Sprachwahrnehmung in der frühen Kindheit. 11. Sitzung am Anja van Kampen
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1 Sprachwahrnehmung in der frühen Kindheit 11. Sitzung am Anja van Kampen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 1
2 Mustererkennung Zunächst kurze Wiederholung Aufgabe des Kindes: Isolation von Einheiten im Sprachstrom, welche mit Wörtern korrespondieren Wahrscheinlich ist, dass Kinder (und Erwachsene) verschiedene Cues dazu nutzen Sensitivität für phonolog. Informationen (Prosodie und Phonotaktik) Distributionelle Analysen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 2
3 Mustererkennung Gebrauch von distributionellen (nicht-prosodischen) Informationen 9 Mon Kinder zeigen phonotakt. Wissen Sensitivität für die Frequenz legaler Kookurrenz-Muster von Phonemen (Jusczyk et al., 1994) Nutzen von Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen Silben zur Worterkennung (Saffran et al., 1993) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 3
4 Höhle & Weissenborn(2000) Sensitivität für die Kookurrenz von Phonemen und Silben sollte Kinder unterstützen Einheiten zu finden, welche in ihrer Form frequent und in verschiedenen Kontexten vorkommen Demnach Vorteil für Funktionswörter (FW), da diese hoch frequent sind Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 4
5 Höhle & Weissenborn (2000) ABER: Kinder produzieren zuerst Inhaltswörter (IW); FW erst in Mehrwortäußerungen Verzögerte Produktion wird meist durch perzeptuelle Nachteile der FW erklärt Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 5
6 Höhle & Weissenborn (2000) ABER: Höhle & Weissenborn (1998): 7,5 Mon Kinder zeigen längere OT für Texte mit FW, welche in Fam.phase präsentiert wurden (vgl. auch Jusczyk & Aslin, 1995) Hypothese: FW werden früh als eigenständige Einheiten erkannt und dienen als Ankerpunkt für weitere Segmentierung (d.h. z.b. Worterkennung) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 6
7 Höhle & Weissenborn (2000) Probanden 39 dt. Kinder = 8,5 bis 10,5 Mon UND 47 dt. Kinder = 10,5 bis 12,5 Mon Material 4 jambische Wörter: Vulkan, Hormon, Pastor, Konzil 4 Phrasen (Artikel+Nomen): der Kahn, der Mohn, das Tor, das Ziel Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 7
8 Höhle & Weissenborn (2000) Durchführung Fam.phase: entweder 2 jamb. Wörter oder 2 Phrasen Testphase: 4 Textpassegen(=6 Sätze) mit den einsilbigen Target-Nomen OHNE Artikel Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 8
9 Höhle & Weissenborn (2000) Hypothesen Wenn Kinder Artikel als eigenständige Einheit wahrnehmen, dann sollten nur die Kinder, welche mit der Phrase familiarisiertwurden, unterschiedliche Orientierungszeiten zwischen bekannten (=familiarisierten) und unbekannten (=nicht familiarisierten) item zeigen Wenn Kinder metrisch segmentieren (starke Silbe = Wortanfang), dann sollten beide Gruppen unterschiedliche OZn für die Textpassagen zeigen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 9
10 Höhle & Weissenborn (2000) Ergebnisse 8,5 bis 10,5 Mon Gr. A) mit jamb. Wörtern familiarisiert, zeigte sign. unterschiedliche OZn für Textpassagen ( bekannte Target- Nomen > unbekannte) Vgl. silbische Segmentierung bei Jamben bei Jusczyk, Houston & Newsome(1999). Gr. B) mit Phrasen familiarisiert, zeigte keine unterschiedlichen Ozn(=keine Segmentierung der Einsilber) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 10
11 Höhle & Weissenborn (2000) Ergebnisse 10,5 bis 12,5 Mon Gr. A) mit jamb. Wörtern familiarisiert, zeigte keine unterschiedliche OZnfür bekannte und unbekannte Textpassagen (keine falsche silbische Segmentierung) Gr. B) mit Phrasen familiarisiert, zeigte sign. unterschiedlichen OZnfür bekannte und unbekannte Textpassagen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 11
12 Höhle & Weissenborn (2000) Hypothesen Wenn Kinder Artikel als eigenständige Einheit wahrnehmen, dann sollten die Kinder, welche mit der Phrase familiarisiert wurden unterschiedliche OT zeigen Wenn Kinder metrisch segmentieren (starke Silbe = Wortanfang), dann sollten beide Gruppen unterschiedliche OT für die Textpassagen zeigen? Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 Warum keine Segmentierung der Einsilber durch jüngere Gruppe, wenn Familiarisierung mit Phrasen? 12
13 Höhle & Weissenborn (2000) Interpretation I 10,5 Mon Kinder nehmen jambische Wörter als Einheit wahr, da kein Effekt für Gr. A ( Kinder reagierten nicht auf nur einen Teil des Jambus) Wenn dt. Kinder ebenfalls metrische Ansatz zur Segmentierung nutzen, dann haben sie diesen mit 10,5 Mon überwunden Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 13
14 Höhle & Weissenborn (2000) Interpretation II Gr. B der 10,5 bis 12,5 Mon Kinder bestätigt Erwartung, dass Kinder Artikel als Einheit bereits wahrnehmen und zur Segmentierung nutzen Aber jüngere Kinder? Nur Gr. A (mit Jamben fam.) zeigte erwartete Reaktion, d.h. sie segmentierten vor der starken Silbe; warum nicht Gr. B? Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 14
15 Höhle & Weissenborn (2000) Interpretation III Überlegung, dass prosodische Eigenschaften der jambischen (zweisilbigen) Wörter salienterwaren, als die der Phrasen (Artikel+Nomen) Prosodische Analyse der Silben (Fa,. Phase) zeigte, dass Unterschiede in F0 und Vokallänge der beiden Silben im Jambus salienter waren als in der Phrase Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 15
16 Höhle & Weissenborn (2000) Interpretation IV Jambische Wörter hatten höhere F0 und längere Vokaldauer (v.a. auf der 2. Silbe) Dies könnte erklären, warum Gr. A der jüngeren Kinder, aber nicht Gr. B die erwarteten Reaktionen zeigte keine Segmentierung der Einsilber bei Fam. mit Phrasen, aber silbische Segmentierung bei Fam. mit jambischen Wörtern wegen akustisch stärkerer Salienz der zweiten Silbe gegenüber dem einsilbigen Wort. Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 16
17 Frequent Frame Theory die Idee: Kinder weisen Wörtern in gleichen Kontexten die gleiche grammatische Kategorie zu z.b.... tox to... > X ist ein Verb Problem: Kontexte können längere Wortsequenzen beinhalten z.b....tohurriedly and effortfully X to... falsche Kategorisierung möglich!! Woher weiß ein Lerner, welche Kontexte relevant sind? unwahrscheinlich, dass alle möglichen Kontexte berücksichtigt werden (zu aufwändig!) deshalb nur häufige Frames berücksichtigt > kein Noise Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 17
18 Frequent Frame Theory Frames: geordnete, häufig miteinander vorkommende Wortpaare, die nur durch ein Wort voneinander getrennt sind These: Kinder kategorisieren Wörter gemeinsam, wenn sie in denselben häufigen Frames vorkommen Evidenz für Frames: Mintz (2002): Erwachsene nutzen Frames zur Kategorisierung Kinder lernen Verbbedeutungen schneller, wenn sie in häufigen Kontexten vorkommen (Childers & Tomasello 2001) Verben mit ähnlicher Argumentstruktur haben ähnliche Bedeutungen (Landau & Gleitman 1985) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 18
19 Frequent Frame Theory Exp. 1: Struktur des Inputs Auswertung von Äußerungen Erwachsener in 6 Korpora der CHILDES-Datenbank Kinder aus Langzeitstudien bis 2;6 Auszählung der Frames nur Wörter, keine Phrasengrenzen als Kontexte 45 häufigsten Frames = frequent frames Type- und Tokenzählung der dazwischen liegenden Wörter danach: Vergleich, wie oft Wort einer bestimmten Kategorie (z.b. Verb) in einem konkreten Frame vorkam Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 19
20 Frequent Frame Theory completeness : überprüft, ob Wörter einer bestimmten Kategorie tatsächlich zusammen gruppiert werden Kategorien: Nomen, Verben, Adjektive, Präpositionen, Artikel, wh- Wörter, not, Konjunktionen, Interjektionen Ergebnisse: 440 Types konnten auf diese Weise klassifiziert werden ca. 50 % der Types eines Korpus kann mit Hilfe der 45 häufigsten Frames kategorisiert werden spezifischer Frame beinhaltete fast ausschließlich Wörter einer bestimmten Kategorie Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 20
21 Frequent Frame Theory Beispiele für Frequent Frames (Peter): Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 21
22 Frequent Frame Theory Beispiele für Frequent Frames (Aran) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 22
23 Frequent Frame Theory ca. 27 % der Frequent Frames kam in allen 6 Korpora vor Diskussion: Frequent Frames bestimmen sehr eindeutig die Wortkategorie ähnliche Ergebnisse, ob man Types oder Tokens berechnet aber Frames beinhalten verschiedene Unter-Kategorien (Nomen = Nomen, Pronomen; Verben = Voll-, Hilfs-, Modalverben) Frames bestehen primär aus closed-class-elementen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 23
24 Frequent Frame Theory robuste Information: 50% der Types können so kategorisiert werden relativ wenige nicht inkorrekte gemeinsame Klassifikationen z.b. it the ist Frame für Präpositionen und Verben Problem: absolutes Maß (45 Frequent Frames für alle Kinder) erfasst evtl. auch Frames, die im Input eigentlich gar nicht so frequent sind deshalb genauere Analyse in Exp.2 Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 24
25 Frequent Frame Theory Exp. 2: relative Häufigkeit der Frames pro Korpus Ausschluss aller Frames, die nur 1 bis 2 verschiedene Worttypes enthalten Grund: nicht-adjazenteabhängigkeiten können leichter gelernt werden, wenn Material dazwischen variiert (Gomez 2002) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 25
26 Frequent Frame Theory Ergebnisse: ähnlich wie Exp.1: Types, die ca. 50% der Tokens eines Korpus bilden, kamen in den Frames vor Diskussion: Frequent Frames bilden zuverlässigen Hinweis auf Wortkategorisierung starke Überlappungen in den Wörtern, die in bestimmten Frames vorkommen: Verben in you to, she to, you the,... Kategorien könnten dann zusammengefasst werden ergibt dann eine extrem hohe Übereinstimmung in grammatischer Kategorie Verb (99.3%) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 26
27 Frequent Frame Theory Identifizierung der Frames: Kinder berechnen Kookurrenzen was häufig vorkommt, ist systematisch (kein noise) dass closed-class Elemente diese Frames bilden, resultiert aus ihrer hohen Frequenz schon Neugeborene differenzieren closed-class von openclass Elementen aufgrund ihrer prosodischen Funktion (Shi, Werker & Morgan 1999) closed-class-elemente dienen als Anker für distributionelle Analyse der Umgebung und als Marker für Phrasen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 27
28 Frequent Frame Theory FFT in anderen Sprachen: zuverlässig, wenn feste Wortfolge und wenig Flexion in Sprachen mit reicher Morphologie können die Affixe die Frequent Frames bilden deshalb auch auf andere Sprachen übertragbar (muss aber noch getestet werden) Schlussfolgerung: effektiver Weg, um grammatische Kategorien zu bilden Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitungin der frühen Kindheit WS 2009/10 28
29 NEUES THEMA: Wortübergreifende Abhängigkeiten Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
30 Referat Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
31 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Santelmann, L., Jusczyk, P. W., & Huber, M. (2003). Infants' Attention toaffixes. In D. M. Houston & A. Seidl& G. Hollich& E. K. Johnson & A.M. Jusczyk(Eds.), JusczykLab Final Report: www. Untersuchungsgegenstand: Sensitivität der Kinder für wiederkehrende Segmente über Einzelwörter hinweg. Experiment 1: HTP, 2 Arten von Listen mit 2silbigen Pseudowörtern 1. eine nonsense-silbe (innerhalb der Liste unterschiedlich) + das immer gleiche Suffix, z.b. -ful, -ish 2. zwei immer unterschiedliche nonsense-silben 9 Monate alte Kinder Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
32 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Ergebnisse Experiment 1: Die Kinder machen keinenunterschied in den Orientierungszeiten zu den Listen! Erklärung 1: Kinder zu jung Erklärung 2: Silben unbetont Erklärung 3: vielleicht wird eher auf initialeals auf finale Silben geachtet? Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
33 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Experiment 2: Wiederum 2 Arten von Wortlisten, aber jetzt 1 x immer gleiches, unbetontes Präfix, z.b. pro-, con-+ betonte zweite nonsense-silbe 1 x zwei immer unterschiedliche nonsense-silben, Betonung auf 2. Silbe Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
34 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Ergebnis Experiment 2: Deutlich längere Orientierungszeiten zu den Listen mit gleichbleibendem Präfix als zu den Listen mit unterschiedlichen ersten Silben Im Alter von 9 Monaten Sensitivität für gleiche Präfixe aber nicht für gleiche Suffixe. Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
35 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Hypothese: Im Alter von 14, aber noch nicht im Alter von 9 Monaten verwenden Kinder Mehrwortäußerungen. Mit 9 Monaten gibt es generell noch keine Evidenz für das Verständnis von morphosyntaktischen Informationen Sind evtl. 14 Monate alte Kinder in der Lage, Wortlisten mit gleichen und unterschiedlichen Suffixen bzw. wortfinalen Silben zu unterscheiden. Experiment 3 HTP, 14 Monate alte, gleiches Design wie Experiment 1 Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
36 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Mit 18 Monaten gibt es eine Präferenz für gemeinsam auftretendes is und ing bei englischen Kindern Vielleicht in diesem Alter bzw. sogar noch später auch Sensitivität für gleiche Suffixe? Gleiches Experiment mit 20 Monate alten Kindern (Experiment 4) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
37 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Ergebnisse Experiment 4 Wieder keinsignifikanter Effekt, d.h., noch keine signifikante Unterscheidungsfähigkeit zwischen Listen mit gleichen Suffixen und unterschiedlichen finalen Silben. ABER: leicht geänderte Richtung eines nicht signifikanten Effekts Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
38 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Experiment 2-Silber mit gleichen Suffixen 2-Silber mit unterschiedlichen finalen Silben 9 Mon. Präfixe 9.12 s 7.95 s 9 Mon. Suffixe 8.74 s 8.92 s 14 Mon. Suffixe 8.26 s 7.83 s 20 Mon. Suffixe 7.45 s 7.06 s Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
39 Konkordanzmorphologie Von Konkordanzmorphologiespricht man, wenn alle Wörter innerhalb einer Phrase die gleiche Endung aufweisen. Deutsch: Der Bauer gibt den fetten Hennen Futter. Spanisch: Los viejos zapatos ya no me gustan.»-os für maskulin plural
40 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie Aus dem englischen (Santelmannet al.) gab es erste Hinweise darauf, dass 9 Monate alte Kinder zwar auf den Anfang von Wörtern, nicht aber auf das Ende achten Ist dieses Phänomen evtl. sprachspezifisch? Wie sieht es im Deutschen aus?
41 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie CrosslinguistischeUntersuchungen mit deutschen Stimuli (Lydia Blenn/Pelzer) Fragestellung: Sind Kinder im Alter von 8-9 Monaten sensitiv für Konkordanzmorphologie innerhalb von Phrasen? Nutzen Sie dieses Merkmal zur Segmentierung des Sprachstroms in syntaktische Einheiten (Phrasen)?
42 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 1 Head turn preference Paradigma Familiarisierung: Eine konkordante diesen faulen Hennen und eine nicht konkordante Phrase seiner großen Katze
43 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 1 Testphase: Zwei Sätze mit konkordanten und zwei mit nicht konkordante Phrasen, je eine konkordante und eine nicht konkordante Phrase ist familiarisiert, die andere nicht Der Bauer erwartet von diesenfaulenhennenmehr Leistung (familiarisiert, konkordant) Das Publikum blieb bei diesendickenrobbenimmer lange stehen (nicht familiarisiert, konkordant) Das Kind spielt mit seinergroßenkatzeam liebsten am Wasser. (familiarisiert, nicht konkordant) Die Dame spaziert oft zu ihrerjungenmeisein den Park (nicht familiarisiert, nicht konkordant)
44 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 1 Hypothesen: 1. Wenn die Konkordanzmorphologiedie Segmentierung von Phrasen unterstützt, sollten die Kinder auf familiarisierte konkordante Phrasen anders reagieren als auf familiarisierte nicht konkordante. 2. Wenn die Sensitivität für die Konkordanzmorphologie abhängig von den Charakteristika der Zielsprache ist, sollten deutsche Kinder auf die Morphologie, die am Wortende realisiert ist, reagieren, die amerikanischen aber nicht.
45 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 1 Probanden: 17 deutsche Kinder im Alter von 10 Monaten 28 amerikanische Kinder im Alter von 10 Monaten
46 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 1 Deutsche Kinder: In der fam. Bedingung kein sign. Unterschied zwischen konkordant und nicht konkordant, signifikant jedoch der Unterschied in der nicht familiarisierten Bedingung (F(1,16)=2,23, p<0.5. m ean lookin ng tim es familiar unfamiliar concord non-concord
47 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 1 Amerikanische Kinder: Keinerlei signifikante Effekte m e a n l o o k i n g t i m e concord non-concord 0 familiar unfamiliar
48 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp.1 Deutsche Ergebnisse: Überlagert der Familiarisierungseffekt den der Konkordanzmorphologie? Effekt der Konkordanzmorphologie in nicht familiarisierter Bedingung kann als deutlicher Hinweis auf Segmentierungsfähigkeiten interpretiert werden
49 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp.2 2. Deutsches Experiment 6500 Ohne Familiarisierung, nur 6000 Präsentation von Sätzen Keine signifikanten Unterschiede in den Orientierungszeiten konk nicht konk.
50 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 1 u. 2 Schlussfolgerungen: Deutsche Kinder reagieren auf die konkordante Morphologie und nutzen sie auch zur Strukturierung ihres sprachlichen Inputs Amerikanische Kinder hingegen zeigen keine Sensitivität für konkordanzmorphologische Merkmale Die Reaktion auf dieses Merkmal ist sprachspezifisch
51 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 2a Amerikanische Kinder reagieren stärker auf den Wortanfang als auf das Wortende bei Einsilbern (Jusczyk1999) und auch bei Pseudowörtern mit Affigierung(Santelmann et al. 2003) Ähnliches Experiment mit der Bantusprache Suaheli, in der Präfixe statt Suffixe zur Kodierung syntaktischer Information verwendet werden (Lydia Blenn& Amanda Seidl)
52 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 3 Stimulusmaterial Familiarisierungsphase: Ki-le ki-su ki-pya (jedes neue Messer) li-le ji-su ji-pya (jedes große neue Messer)
53 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 3 Testphase: 2 Sätze, in denen insg. 5 x die konkordante Phrase enthalten war 2 Sätze, in denen insg. 5 x die nicht konkordante Phrase enthalten war
54 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 3 Amerikanische Kinder präferierten Sätze mit konkordanten Phrasen gegenüber Sätzen mit nicht konkordanten Phrasen. Die deutschen Kinder zeigten gar keinen Effekt!!! konk. inkonk.
55 Wortübergreifende Abhängigkeiten I Exp. 2: Erwachsene deutsche und englische Erwachsene hörten Swahili Stimuli Hypothese: Wenn phonologische und morphosyntaktische Kriterien für Phrasierung berücksichtigt werden, dann sollten Erwachsene diese cues im Input nutzen. Probanden: 27 deutsche und 31 englische Erwachsene kein Kontakt zum Swahili Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
56 Wortübergreifende Abhängigkeiten I Material: 36 konkordante und 36 nicht-konkordante Stimuli Einbettung in Textpassagen Design: auditive Präsentation Kam die isolierte Phrase in vorangegangenem Testsatz vor? verschiedene Knöpfe für ja/nein-antworten Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
57 Wortübergreifende Abhängigkeiten I Ergebnisse: deutsche Erwachsene: kein Effekt englische Erwachsene: mehr korrekte ja-antworten n.s. * Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
58 Wortübergreifende Abhängigkeiten I offenbar achten englische Sprecher von früher Kindheit an auf Wortanfänge um das genauer zu testen: Exp. 3 Exp.3: erwachsene englische Sprecher hören deutsche Stimuli Probanden 27 englische Erwachsene Material: 36 konkordante und nicht-konkordante deutsche Phrasen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
59 Wortübergreifende Abhängigkeiten I Design: wie Exp. 2 Ergebnisse: kein signifikante Erkennungsrate zwischen konkordanten und nicht-konkordanten Stimuli Diskussion englische Kinder und Erwachsene sind sensitiv für konkordante Präfixe d.h., identische morphologische Marker können Hinweise auf syntaktische Phrasierung geben aber vermutlich nur innerhalb relativ kleiner Domänen Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
60 Wortübergreifende Abhängigkeiten I Wahrnehmung von Konkordanz ist beeinflusst von Erfahrung mit der Muttersprache aber auch Unterschiede in Qualität der Affixe: Swahili Präfixe CV-Silben mit Vollvokal, dt. Suffixe reduziert!!! wichtig: Englische Probanden erkennen nur wiederkehrende Muster im Swahili, repräsentieren keine Morphologie!!!! Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
61 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie Schlussfolgerungen: Dass die amerikanischen Kinder nicht auf die Konkordanz in den deutschen Stimuli reagiert haben, kann nicht durch den fremdsprachlichen Input begründet werden. Vielmehr scheint es sich um eine sprachspezifisches Phänomen zu handeln. Aber: amerikanische Kinder zeigten Diskriminationsleistungenfür Pseudowörter, die sich nur durch den letzten Buchstaben unterschieden. (Tincoff et al. 2003)
62 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie Die deutschen Suffixe enthielten alle einen reduzierten Vokal (schwa) zeigten die englischsprachigen Kinder deshalb keine Sensitivität für die Konkordanzmorphologie?
63 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie Die Konkordanzmorphologie im Spanischen Los pequenos barcos El pequeno coche -os: mask. pl., wird realisiert am Artikel, Adjektiv und Nomen
64 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 3 1.Spanische Untersuchung (in Kooperation mit LouAnn Gerken, University ofarizona, Tucson) entsprechend den deutschen Experimenten, aber: Familiarisierungmit Sätzen, Testphase mit isolierten Phrasen
65 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 3 Fam.phase: eine konkordante, eine nicht konkordante Phrase, jeweils eingebettet in eine Gruppe von Sätzen...lospequenosbarcos......elninosonrie... Testphase: Isolierte Phrasen, 2 x konk., 2 x nicht konk, davon je 1 x fam., 1 x nicht fam. Probanden: 32 Kinder, 9 Monate alt
66 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 3 Ergebnisse: Familiarisierteitems: kein signifikanter Unterschied 5500 zwischen konk. und nicht 5000 konk konk. nicht konk. Nicht familiarisierteitems: Signifikanter Unterschied zwischen konk. und nicht konk., T(31)=3,8, p < fam. nicht fam.
67 Interpretation der Ergebnisse von Exp. III Wurde ein Konkordanzeffektwieder, wie im Deutschen Experiment, von dem Effekt der Familiarisierung überlagert? Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10 67
68 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp.4 2. Spanisches Experiment: Ohne Familiarisierungsphase, nur Sätze (parallel zur deutschen Untersu- chung) Keine signifikanten Unterschiede konkordant nicht konkordant
69 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 5 Spanisches Material mit spanischen Kindern, gleiches Experiment wie im Deutschen (n = 9): Kein Effekt!!! konk. nicht konk fam. nicht fam.
70 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Exp. 6 Spanisches Material mit amerikanischen Kindern, ohne Familiarisierungsphase, nur Phrasen (n = 9): Kein Effekt!!! konk. nicht konk
71 Crosslinguistische Untersuchungen zur Konkordanzmorphologie, Fragen Warum zeigen die spanischen Kinder keinen Effekt beim spanischen Material? Warum zeigen die deutschen Kinder im Experiment 1 und 3 einen Konkordanzeffekt bei den nicht familiarisierten Sätzen bzw. Phrasen, nicht aber in Experiment 2 und 4 bei den Sätzen?
72 SICHERHEITSFOLIEN REFERAT Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
73 Wortübergreifende Abhängigkeiten II: Santelmann& Jusczyk(1998) 5 Experimente mit englischen Kindern Monate alt Verbflexion: is... V-ingmit unterschiedlich langen dazwischen liegenden Silben Exp.1: Abhängigkeit is und ing(grandma is singing) Hypothese: Kinder erkennen Kookurrenz von is und -ing Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
74 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Probanden: 24 Amerikanische Kinder, 18 Monate Stimuli: Textpassagen, in denen is+ -ing vorkam, Atthebakery, everybodyisbakingbread. can+ -ing vorkam, Atthebakery, everybodycanbakingbread. > ungrammatisch) Design: Preference Headturn Procedure Übungsdurchläufe, aber keine Familiarisierung Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
75 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Ergebnisse: signifikant längere Orientierungszeit für natürliche (=grammatische) Stimuli Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
76 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Exp. 2: gleiches Experiment mit 24 Kindern, 15 Monate alt Ergebnis: 16 der 24 Kinder sahen länger zu den grammatischen Stimuli insgesamt aber nicht signifikant Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
77 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Exp.3: Einfluss von Arbeitsgedächtnis Methode: 24 Amerikanische Kinder im Alter von 18 Monaten Stimuli wie in Exp.1 und 2, aber mit 4-silbigen Adverbien zwischen Auxiliar und -ing natürlich: At the bakery, everybody is effectively baking bread unnatürlich: At the bakery, everybody can effectively baking bread. Ergebnis: nur 10 der 24 Kinder sahen länger zu natürlichen Stimuli insgesamt kein sign. Effekt Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
78 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Vielleicht 5 Silben zu lang (Adverb + Verbstamm)? Exp. 4: kürzeres Adverb always, often 24 Kinder, 18 Monate Stimuli natürlich: At the bakery, everybody is often baking bread unnatürlich: ;At the bakery, everybody can often baking bread. Ergebnisse: signifikanter Unterschied zwischen natürlichen und unnatürlichen Stimuli Kinder erkennen Abhängigkeiten über 3 Silben (Adv. + Verbstamm) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
79 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Erkennen Kinder Abhängigkeiten über 4 Silben? Exp: Monate alte Kinder Stimuli: natürlich: At the bakery, everybody is quite often baking bread. unnatürlich: At the bakery, everybody can quite often baking bread. Design: wie bei Exp. 1-4 Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
80 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Ergebnis: kein signifikanter Unterschied 13 der 24 Kinder sahen länger zu natürlichen Stimuli Interpretation: Kinder können diskontinuierliche Abhängigkeiten erkennen aber nur in relativ kleiner Domäne von 3 Silben (zweisilbiges Adverb und Verbstamm) Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
81 Wortübergreifende Abhängigkeiten II Schlussfolgerung: 18 Monate alte Kinder können grammatische Abhängigkeiten erkennen aber nur in begrenzter Domäne Distanzen länger als 3 Silben überfordern ihr Arbeitsgedächtnis Anja van Kampen Sprachwahrnehmung und verarbeitung in der frühen Kindheit WS 2009/10
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