich zu verlassen und durfte nur einen einzigen Koffer mitnehmen. Dank eines Briefes unserer Angehörigen, die in Kanada lebten, hat Papa ein Visum für Großbritannien bekommen. Am 13. April 1939 hat er mit anderen Gefangenen aus Dachau den Zug genommen. Sie sind in einem ehemaligen Militärlager in der Nähe der Stadt Kent untergebracht worden. Papa hat versucht, uns, Mama und mich, nach Großbritannien nachkommen zu lassen. Mama hat mich in einen Kindertransport eingeschrieben. Am 22. August 1939 habe ich den letzten Zug genommen, der Österreich vor dem Krieg verlassen hat. Mama ist in Österreich geblieben. Wir waren 600 Kinder. In London hat man uns in einem großen Amphitheater versammelt. Ich habe in der Menge, die gekommen war, um die Kinder abzuholen meinen Vater gesucht, aber er war nicht da. Am Ende blieben nur ich und ein kleiner Junge übrig. Man hat mir ein paar Worte um den Hals gehängt: Richtung New Castle. Ich habe allein den Zug genommen. Ich habe die ganze Fahrt über geweint. Ich hielt ein Deutsch- Englisches Wörterbuch in der Hand. Ein Priester und eine Frau die Deutsch sprachen, haben mich beruhigt und mir geholfen am richtigen Bahnhof auszusteigen. Zwei jüdische Frauen, die sich um die Flüchtlingskinder kümmerten, erwarteten mich bei meiner Ankunft. Sie haben mich in ein Mädchenpensionat gebracht. Wir waren in drei Gruppen aufgeteilt: die Großen, die Mittleren und die Kleinen. Ich war eine Mittlere. Zwei Tage nach meiner Ankunft bin ich in die Schule gegangen. Die Lehrerin hat mir sehr geholfen. Kindertransport: seit der Kristallnacht am November 1938 entstehen in mehreren
3 Ländern Komitees, um zu versuchen, die jüdischen Kinder zu retten. Kindertransporte fahren aus der Tschechoslowakei, aus Deutschland und Österreich ins Vereinigte Königreich, nach Schweden und Frankreich ab. Ghetto: Stadtviertel, in die man die Juden zwingt sich einzuquartieren, um sie vom Rest der Bevölkerung zu isolieren. Die Juden können nicht frei aus dem Ghetto herauskommen, das von Mauern oder Stacheldraht umgeben und von der Polizei bewacht wird. Sie leben dort unter sehr schwierigen Bedingungen, leiden an Krankheiten und an Hunger. Auschwitz: das ist der Name des größten Konzentrations- und Vernichtungslagers für Juden. Sie wurden durch die Zwangsarbeit, den Hunger, die schlechte Behandlung oder in Gaskammern vernichtet. Mehr als 1,1 Millionen Personen, zum größten Teil Juden, sind dort getötet worden. Sachsenhausen: dieses Musterlager wurde 1936 in der Nähe von Berlin (Deutschland) eingerichtet und enthielt hauptsächlich politische Gefangene (Widerständler) und dann, ab 1938, Juden. Etwa Menschen sind dort gefangen gehalten worden. Der von Himmler geleitete General-Stab der SS war in Sachsenhausen untergebracht: von dort gingen alle Befehle bezüglich der anderen Lager aus. In diesem Lager hat man die Vernichtungstechniken ausprobiert, bevor man sie in den anderen Lagern eingesetzt hat (Gaswagen, Gaskammern). Ravensbrück: dieses Hölle der Frauen genannte Lager, das in der Nähe von Berlin liegt, war den Frauen vorbehalten. Die Internierten erlitten dort die gleiche schlechte Behandlung wie in den anderen Lagern: Zwangsarbeit, Hunger, Mangel an Hygiene Man schätzt, dass zwischen 1939 und 1945 mehr als Frauen dorthin deportiert worden sind. Eine Woche nach meiner Ankunft, am 3. September 1939, haben wir Sirenen gehört. Ich dachte es wäre für meinen Geburtstag! In Wirklichkeit war der Krieg ausgebrochen. Man hat uns gebeten, auf der Straße nicht mehr Deutsch zu sprechen, weil das die Sprache des Feindes war. Ich habe einen Brief von meiner Schwester bekommen, die in Eretz Israel war, aber ich hatte keine Neuigkeiten weder von meinem Vater in Großbritannien noch von meiner Mutter in Wien. Sechs Wochen später ist mein Vater in der Uniform der britischen Armee gekommen. Ich war das einzige der 20 Mädchen des Pensionats, dessen Vater in Großbritannien war. Papa ist der Vater aller Mädchen geworden. Er brachte ihnen ein Geschenk zu ihrem Geburtstag mit. Ich hatte immer noch keine Neuigkeiten von meiner Mutter. Mein Vater besuchte mich alle drei Monate. Weil das Pensionat in der Nähe des Meeres lag, fürchtete die britische Armee, dass es unter uns deutsche Spione gäbe. Das Militär hat also von unseren Direktorinnen verlangt, die Flüchtlinge waren wie wir, sich woanders einzuquartieren. Im Juni 1940 ist das Pensionat in ein Schloss in Windermill umgezogen. Als London im Juli 1940 bombardiert wurde, sind andere jüdische Mädchen ins Pensionat gekommen. Ab dem Alter von 15 Jahren, mussten die Mädchen arbeiten. Ich habe beschlossen nähen zu lernen. Ich wusste nicht, was sich im Rest Europas abspielte. Im Pensionat kümmerte man sich darum uns abzulenken. Am 2. Mai 1945 ist ein Telegramm angekommen: Mama ist aus dem Lager Ravensbrück befreit worden und befand sich zur Erholung in Schweden. Ich habe sofort Telegramme an meinen Vater und an meine Schwester geschickt, um ihnen die außerordentliche Neuigkeit mitzuteilen. Ich hatte einen Vater und eine Mutter, während meine Freundinnen niemanden mehr hatten. Ich fühlte mich schuldig. Der Krieg war zu Ende. Papa hatte eine Stelle als Vertreter für chemische Produkte in Glasgow, Schottland gefunden. Ich bin bis Dezember im Pensionat geblieben, bevor ich ihm nachgereist bin. Die deutschen und österreichischen Juden waren unter den ersten, die verfolgt worden sind. Mein Vater und ich verdanken unser Überleben der Tatsache, dass wir 1939 nach England auswandern konnten. Mama ist im Januar 1946 zu uns gekommen. Ich war 16 ein halb Jahre alt. Mama hat erzählt, was ihr seit unserer Abreise passiert ist. Sie hat einen gelben Stern auf ihrer Kleidung tragen müssen. Eines Tages ist sie ins Ghetto von Lodz, nach Polen, geschickt worden. Danach hat man sie nach Auschwitz deportiert und dann in ein Arbeitslager in der Nähe von Berlin, wo sie in der Munitionsfabrik von Krupp arbeiten musste. Mama diente als Übersetzerin, weil sie Deutsch und Polnisch sprach. Danach ist sie nach Sachsenhausen und dann nach Ravensbrück deportiert worden. Am 28. April 1945 ist sie im Rahmen eines Gefangenenaustauschs nach Schweden gebracht worden. Bei ihrer Ankunft dort war sie 48 Jahre alt und wog nur 42 Kilo. Im Oktober 1949 haben wir unsere Alija gemacht. Wir haben uns bei meiner Schwester in Beit Yanai an der israelischen Küste niedergelassen. Alija: das Wort bedeutet wörtlich Aufstieg. Es bezeichnet, für einen Juden, die Auswanderung nach Eretz Israel.
4 Alisa als Kind. Passfoto auf dem Reisepass, mit dem sie nach England gefahren ist. Wien, Österreich, Alisa Beit Lohamei Haghetaot Archiv
5 Skizze aus dem Tagebuch Alisas während des Krieges. Alisa Beit Lohamei Haghetaot Archiv
6 Alisas Tagebuch in Wien. Alisa Beit Lohamei Haghetaot Archiv
7 Alisas Vater, als Freiwilliger der britischen Armee. Er kämpfte in den Reihen dieser Armee bis zum Ende des Krieges. England, Alisa Beit Lohamei Haghetaot Archiv
8 Das Kinderhaus in Windermill. Die vor der Naziverfolgung fliehenden jüdischen Kinder stammten aus Österreich, Deutschland und der Tchecheslowakei. Windermill, England, August Alisa Beit Lohamei Haghetaot Archiv
9 Das Kinderhaus in Windermill, Die Kinder auf diesem Foto sind mit Alisa, im Rahmen eines Kindertransports, aus Wien gekommen. Windermill, England, August Alisa Beit Lohamei Haghetaot Archiv
10 Alisa vor dem Haus, in dem ihre Familie nach dem Krieg wohnte. Glasgow, Schottland, Alisa Beit Lohamei Haghetaot Archiv
11 Eine während der Kristallnacht verbrannte Synagoge. November 1938, in Deutschland. Bildnachweis: Mémorial de la Shoah/CDJC
12 Geflüchtete jüdische Kinder, die mit dem ersten Kindertransport aus Deutschland kommen. Harwich, Großbritannien, 2 Dezember Quelle: Beit Lohamei Haghetaot
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