Soziales Lernen im Klassenrat
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- Irmela Kolbe
- vor 7 Jahren
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1 Petra Dewenter-Etscheid Landesinstitut für Schule Soest Soziales Lernen im Klassenrat Viele SchülerInnen und Schüler müssen das Leben und Arbeiten in einer sozialen Gemeinschaft wie der Klasse und der Schule erst noch erlernen. Schule hat hierbei die Aufgabe, dieses soziale Lernen zu strukturieren, anzuleiten und zu unterstützen. An vielen Schulen hat sich dazu das Konzept des Klassenrats bewährt. Soziales Lernen kann nicht nur nebenbei gelernt werden, sondern braucht eine Zeit und einen Ort im wöchentlichen Stundenplan der Klasse, zum Beispiel in der Klassenratsstunde. Häufig ist festzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler die im Klassenrat erworbenen Kompetenzen dann auch ohne Einwirkung der Lehrerinnen und Lehrer benutzen, z.b. um in den Pausen ihre Probleme und Konflikte im Raum der Schule angemessen zu lösen. Der Klassenrat ist ein vielseitig nutzbar: im Klassenrat können Streitigkeiten geklärt, aber auch Ausflüge geplant oder die Gestaltung des Klassenraums oder des Jahrgangsflurs entwickelt werden oder, oder, oder... Es gibt vieleverschiedene Versionen des Klassenrats, die erfolgreich sind. Im Folgenden wird ein Konzept des Klassenrats beispielhaft dargestellt, um Schulen/ Klassen / Lehrerinnen und Lehrern, die damit beginnen wollen, einen Einstieg zu geben. Organisation des Klassenrats Der Klassenrat ist wöchentlich, immer in derselben Stunde festgelegt. Bei zwei KlassenlehrerInnen sind beide anwesend (in Doppelbesetzung). Den Klassenrat leitet ein Schüler / eine Schülerin (wöchentlich wechseln). Er / sie wird unterstützt von einer weiteren Schülerin / einem weiteren Schüler, der darauf achtet, dass alle Kinder leise sind (wöchentlich wechseln), z.b. nach folgendem Verfahren: Sollte sich jemand nicht an die Regeln halten, so wird er / sie an die Tafel geschrieben. Dies gilt als Ermahnung, dass die Gesprächsregeln ab jetzt wirklich einzuhalten sind. Sollte dasselbe Kind den Ablauf des Klassenrates weiter stören, wird der Name mit einem Strich versehen. Dies führt zur im Klassenrat verabredeten oder vom Lehrer / Lehrerin gesetzten Sanktion. Außerdem wird ein Schüler/ eine Schülerin als Protokollant/-in festgelegt.
2 Der/ die Leiter/-in der Klassenratssitzung eröffnet den Klassenrat und stellt als erstes die Tagesordnung auf, indem er / sie um Themen für den Klassenrat bittet und diese untereinander an die Tafel schreibt, in derselben Reihenfolge, wie sie genannt werden Danach bestimmt der/die Leiter/-in des Klassenrats die Reihenfolge der Themen, indem er / sie vor jedes Thema eine Zahl schreibt, die den Rangplatz in der Tagesordnung bestimmt. Danach ruft er/sie das erste Thema auf. Dieses wird, wie alle späteren Themen, in der folgenden Reihenfolge abgehandelt: Durchführung des Klassenrats 1. das Vorhaben / das Problem / den Konflikt identifizieren und definieren d.h., es werden nacheinander aufgerufen: der/die AntragstellerIn dieses Themas der/die Gegner/in sonstige Beteiligte, bis alle Anwesenden glauben, das Vorhaben / das Problem / den Konflikt / die Situation verstanden zu haben. Ist dies noch nicht der Fall, haben alle Anwesenden das Recht, sich zu melden und wenn ihnen das Wort erteilt wird, nachzufragen 2. Mögliche Lösungen entwickeln Der/die LeiterIn fragt nach Lösungen und sammelt diese evt. an der Tafel zunächst ohne jegliche Bewertung. 3. Die Alternativlösungen kritisch bewerten Der/die Leiter/-in geht der Reihe nach alle gesammelten Vorschläge durch und fragt zu jedem Vorschlag zunächst die Nachteile ab, dann die Vorteile. 4. sich für die beste Lösung entscheiden Betrifft das Vorhaben / der Plan / das Problem / der Konflikt die ganze Klasse, so entscheidet auch die ganze Klasse, welcher Lösungsvorschlag gewählt werden soll, in der Regel durch Mehrheitsentscheid.
3 5. Die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer haben ein Vetorecht, sollten von diesem jedoch nur Gebrauch machen, wenn juristische Gründe dem Klassenratsbeschluss entgegenstehen und/oder er ihre eigene Grenze oder die Grenzen eines Schwächeren überschreitet. In diesem Fall sollten sie den Beschluss aussetzen und das Problem in der nächsten Woche erneut auf die Tagesordnung setzen lassen. 6. Betrifft ein Vorhaben / Plan / Problem / Konflikt nur zwei Schüler/-innen, so kann diesen auch überlassen werden, sich auf eine der vorgeschlagenen Lösungen zu einigen, wenn der Vorfall nicht zu schwerwiegend war / ist. Gelingt dies nicht, entscheidet die Klasse durch Abstimmung. 7. Gelingt es der Klasse nicht, sich auf eine Lösung zu einigen, so kann dies auf die nächste Sitzung vertagt werden oder der/ die Leiter/-in entscheidet (bei Stimmengleichheit) oder der/ die Lehrer/-in entscheidet, wenn unmittelbares Handeln erforderlich erscheinen 8. Die Entscheidung ausführen Kann die Entscheidung sofort ausgeführt werden, sollte dies auch erfolgen (z.b. bei einer Entschuldigung bei Kontrahenten innerhalb einer Klasse). Ist dies nicht möglich, sollten die genauen Umstände der Umsetzung festgelegt werden Wer macht was wann wo? 9. Nachfolgende kritische Bewertung In regelmäßigen Abständen sollte überprüft werden, ob die getroffenen Vereinbarungen eingehalten wurden, bzw. sich als sachgerecht erwiesen haben. Sollte das nicht der Fall sein, müssen sie variiert oder modifiziert werden. Der Zeitpunkt, wann die Vereinbarung überprüft werden soll, sollte praktischerweise schon beim Beschluss mit festgelegt werden (Punkt 5). Damit dies möglich ist, wird ein Ergebnis - Protokoll in ein Protokollbuch geschrieben, in der Regel handschriftlich von einem/r Schüler/-in während der Sitzung in eine Kladde. 10. Ist ein Thema abgehandelt, ruft der / die Leiter-in das nächste Thema auf. Ist die Stunde vorbei, verkündet der Leiter/ die Leiterin, was mit den übrig gebliebenen Themen passieren soll. In der Regel werden übrig gebliebene Themen auf die nächste Klassenrats - Stunde vertagt Der / die Leiter/-in schließt den Klassenrat.
4 Einflussmöglichkeiten der Lehrerinnen und Lehrer im Klassenrat Grundsätzlich sollen die Kinder im Klassenrat lernen, ihre Vorhaben in demokratischer Mitgestaltung aller Beteiligten zu regeln und ihre Konflikte selbst angemessener und friedlicher zu lösen. Das lernen sie nicht, wenn die Lehrpersonen zu viel eingreifen, sondern nur, wenn sie auch einen gewissen Freiraum erhalten. Lehrer und Lehrerinnen sollten sich deshalb bei Abstimmungen auch jeweils nur mit einer Stimme, wie jedes Kind, begnügen und nur im Notfall von ihren Vetorecht Gebrauch machen. Gleichzeitig können die Lehrer/-innen ihre Möglichkeiten zur Anleitung, "Supervision" bzw. ihre Vorbildfunktion nutzen, indem sie die Kinder in demokratische Abläufe und Gepflogenheiten einführen zu diesem Zweck die erste Klassenratssitzung selbst leiten bei Unsicherheiten in Verfahrensangelegenheiten eingreifen und die nötigen Informationen zum Ablauf geben Lehrerinnen und Lehrer sollten im Klassenrat allerdings nur bei chaotischen Zuständen direkt eingreifen, sonst dem / der Leiter/-in nur Infos oder Hinweise anbieten, z.b. durch Heben von zwei Händen wie bei einem Geschäftsordnungsantrag. Dann muss der Lehrer/ die Lehrerin sofort das Wort erhalten; meldet sich die Lehrperson jedoch "normal" nur mit einem Arm, so entscheidet der /die Leiter/-in, wann die Lehrperson das Wort erhält. auf Einhaltung der Gesprächsregeln beharren, z.b.: "Melden und warten, bis man das Wort erhält!" den verabredeten Ablauf des Klassenrates durchsetzen den Kindern angemessene Formulierungshilfen anbieten, indem sie z. B. Gefühle, die sie bei den Kindern wahrnehmen, formulieren und nachfragen, ob sie das richtig wahrnehmen "Du - Botschaften" in "Ich - Botschaften" übersetzen und nachsprechen lassen bei Meinungsverschiedenheiten LehrerIn - SchülerIn oder Lehrer/-in Lehrer/in selbst nach Möglichkeit Vorbild geben, Sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen und dabei demokratische Tugenden und Verhaltensweisen vorzuleben z.b. ihr eigenes Anliegen als "Ich - Botschaft" formulieren gewaltfreie Kommunikation anzuwenden
5 "Ich - Botschaft": Ich fühle... (Gefühl beschreiben) wenn... weil... (Situation beschreiben) (Begründung) und ich wünsche mir... (erwartetes Verhalten beschreiben) Vorbereitung des Klassenrates Zur Vorbereitung der Klassenratssitzung empfiehlt es sich, in der Klasse eine Tapete aufzuhängen mit den drei Spalten: & '!(!$% "!#!$% + ) & '!(!$% "!#!*% oder auch mit der gemalten folgenden Kopfzeile: Die Einträge auf dieser Tapete werden dann im Klassenrat abgearbeitet. Dies entlastet den normalen Unterricht, weil es dem Kind eine gewisse emotionale Entlastung bietet, seine Beschwerde / seine Idee / seinen Vorschlag für den Klassenrat sofort aufzuschreiben und das Warten auf den Klassenrat damit erträglicher wird. Außerdem erledigen sich auf die Dauer bis zum Klassenrat einige Beschwerden, weil die Kinder zunehmend lernen, das Problem / die
6 Aufgabe / die Herausforderung in der Zwischenzeit selbst auf akzeptable Weise zu lösen. Ziele des Klassenrats Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, sich in der Klasse aktiv einzubringen mit ihren Vorstellungen, Wünschen, Ideen, ggf. Beschwerden sich in demokratischen Fähigkeiten wie Argumentieren, Debattieren, Leiten einer Sitzung zu üben ihre Konflikte angemessen zu lösen, das heißt, das Konfliktpotential von realen Konfliktsituationen deutlich zu vermindern und zwar ohne Handgreiflichkeiten. Dazu ist das Erlernen oder Optimieren folgender Fähigkeiten bzw. das Ermöglichen folgender Erfahrungen anzustreben: Mitgestaltung des eigenen Lebensraums Äußerung von eigenen Ideen und Meinungen Respektvoller, wertschätzender Umgang mit sich selbst und anderen Konflikte und die eigenen Emotionen dabei wahrnehmen und beschreiben können dem Wunsch, im Konfliktfall direkt (oft handgreiflich) zu reagieren, widerstehen können und statt dessen die Lösung des Konflikts auf den späteren Klassenrat verschieben können eigene berechtigte Interessen sozial angemessen formulieren zu können das heißt: ohne Beleidigungen! "Ich - Botschaften" statt "Du - Botschaften" formulieren können erfahren, dass dieselbe Situation in der Regel vom "Gegner"mit demselben Gefühl der Berechtigung ganz anders erlebt wurde und beurteilt wird erfahren, dass es möglich ist, die eigenen Grenzen zu schützen, ohne gleichzeitig die Grenzen der anderen zu übertreten erfahren, dass oft mehr als eine oder zwei Lösungen gibt und diese bei ernsthafter und geschickter Suche auch sichtbar und möglich werden erfahren, dass zunächst als unmöglich abgelehnte Lösungsvorschläge doch möglich werden, wenn sie variiert und/oder mit einem Zusatz ergänzt werden. erfahren, dass es für sie selbst möglich ist, ihre sozialen Beziehungen aktiv und befriedigend mit zu gestalten
7 Ich wünsche allen, die mit dem Klassenrat neue Erfahrungen machen wollen, alles Gute und gutes Gelingen und freue mich über Rückmeldungenper Post oder unter Soest, Oktober 2004 Petra Dewenter - Etscheid
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