Jahrbuch 2016/2017 Grüneis, Andreas; Alavi, Ali Quantenchemische Verfahren zur Beschreibung der elektronischen Struktur von Materialien
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- Mona Schulze
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1 Quantenchemische Verfahren zur Beschreibung der elektronischen Struktur von Materialien Quantum chemical approaches to electronic structure theory for materials Grüneis, Andreas; Alavi, Ali Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart Korrespondierender Autor Zusammenfassung Mit quantenchemischen Verfahren zur Beschreibung der lassen sich starke elektronische Korrelationseffekten mit hoher Genauigkeit vorhersagen. Wegen der zur Berechnung und Speicherung der Viel-Elektronen-Wellenfunktion notwendigen Rechenleistung sind diese Methoden aber oft nicht anwendbar. In diesem Review berichten wir über neue Fortschritte, dank derer sich Moleküle und Festkörper mit hochgenauen Verfahren berechnen und die dazu notwendigen Rechenleistungen drastisch reduzieren lassen. Summary Quantum chemical approaches to the description of the electronic structure of real materials can be used to predict even strong electronic correlation effects with high accuracy. However, the scaling of the computational complexity to calculate and store the true many-electron wave function often makes these methods intractable. In this review we report on recent progress to reduce the computational complexity of wave function based methods for the study of molecules and solids. Ein seit langem bestehendes Problem der elektronischen Strukturtheorie ist die Entwicklung von genauen und praktisch verwendbaren ab initio Methoden zur Beschreibung echter Materialien. Ab initio bezeichnet ein rein auf den physikalischen Gesetzen der Quantenmechanik basierendes Modell zur korrekten Beschreibung von Materialien wie beispielsweise ihrer Struktur, der chemischen Reaktivität und der magnetischen Eigenschaften. Die größte Herausforderung für genaue Vorhersagen ergibt sich durch das Phänomen der sogenannten elektronischen Korrelation im Rahmen der Quantenmechanik von Viel-Elektronen-Systemen. Wird die elektronische Korrelation nicht korrekt beschrieben, so kann das zu qualitativ falschen ab initio Vorhersagen von physikalischen und chemischen Eigenschaften führen Max-Planck-Gesellschaft 1/5
2 A bb. 1: Ein Porphyrin bestehend aus einem Fe-Atom im Zentrum des Moleküls. Die Beschreibung der korrelierten elektronischen Wellenfunktion für ein Molekül dieser Größenordnung benötigt m ehr als 4, Konfigurationen. Das entspricht einem Speicherbedarf von TeraByte. Selbst m it dem größten Supercom puter der Welt wäre das unm öglich. Stattdessen kann unsere FCIQ MC-CASSCF- Methode (com plete-active-space self-consistent field) dieses Problem lösen, ohne an Genauigkeit zu verlieren. Zugleich lässt sich m it ihr eine fache Verbesserung in Speichereffizienz erzielen, sodass ein GigaByte RAM und ein einfacher Desktop-PC ausreichen. Was ist elektronische Korrelation und warum ist ihre Beschreibung so kompliziert? Elektronische Korrelation ergibt sich aus der Tatsache, dass sich Elektronen voneinander abstoßen. Somit entstehen Teilchenverteilungen, deren Komponenten permanent untereinander wechselwirken. Das bedeutet beispielsweise Folgendes: Befindet sich ein Elektron zu einem Zeitpunkt an der Position r, ist es weniger wahrscheinlich ein weiteres Elektron zum selben Zeitpunkt in unmittelbarer Nähe zu finden. Für Zwei- Elektronen-Systeme lässt sich elektronische Korrelation noch relativ einfach beschreiben. Für den Fall eines Moleküls oder Festkörpers muss die elektronische Korrelation jedoch für sehr viele Elektronen richtig beschrieben werden. Es handelt sich dabei um ein Problem von exponentieller Komplexität. Die quantenmechanische Beschreibung von einfachen Molekülen wie zum Beispiel Methan (CH 4 ), welches lediglich zehn Elektronen besitzt, ist bereits eine große rechenintensive Herausforderung. Größere Moleküle und Festkörper sind noch um vieles aufwendiger. Das Fe-Porphyrin Molekül in Abbildung 1 würde beispielsweise TB RAM zur Speicherung einer hinreichend genauen elektronischen Wellenfunktion benötigen. Dieser Speicherbedarf steht selbst in den modernsten Supercomputerzentren der Welt nicht zur Verfügung. Diese exponentielle Barriere zu überwinden, stellt eine der größten Herausforderungen für die computerorienterte Physik und Chemie dar. Die Abteilung "Theorie der elektronischen Struktur" am Max- Planck-Institut für Festkörperforschung entwickelt und erweitert Theorien, um dieses Problem zu lösen. Hier entwickeln die Forscher Methoden, die auf Konzepten von Quanten-Monte-Carlo-Verfahren und Quantenchemie [1] basieren und die die Energetik von komplexen Molekülen, Festkörpern und Oberflächen mit großer Effizienz äußerst genau beschreiben Max-Planck-Gesellschaft 2/5
3 A bb. 2: Die Frontorbitale von Porphyrin ohne Fe. X- und Y- Anregungen beziehen sich auf die Qx- und Qy- Absorptionsbänder. Im vergangenen Jahr konnten wir nennenswerte Fortschritte in dieser Richtung erzielen. Von zwei ausgewählten Arbeiten werden wir hier kurz berichten. Um die hochkomplexe elektronische Wellenfunktion im Rahmen der Configuration-Interaction-Methode zu beschreiben und ebenso die Orbitalformen zu optimieren, wurde ein Quanten-Monte-Carlo(QMC)-Verfahren entwickelt. Anhand der optimierten Orbitale lassen sich chemische Bindungen interpretieren. Dieses QMC-Verfahren ist eine Erweiterung der Full-Configuration Interaction QMC Methode, die Alavi und seine Kollegen seit 2009 [2, 3] entwickeln. Die Orbitaloptimierung basiert auf der quantenchemischen CASSCF-Methode (complete-active-space self-consistent-field). Die daraus resultierende Hybridtechnik [4 6] wird als CIQMC-CASSCF-Methode bezeichnet und wurde verwendet, um selbst große Moleküle wie Fe-Porphyrin (siehe Abb. 1) zu untersuchen. Natürliche Porphyrine sind ein Schlüsselmaterial für die Photosynthese (Chlorophyll), die Atmung (Hämoglobin) und den Elektronentransport (Cytochrome). Daher spielen diese Moleküle eine zentrale Rolle im Leben. Synthetische Porphyrine werden ebenso aufgrund ihres Potenzials zur Anwendung in Solarzellen, als Katalysatoren zur Wasserspaltung und sogar als molekulare Schalter untersucht. Wegen ihrer fundamentalen Bedeutung wurden bereits umfangreiche experimentelle und theoretische Untersuchungen der elektronischen Spektren von Porphyrinen durchgeführt. Eine der wichtigsten Konsequenzen der elektronischen Korrelation ist die Verschränkung von elektronischen Konfigurationen mit geringen Energiedifferenzen und großer räumlicher Distanz. Das führt zu dramatischen Änderungen der Frontorbitale des Moleküls, welche hauptsächlich die Reaktivität und Bandlücke bestimmen und somit, bei welcher Frequenz Licht absorbiert wird. Die Chemie der angeregten Zustände ist ebenfalls sehr stark durch elektronische Korrelation beeinflusst. Mit unserer FCIQMC-CASSCF Methode lassen sich die Frontorbitale und das Anregungsspektrum des Porphyrin Moleküls sehr genau bestimmen (siehe Abb. 2) Max-Planck-Gesellschaft 3/5
4 A bb. 3: Konvergenz von Coupled-Cluster-Korrelationsenergien als Funktion der inversen System größe N k -3 m it (CCSD-FS0) und ohne Korrektur (CCSD) für langreichweitige elektronische Korrelationseffekte. Mittels FCIQMC-CASSCF lassen sich verschränkte Systeme beschreiben, die sich mit konventionellen Quantenmethoden nicht mehr erfassen lassen. Zusätzlich zu Porphyrin-Molekülen untersuchen wir auch Cuprate, die Phänomene wie Antiferromagnetismus und Supraleitung bei relativ hohen Temperaturen aufweisen. Elektronische Korrelation kann auch zu langreichweitigen Wechelwirkungen führen, die in Festkörpern einen nicht vernachlässigbaren Beitrag zur Grundzustandsenergie liefern. Solche van-der-waals-wechselwirkungen akkumulieren sich und sind daher trotz der relativ schwachen Beiträge für viele Materialien wie etwa Graphit von wesentlicher Bedeutung, um deren Stabilität zu erklären. Um diese Effekte korrekt zu beschreiben, müsste man aber viele Hunderte bis Tausende Elektronen explizit korrelieren. Das ist selbst mit einfacheren quantenchemischen Methoden wie der Coupled-Cluster-Theorie nicht möglich. Wir haben dennoch ein Verfahren entwickelt, anhand dessen sich aus der elektronischen Wellenfunktion eine einfachere Funktion zur korrekten Beschreibung solcher langreichweitigen Korrelationseffekte ableiten lässt [7]. Mithilfe von Interpolationsmethoden können wir abschätzen, wie sich elektronische Wechselwirkungen im Festkörper als Funktion von sehr großen interelektronischen Abständen verhalten, und mithilfe eines Modells eine Korrektur zur Grundzustandsenergie berechnen. Abbildung 3 zeigt, dass diese Korrektur es ermöglicht, konvergierte Coupled-Cluster (CCSD)-Korrelationsenergien zu erhalten, selbst wenn man nur die Elektronen von relativ kleinen Kristallzellen explizit beschreibt. Mit diesen Entwicklungen wird es möglich sein, Phasendiagramme für Materialien unter hohen Drücken vorherzusagen. Literaturhinweise 2017 Max-Planck-Gesellschaft 4/5
5 [1] Booth, G. H.; Grüneis, A.; Kresse, G.; Alavi, A. Towards an exact description of electronic wavefunctions in real solids Nature 493, (2012) [2] Booth, G. H.; Thom, A. J. W.; Alavi, A. Fermion Monte Carlo without fixed nodes: A game of life, death, and annihilation in Slater determinant space The Journal of Chemical Physics 131, (2009) [3] Cleland, D. M.; Booth, G. H.; Alavi, A. Communications: Survival of the fittest: Accelerating convergence in full configuration-interaction quantum Monte Carlo The Journal of Chemical Physics 132, (2010) [4] Li Manni, G.; Smart, S.; Alavi, A. Combining the Complete Active Space Self-Consistent Field Method and the Full Configuration Interaction Quantum Monte Carlo within a Super-CI Framework, with Application to Challenging Metal-Porphyrins Journal of Chemical Theory and Computation 12, (2016) [5] Thomas, R. E.; Sun, Q.; Alavi, A.; Booth, G. H. Stochastic Multiconfigurational Self-Consistent Field Theory Journal of Chemical Theory and Computation 11, (2015) [6] Blunt, N. S.; Smart, S. D.; Booth, G. H.; Alavi, A. An excited-state approach within full configuration interaction quantum Monte Carlo The Journal of Chemical Physics 143, (2015) [7] Liao, K.; Grüneis, A. Communication: Finite size correction in periodic coupled cluster theory calculations of solids The Journal of Chemical Physics 145, (2016) 2017 Max-Planck-Gesellschaft 5/5
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