Die Diatomeen als Qualitätskomponente der WRRL Wie ist ihr Zustandsergebnis zu werten?
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1 Die Diatomeen als Qualitätskomponente der WRRL Wie ist ihr Zustandsergebnis zu werten? Dr. Eckhard Coring EcoRing Hardegsen
2 Inhalte/Fragen: Was sind Diatomeen überhaupt und welche Funktion im ökologischen Gefüge eines Gewässersystems nehmen sie wahr? Wie sind sie - von ihrer Bedeutung her - gegenüber den anderen - zumeist deutlich anschaulicher vermittelbaren - Qualitätskomponenten Makrozoobenthos, Fische und Makrophyten einzuordnen? Wovon ist ihre Entwicklung abhängig? Welche Informationen liefern Diatomeen mit Blick auf den Gewässerzustand? Welche Zusammenhänge bestehen zu anderen zustandsbeschreibenden Größen, zum Trophieindex und zum Phosphat? Welche Rückschlüsse sind möglich, wenn der gute Zustand für die Qualitätskomponente Diatomeen nicht erreicht wird? Gibt es Kausalzusammenhänge zu möglichen Belastungsquellen oder Belastungsarten? Lassen sich daraus ggf. notwendige Maßnahmen ableiten?
3 Was sind Diatomeen überhaupt und welche Funktion im ökologischen Gefüge eines Gewässersystems nehmen sie wahr? zumindest für einige Menschen formschön
4 Was sind Diatomeen überhaupt und welche Funktion im ökologischen Gefüge eines Gewässersystems nehmen sie wahr? sehr alte Organismengruppe Kieselalgen ca. 200 Mio. Jahre alt genaue Taxazahl ist unbekannt, schwankt je nach befragtem Bearbeiter, jedoch > , für Deutschland nach RL circa Größe von 3 µm mehrere cm, Einzelzellen mit Schwankungsbreiten zwischen 3 und 500 µm (etwa Hund und Eifelturm) Kosmopoliten und nahezu in jedem Lebensraum vorhanden planktisch und benthisch, in Fließgewässern primär benthische Kieselalgen relevant
5 Was sind Diatomeen überhaupt und welche Funktion im ökologischen Gefüge eines Gewässersystems nehmen sie wahr? in der Regel einzellig einige motil Ketten (meist bei Zentrischen) Bänder (Fragilaria, Diatoma) sternförmig (Asterionella) kreisförmig (Meridion circulare)
6 Was sind Diatomeen überhaupt und welche Funktion im ökologischen Gefüge eines Gewässersystems nehmen sie wahr? kommen in allen Gewässertypen vor Beispiel Mittelgebirgsbach Stein mit nahezu reinem Diatomeenaufwuchs Phytobenthos im Gewässer meist ungleich verteilt Stein mit Grünalgen (Cladophora)
7 (µg/cm²) Was sind Diatomeen überhaupt und welche Funktion im ökologischen Gefüge eines Gewässersystems nehmen sie wahr? Kieselalgen zählen quantitativ zu den wichtigsten Primärproduzenten und nehmen eine zentrale Rolle in den Nahrungsnetzen ein 0,25 Krombachtalsperre 0,20 0,15 0,10 0,05 0,00 1/Stein 2/Kunst.-Boje 3A/Schlamm 3B/Stein 4/Stein Green/Mittel µg/cm² Bluegreen/Mittel µg/cm² Diatoms/Mittel µg/cm²
8 Wovon ist ihre Entwicklung abhängig? Biotische und abiotische Faktoren Temperatur, Nährstoffgehalt, Licht Konkurrenz mit anderen Primärproduzenten Grazing durch Konsumenten hydraulische Störungen, z.b. clean up durch Hochwasser
9 Welche Informationen liefern Diatomeen mit Blick auf den Gewässerzustand? Sind Diatomeen geeignete Bioindikatoren? Bioindikatoren müssen über das gesamte Gewässersystem verbreitet sein spezifisch auf Änderungen der Wasserqualität bzw. Umweltveränderungen reagieren eindeutig bestimmbar sein vorhandene Unterschiede in Belastungsgradienten und/oder Gewässertypen differenzieren
10 Welche Informationen liefern Diatomeen mit Blick auf den Gewässerzustand? Ordinationsdiagramm auf der Basis einer DCA (Detrended Correspondence Analysis). Dargestellt sind die errechneten Gruppierungen auf der Basis der Ähnlichkeit von Diatomeenproben aus brackigen Gewässern (Stadtgewässer Emden), der karbonatisch geprägten Ilm (Jena), der silikatisch geprägten Volme (Hagen) sowie unterschiedlich stark versauerten Abschnitten der Zinse (Zinse)
11 Welche Informationen liefern Diatomeen mit Blick auf den Gewässerzustand? Diatomeen sind gute Bioindikatoren. reagieren auf -bzw. indizieren- stoffliche (Belastungs)größen besonders gut zeigen eine hohe Abhängigkeit von Mikrohabitaten (Rott 1991) sind in hohem Maße substratabhängig haben kurze Generationszyklen und damit relativ kurze Indikationszeiträume spezifische Anforderungen an Probenahme und Auswertung sind in Normen präzisiert (EN Probenahme, EN Zählung)
12 Welche Informationen liefern Diatomeen mit Blick auf den Gewässerzustand? Diatomeen ermöglichen Aussagen zu. Saprobie Trophie Versalzung Versauerung (Struktur) (Geologie/Pedologie) Nach Literatur, z.b. HÜRLIMANN 1993, DVWK 1999
13 TDI Rott et al Welche Zusammenhänge bestehen zu anderen zustandsbeschreibenden Größen, zum Trophieindex und zum Phosphat? signifikanter Zusammenhang zwischen Trophieindex (hier Rott et al. 1999) und TP dargestellt sind gemischte Daten aus Fließgewässern, unterschiedliche Substrate, Probenzeiträume 4 3,75 3,5 3,25 3 2,75 2,5 2,25 2 1,75 1,5 1,25 1 0,75 0,5 0,25 0 y = 0,4426ln(x) + 0,8277 R² = 0, Median GesP (µg/l)
14 TDI Rott et al Mittelwert Welche Zusammenhänge bestehen zu anderen zustandsbeschreibenden Größen, zum Trophieindex und zum Phosphat? Korrelationen zum o-po4 häufig schwächer, z.b. wg. Nährstoffstripping durch Makrophytendominanz oder Plankton Korrelationen werden deutlich besser wenn: 1. mehr als eine Probe verwendet wird 2. standardisierte Substrate wie z.b. Steine o.ä. verwendet werden 3. organisch geprägte Substrate und Sedimente unberücksichtigt bleiben 4 R² = 0,8128 3,5 3 2,5 2 1, TP µg/l Mittelwert TDI Rott Log. (TDI Rott)
15 Welche Zusammenhänge bestehen zu anderen zustandsbeschreibenden Größen, zum Trophieindex und zum Phosphat? Der Trophieindex erreicht bei µg/l TP seinen Sättigungsbereich mit pessimalen Bewertungen dies korrespondiert nur eingeschränkt mit den RaKon Orientierungswerten (2007, 2014)
16 Welche Zusammenhänge bestehen zu anderen zustandsbeschreibenden Größen, zum Trophieindex und zum Phosphat? Orientierungswerte für Nährstoffe differenzieren nicht zwischen Bächen, Flüssen und Strömen die genannten Konzentrationen ermöglichen hocheutrophe bis polytrophe Bedingungen Bäche im Mittelgebirge haben einen oligotrophen (nährstoffarmen) Grundzustand, der auch innerhalb der Bewertungsverfahren als Referenz hinterlegt wurde. Gute Bewertungen unter hocheutrophen Rahmenbedingungen sind daher unwahrscheinlich.
17 Welche Rückschlüsse sind möglich, wenn der gute Zustand für die Qualitätskomponente Diatomeen nicht erreicht wird? Bestimmungen für den sehr guten, guten und mäßigen ökologischen Zustand von Flüssen, Beispiel Makrophyten & Phytobenthos nach OGewV Die makrophytischen und phytobenthischen Taxa weichen in ihrer Zusammensetzung und Abundanz geringfügig von den typspezifischen Gemeinschaften ab. Diese Abweichungen deuten nicht auf ein beschleunigtes Wachstum von Algen oder höheren Pflanzen hin, das das Gleichgewicht der in dem Gewässer vorhandenen Organismen oder die physikalisch-chemische Qualität des Wassers oder Sediments in unerwünschter Weise stören würde. Die phytobenthische Lebensgemeinschaft wird nicht durch anthropogene Bakterienzotten und anthropogene Bakterienbeläge beeinträchtigt. Definition führt den Begriff Taxa ( bedeutet in etwa Art) ein. In Deutschland werden daher in vielen Verfahren Referenzartengesellschaften definiert bzw. verwendet. Dies ist nicht zwingend in allen europäischen Ansätzen der Fall
18 Welche Rückschlüsse sind möglich, wenn der gute Zustand für die Qualitätskomponente Diatomeen nicht erreicht wird? PHYLIB-Verfahren für Diatomeen ist als multimetrischer Ansatz konzipiert: Trophieindex (bzw. Saprobienindex) - bewertungsrelevant Referenzartensumme - bewertungsrelevant Teilmodul Versalzung - Malussystem Teilmodul Versauerung - Malussystem Anteil planktischer Taxa in Bächen und Flüssen nicht bewertungsrelevant Rote-Liste-Index nicht bewertungsrelevant Autökologische Heterogenität nicht bewertungsrelevant
19 Welche Rückschlüsse sind möglich, wenn der gute Zustand für die Qualitätskomponente Diatomeen nicht erreicht wird? Trophieindex und Referenzartensumme sind besonders relevant: Beziehung zwischen Trophieindex und Referenzartensumme ist signifikant beide Größen sind redundant redundante Indizes sollten im Rahmen von multimetrischen Verfahren nicht verwendet werden [DIN CEN/TR (2011) DIN SPEC , Technischer Report zur Entwicklung von multimetrischen Indices]
20 Welche Rückschlüsse sind möglich, wenn der gute Zustand für die Qualitätskomponente Diatomeen nicht erreicht wird? Ökologische Zustandsklasse auf der Basis der Teilkomponente Diatomeen für den Werraabschnitt zwischen Tiefenort und Dorndorf für die Jahre 2009 bis 2013 nach BayLfU (2006ff) VBD = Vorläufige Bewertung Diatomeen; ÖZK = Endbewertung ökologische Zustandsklasse; HI = Halobienindex; HI Wert > 15 = Abwertung um eine Klasse; 1 = sehr gut; 2 = gut; 3 = mäßig; 4 = unbefriedigend; 5 = schlecht; * = Bewertung beruht auf nur einem oder zwei Taxa *ein Hi Wert >15 führt zu Abstufung um eine Zustandsklasse Zustandsbewertungen auf der Basis der Diatomeen können im Jahresverlauf variieren Vorgaben zum Umgang mit widersprüchlichen Bewertungen innerhalb eines OWK bzw. Untersuchungsjahres fehlen derzeit
21 Welche Rückschlüsse sind möglich, wenn der gute Zustand für die Qualitätskomponente Diatomeen nicht erreicht wird? CEN/TC 230/WG2 Biological methods, algae and macrophytes Invitation to a workshop on variability and uncertainty associated with diatom based ecological assessment January 2015, Lelystad, The Netherlands Martyn Kelly et al. CEN/TC230/WG/TG3 (WG23): N168 :.Based on UK experience, precision estimates can be listed (greatest influence to least) as: Spatial/temporal within water body > spatial within site = species identification > sample cross contamination > variation within slides Note species identification is a minor factor only if it is controlled by regular audits and ring-tests. Based on personal experience, I would rank the magnitude of accuracy factors to be similar to that of spatial/temporal variation within water bodies. Therefore, if precision of status class estimates is to be improved, the emphasis should be on replicate sampling within a water body,
22 Welche Rückschlüsse sind möglich, wenn der gute Zustand für die Qualitätskomponente Diatomeen nicht erreicht wird? Gesicherte Zustandsbewertungen auf der Basis der Diatomeen erlauben in Verbindung mit weitergehenden Analysen Rückschlüsse auf: Nährstoffbelastungen Versalzung Versauerung (strukturelle Defizite)
23 Gibt es Kausalzusammenhänge zu möglichen Belastungsquellen oder Belastungsarten? ja Lassen sich daraus ggf. notwendige Maßnahmen ableiten? ja, z.b. Rückführung von stofflichen Belastungen, Beeinflussung durch Stauhaltungen etc.
24 Zusammenfassung Diatomeen sind geeignete, kosteneffiziente Bioindikatoren die wassergütewirtschaftlich relevante Bedeutung des guten Zustands muss inhaltlich präzisiert werden Diatomeen können zeitlich und räumlich hochauflösende Informationen zur Wirksamkeit stofflicher Belastungen liefern Verfahrensmodifikationen im Sinne von Vereinfachungen sollten geprüft und diskutiert werden Monitoringstrategie muss die Abhängigkeit von Bewertungsergebnissen von Mikrohabitaten und kurzen Generationszyklen stärker berücksichtigen
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