Grenzsituationen zwischen Medizin und Recht. Workshop
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- Herbert Grosse
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1 Grenzsituationen zwischen Medizin und Recht Workshop 42. Ärztekongress Arosa 2019 Arosa 28. März 2019 Dr. med. Josef Sachs
2 Agenda 1. Einführung 2. Hafterstehungsfähigkeit 3. Fürsorgerische Unterbringung 4. Urteilsfähigkeit 5. Kindswohlgefährdung
3 «Hafterstehungsfähigkeit»
4 Bger, StA, , 6B_377/2010 E.2.1 Die Hafterstehungsfähigkeit ist in der Regel nur dann zu verneinen, wenn der bestehende Strafanspruch aufgrund des medizinischen Status der verurteilten Person vollständig verblasst. (sinngemäss, zitiert nach Mausbach) 8. April 2019 Seite 4
5
6 Fähigkeit Gängige Definition - In einer Einrichtung des Strafvollzugs leben zu können - Freiheitsentzug ohne Gefahr für Gesundheit und Leben ertragen zu können - Den Sinn und Zweck der Verbüssung einer Strafe erkennen zu können 8. April 2019 Seite 6
7 Auswirkungen der Haft Bei gesunden Personen Angst und Verzweiflung Wut und Aggression Vegetative Symptome (Schmerzen, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen) Suizidalität Bei vorbestehender Erkrankung oder Intoxikation Verschlechterung des Zustandsbildes (Depression, Psychose, Angststörung.... ) Intoxikation Anpassungsstörung Entzug
8 Mögliche Aussage I. Diagnose Notwendige Therapie Behandlungsmöglichkeiten unter Haftbedingungen
9 Mögliche Aussagen II. Auswirkungen der Haft auf die Krankheit Risiko, dass unter Haftbedingungen eine Krankheit neu auftritt Zu erwartende Notfälle. Wäre in einem solchen die Überführung in ein Spital möglich? Fall
10 Fürsorgerische Unterbringung
11 Etwas Statistik FU in psychiatrischen Einrichtungen. 11% aller stationären Fälle Rückläufig 7% Freiheitsbeschränkende Massnahmen (6 000 /Jahr)
12 FU nach Wohnkanton Quelle: BFS Medizinische Statistik der Krankenhäuser 2016
13 FU nach Altersgruppen Quelle: BFS Medizinische Statistik der Krankenhäuser 2016
14 Voraussetzungen bezüglich Behandlungsbedarf für FU 1. Person benötigt deswegen Behandlung oder Betreuung 2. keine weniger weit gehende Massnahme als additiv FU bietet genügenden Schutz 3. Es steht eine geeignete Einrichtung zur Verfügung
15 Behandlungsbedarf Welche Gefahr für Gesundheit und Leben des Betroffenen oder von Dritten droht, wenn die Behandlung der Krankheit oder die Betreuung unterbleibt? Muss die Behandlung stationär erfolgen? Besteht Behandlungs- und Krankheitseinsicht? Steht eine geeignete Anstalt zur Verfügung? Wenn ja, welche? Warum ist die vorgeschlagene Anstalt geeignet? (BGE 140 III 105 E. 2.4)
16 «Fremdgefährdung» - FU dient der betroffenen Person und nicht der Umgebung - Gefährdung Dritter darf in die Erwägungen einbezogen werden, kann aber nicht ausschlaggebend sein (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des ZGB) - aus dem Fremdgefährdungspotenzial eines Geisteskranken kann sich ein Beistands- und Fürsorgebedürfnis ergeben kann (BGE 138 III 593) - Es gehört zum Schutzauftrag, eine kranke, verwirrte Person davon abzuhalten, eine schwere Straftat zu begehen (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des ZGB)
17 Gefahr konkret Ungenügende Argumente - Ohne FU setzt der Patient die Medikamente ab, so dass wieder Wahnideen auftreten. Es müsste nachgewiesen werden, dass er nicht fähig ist, sich zu ernähren und zu pflegen, so dass Verwahrlosung droht. - Schreiben von belästigenden Briefen, Beschimpfung von Behörden und Nachbarn. Beschimpfung von Amtspersonen und querulatorisches Verhalten gilt hier nicht als Belastung der Umgebung i.s. des Gesetzes. 5A_312/2007; Urteil vom 10. Juli Fehlen eines Wohnplatzes bei einer sofortigen Entlassung BGE 128 III 12 E.3
18 Urteilsfähigkeit
19 Elemente der Urteilsfähigkeit 1. Erkenntnisfähigkeit 2. Wertungsfähigkeit 3. Willensbildungsfähigkeit 4. Willenskraft
20 Grundsätze Urteilsfähigkeit wird vermutet, sofern nicht ernsthafte Hinweise dagegen sprechen Urteilsfähigkeit ist nicht teilbar Urteilsfähigkeit bezieht sich immer auf ein bestimmtes Geschäft und einen bestimmten Zeitpunkt. Es gibt keine generelle Urteilsunfähigkeit Wegen unvernünftigen Handelns allein kann die Urteilsfähigkeit nicht verneint werden Nur urteilsfähige Menschen können in eine medizinische Behandlung einwilligen
21 Beachte Je komplexer eine anstehende Entscheidung ist, desto höher sind die Anforderungen an die Urteilsfähigkeit
22 Beachte die Urteilsfähigkeit bei.... Wahleingriffen Zwangsbehandlungen Assistiertem Suizid Sterilisation, zum Beispiel bei Intelligenzminderung
23 Kindswohlgefährdung
24 Zeichen von Kindsmisshandlung Sichtbare Spuren von Misshandlungen ungewöhnliche Verhaltensweisen wie Neigung zu Unfällen, überängstliches Verhalten Aussagen macht über mit Gewalt verbundene Erlebnisse oder über sexuelle Erfahrungen, die für sein Alter unangemessen sind Verhalten, Appetit- oder Schlafstörungen, Sprachschwierigkeiten, häufige Bauchschmerzen, soziale Isolation, nicht altersgemässes Sexualverhalten, mangelnde Hygiene Achtung: Alle Zeichen sind unspezifisch und können auch andere Ursachen haben.
25 Sicherheit in der Arztpraxis
26 Formale Massnahmen gegen Bedrohung Technische Sicherungseinrichtungen Anpassung betrieblicher Abläufe Schulung des Personals Weisungen zur Verhinderung von Mobbing Notfallpläne
27 Respekt und vertrauensvoller Kontakt Alles, was Respekt fördert, hemmt Gewalt: Raumgestaltung, Kleidung, Verhalten Köperhaltung Respektlosigkeit und Willkür von Anfang an unterbinden Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz
28 Risikopersonen erkennen Gewalt- und Suizidhandlungen in der Anamnese Gewalterfahrung in der Kindheit Missbrauch von Alkohol, Drogen oder Medikamenten Psychische Krankheit (Psychose) Hirnorganische Störung Persönlichkeitsstörung
29 Gold Standard Verhalten bei persönlicher Bedrohung 1. Früh reagieren 2. Sich und die Situation beherrschen, nicht den Patienten 3. Drohenden von anderen Patienten trennen 4. Pokerface 5. Laute Stimme vermeiden 6. Blickkontakt ohne Anstarren 7. Reden lassen, nicht widersprechen, kein Machtspiel 8. Distanz wahren 9. Gespräch kurz halten
30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Dr. med. Josef Sachs Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Schwerpunkt forensische Psychiatrie Gesundheitszentrum Brugg CH-5201 Brugg Seite 30
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