Ratgeber zum richtigen Verhalten nach einem Verkehrsunfall

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1 von Harald Salmen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Hanau Die folgenden Hinweise, Ratschläge und Verhaltensmaßregeln sollen Ihnen helfen, Ihre Rechte nach einem Verkehrsunfall zu sichern, mögliche Schadensersatzansprüche durchzusetzen oder unbegründete Ansprüche anderer Unfallbeteiligter erfolgreich abzuwehren. Nach der Sicherung der Unfallstelle (Achtung: keine Beweismittel vernichten!), gegebenenfalls Alarmierung der Rettungsdienste und Polizei sowie Erstversorgung der Verletzten beachten Sie bitte: 1. Daten austauschen Notieren Sie die Daten aller Unfallbeteiligten: Name und Anschrift des Fahrers Name und Anschrift des Fahrzeughalters Typ und amtliches Kennzeichen sowie Nationalitätskennzeichen des Fahrzeugs Haftpflichtversicherung und Versicherungsschein-Nummer Lassen Sie sich die Ausweise der beteiligten Personen zeigen, um die Identität zweifelsfrei zu klären. Bei ausländischen Personen notieren Sie darüber hinaus auch die Nationalität die Seriennummer, das Ausstellungsdatum und die ausstellende Behörde des Ausweises/Passes. Bei ausländischen Fahrzeugen lassen Sie sich unbedingt ein Doppel der Grünen Karte aushändigen. Achten Sie darauf, dass die Karte vom Inhaber unterzeichnet ist. Übrigens: Jeder Unfallbeteiligte ist gesetzlich verpflichtet, solange am Unfallort zu verbleiben, bis die Feststellungen zu seiner Person, seinem Fahrzeug und der Art seiner Beteiligung am Unfall getroffen worden sind. Geben Sie deshalb auf Verlangen der anderen Unfallbeteiligten auch Ihre Personalien und die Daten zur Versicherung Ihres Fahrzeuges bekannt. Seite 1/6

2 2. Beweismittel sichern Unfallspuren sind als objektive Beweismittel am besten geeignet, Aussagen über den Unfallhergang und die Verantwortlichkeit der Beteiligten zu treffen. Beseitigen Sie die Spuren daher nicht, bevor die erforderlichen Feststellungen getroffen worden sind. Verstöße können mit einer Geldbuße geahndet werden. Kennzeichnen Sie die Standorte der Fahrzeuge, die genaue Position der Räder, die Lage von Fahrzeugteilen und Unfallopfern. In Ihrem Verbandskasten sollte sich zu diesem Zweck ein Stück Kreide befinden. Bei schweren Unfällen sollte die Stellung der Fahrzeuge bis zum Eintreffen der Polizei nicht verändert werden. Bei Bagatellunfällen muss dagegen die Fahrbahn zügig geräumt werden. Zeugen sind weitere wertvolle Beweismittel, deren Namen und Anschriften Sie unbedingt festhalten sollten. Oftmals geben sich Zeugen nicht ohne weiteres als solche zu erkennen, weil sie Aufwand und Unannehmlichkeiten scheuen. Fragen Sie deshalb umstehende Personen, ob sie den Unfallhergang beobachtet haben. Notieren Sie gegebenenfalls auch die Kennzeichen der Fahrzeuge unbeteiligter Dritter, die das Unfallgeschehen eventuell beobachtet haben könnten. Fotos, die die örtlichen Gegebenheiten, die Stellung der Fahrzeuge sowie deren Beschädigungen festhalten, erweisen sich für die spätere Auswertung des Geschehens - auch durch einen Gutachter - erfahrungsgemäß als sehr nützlich. Es ist daher ratsam, eine stets einsatzbereite Kamera mit Blitzlicht im Fahrzeug mitzuführen. Achtung: Handy-Fotos sind aufgrund ihrer oftmals nur geringen Auflösung und der mäßigen Bildqualität für eine spätere Auswertung im Allgemeinen nicht brauchbar. Empfehlenswert ist eine heutzutage schon recht preiswert erhältliche Digitalkamera, da sie auch mit schlechten Lichtverhältnissen gut zurecht kommt und die Bilder sofort zur Verfügung stehen. Sie sollte mindestens drei Megapixel Auflösung haben und sich idealerweise mit Standard-Batterien betreiben lassen. Akkus entladen sich nämlich schon nach relativ kurzer Zeit selbst, auch wenn die Kamera nicht benutzt wird. 3. Wann wird die Polizei benötigt? Bei einem Unfall mit Toten, Verletzten oder erheblichem Sachschaden sowie bei einem Wildunfall sollten Sie immer die Polizei benachrichtigen. Das gleiche gilt, wenn sich andere Unfallbeteiligte nicht ordnungsgemäß und zweifelsfrei identifizieren können oder im Ausland wohnende Personen oder im Ausland zugelassene Fahrzeuge am Unfall beteiligt sind. Notieren Sie die Namen der Polizeibeamten sowie die Adresse und die Telefonnummer der Dienststelle, so dass spätere Rückfragen möglich sind. Seite 2/6

3 Kleinere Blechschäden - bis zu einer Schadenshöhe von etwa EUR - können im Normalfall selbst geregelt werden, ohne die Polizei hinzuzuziehen. Halten Sie die Personalien der Beteiligten fest, sichern Sie die Beweismittel und notieren Sie den Unfallhergang. Hierzu bietet sich ein Unfallbericht an, den Sie immer im Fahrzeug mitführen sollten. In derartigen Fällen wird die Polizei den Unfall ohnehin nur aufnehmen, wenn dies zur Klärung der Schuldfrage in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren erforderlich ist, nicht aber zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche der Beteiligten. Besteht also beispielsweise der Verdacht, dass der Unfallverursacher alkoholisiert ist oder nicht über eine gültige Fahrerlaubnis verfügt, werden polizeiliche Ermittlungen aufgenommen. Sofern Sie mit einem Mietfahrzeug in einen Unfall verwickelt sind, beachten Sie bitte, dass sich aus dem Mietvertrag in aller Regel die Verpflichtung ergibt, eine polizeiliche Unfallaufnahme durchführen zu lassen. Eine Missachtung dieser Obliegenheit kann zu Rechtsnachteilen gegenüber dem Vermieter des Fahrzeugs führen. 4. Wildunfall Ist es zur Kollision mit Wild gekommen, sollten Sie unbedingt die Polizei verständigen. Diese informiert dann den zuständigen Förster bzw. den revierberechtigten Jäger, wenn das verletzte Tier zu töten oder der Wildkörper zu beseitigen ist. Fassen Sie das Tier nicht an. Es könnte nur vorübergehend bewusstlos sein und ausschlagen. Auch besteht das Risiko einer Ansteckung mit Tollwut. Auch bei einem Wildunfall gilt: machen Sie Fotos von der Unfallstelle, vom Fahrzeug und von dem Tier selbst. Wenn das Tier davongelaufen ist, sichern Sie die Spuren an Ihrem Fahrzeug besonders sorgfältig. Je nach Ausgestaltung Ihres Kaskovertrages ist gegebenenfalls die Beweisführung erforderlich, dass ein Zusammenstoß mit Haarwild erfolgt ist. In diesem Zusammenhang ist es auch sinnvoll, die Namen und Anschriften von Zeugen festzuhalten, die hierzu Angaben machen können. 5. Unfall im Ausland Ziehen Sie im Ausland bitte in jedem Falle die Polizei hinzu, soweit dies nach dem Recht des betreffenden Landes vorgesehen ist, und lassen Sie sich unbedingt eine Kopie des polizeilichen Unfallprotokolls aushändigen. Führen Sie die Unfallaufnahme besonders sorgfältig durch und notieren Sie sämtliche Daten wie im ersten Abschnitt beschrieben. In einigen Ländern lässt sich nämlich später der Haftpflichtversicherer allein anhand des Kennzeichens nicht oder nur mit sehr großem Aufwand ermitteln. Achten Sie auf eine Versicherungspla- Seite 3/6

4 kette auf der Windschutzscheibe. In einigen Ländern lässt sich auf diese Weise erkennen, ob und bei welcher Gesellschaft das Fahrzeug versichert ist. Besorgen Sie sich schon vor der Abreise zu Hause für den Ernstfall einen Europäischen Unfallbericht. Beim ADAC ist er gegen geringes Entgelt in sechs Sprachen erhältlich, so dass Sie neben der deutschen Version auch ein Exemplar in der jeweiligen Landessprache mitführen können. Dies hilft bei der Überwindung von Sprachschwierigkeiten und erleichtert die Feststellungen am Unfallort. Unterschreiben Sie niemals fremdsprachige Schriftstücke, deren Inhalt Sie nicht vollständig verstehen. Geben Sie keine Erklärungen zur Schuldfrage ab. Akzeptieren Sie am Unfallort kein Verwarnungs- oder Bußgeld. Soweit sich die Zahlung nicht vermeiden lässt, weil Ihnen ansonsten schwerwiegende Konsequenzen angekündigt werden (z.b. Sicherstellung Ihres Fahrzeugs), zahlen Sie nur unter ausdrücklichem Vorbehalt und lassen Sie sich unbedingt eine ordnungsgemäße Quittung aushändigen. Andernfalls haben Sie keine Möglichkeit, das Geld eventuell später wieder zurückzufordern. Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach einem Unfall im Ausland ist häufig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und gestaltet sich meist sehr langwierig. Außerdem werden in vielen Ländern Schäden nicht in einem Umfang reguliert, wie es nach deutschem Recht der Fall ist. Vielfach reichen auch die gesetzlichen Mindestversicherungssummen für die ausländischen Fahrzeuge zur Deckung von Schäden nicht vollständig aus. Schließen Sie deshalb vor einer Reise ins Ausland gegebenenfalls eine Vollkaskoversicherung für Ihr Fahrzeug ab und decken Sie das Risiko etwaiger Personenschäden über eine Auslandskrankenversicherung und/oder private Unfall- und Lebensversicherung ab. Die erfolgreiche Durchsetzung Ihrer Ansprüche und/oder Ihre Verteidigung in einem Ordnungswidrigkeitsoder Strafverfahren ist im Ausland ohne anwaltlichen Beistand nicht denkbar. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten werden - auch im Falle des Obsiegens - nicht in allen Ländern erstattet, so dass sich auch der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung empfiehlt. Der Versicherer stellt dann erforderlichenfalls auch eine Strafkaution. Die Kosten der Bergung und gegebenenfalls Rückholung des Fahrzeugs sowie der Rückreise der Insassen sollten Sie mit einem Fahrzeugschutzbrief absichern, den Sie bei verschiedenen Automobilclubs, inzwischen aber auch sehr kostengünstig oder sogar ohne jeglichen Aufpreis bei den meisten Fahrzeugversicherern erhalten. 6. Was Sie am Unfallort vermeiden sollten Geben Sie niemals ein Schuldanerkenntnis ab, weder gegenüber anderen Unfallbeteiligten noch gegenüber der Polizei. Seite 4/6

5 Nach den Bedingungen Ihres Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrages sind Sie nicht berechtigt, die Schuld ganz oder teilweise einzugestehen. Gegenüber Ihrem Versicherer würde ein Schuldeingeständnis daher eine Vertragspflichtverletzung darstellen. Außerdem erschweren Sie mit einem Anerkenntnis die spätere Abwicklung des Schadensfalles. Auch gegenüber der Polizei machen Sie bitte nur Angaben zu Ihrer Person und allenfalls zum äußeren Geschehensablauf, also beispielsweise welche Fahrzeuge beteiligt sind, aus welcher Richtung die Fahrzeuge kamen und in welcher Richtung sie fuhren. Seien Sie dagegen bei der Schilderung von sonstigen Wahrnehmungen ( Meine Ampel war noch gelb. / Meine Geschwindigkeit betrug höchstens 70 km/h. ) oder Vorgängen ( Ich habe mich nur kurz nach einer heruntergefallenen Musik-CD gebückt. ) äußerst zurückhaltend. Übernehmen Sie nicht die Verantwortung für den Unfall und akzeptieren Sie niemals eine Verwarnung oder ein Bußgeld vor Ort. Lassen Sie es erforderlichenfalls auf die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens ankommen. Unterschreiben Sie nie ein Protokoll, dessen Inhalt Sie nicht vollständig zur Kenntnis genommen haben. Achten Sie darauf, dass keine Äußerungen aufgenommen werden, die Sie so nicht gemacht haben. Soweit Ihr Fahrzeug nicht mehr fahrbereit ist und abgeschleppt werden muss, seien Sie gegenüber ungebetenen Unfallhelfern besonders kritisch. Es sind hinreichend Fälle bekannt, in denen Dienstleistungen zu ü- berzogenen Konditionen angeboten wurden. Lassen Sie sich schriftlich oder aber in Gegenwart von Zeugen den Preis für die angebotenen Leistungen bestätigen. Im Zweifel ist es sinnvoller, sich an seriöse Unternehmen zu wenden, die im Auftrag der Automobilclubs oder Straßenmeistereien arbeiten. Bitten Sie gegebenenfalls die anwesende Polizei, ein solches Unternehmen zu benachrichtigen. Geben Sie keinesfalls eine Abtretungserklärung zu Gunsten eines solchen Unternehmens ab. 7. Die weitere Abwicklung Die Benachrichtigung Ihres eigenen Haftpflichtversicherers über den Eintritt eines Schadensfalles muss umgehend - spätestens innerhalb einer Woche - erfolgen, sofern die Verantwortlichkeit nicht ganz eindeutig und zweifelsfrei nur beim Unfallgegner liegt. Ihren Kaskoversicherer sollten Sie stets zumindest vorsorglich informieren, unabhängig von der Frage, ob Sie die Kaskoleistung auch tatsächlich in Anspruch nehmen wollen. Es könnten sich nämlich unerwartet Probleme bei der Regulierung des Schadens durch den gegnerischen Versicherer ergeben, so dass Sie später doch auf die eigene Kaskoversicherung zurückgreifen möchten. Beachten Sie, dass unbedachte Äußerungen Ihre eigenen Ansprüche gefährden können. Falsche Angaben führen zum Verlust des Versicherungsschutzes. Die Schilderung des Unfallhergangs sollten Sie deshalb zumindest in nicht völlig eindeutigen Fällen zunächst mit einem Rechtsanwalt abstimmen. Nicht selten erge- Seite 5/6

6 ben sich durch eine fachkundige Prüfung der Sach- und Rechtslage völlig neue Perspektiven. Sinnvoll ist stets die Koordination der Information an Ihre eigenen Versicherungen mit der Darstellung des Sachverhalts gegenüber dem unfallgegnerischen Versicherer. Der Tod oder die Verletzung eines Unfallbeteiligten muss innerhalb von 48 Stunden dem Lebensversicherer bzw. Unfallversicherer angezeigt werden. Prüfen Sie in diesem Zusammenhang auch, ob eine Insassen- Unfallversicherung besteht. Treten Sie Ihre Ansprüche nicht zum Zwecke der Schadensabwicklung an Dritte ab. Nicht selten bieten Kfz- Werkstätten oder Mietwagenunternehmen an, die Abwicklung der Kosten mit dem Haftpflichtversicherer des Unfallgegners für Sie zu übernehmen, wofür Sie die Abtretung Ihrer Ansprüche zu erklären haben. Diese Betriebe sind in aller Regel nicht in der Lage, Ihre Ansprüche sachgerecht und vollständig beim Eintrittspflichtigen geltend zu machen. Hierdurch können Ihnen rechtliche und wirtschaftliche Nachteile erwachsen. Bevor eine Entscheidung über das Schicksal Ihres Fahrzeugs getroffen wird, sollte geklärt werden, welche Möglichkeiten aus tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlich sinnvollen Aspekten zur Verfügung stehen. Vielfach ist die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlich, der zunächst die Wertverhältnisse verbindlich feststellt und damit die Grundlage für die weitere Abwicklung des Schadens schafft. Hinsichtlich Ihrer Schadensersatz- und gegebenenfalls auch Schmerzensgeldansprüche ergeben sich regelmäßig teilweise sehr komplexe Fragen, die nur individuell beantwortet werden können. Konsultieren Sie deshalb möglichst frühzeitig einen spezialisierten Rechtsanwalt, der Ihnen von den Rechtsanwaltskammern, dem Deutschen Anwaltverein oder von der Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsrechtsanwälte benannt wird. Die durch die Beauftragung eines Anwalts entstehenden Gebühren hat der unfallgegnerische Versicherer zu tragen, sofern und soweit er für den Schaden eintrittspflichtig ist. Im übrigen kommt eine bestehende Verkehrs-Rechtsschutzversicherung dafür auf. Harald Salmen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Anwaltskanzlei Salmen Katharina-Belgica-Straße 17 D Hanau Telefon +49 (0) Telefax +49 (0) Seite 6/6