Landgericht Berlin. Beschluss. Geschäftsnummer: 65 T 278/ C 1006/14 Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg

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1 Landgericht Berlin Beschluss Geschäftsnummer: 65 T 278/ C 1006/14 Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg In dem Rechtsstreit des - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt,- Antragstellers, Beschwerdeführers und Beschwerdegegners, g e g e n Antragsgegner, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner, hat die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin am durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht und die Richterinnen am Landgericht und beschlossen: Die Beschwerden des Antragstellers und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 6. November C 1006/14 - werden zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.500,00. AVR1

2 2 GRÜNDE I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird in entsprechender Anwendung des 313a Abs. 1 ZPO gemäß 567 Abs. 1, 2, 574 ZPO abgesehen. II. 1. Die nach 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Zutreffend hat das Amtsgericht die Eröffnung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten verneint. Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers und die Beschwerde des Antragsgegners rechtfertigen keine andere Entscheidung. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich im Sinne des 40 VwGO oder bürgerlichrechtlich im Sinne des 13 GVG ist, richtet sich, wenn wie hier eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss v. 10. April 1986 GmS- OGB 1/85, in: NJW 1986, 2359, zit. nach juris). Maßgeblich ist danach, ob die Streitbeteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss v. 10. April 1986, a. a. O.; Beschluss v. 29. Oktober GmS-OGB 1/86, in: NJW 1988, 2295, m. w. N., zit. nach juris). Auch aus einem etwaigen Gleichordnungsverhältnis kann jedoch noch nicht ohne Weiteres auf eine zivilrechtliche Streitigkeit geschlossen werden, denn eine solche Beziehung kann sich etwa bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag auch aus dem öffentlichen Recht ergeben. Die Rechtsnatur des Vertrages bestimmt sich in diesem Fall danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss v. 10. April 1986, a. a. O.). Der Antragsteller macht in diesem Verfahren einen Unterlassungsanspruch gegen eine vom Antragsgegner beabsichtigte Räumung von Räumlichkeiten in einem Schulgebäude geltend, auf deren Nutzung bzw. ungestörten Besitz der Antragsteller meint, einen Anspruch zu haben. Sein einer Räumung durch den Antragsgegner entgegenstehendes Nutzungs- bzw. Besitzrecht leitet der Antragsteller aus der Vereinbarung zwischen Flüchtlingen in der (...) und dem (...) vom 2. Juli 2014 ab.

3 3 Diese ist ebenso wie der daraus vom Antragsteller abgeleitete Anspruch öffentlich-rechtlicher Natur; daher ist für die Streitigkeit über den Anspruch auf der Grundlage der Vereinbarung vom 2. Juli 2014 nicht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, 13 GVG, sondern der zu den Verwaltungsgerichten, 40 Abs. 1 VwGO. Der Beurteilung der Rechtsnatur des Streit- bzw. Vertragsgegenstandes ist dabei wie auch sonst der Tatsachenvortrag des Klägers hier des Antragstellers - zugrunde zu legen, nicht hingegen seine rechtliche Bewertung (vgl. Jacobs in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Bd. 10, 13 GVG Rn. 19, m. w. N.). Ausreichend ist es insbesondere nicht, dass sich der Kläger bzw. Antragsteller auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage beruft. Es ist zwar auch nicht erforderlich, dass ein zivilrechtlicher Anspruch schlüssig dargetan ist. Maßgeblich ist aber, dass der Parteivortrag seine Richtigkeit unterstellt Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergibt, für die die Zuständigkeit der Zivilgerichte gegeben ist (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Beschluss v. 29. Oktober 1987, a.a.o., m. z. w. N.). Unerheblich ist hier daher die rechtliche Bewertung des Antragstellers, dass ihm zivilrechtliche Ansprüche gegen den Antragsgegner zustehen; entscheidend ist vielmehr sein Tatsachenvortrag. Bei dem hier gegenständlichen, von den Flüchtlingen - jedenfalls ursprünglich - besetzten Gebäude handelt es sich um ein öffentliches Gebäude, das bislang weder Wohnzwecken diente, noch als solches ausgestattet ist. Soweit der Antragsteller behauptet, er sei als ehemaliger Bewohner des aufgrund eines Angebotes des Antragsgegners in das Gebäude umgezogen, so hat er diese von der Gegenseite bestrittene - Behauptung schon nicht glaubhaft gemacht, 294 ZPO. Letztlich kann die Richtigkeit der Behauptung aber auch dahin stehen, denn wird dies zugunsten des Antragstellers unterstellt, so folgt daraus keine privatrechtliche Rechtsbeziehung oder ein privatrechtliches Rechtsverhältnis. Der Antragsgegner wäre dem Antragsteller ebenso wie die Senatsinnenverwaltung im Rahmen und aufgrund der ihr zugewiesenen hoheitlichen Befugnisse zur Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entgegen getreten. Bei der Beendigung der Besetzung des handelte es sich offenkundig um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe (vgl. i. Ü. für die Zuweisung einer Notunterkunft OVG Greifswald Beschluss v. 21 Juli M 92/09, in: NJW 2010, 1096, [1097], m. w. N.). Zutreffend hat das Amtsgericht auch die Vereinbarung vom 2. Juli 2014 nicht dem Zivilrecht zugeordnet, wobei offen bleiben kann, ob diese als privatrechtlicher Vertrag nach den Regelungen des Zivilrechts, zudem unter Einbeziehung des Antragstellers, überhaupt als wirksam zustande gekommen anzusehen wäre.

4 4 Auch hier hat das ihm nach öffentlichem Recht zugewiesene Befugnisse wahrgenommen, als es unter dem Druck der Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Besetzung des Daches der Schule und die Drohung von Flüchtlingen, sich vom Dach zu stürzen, in Verhandlungen mit Flüchtlingen trat, deren Ergebnis die Vereinbarung war, auf die der Antragsteller sich beruft. Entgegen der Auffassung des Antragstellers enthält die Vereinbarung nicht etwa keine das öffentliche Recht betreffenden Regelungen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Inhalt der Vereinbarung wendet sich vielmehr bewusst und gezielt an den Antragsgegner als Hoheitsträger. Bereits die Duldung des Aufenthaltes zu Wohnzwecken in einer (öffentlichen) Schule zur Gefahrenabwehr ist seiner Rechtsnatur und den zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen nach dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Auf die zutreffenden Feststellungen des Amtsgerichts nimmt die Kammer nach eigener rechtlicher Prüfung Bezug. Entscheidend hinzu kommt, dass die Vereinbarung bereits im ersten Absatz auf einen 10-Punkte-Vorschlag der Flüchtlinge Bezug nimmt, auf die sich die Einigung der im Kopf der Vereinbarung namentlich nicht benannten Vertreter der Flüchtlinge mit den namentlich benannten Vertretern des erstrecken soll. Der Inhalt dieser Forderungen etwa die Gewährung von Sozialleistungen, die Kostentragung für das Schulgebäude oder die Unterstützung bei der Überstellung von Dokumenten der Flüchtlinge nach Berlin - richtet sich an den Antragsgegner als Träger hoheitlicher Gewalt, nicht hingegen an ihn als Teilnehmer am Rechtsverkehr unter Privaten. Die Vereinbarung bestätigt, dass der Antragsgegner hier nicht etwa deshalb zu deren Abschluss gedrängt werden sollte und tatsächlich wurde, weil und damit er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen etwa den 535ff. BGB - unterstellt, sondern um seine Position als Träger hoheitlicher Gewalt und die sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergebenden Befugnisse des Antragsgegners zu nutzen. Die Duldung des Aufenthaltes in einem begrenzten Teil des Gebäudes sollte den Flüchtlingen nach dem weiteren, vollständigen Inhalt der Vereinbarung die Möglichkeit eröffnen, ihren Aufenthalt in Berlin in weitesten Sinne zu legalisieren und wirtschaftlich abzusichern, dies unter anderem durch das Stellen von Anträgen bei Behörden, erforderlichenfalls mit Unterstützung des Antragsgegners bzw. durch Leistungen des Antragsgegners aufgrund öffentlich-rechtlicher Regelungen und Befugnisse. Unabhängig davon wird durch die Vereinbarung ihrem Inhalt nach Besitz nicht zugeordnet oder eingeräumt, sondern durch die Flüchtlinge zugestanden, dass sie ihren durch Besetzung des Gebäudes erlangten Besitz künftig auf die 3. Etage beschränken.

5 5 Unerheblich ist, dass der Antragsgegner die durch Tatsachen nicht gestützte Rechtsauffassung vertritt, bei der Vereinbarung vom 2. Juli 2014 handele es sich um einen Miet- oder wenigstens Leihvertrag. Wie auch sonst kann er sich insoweit nicht mit Erfolg auf nur einen Teil der Regelungen beziehen, sondern muss die Vereinbarung in ihrer Gesamtheit für und gegen sich gelten lassen. In ihrer Gesamtheit ist diese wie ausgeführt dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Unabhängig davon wird die unzutreffende Rechtsauffassung des Antragstellers auch nicht durch Tatsachen gestützt. Der Vereinbarung lässt sich kein Anhaltspunkt für einen Vertragsschluss nach 535 Abs. 1 und 2 BGB entnehmen. Offen bleiben kann, ob die Bezeichnung der Räumlichkeiten und die Benennung der Vertragspartner überhaupt hinreichend bestimmt sind, denn jedenfalls haben sich die namentlich weder benannten noch bekannten Flüchtlinge in der Vereinbarung vom 2. Juli 2014 nicht zu einer Gegenleistung im Sinne des 535 Abs. 2 BGB verpflichtet. Im Gegenteil: der Antragsgegner hat sich in dem weiteren Inhalt der Vereinbarung zu Leistungen, auch Zahlungen an die Flüchtlinge verpflichtet, im Übrigen auch dazu, dass er die Kosten für das Schulgebäude trägt. Der Antragsgegner beziffert die durch ihn zu tragenden das heißt aus öffentlichen Einnahmen - aufzubringenden Kosten für den Aufenthalt des Antragstellers und der anderen Flüchtlinge in dem Schulgebäude auf jährlich 1,5 bis 2 Mio. EUR. Für die Annahme eines dem Zivilrecht zuzuordnenden Leihvertrages im Sinne der 598ff. BGB fehlt es nach den vorstehenden Feststellungen ebenfalls an einer geeigneten Tatsachengrundlage. Ist das Rechtsverhältnis dem öffentlichen Recht zuzuordnen, so richtet sich auch die Frage, an welche rechtlichen Voraussetzungen eine Räumung der im Antrag genannten Räumlichkeiten gebunden ist, nach dem öffentlichen, nicht dem Zivilrecht, insbesondere nicht nach den 858ff. BGB. Dahin stehen kann daher, ob der Antragsteller sich bereits deshalb nicht erfolgreich auf den Besitzschutz berufen kann, weil er selbst im Wege der verbotenen Eigenmacht den Besitz erlangt hat. Ohne Erfolg macht der Antragsgegner in seiner Beschwerde geltend, das Einigungspapier vom 2. Juli 2014 sei bezogen auf die Nutzungsüberlassung nicht als öffentlich-rechtlicher Vertrag ansehen, dies bereits deshalb nicht, weil es am Bezug zu einer in der Zuständigkeit des Antragsgegners liegenden öffentlich-rechtlichen Norm fehle. Der Antragsgegner übersieht nach den oben dargestellten Maßstäben, dass es für die Beurteilung der Frage des Rechtsweges nicht darauf ankommt, ob der jeweilige Hoheitsträger sich im Rahmen seiner öffentlich-rechtlichen Befugnisse gehalten hat. Im Übrigen ist wie ausgeführt der Gesamtinhalt der Vereinbarung zu betrachten, nicht ein isolierter, vom weiteren Inhalt nicht sinnvoll abzutrennender Teil. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

6 6 3. Der Zulassung der Rechtsbeschwerde stehen 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 ZPO entgegen. Die Voraussetzungen des 17a Abs. 4 GVG liegen nicht vor.