Ulrich Mössner. Das Ende der Gier. Nachhaltige Marktwirtschaft statt Turbokapitalismus
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- Lena Walter
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1 Ulrich Mössner Das Ende der Gier Nachhaltige Marktwirtschaft statt Turbokapitalismus
2 öffentlichen Haushalte durch die Beseitigung der Krisenfolgen dramatisch angestiegen und kann, wie die Euro-Krise und die ständig wieder aufflackernden Anleiheprobleme klammer Euro-Staaten gezeigt haben, selbst zum Krisenauslöser werden. Denn die Auswirkungen der Wirtschaftskrise führten nur deshalb nicht in die vorhergesagte Katastrophe, weil die internationale Staatengemeinschaft den Brand durch einen Geldteppich riesigen Ausmaßes ausgetreten hat: durch Bankenschutzschirme und Konjunkturprogramme in Billionenhöhe beides unterlegt mit Steuergeldern, die sich in keinem Finanzplan fanden. Dies wurde erkauft durch den größten Anstieg der Staatsschulden in Friedenszeiten. Viele Staaten sind mittlerweile heillos verschuldet. In Europa wären Griechenland, Irland und Portugal praktisch schon bankrott, wenn sie nicht vom Euro-Schutzschirm alimentiert würden. Andere Staaten, so ist zu befürchten, werden folgen. Hierdurch sahen sich die Länder der Euro-Zone (zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF)) gezwungen, zusätzlich zu den bereits genannten Bankenschutzschirmen und Konjunkturprogrammen in Billionenhöhe, nochmals ein Euro-Paket in Summe von 750 Milliarden Euro zu garantieren. Zwar ist dies primär ein finanzielles Hilfspaket für die angeschlagenen Staaten der Euro-Zone, aber im Grunde genommen dient auch dieses zur Abdeckung von Krediten von Banken und Versicherungen ist also eigentlich ein zweites europäisches Bankenrettungsprogramm. Allein deutsche Institute besitzen Staatsanleihen und andere Forderungen gegenüber Griechenland, Irland, Portugal und Spanien in Höhe von über 500 Milliarden Euro. Eine gewaltige Summe! Der Euro-Rettungsschirm brachte zwar dem Euro etwas Ruhe, doch die Schulden- und Zinsproblematik der peripheren Euroländer konnten damit nicht gelöst werden. Seit es ihn gibt, wird neben einer Umschuldung für Griechenland beziehungsweise Portugal unablässig über seine Erhöhung und Perpetuierung diskutiert. Wo soll das noch hinführen? Mit dem fortwährenden Zur- Verfügung-Stellen von Staatsgeldern gegen Schulden lässt sich das Problem auf Dauer sicher nicht lösen! Viele europäische Staaten sind schon heillos überschuldet: Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Belgien und Italien innerhalb der Euro-Zone; Großbritannien, Ungarn und Lettland außerhalb. Schon jetzt stehen auch die finanziell besser situierten Euro-Staaten angesichts der bereits auf- 18 Einführung
3 gehäuften Staatsschulden mit dem Rücken zur Wand. Und auch die wirtschaftlichen Großgewichte USA und Japan stecken tief im Schuldensumpf. Die internationale Staatengemeinschaft wäre nicht mehr in der Lage, einer weiteren Krise mit einem ähnlichen finanziellen Kraftakt zu begegnen. Unbeeindruckt davon kurbeln die USA schon wieder den Immobilienmarkt»auf Pump«an. Dies war, wie noch ausgeführt wird, eine der wesentlichen Ursachen der Finanzkrise. Nach einem Bericht der ZEIT (vom ) werden dort offenbar mit staatlicher Duldung wieder wie vor der Krise Hypothekenkredite praktisch ohne Eigenkapital ausgegeben und von den öffentlich-rechtlichen Hypothekeninstituten Fannie Mae und Freddie Mac gedeckt. Diese beiden Institute wurden genau durch diese Praxis 2008 illiquide und mussten von der US-Regierung unter Einschuss von 127 Milliarden US-Dollar verstaatlicht werden. Die beiden Institute haben bereits Schulden von Milliarden US-Dollar angehäuft; das entspricht immerhin der Höhe des amerikanischen Rekord- Haushaltsdefizits vom vergangenen Jahr! Und es werden täglich mehr. Kein Wunder, dass Fannie Mae 2011 schon wieder Staatshilfe benötigte. Letztlich bürgt dafür jetzt direkt der amerikanische Steuerzahler. Diese staatlich sanktionierten Kredite werden dann was denn sonst? gebündelt und an Investoren in aller Welt vertrieben. Die Summen sind bereits wieder gigantisch. Es fällt schwer, das zu glauben, denn genau so nahm die Finanzkrise ihren Ausgang (vergleiche hierzu Kapitel II.1). Und so wird die nächste Krise mutwillig provoziert. Man kann ja Verständnis dafür haben, dass die US-Regierung den eingebrochenen Immobilienmarkt wieder beleben will. Es darf auch jeder Fehler machen. Aber doch nicht den gleichen Fehler zwei Mal, und noch dazu so kurz hintereinander! Auch in China scheint sich mittlerweile eine gewaltige Immobilienblase zu entwickeln. Lernt die Welt denn nie dazu? Wir Bürger haben dem unglaublichen Treiben der Banker vor und nach der Krise ohnmächtig und hilflos zugeschaut und sind nun auch erstaunlich lethargisch angesichts der zögerlichen und unzureichenden Reformbemühungen der Politik. Froh, dass es doch nicht so schlimm gekommen ist, wie uns alle angedroht hatten. Wir können bei unserer Bank problemlos Geld abheben, die Wirtschaft wächst schon wieder und die Arbeitslosenzahlen sind nicht explodiert, sondern gehen sogar zurück. Also alles halb so wild? Die Krise ist vorbei doch wie lange? 19
4 Nein, denn wenn das bestehende Wirtschafts- und Finanzsystem nicht grundlegend reformiert wird, wird die nächste Krise nicht lange auf sich warten lassen und die wird dann voraussichtlich noch deutlich schlimmer ausfallen, weil durch die bereits angehäuften Staatsschulden die Reaktionsmöglichkeiten der Staaten mittlerweile immens eingeschränkt sind! Zu dieser Vorhersage bedarf es keiner prophetischen Gabe und sie hat auch nichts mit Pessimismus zu tun, sondern mit schlichtem Realitätssinn. Denn die Ursachen der Krise sind noch keineswegs beseitigt. Ein Kurieren an Symptomen im Finanzmarkt reicht keinesfalls aus. Wer Augen hat zu sehen, der kann aus der Krise lernen, dass die Grundlagen des bestehenden neoliberalen Wirtschaftssystems marode sind. Es ist zu einseitig auf Gewinnmaximierung fixiert, zu kurzfristig orientiert, und deshalb auch zu risikoanfällig, zu stark auf Wachstum»auf Pump«ausgerichtet und damit auch blind gegenüber exorbitant steigender Staatsverschuldung, Ressourcenverschwendung und Umweltzerstörung. Wir sind noch mitten drin im krisenanfälligen neoliberalen Kapitalismus, der uns mit der Asienkrise 1998, der geplatzten Internetblase 2000, der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und der kurz darauf folgenden Euro-Krise vier große Krisen in nur zwölf Jahren produziert hat und durch seinen ungebrochenen Wachstumswahn eine Umweltkrise ungeahnten Ausmaßes generiert. Eines ist jedoch klar und das sollten wir uns vor Augen führen: Ausbaden müssen die damit verursachten Probleme wir alle. Hier wurden und werden unser Erspartes und unsere Steuergelder verzockt und unsere Rente und Sozialleistungen aufs Spiel gesetzt. Wer soll die immensen Staatsschulden abtragen, wenn nicht wir und unsere Kinder? Euro Schulden sind es in Deutschland schon pro Kopf der Bevölkerung Kinder, Arbeitslose und Rentner eingerechnet. Und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Trotz des sogenannten Sparpakets kommen in den nächsten fünf Jahren nochmals über 150 Milliarden Euro an Staatsschulden hinzu! Jedem, der meint, diese Probleme gingen ihn nichts an, seien die Sparprogramme von Griechenland, Portugal, Spanien oder Lettland zur Lektüre empfohlen: Zahlen muss es am Ende die Masse der Bevölkerung, die zum größten Teil keine Schuld hatte an der Finanzmisere. Durch Lohn- und Rentenkürzungen, durch Steuer-Erhöhungen, Subventionskürzungen, Erhöhung von Gebühren und Einschränkung von öffentlichen Leistungen. In eine ähnliche 20 Einführung
5 Richtung weist ja auch bereits das kleine Sparpaket in Deutschland. Dazu kommt mit ziemlicher Sicherheit mittelfristig zumindest eine schleichende Inflation, weil diese die Staatsschulden verringert. Und die trifft wiederum alle. Neben dieser Wirtschaftskrise überfordert unser Wirtschaftssystem durch Ressourcenverschwendung, Umweltverschmutzung und Treibhausgas-Emissionen die Umwelt über alle Maßen. Hierdurch treiben wir geradewegs auf eine Umwelt- oder Klimakrise zu. Wie uns diese treffen wird, das lässt sich heute nur dunkel erahnen, aber wir laufen blind hinein. Wollen wir das wirklich? Wenn nicht, dann sollten wir, auch als (nicht sachverständige) Bürger, uns des leider meist als komplex und spröde empfundenen Themas Wirtschaft annehmen und Druck auf die Politik machen, dass endlich etwas Grundlegendes passiert. Wir dürfen uns nicht einlullen lassen vom jetzigen Wachstum der Wirtschaft. Das könnte sehr kurzfristig sein oder uns weiter in eine Wachstums- und Umweltkrise treiben. Es ist höchste Zeit zu handeln, wenn wir die nächste Krise noch verhindern wollen. Noch hätten wir die Chance dazu. Und das einzig Gute an dieser Krise ist, dass sie uns ihre Ursachen so glasklar offenbart hat. Wir müssen nur willens sein, sie zu analysieren und dann vor allem die Systemfehler abzustellen. Was wir dringend brauchen, ist nicht ein Kurieren an Symptomen, sondern eine tiefgreifende Reform des bestehenden neoliberalen hin zu einem nachhaltigeren Wirtschafts- und Finanzsystem. Die Krise ist vorbei doch wie lange? 21
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