Predigtzettel Totensonntag - Ewigkeitssonntag 2012 Hugsweier und Langenwinkel

Transkript

1 Predigtzettel Totensonntag - Ewigkeitssonntag 2012 Hugsweier und Langenwinkel Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde So spricht der Herr: Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.. Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen.sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR. Jesaja 65 Ich danke dir, Herr, dass ich nicht allein bin, dass ich mein Elend nicht allein trage, nicht meinen Unglauben und nicht meine innere Leere. Denn wo ich am Ende bin, steht das Geheimnis deiner Kirche vor mir. Wo wir einsam sind, bist du nahe in vielen Menschen, und deine Kirche beginnt zu wachsen wie eine Blume in der Wüste.

2 Predigt zu Jesaja 65, Ewigkeitssonntag Totensonntag 2012 Liebe Gemeinde, kein Mensch kann leben ohne eine Vision. In uns muss es eine Idee geben, eine Erwartung, eine Hoffnung. Sonst sind wir schon tot, auch wenn wir noch atmen. Sieh nach den Sternen, gib acht auf die Gassen. So hat es Wilhelm Raabe mal gesagt, der Schriftsteller. Und Jörg Zink, der Fernsehpfarrer, der in der vergangenen Woche, am Donnerstag, neunzig Jahre alt geworden ist, hat unter diesem Motto sogar seine Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Sieh nach den Sternen, gib acht auf die Gassen. Sieh nach den Sternen! Der Mensch braucht den Blick nach oben, sonst bleibt er nur ein armer Erdenwurm. Aber gib auch acht auf die Gassen! Wer nur nach den Sternen sieht, der fällt möglicherweise ins nächste Erdloch. Man muss sehen, was man vor den Füßen hat, sonst stolpert man über den Alltag mit seinen Problemen und Sorgen. Wer nur nach oben guckt, ist schnell ein weltfremder Fantast und Träumer. Aber wer nie nach oben guckt, ist ein armer Kerl, der sich verzehrt in der Organisation seines Alltags und in der Verwaltung seiner Probleme. Im Januar und Februar, so habe ich es mir angewöhnt, mach ich immer einen kurzen Besuch bei den Konfirmandeneltern. Da komm ich nicht zum Abendessen oder zur Besichtigung von Konfirmandenzimmern, sondern eben nur mal kurz vorbei, um ein paar Sätze mit den Eltern zu reden. Vor Jahren bei einem solchen Besuch hat mir ein Konfirmandenvater gesagt: Wissen Sie, ich glaube nichts von dem, was in der Bibel steht. Ich glaube nur an das, was ich im Geldbeutel hab. Das klingt kurz und griffig. Aber ob das wirklich alles sein kann nur an das zu glauben, was man hat? Glaube an das, was man sieht? Vertrauen auf das, was ich besitze, eben was ich im Geldbeutel habe? Kann man seine Hoffnung setzen auf den Besitz? Oder ist man da nicht arm dran am Ende, denn man kann ja nichts behalten von dem, was man hat Gut und Geld bleiben uns ja nicht.?

3 Kein Mensch kann leben ohne eine Vision, ohne eine Perspektive, eine Hoffnung. Antoine de St. Exupery, der französische Pilot, der im zweiten Weltkrieg über dem Mittelmeer abgestürzt ist, niemand weiß genau wo, Antoine de St. Exupery hat es einmal sehr schön so gesagt: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Aufgaben zu verteilen, Werkzeuge zu beschaffen und Holz vorzubereiten, sondern wenn du ein Schiff bauen willst, dann lehre die Männer die Sehnsucht nach dem endlosen, weiten Meer. Eine Kirche ist dann lebendig, wenn sie diese Sehnsucht nach der Weite, nach dem weiten Horizont spürt, verkündigt, weitersagt. Die Kirche ist das Haus, das die Träume verwaltet, hat mal ein kluger Mann gesagt. Die Kirche ist das Haus, das die Träume verwaltet. So wollen wir über die Kirche reden und denken. Siehe! So lesen wir es im Predigttext für den heutigen Sonntag. Die Vision einer großen Zukunft, das ist das Thema des Ewigkeitssonntags. Man sagt auch Totensonntag. Denn unser Blick geht heute zurück: wir denken an unsere Verstorbenen. Ihre Namen werden verlesen nachher, wir zünden ein Licht an für jeden. Der Männergesangverein singt im Gedenken an die Toten. Gedanken gehen zurück. Aber der Totensonntag wird zum Ewigkeitssonntag. Die Bibel reißt uns heraus aus unserer Erdverhaftetheit, die Bibel will in uns in gewisser Weise die Sehnsucht wecken nach dem weiten offenen freien Meer Die Bitterkeit des Todes, der Schmerz über den Verlust eines lieben Menschen, die Verzweiflung darüber --- das alles soll hier nicht bagatellisiert werden. Der Tod ist keine Bagatelle. Er verwundet uns. Er bedroht jeden von uns, er ist all-gegenwärtig. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht an meinen eigenen Tod denke, hat mal eine Frau zu mir gesagt vor vielen Jahren schon, als ich noch ein junger Vikar war. Und ich vergesse diesen Satz nie. Aber der Bitterkeit des Todes zum Trotz, der Verzweiflung, dem Schmerz, der Trauer zum Trotz: Siehe! heißt es im Text. Schau auf, sieh nach den Sternen!

4 Siehe, ich will Zweimal im Text heißt es: siehe, ich will Diese Welt wird ihre Gestalt verändern, weil Gott es will. Und wir werden uns freuen. Als ich vor ein paar Jahren zu Fuß durch Frankreich und Spanien gelaufen bin, habe ich mal in einer Herberge ein schwedisches Ehepaar kennengelernt. Es war in der Nähe von Conques im französischen Zentralmassiv, einem kleinen Städtchen mit einer wunderschönen Kathedrale. Und als wir da beim Abendessen zusammensaßen, haben mich die Beiden gefragt, wie ich denn diese vielen Kirchen finde am Wegesrand, mit den Wandmalereien zu den biblischen Geschichten, ob uns das noch was zu sagen hat. Für das Pärchen war es klar: das hat nur kunsthistorischen Wert, Christus, die Engel, Auferstehung, ewiges Leben künstlerisch schön dargestellt, aber mit unserem Leben hat das nichts zu tun. We are not engaged. hat der Schwede gesagt, ich habe es noch im Ohr. Es war ein sympathischer Kerl, wir haben viel gelacht, aber we are not engaged, wir sind nicht engagiert, der Glaube bedeutet uns nichts. Die Kirche ist schön zum Fotografieren, aber reingehen, um zu singen, auf diese Idee kämen wir nie We are not engaged! Am anderen Morgen sind wir gemeinsam noch ein Stück zusammen gelaufen, es war neblig, so wie jetzt oft zwischen Hugsweier und Langenwinkel, die reine Milchsuppe, man hat keine zehn Meter weit gesehen, aber in der Ferne waren plötzlich Kuhglocken zu hören durch den Nebel. Und da hat mir der Schwede erzählt, wie er vor Jahren mit seiner Frau mal auf dem Monte Blanc gewesen sei und wie sie dort auch durch den Nebel gelaufen sind bis auf einmal der Nebel aufriss auf einer Hochebene, plötzlich die herrlichen Wiesen, die Kühe mit Kuhglocken, Sonnenschein, Stille, Friede dort oben in den Bergen, da kam der Schwede ins Schwärmen: I thought I would be in heaven! Ich dachte, ich wäre im Himmel! Als er davon erzählt hat, ist mir sein Satz vom Vorabend wieder eingefallen: we are not engaged, wir sind nicht engagiert, und jetzt, bei den bimmelnden Kuhglocken im Nebel, erzählt er mir, wie es sich da oben auf dem Berg fühlte plötzlich wie im Himmel. Ob nicht doch jeder Mensch irgendwie doch engaged ist, irgendwie diese Bilder vom gelingenden, vollkommenen Leben in sich trägt, wo der Friede herrscht, wo Wolf und Schaf beieinander weiden, wie Jesaja schreibt, wo der Löwe Stroh frisst, und die Stimme des Klagens und Weinens nicht mehr zu hören sind, wo es keine Bosheit mehr gibt und keinen Tod??? Kein Mensch kann leben ohne eine Vision. Sonst sind wir schon tot, auch wenn wir noch atmen.

5 Bilder sind natürlich zunächst mal nur Bilder. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Löwe Stroh frisst. Ich kann mir kein Leben ohne Tod vorstellen. In unserer Wirklichkeit ist das Leben nur denkbar in dieser Spannung: Licht und Dunkelheit, Krankheit und Gesundheit, Leben und Tod. Wir können nicht ewig jung sein, und wer s probiert, macht sich lächerlich. Gib deine Jugend mit Anmut zurück, wenn sie endet sagt ein alter Text aus Irland. Aber die Bilder vom Löwen, der Stroh frisst, vom Schaf und dem Wolf, vom Frieden und vom Ende des Todes sind Versuche, die Grenze zu überschreiten, das Herz über die Mauer zu werfen. Der Totensonntag, an dem wir zurückblicken, wird zum Ewigkeitssonntag, an dem wir nach vorne schauen. Da hat einer Bilder im Herzen, Jesaja, der Prophet. Er sieht das Undenkbare, und er sagt uns: Engagiert euch! Schaut doch, lasst euch anstecken, wagt einen Schritt des Glaubens! Traut Gott etwas zu. Freut euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe! So heißt es im Text. Kein Mensch kann leben ohne eine Vision. Wir brauchen den Blick nach oben, sonst bleiben wir arme Schlucker. Die Kirche ist das Haus der starken Bilder. Es geht hier nicht um ein bissel Mitmenschlichkeit, seid nett zu einander, um die Zehn Gebote und ein paar alte Gesangbuchlieder aus vergangenen Jahrhunderten, sondern es geht um etwas Atemberaubendes: um die Verwandlung der Welt durch Gott. Nichts kann so bleiben wie es ist. Nichts muss so bleiben wie es ist. Siehe Gott schafft das Neue. Der Totensonntag wird zum Ewigkeitssonntag. Unsere Toten, die wir betrauern, glauben wir in Gottes Ewigkeit geborgen. Dieser Glaube macht uns stark. Und wir fürchten uns nicht. Amen.