Nach Mossul und Rakka vervielfachen sich die Risiken

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1 Nach Mossul und Rakka vervielfachen sich die Risiken... Experte Bernard Siman Region: Maghreb und Naher Osten 9. Juli 2017: Nach einer neunmonatigen Wiedereroberung durch die irakischen Streitkräfte gleicht Mossul nur noch einem Ödland aus abgerissenen Gebäuden und zerstörten Autos (Foto: dpa) Da sich der Kampf um Mossul (Irak) dem Ende neigt, setzt nun die Schlacht um Rakka (Syrien) ein. Aus militärischer Sicht gab es nie Zweifel an dem Fall dieser beiden Bastionen des Islamischen Staats (IS). Die einzigen Fragen drehten sich um die Kosten, die gefährdeten Menschenleben, die materielle Zerstörung und die strategischen Konsequenzen. Im Mossul lassen sich die Kosten jetzt beziffern. Die Schäden an der Stadt die in wilden, von Haus zu Haus verlaufenen Schlachten, bei der eine Koalition aus irakischen Armee- und Innenministeriums-Truppen, vom Iran unterstützten Schiiten- Milizen, kurdischen Peschmerga und westlichen Spezialeinheiten kämpfte sind massiv. Die Zahl der Todesopfer konnte bisher nicht ermittelt werden, aber sie war sicher sehr hoch. Zu dem Gemetzel kommt noch die Notlage von vertriebenen Zivilisten, die in verschiedenen improvisierten Lagern rund um Mossul SEITE 1

2 nur unzureichend ernährt und beschützt wurden. Die hohe zivile Opferzahl war das unvermeidliche Ergebnis der Artillerie- und Luftangriffe zur Unterstützung der irakischen Streitkräfte, die in dicht besiedelte Ballungsgebiete einmarschierten. Weitere erschwerende Faktoren waren der komplizierte Aufbau der Altstadt von West-Mossul, der beengte Raum, auf dem die Kämpfe stattfanden, sowie die Vorgehensweise des IS, der die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde missbrauchte. Die Kinder des IS Die Antwort auf die zweite Frage also die strategischen Konsequenzen aus der Niederlage des IS in Mossul wird von der irakischen Regierung abhängen. Solange sie nicht ihren sektiererischen Kurs ändert und die Sunniten, die etwa 32 Prozent der Bevölkerung des Landes stellen, als echte politische Partner anerkennt, wird die Entstehung eines Sohnes des IS nicht lange auf sich warten lassen. In diesem Fall könnten in einem Zyklus von fünf oder zehn Jahren immer neue Ableger- Bewegungen entstehen. Viel wird auch von den Vereinigten Staaten abhängen und von der Frage, ob sie vor Ort eine langfristige militärische Präsenz erhalten werden. Es ist wichtig, den taktischen Druck auf die Terroristen lange aufrecht zu erhalten, um Zeit für die Reifung des politischen Prozesses zu gewinnen, so dass auch die Sunniten eine ernsthafte Rolle in der Regierung erhalten können. Statt der heutigen hochintensiven urbanen Kriegsführung werden sich diese Operationen zu einem Gegenangriff entwickeln, der sich vor allem auf die ländlichen Enklaven konzentriert. Es ist entscheidend, dass man verhindert, dass die IS-Nachfolgeorganisationen sich genug militärische Feuerkraft aneignen, um große Städte anzugreifen. Der Angriff auf Rakka dürfte einen ähnlichen Grad an Zerstörung verursachen und dieselbe Notwendigkeit für einen politischen Prozess schaffen, um mit den Folgen umzugehen. Natürlich gibt es viele Unterschiede zwischen dem Irak und Syrien bezüglich der Bedingungen und Akteure. Aber die Ereignisse rund um Mossul und Rakka sind grundsätzlich wichtige taktische Siege, egal, was die Medien behaupten. SEITE 2

3 Die Eroberungen stellen jedoch keine strategischen Schritte zur Beseitigung der islamistischen Dschihadisten-Aktivitäten dar sei es in der Levante, in Nordafrika oder anderswo. Dies kann nur eintreten, wenn die Militärkampagne von einer ernsthaften politischen Strategie begleitet wird, die sorgfältig auf die irakischen und syrischen Bedingungen zugeschnitten ist, welche in verschiedenen internationalen und regionalen Kontexten eingebettet sind. Es wird unweigerlich einen Ableger, einen Sohn des IS geben. Tatsächlich dürfte es sogar zwei geben. Der erste wird eine Aufstandsbewegung im Irak sein, wie bereits erwähnt wurde. Der zweite dürfte aus dem anhaltenden Rückstrom an ausländischen Kämpfern hervorgehen, die vor allem aus Syrien nach Europa zurückkehren und die eine nachhaltige, langfristige terroristische Bedrohung für das europäische Festland darstellen. Die Zusammensetzung der etwa überlebenden IS-Kämpfer unterscheidet sich in Syrien und im Irak deutlich: Im erstgenannten Land sind 70 Prozent dieser ehemaligen Kämpfer Ausländer, während im Irak das Verhältnis genau umgekehrt ist. Diese Dschihadisten werden in Europa versuchen, Anschläge zu verüben (wo schätzungsweise IS-Kämpfer herkommen) oder den Kampf in Nordafrika, in der Sahelzone und in Teilen Südostasiens fortsetzen wo brodelnde religiöse Spannungen zumindest zu einiger Unterstützung führen könnten, wie etwa auf den Philippinen. Ein Sieger-Franchise Neben den Nachfolger-Bewegungen des IS werden aus den verschiedenen Vakuums und Situationen, die sich aus der militärischen Niederlage ergeben, andere Sieger hervorgehen. Diese aufsteigenden Gruppen und Mächte gehören zu den unbeabsichtigten Konsequenzen der taktischen Entscheidungen, die unter Abwesenheit eines kohärenten strategischen Rahmens getroffen wurden. Der erste Gewinner dieser taktischen Obsession mit dem IS, die eher der innenpolitischen Terrorismus-Agenda der westlichen Allianz als aus irgendeiner langfristigen strategischen Planung resultierte, ist niemand anderes als unsere alte strategische Nemesis: Al-Qaida und ihre Ableger, die wir der Einfachheit halber als Al-Qaida-Franchise bezeichnen werden. SEITE 3

4 Der IS erhielt vor allem aufgrund der Auswirkungen seines Hybrid-Kriegs-Modells auf den politischen Diskurs im Westen viel Aufmerksamkeit. Die Kombination aus drastischen Gewaltakten, digitaler Propaganda und emotionalen Narrativen hat seine Zielgruppe effektiv radikalisiert und zu terroristischen Angriffen in Europa und überall dort, wo er operiert, angestiftet. Strategisch jedoch sind die Auswirkungen des IS durch die Notwendigkeit, sein Territorium zu kontrollieren und zu verwalten, begrenzt sein Territorium war eine Schlüsselquelle für seine Legitimierung als Quasi-Staat, der zahlreiche Attribute einer Regierung aufwies, einschließlich der Steuererhebung. Diese Aktivitäten absorbierten einen beträchtlichen Teil der Energien und Ressourcen des IS, die er ansonsten dem Kampf gewidmet hätte. Eine Vorlage für das neue Al-Qaida-Franchise stellt die Neuerfindung der bisherigen Al-Nusra- Front dar, die sich jetzt Syrian Jabhat Fateh al-sham nennt, wie hier durch ihren Anführer Abu Mohammad al-julani verkündet wird (Foto: dpa) Während sich die Aufmerksamkeit darauf konzentrierte, den IS aus seinen Hochburgen in Mossul und Rakka zu vertreiben und seine Terroranschläge in Europa zu verhindern, entstand ein umfangreiches Netzwerk in Form eines Al-Qaida- Franchises in weiten Teilen der Levante, in Nordafrika und der Sahelzone, in Afghanistan und Südostasien. Dieses Netzwerk hat sich um den Sohn von Osama Bin Laden, Hamza, versammelt, der sich im Alter von 26 Jahren als durchsetzungsfähiger Führer erwiesen hat. SEITE 4

5 Die Syrian Jabhat Fateh al-sham, die früher als Al-Nusra-Front bekannt war, ist ein hervorragendes Beispiel für die Vorlage eines zukünftigen Al-Qaida-Netzwerks. Nachdem sie sich als nationale syrische Dschihadisten-Streitmacht neu erfunden hat, konzentrierte sie sich vor allem auf die Beseitigung des Assad-Regimes (der neue Name bedeutet Front für die Befreiung der Levante, Levante bedeutet hier Syrien), und sie hat es sich zum Ziel gesetzt, lokale Allianzen zu bilden. Dies stellt auch eine sinnvolle Unterscheidung zu der Organisation und der zentralen Führung Al-Qaidas dar, während sie sich als national verwurzelt, ideologisch und theologisch fortgeschrittener und viel besser finanziert und fokussiert als ihre Vorgänger- Organisation positioniert hat. Auf längere Sicht scheint dieses über verschiedene Territorien verteilte, dezentralisierte, national fokussierte Modell weiter fortgeschritten zu sein als das des IS. Weil das Al-Qaida-Netzwerk auf der Zustimmung von mindestens einer bedeutenden Minderheit in den unter seiner Kontrolle stehenden Gebieten beruht, stellt es eine strategische Herausforderung dar und erfordert ein deutlich anspruchsvolleres Maß an Gegenmaßnahmen. Dessen Eindämmung und Besiegen dürfte wohl Jahrzehnte an nachhaltigem Engagement erfordern. China schließt sich an Geopolitisch ist es bedeutsam, dass China erstmals vermutlich zu den Ländern gehört, die ein wiederauflebendes Al-Qaida-Netzwerk und andere Nachfolgerbewegungen bekämpfen werden. Die Herausforderung, vor der die Chinesen stehen, ist ihr umfassendes Programm rund um die Initiative Neue Seidenstraße, da sie versuchen, Pakistan in ihren riesigen Handels- und Logistikplan zu integrieren, um einen chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) zu entwickeln, der sich von der westchinesischen Provinz Xinjiang bis zum pakistanischen Hafen von Gwadar am Arabischen Meer erstreckt. Der Umgang mit Pakistans unterschiedlichen afghanischen Engagements, vor allem Islamabads Unterstützung für die verschiedenen Fraktionen der Taliban, wird für Peking von strategischer Bedeutung sein. China ist bereits mit einem noch überschaubaren Dschihadisten-Aufstand in seiner Uigur-Region konfrontiert. Eine SEITE 5

6 erste Andeutung für das chinesische Engagement in dem afghanisch-pakistanischen Kessel war der jüngste Besuch des chinesischen Außenministers in Kabul, wo er versuchte, die Spannungen zwischen Pakistan und Afghanistan zu entschärfen, die auf die jüngsten Bombenanschläge einer von Pakistan unterstützten Talib-Gruppe, dem Haqqani-Netzwerk, gefolgt waren. Unterdessen könnten sowohl Russland als auch der Iran Interesse daran haben, mit diesem chinesischen Bestreben zu kooperieren und eine parallele Kampagne zu entwickeln, um das globale Netzwerk von Al-Qaida einzudämmen und zu besiegen. Russland und Pakistan, alte Feinde während des Kalten Krieges, führten im Jahr 2016 ihre ersten gemeinsamen Militär-Übungen durch, während das chinesische Militär bei Islamabads Unabhängigkeitstags-Parade am 23. März 2017 sein Debüt gab. Kollision mit dem Iran Die zweite direkte Auswirkung der taktischen Niederlage des IS dürfte darin bestehen, die Truppen der USA und des Westens in direktem Kontakt mit den iranischen Truppen zu bringen, insbesondere mit der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC) und den vom Iran unterstützten Milizen. Das Aufeinandertreffen dürfte wohl in dem dreieckigen Vakuum zwischen den Wüstenregionen des westlichen Iraks und des östlichen Syriens stattfinden, vor allem rund um den Grenzpunkt At Tanf an der Autobahn zwischen Bagdad und Damaskus. Da sich der militärische Arm des IS langsam aufteilt und in den Aufstands-Modus verfällt, ist die dreieckige Region, wo Syrien, Jordanien und der Irak aufeinandertreffen, wieder zu haben. Sowohl die US- als auch die iranischen Streitkräfte haben sich um die Kontrolle dieses Gebiets bemüht, was vor kurzem zu direkten, kleinen militärischen Konfrontationen zwischen diesen Mächten und ihren Mitstreitern geführt hat. Für den Iran und seinen Verbündeten, die syrische Regierung, ist dies ein äußerst wichtiges Territorium nicht nur wegen seiner strategischen Bedeutung, sondern auch um den Einfluss der sunnitischen Stämme und Kräfte aus dem West-Irak SEITE 6

7 abzuschwächen. Aus amerikanischer Perspektive würde die Absicherung dieser Region verhindern, dass dem Iran und Syrien ein entscheidender strategischer Vorteil zuteil wird. Der Iran könnte eine Umfahrungsroute zu seinen Basen in der Nähe von Damaskus und im Libanon errichten, anstatt die von den USA unterstützten Kräfte bei At Tanf herauszufordern (Quelle: macpixxel for GIS) Jede Eskalation oder versehentliche Auseinandersetzung in diesem Grenzgebiet könnte eine größere Konfrontation zwischen den USA und dem Iran auslösen, die das geopolitische Bild verkomplizieren und die Möglichkeit eines belastbaren politischen Prozesses zur Behebung der religiösen Spannungen im Irak behindern würde. Das wiederum könnte jede Hoffnung zunichte machen, den taktischen militärischen Sieg bei Mossul in einen dauerhaften strategischen Sieg zu verwandeln. Straßenkrieger Die dritte direkte Folge der territorialen Einbußen des IS besteht darin, den Aufbau einer weiteren direkten logistischen Verbindung zwischen dem Iran und dem Libanon zu ermöglichen. Diese alternative Versorgungsroute, die durch die irakische Provinz Diyala führt mit einer möglichen nordwestlichen Abzweigung über Al Baaj nach SEITE 7

8 Syrien, könnte bis nach Damaskus, zu den Golanhöhen und über die israelische Grenze hinausreichen, wobei man die Hauptstraße durch Ramadi und At Tanf umfahren würde. Die vom Iran unterstützte und ausgebildete irakisch-schiitische Popular Mobilization Front (PMF), die im Kampf um Mossul eine Schlüsselrolle spielte, hat mit einigen ihrer gut ausgebildeten Milizionäre die Führung bei der Vertreibung des IS aus Al Baaj übernommen. Sie sichert auch den Zugang zur irakisch-syrischen Grenze ab, um den weiteren Ausbau dieser wichtigen strategischen Straße zu ermöglichen, die zu einer Priorität des Irans geworden ist. Allerdings hat die PMF deutlich gemacht, dass sie Syrien nicht weiter durchqueren wird, bevor sie nicht einen entsprechenden Befehl von der irakischen Regierung erhalten hat. Vorerst wird sie daher den Ausbau dieser logistischen Strecke durch das syrische Territorium den lokalen Schiiten-Milizen und ihren syrischen Verbündeten überlassen. Im Erfolgsfall erhielte der Iran zum ersten Mal überhaupt eine ausgebaute Strecke in den Libanon, was der Hisbollah bei einem künftigen Konflikt mit Israel eine wichtige Versorgungsroute bescheren würde, während es zudem leichter wäre, die syrischen Regierungskräfte zu versorgen. Die Golan-Bedrohung Noch größere Sorge bereitet die Tatsache, dass diese Straße eine entscheidende Rolle spielen könnte, falls in der Region südlich von Damaskus, die ein natürliches Tor zu den Golanhöhen bildet, Kämpfe ausbrechen würden. Die Kontrolle über diesen Bereich würde der Hisbollah und ihren iranischen Gönnern ein weiteres Sprungbrett für Angriffe über die israelische Grenze hinweg geben, zusätzlich zu ihren aktuellen Basen im Südlibanon. Die Bedrohung eines breiteren bewaffneten Konflikts, den diese Perspektive aufwirft, verursacht Israel und den internationalen Mächten mittlerweile noch größere Kopfschmerzen als der IS. Bisher hat Israel es vermieden, sich in den syrischen Bürgerkrieg verwickeln zu lassen, doch das hat nicht seine Entschlossenheit beeinträchtigt, den Iran und seine Schiiten-Milizen daran zu hindern, die Golanhöhen zu erreichen. In bilateralen SEITE 8

9 Gesprächen verlangte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu angeblich Zusicherungen vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass die syrisch-israelische Grenze und die Region Golan frei von dem Einfluss des Irans und seiner Mitstreiter blieben. Dies könnte jedoch leichter gesagt als getan sein, und das Risiko bleibt hoch, dass die Grenze zu einem israelisch-iranischen Streitpunkt werden könnte. Es scheint, dass Israel eine 30 Kilometer breite Sicherheitszone auf der syrischen Seite bis hin zur jordanischen Grenze vorschlug. Der strategische Vorteil, den der Iran erringen könnte, indem er in den westlichen und nordwestlichen Irak vordringt und damit eine faktische Kontrolle über die Grenzregion Irak-Syrien erhält, während er einen Überland-Versorgungsweg zum Mittelmeer etabliert und damit bis an die syrisch-israelische Grenze herankommt, überwiegt jeden möglichen Vorteil, den die USA und ihre Verbündeten aus ihren militärischen Siegen gegen den IS gewonnen haben. Früchte der Vernachlässigung Bisher verrät die Anstrengung um einen taktischen Sieg in Rakka einen ebenso beunruhigenden Mangel an strategischem Denken. Zum Teil ist dies auf die Zusammensetzung der von den USA geführten Koalition zurückzuführen, die für den Angriff verantwortlich ist, der von einer gemischten Gruppe aus arabischen und kurdischen Milizen mit dem Namen Syrische Demokratische Kräfte (SDF) angeführt wird. Die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG), die das Rückgrat der SDF bilden, sind angeblich mit der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) verknüpft, welche von der Türkei offiziell als terroristische Organisation eingestuft und von Ankara als Todfeind angesehen wird. Dies bedeutet, dass der Vorstoß in Richtung Rakka zu Spannungen innerhalb der westlichen Allianz führt. Während die USA, die NATO und die Europäische Union die YPG in unterschiedlichem Ausmaß unterstützt haben, haben die Türkei und ihre lokalen Verbündeten (vor allem die Freie Syrische Armee oder FSA) gegen sie gekämpft, seit die türkische Armee im August 2016 die Operation Euphrat-Schild ins Leben gerufen hatte. SEITE 9

10 Die volle Wirkung dieser Belastungen wird erst klar, sobald der IS in Rakka besiegt ist vor allem, falls es auffällige Feierlichkeiten durch die kurdischen Milizen gibt. Wenn man dem Beispiel von Mossul glauben darf, wo die schiitische PMF zur Siegesfeier schiitische Lieder gespielt hat und schiitische Symbole in einer rein sunnitischen Stadt zur Schau getragen hat, könnte sie sich damit die Bevölkerung Rakkas zum Feind machen und Ankara dürfte seine militärischen Anstrengungen verdoppeln. Iranische Gelder finanzierten den Aufbau irakischer Schiiten-Milizen wie der Popular Mobilization Front (PMF) hier ist sie bei ihren Feierlichkeiten zum Al-Quds-Tag in Bagdad zu sehen. Diese Milizen bleiben eine Kraft, mit der man rechnen muss (Foto: dpa) Gewiss darf man nicht davon ausgehen, dass die Türkei passiv bleibt, wenn der IS erst einmal besiegt ist. Präsident Recep Tayyip Erdogan könnte zu dem Schluss kommen, dass allein erweiterte türkische Armee-Operationen den Einfluss der kurdischen Autonomiebestrebungen und der YPG am Großteil seiner südlichen Grenze beenden können. Dies würde die Türkei in einen Konflikt verwickeln, und zwar nicht nur mit den USA, mit ihren NATO-Verbündeten und der EU, sondern auch mit Russland. SEITE 10

11 Sowohl in Mossul als auch in Rakka können taktische Siege nur dann in langfristige strategische Gewinne verwandelt werden, wenn ein aussagekräftiger politischer Prozess geführt werden kann. Im Irak würde dies die Schaffung einer integrativen Regierung mit einer starken sunnitischen Vertretung erfordern, die in der Lage wäre, die Kontrolle über das gesamte Land innerhalb seiner international anerkannten Grenzen auszuüben. In Syrien würde dies ein umfassendes Abkommen zur Vereinbarkeit der Interessen der verschiedenen Gruppen und Mächte beinhalten, während man den Vorstoß des Irans zu den Golanhöhen und dem Mittelmeer blockiert. Ohne einen solchen Prozess werden die heutigen militärischen Siege nur den Weg ebnen für die Nachfolger des IS und für das Al-Qaida-Netzwerk sowie für den Iran und dessen Verbündete. SEITE 11