Kapitel 2 Bahnpolizei 3 BPolG
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- Eva Schmitz
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1 Kapitel 2 Bahnpolizei 3 BPolG 61
2 Kapitel 2 Bahnpolizei 3 BPolG 2.1 Sicherheitsdienst beim Bahnhofsfest Sachverhalt: Die Deutsche Bahn AG feiert an diesem Wochenende das 160-jährige Jubiläum des Hauptbahnhofs München. Am Samstag und Sonntag werden auf der Partymeile vielfache Attraktionen geboten, wie z. B. Eventbands, Akrobatik oder Kinderunterhaltung. Wegen des großen Besucherandrangs ist die Bundespolizei mit mehreren Streifen am Hauptbahnhof eingesetzt. Die Deutsche Bahn AG ist ebenfalls mit zusätzlichen Sicherheitskräften vor Ort, die mit Reizstoffsprühgeräten zur Tierabwehr, Handschellen bzw. mit jeweils einem Tonfa ausgestattet sind. Fraglich ist, ob die Gegenstände, die durch die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes mitgeführt werden, mit den Vorschriften des WaffG vereinbar sind. Lösungsvorschlag: Reizstoffsprühgerät Waffen sind nach 1 II Nr. 2 lit. a WaffG tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen. Die von den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes mitgeführten Reizstoffsprühgeräte sind zur Tierabwehr bestimmt. Damit unterliegen die Reizstoffsprühgeräte nicht dem Waffenbegriff des 1 II Nr. 2 lit. a WaffG. 38 Fraglich ist, ob die Geräte von 1 II Nr. 2 lit. b WaffG erfasst sind. Danach müssten die Gegenstände im Waffengesetz (Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2ff. WaffG) genannt sein. Dies ist nicht der Fall. Folglich ist 1 II Nr. 2 lit. b WaffG ebenfalls nicht einschlägig. Das von den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes der DB AG mitgeführte Reizstoffsprühgerät zur Tierabwehr (sog. Tierabwehrspray) unterliegt nicht dem Waffenbegriff des Waffengesetzes. Insofern ist das vorgesehene Mindestalter von 14 Jahren für Reizstoffsprühgeräte mit amtlichen Prüfzeichen ( BKA im Rhombus 39 oder mit neuer Kennzeichnung PTB im Trapez 40 ), für Reizstoffsprühgeräte zur Tierabwehr nicht anwendbar. Außerdem unterliegen diese Gegenstände nicht dem Verbot des Führens bei öffentlichen Veranstaltungen gem. 42 I WaffG, da es sich um keine Waffen i. S. d. 1 II WaffG handelt. Schließlich stellt der Umgang mit Reizstoffsprühgeräten, die zum Einsatz gegen Tiere bestimmt 38 Siehe hierzu auch den Feststellungsbescheid des BKA hinsichtlich missverständlich gekennzeichneter Reizstoffsprühgeräte vom , Az.: SO Z Rhombus (lateinisch): Raute. 40 Trapez (lateinisch): Viereck mit zwei parallelen, aber ungleich langen Seiten. (In: Internet- Abfrage am um Uhr unter: deutung1). 62
3 2.1 Sicherheitsdienst beim Bahnhofsfest sind, keine Straftat nach 52 III Nr. 9 WaffG dar. Im Ergebnis sind bei dem Reizstoffsprühgerät keine waffenrechtlichen Bestimmungen anwendbar. Handschellen Die mitgeführten Handschellen unterliegen nicht den Bestimmungen des WaffG. Tonfa Der von den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes der DB AG mitgeführte Tonfa ist eine Hieb- und Stoßwaffe nach 1 II Nr. 2 lit. a WaffG. Die Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes üben die tatsächliche Gewalt über den Tonfa außerhalb ihrer eigenen Wohnung, eigener Geschäftsräume, des eigenen befriedeten Besitztums sowie einer Schießstätte aus. Damit führen sie den Tonfa im waffenrechtlichen Sinne ( 1 III i. V. m. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 4 WaffG). Das Führen von Waffen ist Personen generell ab dem 18. Lebensjahr gestattet ( 2 I WaffG). Wer eine Waffe führt, muss seinen Personalausweis oder Pass mit sich führen und Polizeibeamten oder sonst zur Personenkontrolle Befugten auf Verlangen zur Prüfung aushändigen ( 38 Satz 1 WaffG). Ein Verstoß gegen die Mitführ- bzw. Aushändigungspflicht erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gem. 53 I Nr. 20 WaffG. Das Führen des Tonfa ist allerdings gem. 42a I Nr. 2 WaffG grundsätzlich verboten. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes können sich jedoch auf Grund ihrer Tätigkeit (Sicherheitsdienst) und der damit verbundenen höheren berufsspezifischen Gefährdung grundsätzlich auf den Ausnahmetatbestand des 42a II Nr. 3 WaffG berufen. Dieser gestattet das Führen von Hieb- und Stoßwaffen beim Vorliegen eines berechtigten Interesses. Im normalen täglichen Dienst liegt dies vor. Problematisch könnte in dem zu beurteilenden Sachverhalt allerdings sein, dass das Führen von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen nach 42 I WaffG verboten ist. Bei einer öffentlichen Veranstaltung handelt es sich um ein planmäßiges, zeitlich eingegrenztes, aus dem Alltag herausgehobenes Ereignis, das nicht nach Zahl der anwesenden Personen, sondern nach seinem außeralltäglichen Charakter und jeweils spezifischen Zweck vom bloßen gemeinsamen Verweilen an einem Ort abgegrenzt wird und auf einer besonderen Veranlassung beruht sowie ein Ablaufprogramm hat. 41 Das Bahnhofsfest ist als eine öffentliche Veranstaltung anzusehen, bei der es den Teilnehmern grundsätzlich untersagt ist, jegliche Waffen i. S. d. WaffG zu führen. Bei dem Tonfa handelt es sich um eine Waffe i. S. d. 1 II Nr BGH, Beschluss vom StR 44/91. 63
4 Kapitel 2 Bahnpolizei 3 BPolG lit. a WaffG, die nach den Regelungen des 42 I WaffG nicht geführt werden darf. Fraglich ist, ob die Angehörigen des privaten Sicherheitsdienstes der DB AG an der öffentlichen Veranstaltung teilnehmen ( 42 I WaffG). Teilnahme ist nach der Rechtsprechung des BGH gleichzusetzen mit Erscheinen, Anwesendsein. 42 Teilnehmer sind nicht nur Besucher und Gäste, sondern auch der Veranstalter und Personen, wie Beschäftigte des Sicherheitsunternehmens. Auch diese sind unter den Begriff zu subsumieren. Die Auffassung, dass Angehörige eines privaten Sicherheitsdienstes nicht als Teilnehmer anzusehen sind, trifft nicht zu. 43 Auch die Beschäftigten des privaten Sicherheitsdienstes der DB AG sind im Ergebnis als Teilnehmer i. S. d. 42 I WaffG anzusehen. Weiterhin ist ein bestimmter Teilnahmewille vorauszusetzen, so dass zufällige kurze Berührungspunkte mit der öffentlichen Veranstaltung nicht hierunter fallen (z. B. Reisender durchquert den Bahnhof, um den Zug zu erreichen). 44 Die Angehörigen des Sicherheitsdienstes sind bei dem Fest als Streife eingesetzt und bleiben längere Zeit bei der Veranstaltung. Sie wollen an den Feierlichkeiten teilnehmen (= Teilnahmewille). Das Führen des Tonfa ist zulässig, wenn eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Waffenbehörde nach 42 II WaffG vorliegt. Der Ausnahmebescheid ist mitzuführen und auf Verlangen Polizeibeamten zur Prüfung auszuhändigen ( 42 III WaffG). Sollten die Angehörigen des privaten Sicherheitsdienstes den Tonfa ohne Ausnahmebescheid führen, könnte der Tatbestand einer Straftat nach 52 III Nr. 9 WaffG erfüllt sein. Diese Rechtslage ändert sich selbst unter Berücksichtigung des Ausnahmetatbestandes des 42a II Nr. 3 WaffG nicht. Die spezielle Regelung des 42 I WaffG 45 hat Anwendungsvorrang vor der allgemeinen Regelung des 42a II Nr. 3 WaffG. 46 Insoweit wird der Ausnahmetatbestand des 42a II Nr. 3 WaffG durch das Verbot des Führens gem. 42 I WaffG verdrängt BGH, NJW 1991, Vgl. VG Würzburg, Urteil vom W 6 K , unter Verweis auf BGH, NJW 1991, 2715; Gade/Stoppa, 42, Rn. 11; Steindorf/Heinrich/Papsthart, 42, Rn Vgl. Gade/Stoppa, 42, Rn. 11; Gade/Beck, S I WaffG: Wer an öffentlichen Vergnügungen, Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen teilnimmt, darf keine Waffen im Sinne des 1 II WaffG führen a WaffG: Verbot des Führens von Anscheinswaffen und bestimmten tragbaren Gegenständen. 47 Dies wird auch aus der Formulierung des 42a II 2 WaffG deutlich: Weitergehende Regelungen bleiben unberührt. 64
5 2.1 Sicherheitsdienst beim Bahnhofsfest Checkliste: Reizstoffsprühgerät zur Tierabwehr = kein Verstoß gegen das WaffG, da dieses nicht dem WaffG unterfällt Handschellen = kein Verstoß gegen das WaffG Tonfa = Hieb-/Stoßwaffe nach 1 II Nr. 2 lit. a WaffG Führen des Tonfa = grundsätzlich verboten Waffenbehörde kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des 42 II WaffG das Führen von Waffen durch Ausnahmegenehmigung zulassen Führen des Tonfa bei öffentlichen Veranstaltungen ohne Ausnahmegenehmigung und gesetzliche Ausnahme nach 42 IV WaffG = Straftat gem. 52 III Nr. 9 WaffG 65
6 Kapitel 2 Bahnpolizei 3 BPolG 2.2 Waffenverbot im Einzelfall Sachverhalt Heute spielt der VfB Stuttgart gegen den SC Freiburg. Zu diesem Spiel in der ersten Bundesliga reisen etwa 500 Fans des SC Freiburg mit verschiedenen Zügen der Deutschen Bahn AG zum Spiel nach Stuttgart. Das Verhältnis zwischen beiden Fanlagern wird als feindlich eingestuft. Eine Hundertschaft der BPOLABT Bayreuth ist aus diesem Grunde am Hauptbahnhof in Stuttgart zur Überwachung der An- und Abreise der Fans eingesetzt. Vor fünf Minuten ist der Zug aus Freiburg mit etwa 200 Fans des SC Freiburg angekommen. Nach Aussagen des zuständigen Fankundigen Beamten sind auch ca. 10 Fans der National Born Ultras angereist, die der Fankategorie 48 B oder C zugerechnet werden können. Der FKB weist die Beamten darauf hin, dass durch diese Fans gelegentlich pyrotechnische Gegenstände in der Anonymität abgebrannt werden. Bundespolizisten stellen die Identität der Personen fest und durchsuchen sie. Bei einer Person finden die Beamten in der linken Hosentasche ein Reizstoffsprühgerät: Abbildung 4: Reizstoffsprühgerät Der 20-Jährige händigt den Beamten einen Bundespersonalausweis aus. Eine INPOL-Abfrage ergibt, dass die zuständige Behörde ein Waffen- und Munitionsbesitzverbot gegen den jungen Mann erlassen hat. Der Bescheid ist seit dem 2. Mai 2012 rechtskräftig. 48 Die Polizei teilt die Fans nach dem Kriterium Tendenz zu Gewalttätigkeit in drei Kategorien ein. Kategorie A = normaler Fan Kategorie B = bedingt gewaltbereit Kategorie C = gewaltbereit, suchen Auseinandersetzungen. In: Internet-Abfrage am um Uhr unter: nav/9a8/broker.jsp?umen=9a8509c6-071a-9001-be a525fe06&ucon=9d92311b b94-615af5711f80&ubasvariantcon= &utem= 21b b3-a001-be a525fe06. Autoren: Denzer/Fischer; Herausgeber: Polizeipräsidium Kaiserslautern, Pressestelle; Aktualisierungsdatum: /dw. 66
7 2.2 Waffenverbot im Einzelfall Lösungsvorschlag: Der aufgefundene Gegenstand ist ein Reizstoffsprühgerät mit amtlichem Prüfzeichen (BKA im Rhombus). Dieses ist gem. 1 II Nr. 2 lit. a i. V. m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr WaffG eine Waffe i. S. d. WaffG. Die Person führt das Reizstoffsprühgerät im waffenrechtlichen Sinne, da die tatsächliche Gewalt am Bahnhof ausgeübt wird. Das Führen impliziert den Besitz und den Umgang mit der Waffe. Dem jungen Mann ist der Umgang in Form des Führens und Besitzes gestattet, da er das 14. Lebensjahr vollendet hat ( 3 II WaffG). Wer eine Waffe führt, muss seinen Personalausweis oder Pass mit sich führen und Polizeibeamten oder sonst zur Personenkontrolle Befugten auf Verlangen zur Prüfung aushändigen ( 38 Satz 1 WaffG). Diese Mitführpflicht hat der Mann eingehalten. Die Person befindet sich offensichtlich auf dem Weg zum Fußballspiel, das eine öffentliche Veranstaltung i. S. d. 42 I WaffG ist. Es könnte deshalb eine Straftat nach 52 III Nr. 9 WaffG vorliegen. 42 I WaffG erfasst aber nur die Teilnahme an einer solchen öffentlichen Veranstaltung. Die Teilnahme setzt voraus, dass sich die Person am Ort der stattfindenden/begonnenen Veranstaltung aufhalten müsste. Der 20-Jährige befindet sich aber noch am Hauptbahnhof in Stuttgart, also auf dem Weg dorthin. Der Weg zu einer öffentlichen Veranstaltung ist vom Schutzbereich des 42 I WaffG nicht erfasst. 49 Der Fan ist auf dem Weg zum Fußballspiel. Dies könnte als unmittelbares Ansetzen zur Tat angesehen werden; infolgedessen könnte ein strafbarer Versuch i. S. d. 22 StGB vorliegen. Auch wenn dieses Verhalten als unmittelbares Ansetzen zur Tatausführung und nicht als straflose Vorbereitungshandlung angesehen werden sollte, ist der Versuch nicht strafbar. Der Versuch eines Vergehens ist nur strafbar, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt ( 23 I StGB). Beim Straftatbestand des 52 III Nr. 9 WaffG handelt es sich um ein Vergehen, dessen Versuch nicht unter Strafe gestellt ist. Die in 52 II WaffG geregelte Strafbarkeit des Versuchs bezieht sich nur auf Straftaten des 52 I WaffG. 50 Damit liegt keine Straftat nach 52 III Nr. 9 WaffG vor. Das Ergebnis der INPOL-Abfrage könnte allerdings rechtlich bedeutsam sein. Die INPOL-Ausschreibung enthält einen Vermerk, der auf ein Waffenund Munitionsbesitzverbot hinweist. Deshalb könnte der Verdacht einer Straftat nach 52 III Nr. 8 WaffG bestehen. 49 Vgl. LG Bad Kreuznach, Urteil vom Js 9071/00 Cs Ns. 50 Gade/Stoppa, 52, Rn. 36; Steindorf/Heinrich/Papsthart, 52, Rn
8 Kapitel 2 Bahnpolizei 3 BPolG Voraussetzung ist, dass der junge Mann einer vollziehbaren Anordnung nach 41 I 1 WaffG zuwiderhandelt. Das im INPOL eingetragene Waffenund Munitionsbesitzverbot ist eine solche Anordnung nach 41 I 1 WaffG. Das Waffen- und Munitionsbesitzverbot bezieht sich auch auf erlaubnisfrei zu erwerbende Waffen, wie das Reizstoffsprühgerät mit amtlichen Prüfzeichen. Der Verwaltungsakt der Anordnung muss vollziehbar sein. Vollziehbar ist ein Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar, d. h. wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist. Der Bescheid ist nach dem Eintrag seit 2. Mai 2012 bestandskräftig und deshalb unanfechtbar. Im Ergebnis hat sich der Fan gem. 52 III Nr. 8 WaffG strafbar gemacht. Checkliste: Reizstoffsprühgerät (mit Prüfzeichen) = Waffe i. S. d. WaffG Führen einer Waffe Verbot des Führens von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen (( 42 I WaffG, u. a. Sportveranstaltungen)/Versuch nicht strafbar) Verstoß gegen ein Waffen- oder Munitionsbesitzverbot = Straftat gem. 52 III Nr. 8 WaffG 68
9 2.3 Die Veröffentlichung in YouTube 2.3 Die Veröffentlichung in YouTube Sachverhalt: Ein Einsatzzug einer BPOLABT hat anlässlich eines Fußballspiels den Auftrag, den Entlastungszug RE 3423 von Frankfurt nach Stuttgart zu begleiten. Fünf Fans wollen soeben in den Zug einsteigen. Sie sind offensichtlich der Kategorie B zuzuordnen. Die Gruppenführerin entschließt sich, die Identität bei den fünf Personen festzustellen sowie die mitgeführten Rucksäcke zu durchsuchen. Einer der Fans filmt die Polizeivollzugsbeamten während der polizeilichen Maßnahmen mit seinem Handy. Am nächsten Morgen ist die Szene im Internet unter YouTube eingestellt und die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten sind eindeutig erkennbar. Die Beamten fragen sich nun, was sie gegen die Veröffentlichung im Internet tun können. Lösungsvorschlag: Grundsätzlich ist es möglich, dass Polizeivollzugsbeamte fotografiert werden können, weil sie im Einsatz als relative Personen der Zeitgeschichte gelten. Auf der einen Seite steht ihnen das Recht am eigenen Bild als allgemeines Persönlichkeitsrecht zu. Auf der anderen Seite ist das Persönlichkeitsrecht auch nach dem Kunsturhebergesetz geschützt. Das KunstUrhG schützt grundsätzlich vor einem Verbreiten und einer öffentlichen Zurschaustellung von Bildern und Bildnissen ohne Einwilligung der abgebildeten Person ( 22 KunstUrhG). Ausnahmen ergeben sich aus den 23, 24 KunstUrhG. Das KunstUrhG erfüllt den in Art. 2 II GG für Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht geforderten Gesetzesvorbehalt und bildet zugleich eine Schranke für die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit gem. Art. 5 II GG. 23 I KunstUrhG enthält einen Katalog von Ausnahmetatbeständen (Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte; Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient), der abschließend regelt, wann es keiner Zustimmung bedarf. Polizeivollzugsbeamte hätten in diesen Fällen keine Eingriffs- bzw. Abwehrrechte. 23 II KunstUrhG nennt die Voraussetzungen, wann eine Verbreitung dennoch zu unterbleiben hat. Danach erstreckt sich die Befugnis nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse der abgebildeten Personen oder, falls diese verstorben sind, der Angehörigen verletzt wird. Die Beweislast liegt allerdings beim Abgebildeten. 69
10 Kapitel 2 Bahnpolizei 3 BPolG 23 I Nr. 1 KunstUrhG Personen aus der Zeitgeschichte: 51 Absolute Personen der Zeitgeschichte: Dies sind Personen, die unabhängig von Einzelereignissen im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen, aufgrund ihrer Leistung oder Stellung in der Gesellschaft, z. B.: Schauspieler, Sportler, Politiker. Relative Personen der Zeitgeschichte: Personen, die ausschließlich im Zusammenhang mit einem bestimmten Ereignis oder Vorgang Bedeutung erlangt haben und deshalb für eine bestimmte Zeit öffentliches Interesse an ihrer Person entstanden ist. Somit dürfen sie nur im Zusammenhang mit Berichten über das sie bekannt machende Ereignis in der Presse abgebildet werden. Polizeivollzugsbeamte Relative Personen der Zeitgeschichte? Für 23 I Nr. 1 KunstUrhG reichen auch weniger bedeutsame Ereignisse aus, die sich aber aus dem normalen Tagesgeschehen herausheben und die Gesellschaft betreffen, z. B.: Hoheitliches Handeln im Einsatz bei Fußballspielen gewalttätige Demonstrationen Räumung von besetzten Häusern etc. Nicht nur Beteiligte, sondern auch einschreitende PVB können somit zu relativen Personen der Zeitgeschichte werden. Eine Ablichtung im Zusammenhang mit dem Ereignis ist somit möglich. Die Abbildung der Person muss sich der gesamten Darstellung unterordnen Eine Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte verwirft die Rechtsprechung seit geraumer Zeit. Vielmehr wird regelmäßig eine Rechtsgüterabwägung zwischen den betroffenen Rechten der einzelnen Parteien bzw. eine Abwägung zwischen dem allgemeinem Persönlichkeitsrecht und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorgenommen. So entschied das BVerwG (vgl. BVerwG, Urteil vom C 12/11 [VGH Mannheim]), dass das durch den Kommandoführer eines Spezialeinsatzkommandos ausgesprochene Fotografierverbot eines Einsatzes mangels Erforderlichkeit unzulässig gewesen sei. Man könne nicht grundsätzlich Rechtsuntreue des Pressevertreters vermuten, sondern müsse mangels anderer Erkenntnisse darauf vertrauen, dass die PVB bei der Veröffentlichung der Fotos nicht zu erkennen seien. 52 Ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, muss unter Bezug auf die dargestellte Person (ihren Bekanntheitsgrad, Stellung in der Gesellschaft etc.) und unter Berücksichtigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit nach dem Verständnis des Durchschnittspublikums beantwortet werden (BVerfG, NJW 2000, 1026 E. Wepper). So werden Personen als Personen der Zeitgeschichte angesehen, die aus der Masse der Mitmenschen herausragen und deswegen dauerhaft im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Die Rechtsprechung hat dies bei Politikern (Willy Brandt), Sportlern (Boris Becker, Franz Beckenbauer), Schauspielern (Joachim Fuchsberger, E. Wepper), Musikern (Bob Dylan) und Adeligen (Caroline von Monaco) angenommen. Vgl. in der genannten Reihenfolge BGH, ZUM 1996, 240,
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