Anrechnung beruflicher Lernergebnisse auf das Hochschulstudium durch den Äquivalenzvergleich. Roland Tutschner, ITB Bremen
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- Michaela Bayer
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1 Anrechnung beruflicher Lernergebnisse auf das Hochschulstudium durch den Äquivalenzvergleich Roland Tutschner, ITB Bremen
2 Überblick: I. Ausgangspunkte: Berufliche Bildung versus Hochschulbildung Beschlüsse und Empfehlungen zur Anrechung beruflicher Lernergebnisse II. Ansätze für die Anrechung von Lernergebnissen der beruflichen Bildung auf hochschulische Bildungsgänge III. Pauschale Anrechnung: Äquivalenzvergleich auf Basis des MLI (Uni Oldenburg) IV. Fazit
3 Anrechnung beruflicher Lernergebnisse I. Ausgangspunkte: Berufliche Bildung versus Hochschulbildung Beschlüsse und Empfehlungen und zur Anrechung beruflicher Lernergebnisse
4 Berufliche versus Hochschulbildung Berufliche Aus- und Weiterbilderbildung und hochschulsche Bildung sind zwei Systeme mit geringer Durchlässigkeit Ohne Abitur war in der Vergangenheit der Zugang zu hochschulischen Ausbildungsgängen schwierig; Folge niedrige Quote von non-traditional students in Deutschland (s. Schaubild)
5 Studierende mit nicht-traditionellem Hochschulzugang (in % der Neuimmatrikulierten) (Quelle: Eurostudent,2006) ,6 9,2 6,4 6,8 7,1 7,2 7,7 5,6 3,3 DE AT LV PT FI ES UK FR IE
6 Beschlüsse und Empfehlungen zur Anrechnung beruflicher Lernergebnisse auf das Hochschulstudium (I) Beschluss der KMK vom Außerhalb des Hochschulwesens erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten können im Rahmen einer ggf. auch pauschalisierten Einstufung auf ein Hochschulstudium angerechnet werden, wenn [...] sie nach Inhalt und Niveau dem Teil des Studiums gleichwertig sind, der ersetzt werden soll [...] Empfehlung von BMBF, KMK und HRK vom [...]sollen im Rahmen der beruflichen Fortbildung für durch Prüfung nachgewiesene Qualifikationen ECTS-Leistungspunkte vergeben werden, die bei Aufnahme eines Studiums von der jeweiligen Hochschule angerechnet werden können.
7 Beschlüsse und Empfehlungen zur Anrechnung beruflicher Lernergebnisse auf das Hochschulstudium (II) KMK-Beschluss vom : - Eröffnet Inhabern beruflicher Aufstiegsfort- und -weiterbildungen (Meister, Techniker, Fachwirte und Inhabern gleich gestellter Abschlüsse) den allgemeinen Hochschulzugang und definiert die Voraussetzungen, unter denen beruflich Qualifizierte ohne Aufstiegsfortbildung den fachgebundenen Zugang zur Hochschule erhalten
8 Die Anreizwirkung der Anrechnung beruflicher Lernergebnisse für lebenslanges Lernen Beispiel: CREDIVOC Projekt Zielgruppe: Der staatlich geprüfte Techniker Ist die Hochschulzugangsberechtigung für den staatlich geprüften Techniker ein Anreiz für die Aufnahme eines Studiums? Befragung von 228 Schülern der Technikerschule Weilburg: 1. Unter der Bedingung der allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung würden etwa 10 Prozent der Befragten nach der Technikerweiterbildung ein Studium aufnehmen 2. Bei einer Anrechnung von 2 Semestern auf ein Fachhochschulstudium sehen jedoch 66% der Befragten ein Studium als attraktiv an, bei den 20 bis 25 Jährigen sind es 74%
9 Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf hochschulische Bildungsgänge ist geboten, um: Flexiblere Übergänge zwischen außerhochschulischer Bildung und Hochschule zu ermöglichen Redundanzen an der Schnittstelle von beruflicher und Hochschulbildung zu vermeiden Anreize für lebenslanges Lernen zu schaffen Bildungswege zu flexibilisieren Bereits vorhandene Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen gerechter als bisher zu berücksichtigen Den Weg zum Hochschulabschluss zu verkürzen Umgekehrte Anrechnung zu erleichtern
10 Anrechnung beruflicher Lernergebnisse II. Ansätze für die Anrechung von Lernergebnissen der beruflichen Bildung auf hochschulische Bildungsgänge
11 Individuelle vs. pauschale Anrechung von Lernergebnissen der beruflichen Bildung auf Hochschulische Bildungsgänge: Informell erworbene Kenntnisse und Kompetenzen Anrechnung Fortbildungsqualifikationen individuell pauschal Portfolio Äquivalenzprüfung Komplexe Aufgabe Anerkennung durch Prüfungsausschuss Quelle: Müskens 2007
12 Grundprinzipien der individuellen Anrechnung Anrechnung erfolgt auf der Basis der Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen eines Antragsstellers/ einer Antragsstellerin unabhängig davon, auf welche Art und Weise diese erworben wurden. Für jedes anzurechnende Modul muss der Antragssteller das Verfahren gesondert durchlaufen. Im Rahmen des Verfahrens wird geprüft, ob der/die Antragsstellende tatsächlich über die erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen verfügt.
13 Individuelle Anrechnung von Lernergebnissen (Ablauf) (optional) Bewerber/in reicht authentische Belege über eigene Tätigkeiten und Lernerfahrungen ein (Portfolio) Bewerber/in bearbeitet die komplexe Aufgabe schriftlich anhand der Studienmaterialien in freier Zeiteinteilung ohne Aufsicht Fachdozent bewertet komplexe Aufgabe anhand von kompetenzorientierten Bewertungsstandards Ggf. Zulassung zu einer oder mehreren Anrechnungsprüfungen (eine Prüfung pro Modul) Bewerber/in erhält Studienmaterialien und eine komplexe Aufgabe zu dem anzurechnenden Modul Bei Erfolg: Vergabe von Kreditpunkten für die geprüften Module (Anrechnung) Quelle: Müskens 2007
14 Anrechnung beruflicher Lernergebnisse III. Pauschale Anrechnung: Äquivalenzvergleich auf Basis des MLI (Uni Oldenburg)
15 Grundprinzipien der pauschalen Anrechnung Jede/r Inhaber/in eines überprüften Fortbildungsabschlusses erhält, ohne an einer Einzelfallprüfung teilnehmen zu müssen, eine bestimmte Anzahl von Kreditpunkten angerechnet. Hochschule (und Fortbildungseinrichtungen) überprüfen einmalig, ob in welcher Höhe Kreditpunkte angerechnet werden können (Äquivalenzvergleich). Anschließend wird allen Inhaber/innen des jeweiligen Fortbildungsabschlusses die Anrechnung garantiert.
16 Das Oldenburger Modell der pauschalen Anrechnung Studienmodul (z.b. KLR ) Inhaltsbereiche Fertigkeiten Kenntnisse EQR-Niveau Entwickeltes Instrument: MLI (Module Level Indicator) Bezug auf den europäischen Qualifikationsrahm en (EQR) Äquivalenzvergleich Gutachter stellen fest, inwieweit die Inhaltsbereiche des Studienmoduls in der Fortbildung abgedeckt sind, und ob das Niveau der anzurechnenden Lernergebnisse dem Niveau des Studienmoduls entspricht Fortbildung (z.b. Industriefachwirt) Quelle: Müskens 2007
17 Unterschiede zwischen hochschulischer Bildung und beruflicher Fort- und Weiterbildung (optional) Universitäre Studiengänge Berufliche Aufstiegsfortbildung Lernergebnisse betreffen vorwiegend wissenschaftliche Kompetenzen : Reflexion Analytisches Denken Kritisches Denken Generieren neuer (Forschungs-) Fragen Entwicklung neuer Theorien, Modelle und Instrumente (Forschung) Lernergebnisse sind vorwiegend berufliche Fertigkeiten und Kenntnisse Die erworbenen Kenntnisse sollten unmittelbar in der Praxis verwertbar sein Modelle und Methoden werden nicht in Frage gestellt oder kritisch betrachtet Praktische Berufserfahrung und Fortbildungsinhalte ergänzen einander Kontinuierliche Ausrichtung der Lerninhalte auf die Berufspraxis
18 Die Niveaubestimmung und inhaltliche Prüfung geschieht auf Basis von Lernergebnissen Universitäre Lernergebnisse Klausuraufgaben Klausurbearbeitungen Studienmaterialien Projektpräsentationen Projektportfolios Hausarbeiten Lernergebnisse der beruflichen Fortbildungen Prüfungsaufgaben Prüfungsordnungen Rahmenstoffpläne Textbände/Lehrbücher
19 Berufliche Bildung vs.hochschulbildung Äquivalenzvergleich Fach Kosten- und Leistungsrechnung in der Fortbildung Geprüfte/r Industriefachwirt/in Gleichwertig oder nicht? Modul KLR im Studiengang Business Administration Uni OL Instrument zum Vergleich des Niveaus von Modulen basierend auf Lernergebnissen: Module Level Indicator (MLI) Grundlage: Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR) Quelle: Müskens 2007
20 Module Level Indicator prüft Niveaus Konstruktion Quellen /Grundlagen Eigenschaften Ziele der Entwicklung EQR QR für deutsche Hochschul-Abschlüsse EHEA-Framework Experteninterviews 9 Skalen (bislang) Multiperspektivisch verwendbar: Dozent/innen Fachexpert/innen Absolvent/innen Jede Skala mit 5-10 Items 51 Items beziehen sich auf nachgewiesene Lernergebnisse Differenzierte Beschreibung eines Moduls hinsichtlich multipler Kompetenzdimensionen Testtheoretisch konstruierte zuverlässige Skalen Praktikable Anwendbarkeit auf unterschiedlichste Module unterschiedliche Fachdisziplinen verschiedene Lern-/ und Prüfungsformen Gewichtung der Skalen basierend auf dem EQR Quelle: Müskens 2007
21 Die 9 Skalen des Module Level Indicators Kenntnisse Module Level Indicator Breite und Aktualität Kritisches Verstehen Interdisziplinarität Fertigkeiten Problemlösen Kompetenzen Selbständigkeit Kommunikation Berücksichtigung sozialer und ethischer Fragen Praxisbezug Innovation Quelle: Müskens 2007
22 Skalen des MLIs - Beispielitems (I) Module Level Indicator Kenntnisse Breite und Aktualität Das Modul beinhaltet zumindest einige vertiefte Wissensbestände auf dem aktuellen Stand der Forschung innerhalb des Fachgebietes. Kritisches Verstehen Das Modul vermittelt ein Bewusstsein für die Grenzen der vermittelten Kenntnisse. Interdisziplinarität Das Modul beinhaltet interdisziplinäre Fragestellungen, deren Beantwortung auf Wissen aus unterschiedlichen Fachgebieten basiert. Fertigkeiten Problemlösen Die Lernanforderungen bzw. Prüfungsaufgaben verlangen den umfassenden Einsatz kognitiver oder praktischer Fertigkeiten. Praxisbezug Das Modul vermittelt unmittelbar in der Praxis verwertbare Kenntnisse.
23 Skalen des MLIs - Beispielitems (II) Module Level Indicator Fertigkeiten Innovation Die Lernanforderungen beinhalten die Entwicklung neuer strategischer Ansätze. Kompetenzen Selbständigkeit Die Lernanforderungen verlangen von den Lernenden selbständiges Handeln und Eigeninitiative. Kommunikation Die Lernenden haben demonstriert, dass Sie ihr Verständnis des Fachgebietes gegenüber Mitlernenden kommunizieren können. Berücksichtigung ethischer und sozialer Fragen Die Lernenden bezeugen bei der Lösung von Problemen Rücksichtnahme auf andere und Solidarität mit Betroffenen.
24 MLI-Kompetenzvergleich (KLR vs. KLR) Quelle: Müskens 2007
25 Äquivalenzprüfung: Geprüfte/r Industriefachwirt/in Quelle: Müskens 2007
26 Vergleich Industriefachwirt / Bachelor Business Administration Ergebnisse des auf dem MLI basierenden Niveauvergleichs Es bestehen nachweisbare Niveau-Unterschiede (hinsichtlich EQR) zwischen der beruflichen Fortbildungsqualifikation Industriefachwirt/in und dem Bachelor Business Administration Die Niveau-Unterschiede sind gering. (Zwischen korrespondierenden Gegenstandsbereichen stets <0,5 Niveaustufen.) Es besteht kein Anlass, aufgrund der gefundenen Niveau- Unterschiede die Anrechnung zu verweigern.
27 Äquivalenzprüfung: Geprüfte/r Industriefachwirt/in Industriefachwirt/in Bachelor-Module Pflicht- vs. Wahlpflichtmodul Absatzwirtschaft Steuern Betriebl. Organisation und Unternehmensführung Jahresabschluss, Finanzierung und Arbeitsrecht P x x Bilanzierung P xx xx Kosten- und Leistungsrechnung KLR P xxx xxx Marketing P xxx xxx Unternehmensprozesse P x x x xxx Wirtschaftsprivatrecht P x x Organisation WP x x Personal WP xx xx Steuerlehre WP x x Anrechnung gesamt Materialwirtschaft Personalwirtschaft Produktionswirtschaft Recht
28 Äquivalenzprüfung: Geprüfte/r Industriefachwirt/in Industriefachwirt/in Pflicht- vs. Wahlpflichtmodul Einschätzung Experten Einschätzung IHK-Prüfer/innen Anrechnung Kreditpunkte Bachelor-Module Arbeitsrecht P x n.e. Bilanzierung P xx xxx ja Kosten-/ Leistungsrechnung P xxx xxx ja Marketing P xxx xx ja Unternehmensprozesse P xxx xxx ja Wirtschaftsprivatrecht P x n.e. = 32 KP Organisation WP x n.e. Personal WP xx xx Steuerlehre WP x n.e. 1 Modul kumulativ = 8 KP Anrechnung gesamt 40 KP Quelle: Müskens 2007
29 Verkürzung der Studienzeit durch Anrechnung von Fortbildungsqualifikationen Studium Bachelor Business Administration Studiendauer bei Teilzeitstudium: ca. 8 Semester Industriemeister/in (Metall, Elektro ) 24 KP nach Anrechnung verbleibende Studiendauer (Teilzeit): ca. 7 Semester Anrechnung Geprüfte/r Industriefachwirt/in 40 KP Anrechnung nach Anrechnung verbleibende Studiendauer (Teilzeit): ca. 6 Semester Industriefachwirt/in + Betriebswirt/in (IHK) 40 KP 24 KP Anrechnung nach Anrechnung verbleibende Studiendauer (Teilzeit): ca. 5 Semester Quelle: Müskens
30 Anrechnung beruflicher Lernergebnisse IV. Fazit
31 Pauschale Anrechnung von Lernergebnissen aus der beruflichen Fort- und Weiterbildung - Fazit - Voraussetzung für die Anrechnung ist die Durchführung von wissenschaftlich fundierten Äquivalenzvergleichen Pauschale Anrechnung, die nicht auf Äquivalenzvergleichen basiert, ist unseriös und gefährdet die Qualität und das Profil von Studiengängen. Mit dem Oldenburger Modell der Anrechnung wurde versucht, ein Verfahren des Äquivalenzvergleiches zu entwickeln, das sowohl wissenschaftlich fundiert und qualitätsgesichert, als auch praktikabel durchführbar ist.
32 IV. Aktuelle und geplante Arbeiten Aktuell wird im CREDIVOC Projekt ein Äquivalenzvergleich zwischen dem Weiterbildungsabschluss Staatl. Geprüfter Techniker (Schwerpunkt Konstruktion) der Technikerschule Weilburg und dem Studiengang Maschinenbau an der FH Wiesbaden durchgeführt Geplant ist ein Äquivalenzvergleich zwischen den Weiterbildungsabschluss Staatl. geprüfter Techniker (Schwerpunkt Elektrotechnik) der Technikerschule Bremen und dem Studiengang Elektrotechnik an der Hochschule Bremen
33 Vielen Dank für Ihr Interesse! Arbeitsbereich Weiterbildung und Bildungsmanagement -Universität Oldenburg Information über das CREDIVOC-Projekt ( Transpareny and Mobility through Accreditation of Vocational Learning Outcomes )
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