Die Kohlenstoff-Verweildauer der oberirdischen Biomasse einer intensiven Weide ist durch die Blattlebensdauer der dominanten Arten bestimmt
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- Gerburg Kohler
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1 Die Kohlenstoff-Verweildauer der oberirdischen Biomasse einer intensiven Weide ist durch die Blattlebensdauer der dominanten Arten bestimmt I. Schleip, F. Lattanzi, H. Schnyder TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, LEHRSTUHL FÜR GRÜNLANDLEHRE, Alte Akademie 12, Freising 1. Einleitung und Problemstellung Die oberirdische Biomasse ist ein Kompartiment im Kohlenstoffkreislauf eines Grasland-Ökosystems. Die Kenntnis der Kohlenstoff-Verweildauer in der oberirdischen Biomasse ist unerlässlich, um den Kohlenstoffkreislauf im Grasland-Ökosystem und der gesamten terrestrischen Biosphäre zu verstehen (SCHIMEL, 1995). Mithilfe von kontinuierlichen 13 C-Markierungsversuchen in einem kürzlich entwickelten Kammersystem (GAMNITZER et al., 2009) testeten wir auf einer Kurzrasenweide die Hypothesen, dass (1) die Pflanzentriebe hinsichtlich des Kohlenstoffumsatzes mit einem einfachen 2-Pool-Modell beschreibbar sind, bestehend aus einem nicht-strukturellen Pool (unter anderem wasserlösliche Kohlenhydrate und Speicherkohlenhydrate wie Fruktane und Stärke) und einem strukturellen Pool (Zellwandbestandteile wie Zellulose, Hemicellulose und Lignin), und (2) die Kohlenstoffverweildauer in dem strukturellen Pool in etwa der Länge der Blattlebensdauer der Arten entspricht. 2. Material und Methoden Drei Markierungsversuche fanden auf dem Versuchsbetrieb Grünschwaige in der Nähe von Freising im Herbst 2006 und im Frühjahr und Herbst 2007 für jeweils Tage statt. Hierbei wurden vier Plexiglaskammern, die durch einen offenen Deckel als Durchflusssystem konzipiert waren (GAMNITZER et al., 2009), auf eine Mutterkuh-Kurzrasenweide gestellt und tagsüber kontinuierlich mit 13 C-abgereicherter Luft konstanter Isotopie durchspült. An sieben bis acht Terminen wurden über die gesamte Markierungsdauer hinweg lebende Triebe und, wenn möglich, tote, den Trieben anhaftende Blätter der dominierenden Arten Lolium perenne, Poa pratensis, Taraxacum officinale und Trifolium repens und Proben der gesamten lebenden oberirdischen Biomasse (Bestand) gesammelt und in einem Massenspektrometer auf ihre Kohlenstoffisotopie hin untersucht. Mithilfe der photosynthetischen Diskriminierung, die an Kontrollpflanzen außerhalb der Kammern gemessen wurde, konnte der Anteil markierten und unmarkierten Kohlenstoffs in den Proben zu jedem Beprobungstermin berechnet werden. An die Markierungsverläufe wurde ein 2-Pool Modell gefittet, in dem der nichtstrukturelle Pool von den Assimilaten der Photosynthese und der strukturelle Pool während des Blattwachstums aus dem nicht-strukturellen Pool gespeist werden. Während der nicht-strukturelle Pool einen gut druchmischten Pool darstellt, folgt der 177
2 strukturelle Pool einem first-in-first-out-prinzip und verliert den im Wachstum gespeicherten Kohlenstoff erst mit Absterben der Blätter. Die zu diesem Modell gehörige Gleichung lautet f new (t) = (1 a) * (1 EXP(-b * t)) + a * 1/MRT C-Structural * (t + 1/b * EXP(-b * t) 1/b) (1) wobei f new (t) der Anteil des neuen Kohlenstoffs zum Zeitpunkt t, a der Anteil des strukturellen Pools am Gesamtkohlenstoff, b die Umsatzrate des nicht-strukturellen Pools und MRT C-Structural die Verweildauer des Kohlenstoffs in dem strukturellen Pool der Probe darstellt. Der Zusammenhang zwischen dem Anteil unmarkierten (f old ) und markierten Kohlenstoffs ist durch f old (t) = 1 f new (t) gegeben. Als Abschätzung des Anteils an strukturellem Kohlenstoff am Gesamtkohlenstoff (a in Gleichung (1)) wurde den Proben heißwasserlöslicher Kohlenstoff und Stärke- Kohlenstoff entzogen und der zurückbleibende Kohlenstoff als struktureller Kohlenstoff definiert. Nach dieser Methode betrug der Anteil strukturellen Kohlenstoffs etwa 65% ohne wesentliche Abweichungen zwischen den Arten und Jahreszeiten. Gleichung (1) wurde mit den Werten 0.6, 0.65 und 0.7 für a an die Datensätze angepasst, während MRT C-Structural und b hinsichtlich eines minimalen RMSE optimiert wurden. Zusätzlich wurde das Blatterscheinungsintervall und die Anzahl lebender Blätter pro Trieb an Trieben pro Art innerhalb der Kammern direkt beobachtet und die Blattlebensdauer anhand der Gleichung Blattlebensdauer = Blatterscheinungsintervall * Anzahl lebender Blätter pro Trieb (2) berechnet. 3. Ergebnisse und Diskussion Der Fit des 2-Pool Modells (Gleichung (1)) an die Markierungverläufe (Abb. 1) ergab signifikante Ergebnisse für die Verweildauer von Kohlenstoff im nicht-strukturellen und strukturellen Pool. Desweiteren zeigten Berechnungen des Akaike Information Criterion, dass das 2-Pool Modell einfacheren Modellen ebenbürtig oder leicht überlegen war und komplizierteren Modellen deutlich überlegen. Dies zeigt, dass das 2- Pool Modell trotz seiner Vereinfachung grundlegende Funktionen des Kohlenstoffumsatzes der Pflanzentriebe wiederzuspiegeln vermag. Unterstützend für die Theorie des first-in-first-out-prinzips für den strukturellen Kohlenstoff-Pool kommt hinzu, dass die toten Blätter der Pflanzen bis zuletzt keinen markierten Kohlenstoff enthielten (Abb. 1), da im Zeitraum der 13 C-Markierungen offensichtlich nur Blätter abstarben, die schon vor Beginn der Markierung ihren Kohlenstoff zum Wachstum erhalten hatten. Die Verweildauer von Kohlenstoff im nicht-strukturellen Pool (1/b), betrug zwischen 4 und 6 Tagen (Standardfehler etwa 0.7 Tage) ohne signifikante Unterschiede zwischen den Arten oder Jahreszeiten. Die modellierte Verweildauer von Kohlenstoff im strukturellen Pool (MRT C-Structural ) betrug 21 bis 38 Tage (Standardfehler im Herbst und Frühjahr etwa 3.5 und 8) mit Ausnahme von T. officinale im Herbst 2006 und P. pratensis im Frühjahr 2007 mit über 100 Tagen (Abb. 2). Diese beiden Datensätze wichen auch im Anteil des unmarkierten Kohlenstoffs (etwa 60% nach 2 Wochen) von den übrigen Datensätzen (etwa 40-50% nach 2 Wochen) ab (Abb. 1). Ohne Be- 178
3 rücksichtigung dieser beiden Datensätze variierte die Kohlenstoffverweildauer im strukturellen Pool demnach um 17 Tage, aber es zeigten sich keine systematischen Unterschiede zwischen den Arten und Jahreszeiten. Die beobachtete Blattlebensdauer variierte in etwa zwischen 30 und 50 Tagen, ebenso ohne systematische Unterschiede zwischen Arten und Jahreszeiten. Im Rahmen der Fehlergrenzen gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen der modellierten Kohlenstoff-Verweildauer im strukturellen Pool und der gemessenen Blattlebensdauer (Abb. 2), dennoch war bis auf die zwei schon erwähnten Ausnahmedatensätze (T. officinale im Herbst 2006 und P. pratensis im Frühjahr 2007) in allen Fällen die Verweildauer des Kohlenstoffs im strukturellen Pool etwas kürzer als die gemessene Blattlebensdauer. Dies könnte einerseits durch das Wachstum der Triebe während der Markierung verursacht sein, wodurch der unmarkierte Kohlenstoff schneller durch markierten Kohlenstoff verdünnt wird als ohne Wachstum. Zum anderen könnte eine Diskrepanz zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Blatt als geboren angesehen wurde, nämlich mit Erscheinen der Blattspitze, und dem Zeitpunkt, bis zu dem neuer Kohlenstoff in den strukturellen Pool eingebaut wurde, nämlich bis zum Ende der Blattwachstumsphase, dazu führen, dass die Kohlenstoffverweildauer systematisch kürzer war als die Blattlebensdauer. Dessen ungeachtet offenbaren die Ergebnisse einen deutlichen Zusammenhang zwischen Blattlebensdauer und Kohlenstoffverweildauer der dominierenden Arten. Sowohl die Verweildauer des Kohlenstoffs im strukturellen Pool als auch die beobachteten Blattlebensdauern zeigten eine gewisse phänotypische Plastizität, aber keine klaren zwischenartlichen oder jahreszeitlichen Einflüsse. Dies könnte auf die jahrelange intensive Beweidung der Versuchsflächen zurückzuführen sein, die möglicherweise einen homogenisierenden Effekt hinsichtlich des Kohlenstoffumsatzes hatte. Es ist wahrscheinlich, dass Pflanzen auf einen ständigen verbissbedingten vorzeitigen Verlust assimilierender Blätter mit einer Verringerung der Blattkonstruktionskosten reagieren, was zu weniger robusten und kurzlebigeren Blättern führt (COSTE et al., 2011) und daher zu einem schnelleren Kohlenstoffumsatz. 179
4 Abb. 1: Der Anteil des unmarkierten Kohlenstoffs (f old ) in den lebenden Trieben (geschlossene Symbole) und toten Blättern (offene Symbole) von L. perenne, P. pratensis, T. officinale, T. repens und der gesamten lebenden oberirdischen Biomasse (Bestand). Datenpunkte sind Mittelwerte von 6 bis 8 Proben ± 1 Standardfehler. Die gestrichelte Linie ist der Fit von Gleichung (1) an die Datensätze mit einem gegebenen Anteil des strukturellen Kohlenstoffpools (a) von 65%. 180
5 Abb. 2: Vergleich von der Kohlenstoffverweildauer im strukturellen Pool (MRT C-Structural ) und der Blattlebensdauer der Arten mit einem gegebenen Anteil des strukturellen Kohlenstoffpools von (a) 70%, (b) 65% und (c) 60%. Fehlerbalken stehen für das 95%- Konfidenzintervall. Der fehlende Balken eines Wertes (P. pratensis im Frühjahr 2007) deutet darauf hin, dass sich dieser nicht signifikant von Null unterschied. Die logarithmische Skala wurde für eine bessere Übersichtlichkeit gewählt. 4. Schlussfolgerungen Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Kohlenstoffverweildauer der oberirdischen Biomasse einer Kurzrasenweide maßgeblich von der Blattlebensdauer der dominierenden Arten bestimmt wird, da (1) ein enger Zusammenhang zwischen der Blattlebensdauer und der Kohlenstoffverweildauer im strukturellen Pool bestand und (2) etwa 65% des Kohlenstoffs im strukturellen Pool zu finden waren und dieser mit im Mittel etwa 30 Tagen eine deutliche längere Kohlenstoff-Verweildauer zeigte als der nicht-strukturelle Pool mit etwa 5 Tagen. Es ist wahrscheinlich, dass der hier gefundene Zusammenhang zwischen Blattlebensdauer und Kohlenstoffverweildauer auch für andersartig genutztes Grünland gültig ist. Daher legen unsere Ergebnisse nahe, dass es im Grünland möglich ist, anhand der Blattlebensdauern der im Bestand dominierenden Arten den Kohlenstoffumsatz der oberirdischen Biomasse abzuschätzen und damit eine wichtige Komponente des Kohlenstoffkreislaufs von Grasland- Ökosystemen zu bestimmen. Literatur COSTE, S., ROGGY, J.C., SCHIMANN, H., EPRON, D., und DREYER, E. (2011): A cost-benefit analysis of acclimation to low irradiance in tropical rainforest tree seedlings: leaf life-span and payback time for leaf development. Journal of Experimental Botany 62, GAMNITZER, U., SCHÄUFELE, R. und SCHNYDER, H. (2009): Observing labelling kinetics in CO 2 respired by a temperate grassland ecosystem. New Phytologist 184, SCHIMEL, D. (1995): Terrestrial ecosystems and the carbon cycle. Global Change Biology 1,
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